Table Of ContentDie
Materialwirtschaft
Ihre Anwendung und Auswirkung in der
Maschinen und Geräte bauenden Industrie
Von
M.H.Bauer
Mit 60 Abbildungen
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
1949
Alle Rechte, Insbesondere das der Übersetzung
in fremde Sprachen, vorbehalten
Copyright 1949 by Springer-Verlag Berlin Heidelberg
ISBN 978-3-540-01366-2 ISBN 978-3-662-11511-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-11511-4
Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag OHG., Berlin/Göttingen/Heidelberg 1949
Gedruckt m der Gallus-Druckerei KG, Berlin-Charlottenburg, Gutenbergstr. 3
Vorwort
Das Material ist eines der wichtigsten Mittel zur Herstellung von
technischen Gütern. Ohne Material ist kein Beginn und kein Ende einer
Fertigung, kein Handel möglich.
Der Inhalt dieses Buches soll auf die Möglichkeiten hinweisen,
durch eine intensive Materialwirtschaft zu einem kleineren Aufwand
bei einer größeren Aus bringung von Gegenständen, also zu einer grö
ßeren Leistung zu kommen, und die Möglichkeiten dafür behandeln,
die wohl seit langem mehr oder weniger bekannt, aber noch lange nicht
in vollem Maße ausgenützt sind. . Die Tatsache, daß die brauchbare
Menge eines großen Teils der am häufigsten verwendeten Stoffe auf
unserer Erde nur in einem beschränkten Umfange vorhanden ist, nicht
nachwächst und an einem wenn auch noch weit vor uns liegenden
Tage restlos verbraucht sein wird, scheint der allgemeinen Überlegung
noch wenig zugänglich zu· sein.
Bereits im Jahre 1921 begann in den USA. unter Hoover der Feld
zug gegen die industrielle Vergeudung. Im Jahre 1926 wurde in Deutsch
land unter dem Kampfruf: "Verlustquellen in der Industrie bekämpfen"
versucht, das Gewissen der Ingenieure wachzurütteln und ihnen die
Mittel zu zeigen, durch die besonders die Materialvergeudung vermindert
werden kann. Es gab im Jahre 1934 in Deutschland einen "100-Tage.
Kampf" gegen diese Vergeudung, der manchen Erfolg gezeitigt hat,
unter der Überzeugung, daß der Kampf gegen die Materialvergeudung
zugleich ein solcher um die bessere Zukunft der Nation ist. Dieser Über
zeugung ist damals und bis in die neuere Zeit hinein in der deutschen
Industrie nicht die volle Ausnützung aller Möglichkeiten gefolgt. Viel
leicht ist es die im Durchschnitt ungenügende Kenntnis des relativ ge
ringen Ausnutzungsgrades des Materials bei den Ingenieuren und ihre
aus dieser Unkenntnis oder aus anderen Gründen entstandene nicht
ausreichende Anstrengung zur Steigerung dieses Grades, die veranlaßt
haben, daß jährlich Tausende Tonnen Material, Millionen Arbeitsstunden
der Menschen und Kilowattstunden elektrischer Energie bei der Er
zeugung von Gütern nutzlos vertan worden sind.
Ich hoffe, durch· den Inhalt dieses Buches an der Minderung dieser
Vergendung beitragen zu können. Er ist nach jahrelanger Vorarbeit
entstanden und erhebt nicht den Anspruch auf VoTiständigkeit der
IV Vorwort
Behandlung des Gegenstandes. Er soll in erster Linie zur Betrachtung
der Dinge anregen, wie sie in Wirklichkeit sind, und der Materialwb.'t
schaft die Beachtung zu schaffen helfen, die sie mit Recht verdient.
Ihre nebensächliche Behandlung muß schwerwiegende Folgen für die
Wirtschaft auslösen. Das hat die Erfahrung besonders in den letzten
hinter uns liegenden Jahren mehr als einmal gelehrt.
Alle Ingenieure bei den Auftraggebern, in den Konstruktionsbüros,
in den Fertigungsstätten und an den Orten der späteren Anwendung
der von der Industrie geschaffenen Gegenstände müssen zur dauernden
Mitarbeit an der Bekämpfung der Materialvergeudung durch eine ratio
nelle Materialwirtschaft gebracht werden. Das ist das höchste Gebot
der Stunde!
Die in dem Buche angegebenen Zahlen betreffen in der Hauptsache
die Erzeugung und Verwendung der Metalle1 und nur im geringen Um
fange die der Nichtmetalle. Daraus darf aber nicht geschlossen werden,
daß bei diesen keine zu bekämpfende Materialvergeudung stattfindet.
Die Zahlenangaben verdanke ich zu einem Teile den Firmen und Wirt
schaftsverhänden der deutschen Industrie. ·Diese Angaben stellen viel
fach Grenzwerte dar, .da die zur Verfügung ge&tellten Mittelwerte stark
schwankten, und sollen in der HauptEache als Richtwerte einen Begriff
von der Größenordnung der Zahlen vermitteln. Sie entsprechen etwa
dem Stande der Technik zur Zeit der Beendigung der Abfassung des
Inhaltes dieses Buches, dessen Herausgabe durch die Zeitverhältniss~
leider sehr verzögert worden ist.
Ich verfehle nicht, dem Springer-Verlag für sein verständnisvolles
Eingehen auf meine Wünsche und für die sorgfältige Drucklegung des
Buches unter den durch die Zeitereignisse sehr erschwerten Bedin
gungen allerbestens zu danken.
München, im April 1945.
M. H. Bauer.
1) Zu den Metallen zählen nach der Deutschen Industrie-Norm (DIN) Eisen,
Stahl, Kupfer, Blei und andere Schwermetalle, ferner die Leicht-und Edelmetalle.
Diese Norm wird von manchen Stellen nicht beachtet, die daher immer noch
Eisen und Metall nebeneinander nennen.
Inhaltsverzeichnis
Seite
I. Einleitung .••• 1
Das Materialproblem 1
Abwegige Begriffe • 2
II. Was ist Material? 6
Begriffe • • .. 6
Rohstoffe ••.•.. 11
Werkstoffe .••.•• 14
Angaben. der Werkstoffleistungen 15
Halbzeuge und Rohlinge 16
III. Materialordnung ... 18
Gegenstände des Ordnens . . 18
Forderungen an die Ordnung 19
Materia.lbezeichnung . • . . 22
Werkstoffe. , . . . . . • 22
Halbzeuge und Normteile. 31
Sonderteile • . . . • . • 34
IV. Materialmengenermittlung 37
Gegenstände der Ermittlung .. 37
Menge~einheiten . . . . . . . 37
Ziffernanzahl bei Mengenangaben 39
Halbzeug- und Rohlingsmenge. 39
Werkstoffmenge •.••••.• 40
Rohr;toffmenge . . . . • . . . . 41
Ermittlung der Menge im fertigen Gegenstand· 43
Ermittlung der Menge im Rohling und Rohteil . 44
Ermittlung der Einsatzmenge 45
Trennzugabe . . . • 46
Bearbeitungszugabe. 49
Verbindungszugabe . 55
Sonderzugabe • • . 56
Materialmenge zur Einzelteilfertigung. 59
Materialmehrbedarf infolge besonderer EreigniBBe 60
Gesamtmaterialmenge . . . . . • . • . . • . 62
Ermittlung der Einsatzmenge der Werkstoffe • 63
Ermittlung der Einsatzmenge der Grundstoffe 67
VI Inhaltsvetzeichnis
Seite
Mengenüberschlag . . . . ·• 68
Art der Richtwerte . . . . 68
Geeamtmaterialgewicht und Fertiggewicht 69
Gewichtsanteil der einzelnen Werkstoffarten 70
Gewichtsanteil der einzelnen Halbzeug- und Rohlingsarten • 71
V. Materialherstellkosten . . . . . . . . . . . . . . . • 72
Zusammensetzung der Materialkosten. . . . . . . . . . . . 72
Einfluß der Werkstoff., Halbzeug- und Rohlingsart auf deren Herstell-
kosten. . . . . . . . • 75
Zusätzliche Materialkosten. ~
Gesamtmaterialkosten. • . 86
VI. Materialverluste bei der Erzeugung 89
Einleitung . . . . . . . . . • 89
Materialausnützungsgrad . . • . . • • . 90
Verluste durch MaterialmängeL . . . . . 92
Verluste bei der Gewinnung der Grund- und Werkstoffe 92
Verluste bei der Herstellung der Halbzeuge. • . . . . 94
Verluste bei der Herstellung der gegossenen Rohlinge . 95
Verluste bei der Herstellung der geschmiedeten und im Gesenk
gepreßten Rohlinge . . . . . . . • • 95
Verluste durch konstruktive Maßnahmen • 96
Gestaltung und Materialmengenaufwand 97
Unrichtige Werkstoffwahl . . . . . . . 100
Guß- und Gesenkschmiede- und Gesenkpreßteile 101
Beschränkung der Vielfältigkeit des Materials • 103
Einfluß der Normung. . • . • . . • 105
Aufteilen und Verbinden • • . . . . 107
Nicht gerechtfertigte Güteforderungen 109
Mangelhafte Bauunterlagen . 111
Konstruktionsänderungen . . 112
Verluste durch Fertigungsfehler 113
Allgemeines . . . . . . . . 113
Allgemeine Maßnahmen zur Verlustminderung in der Werkstatt 114
Materialverluste beim Gießen . . 114
Materialverluste beim Schmieden 117
Materialverluste durch Trennen . 119
Materialverluste durch Zerspanen .. 119
Materialverluste bei der Blechverformung . 123
Verluste beim Zusammenbau . . . . 128
Abfallverwendung . . . . . . . . . 131
Verluste durch ·Fertigungsmittelschäden. 131
Allgemeines . . . . . . . . . . 131
Verluste an Werkzeugmaschinen . 132
Verluste an Werkzeugen . . . • 133
Inhaltsverzeichnis VII
Seite
Durch sonstige Ursachen entstehende Verluste 138
Änderung des Fertigungsvorhabens. • • • • . 138
Materialprüf9ng . . • • , . . . . • • • • . 138
Fertigung nach unreifen Konstruktionen und ungenügender Arbeits-
vorbereitung • . • • • • • . . • . • . . 140
Fertigung gleicher Gegenstände an mehreren Stellen. 141
Terminverzögerungen . 141
Lagerverluste. • . • • • • • • • 141
Einkaufsfehler • • . . , . . • • 145
VII. Materialverluste im Betriebe • 143
Wirtschaftlich tragbare Verluste • 148
Verluste durch Abnutzung 145
Verluste durch Ermüdung. • • , 147
Verluste durch Verderb ..•.• 148
Falsche Maschinen und Motoren . 150
Beschädigungen bei der Pflege und Wartung . 151
Verlustminderung durch Reparatur und Teilersatz. 152
Materialaufwand bei Reparaturen . , 153
Schmierstoffeinsparung • . • • • • . 155
V'III. Materialbeschaffungsunterlagen 155
Inhalt der Listen. . •••••.•• 156
Material für die Fertigung eines Gegenstandes 156
Materialangabe in den Stücklisten • . • 157
Sammlung der Materialmengenangaben • 160
Halbzeugmengenliste • 162
Rohlingsliste . . . . • 164
Sonstige Materiallisten • 166
Zeichnungen • . . . . 166
Technische Lieferbedingungen 167
Herkunft der Beschaffungsunterlagen. 168
[X. Materialwirtschaft bei der Herstellung von Maschinen und
Geräten •..•••••• 171
Materialbeschaffung. • • . • . 171
Materialprüfung und -abnahme 173
Materialausgabe • . . . . . . 175
Prüfung der Materialausnutzung • 176
Abfallwirtschaft • . . . . ; • • 179
Abfallerfassung und Prüfung • 179
Abfallverwertung . • • . . . • 180
X. Materialwirtschaft im ganzen. 185
Grundsätzliches . 185
Zwangswirtschaft. . • • . • • • 186
Besonderheiten. . • . . • • . 186
Ermittlung der Materialmenge. 188
Spanabhebende oder spanlose Fertigung? . 19G
VIII Inhaltsverzeichnis
Seite
Materialplanung . . . • . . . . • • 193
Verbesserung der Materialwirtschaft 194
Mängel der Mengenermittlung . . 194
Ursachern der Mängel •.•••• 194
Behebung der Mängel der Ma~rialwirtschaft 196
Personalschulung . . . • . • • . . . . . 196
Materialplanung bei den Maschinen. und Geräterzeugern. 198
Verminderung der MateHaitransporte. 109
Zusammenfassung. 201
Sachverzeichnis .• 204.
I. Einleitung
Das MatA'lrialproblem
Das Wirtschaftspotential eines Landes, d. h. seine wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit; hängt in hohem Maße von der Materialversorgung
dieses Landes ab. Sie baut auf der Rohstoffversorgung desselben auf.
Dl.e Rohstoffversorgung bedingt nicht nur den Besitz des Stoffes,
sondern auch einen z. T. erheblichen Aufwand an Arbeitsstunden und
Energie, um das Material in einen. für die weiterverarbeitende Industrie
brauchbaren Zustand und an die aufeinander folgenden Orte der Ver
arbeitung zu bringen. Das Problem kann also nicht durch das Vermeiden
der Verwendung von Rohstoffen gelöst werden, die infolge der Maß
nahmen ihrer Besitzer nicht mehr ins Land kommen, sondern diese
Lösung ist nur möglich und zweckmäßig, wenn sie unter Beachtung
des von natürlichen Grenzen umzogenen Rohstoffbesitzes eines Landes
durch die beste Ausnutzung des Materials. angestrebt und hierbei der
Wille zur Tat auch zur Auswirkung gebracht wird. Dieser Wille muß auf
die Beschränkung des Materialverbrauchs im Einzelfall und auf die
Steuerung der Materialvergeudung durch eine wirkungsvolle Material
wirtschaft gerichtet sein.
Wo keine richtige Materialwirtschaft betrieben wird, da erschöpfen
sich die leitenden und die sie unterstützenden Personen in einer dauern
den Beseitigung unvorhergesehener Beschaffungs- und . Lieferungs
schwierigkeiten, eine Kräfteverlustquelle ersten Ranges. Es ist prak
tisch nicht möglich, z. T. aus Gründen, die in einzelnen Abschnitten
dieses Buches behandelt werden, alle Zufälle vorauszusehen und im
voraus ·abzuwenden. Die Zahl dieser Zufälle wird um so größer sein, je
weniger Erfahrung auf dem jeweils bearbeiteten Gebiet den jeweils
handelnden Personen zur VerfÜgung steht.
Die Wichtigkeit ~iner richtigen Materialwirtschaft wird aber dem
Ingenieur auch noch durch Begriffe verschleiert, die z. Z. in der Technik
und Wirtschaft einen dominierenden Platz einnehmen, aber abwegig sind.
Nicht diejenige Materialwirtschaft ist die günstigste, 'bei der die
kleinste Menge Abfall entsteht, sondern diejenige, bei der das richtige
Material am richtigen Platze und niemals mehr Material verwendet
wird, als zur Zweckerfüllung · notwendig ist. Wer heute noch ohne
zwingenden Grund Maschinen verwendet, Verfahren beibehält, Kon
struktionen bevorzugt, die auch nur 10% mehr Werkstoff verbrauchen,
Bauer, Materialwirtschaft 1
2 Einleitung
als nach dem derzeitigen Stande der Rationalisierung notwendig ist,
versündigt sich an den Zielen der Wirtschaftspläne seines Landes.
Zu den volksWirtschaftlichen und sozialen Verpflichtungen gehören
l. ein Materialverbrauch, der den zeitgemäßen Anforderungen der
Wirtschaft entspricht und auf die volksWirtschaftlich erwünschten Roh
stoffe ausgerichtet ist,
2. eine Organisation, die die Verlustquellen verstopft, für die sonst
die Verbraucher im Preise büßen müssen.
Daß der Preis, d. h. das Geld, der Schlüssel zum Schrein der Er
kenntnis auf unserem Gebiet ist, wird aus den folgenden Darlegungen
eindeutig hervorgehen.
Abwegige Begriffe
Geld ist für den es Besitzenden nichts anderes als die Anweisung auf
eine Leistung eines anderen. Wer leistet, damit und bis ein Gegenstand
fertig zum Gebrauch gemacht worden ist ?
Das sind die Menschen, die, um einige Beispiele zu geben,
a) den Rohstoff der Erde entnehmen, ihn läutern, schmelzen, le
gieren und zu Blöcken gießen, den Baum im Walde hegen, bis er brauch
bares Holz hergibt, den Baum fällen und herrichten, das Tier aufziehen,
seine Wolle scheren, seine Haut gerben usw., also die Werkstoffe erzeugen,
b) gegossene Blöcke verformen, bis Stangen, Rohre, Drähte, Bleche,
Guß- und Schmiedeteile entstanden sind, die Stämme zu Bohlen und
Brettern zerschneiden oder sie zu Fournieren schälen und diese unter
hohem Druck verleimen, die Wolle spinnen und weben usw. und auf
diese Weise Material herstellen, das in Form von Halbzeugen und Roh
lingen in die weiterverarbeitenden Werkstätten gelangt,
c) dieses Material bis. zur Fertigstellung des gebrauchsfähigen Gegen
standes in Einzelteile zerschneiden, zerspanen, verformen, warmbehandeln
und schließlich miteinander zum gebrauchsfertigen Gegenstand verbinden,
d) die Arbeit bei allen an den vorgenannten Vorgängen beteiligten
Stellen, im Konstruktionsbüro, im Arbeitsbüro, im Einkaufsbüro, im
Werkzeug- und Vorrichtungsbau vorbereiten,
e) die Werkstätten herrichten und pflegen, Maschinen einrichten,
Menschen einstellen, anleiten, ihre Arbeit prüfen, für Licht, Kraft und
Heizung sorgen, Transporte durchführen, Material abnehmen und an
dere, immer noch mit "unproduktiv" bezeichnete Arbeiten durchführen,
f) den ganzen Ablauf des Herstellungsganges vom Rohstoff bis zum
Fertiggegenstand überwachen, mit ihrer Person, ihrem Können und
ihrem Ruf für die sach- und termingemäße Erledigung der ihnen ge
stellten Aufgaben einstehen.
Sie alle bekommen für ihre persönliche Mitwirkung Geld, weil sie
für einen anderen etwas geleistet haben.