Table Of ContentWISSENSCHAFT UND KULTUR
BAND 7
PRANZ MARIA FELDHAUS
DIE MASCHINE
IM LEBEN DER VÖLKER
EIN ÜBERBLICK VON DER URZEIT
BIS ZUR RENAISSANCE
MIT 205 ABBILDUNGEN
UND 1 FARBTAFEL
MCMLIV
Springer Basel AG
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auf photostatischem Wege oder durch Mikrofilm, vorbehalten.
Copyright 1954 by Springer Basel AG
Ursprünglich erschienen bei Verlag Birkhäuser AG., Basel 1954.
Softcover reprint of the bardeover Ist edition 1954
ISBN 978-3-0348-4025-5 ISBN 978-3-0348-4024-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-4024-8
Im Gedenken an meinen ältesten Sohn
GrLBERT FELDHAUS
der nicht aus Rußland zurück kam
INHALTSÜBERSICHT
Maschinen - der Menschen Schicksal .
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Die Steinzeit . . . . . . . . . . . . . 19
Die Guß-, Treib- und Schmiede-Zeit . 36
Indien .. . 41
China .. . 45
West-Asien 6o
Ägypten .. 65
Griechische Technik 78
Römische Technik 97
Eskimotechnik . . 149
Germanen 15J
Kirche und Klöster 153
Byzanz 157
Mohammedaner . 166
Frühes Mittelalter. 169
Hohes Mittelalter . 185
Spätes Mittelalter . 202
Zusammenfassung .
Literatur
Zeittafel ........ .
Sach- und Ortsverzeichnis
Personenverzeichnis . . . . . . . . . .
MASCHINEN- DER MENSCHEN SCHICKSAL
Die Maschinen machten den Kulturvölkern aller Zeiten Sorgen.
Darüber will ich hier nach fünfzigjährigen Vorstudien berichten,
ohne dabei auf die konstruktive Entwicklung mehr einzugehen, als
dem Nichttechniker verständlich ist. Seit der Urzeit halfen mecha
nische Gebilde der Gemeinschaft und dem Einzelnen. Früh zeigten
sich auch die Schäden, die von ihnen angerichtet wurden.
Sind Maschinen nun gut oder böse? Nehmen wir als Beispiel eine
Urmaschine, das Messer. Es trennte dem Hungrigen die zähesten
Stengel labender Früchte durch, es verwundete oder tötete aber
auch Menschen. Das Messer ist nicht gut, das Messer ist nicht böse.
Das Messer ist ein Hilfswerk, in die mechanische Klasse der Keile
gehörig. Weiter nichts. Der Geist, der es in Bewegung setzt, ist
munter oder träge.
Die kleinen und die größten Maschinen können sehr nützlich sein,
wenden wir sie richtig an. Sie haben eine lange, bewegte Geschichte
hinter sich, aus der wir lernen müssen, daß man mit jeder technischen
Neuerung fertig wurde, so große Umwälzung und Unruhe sie auch
brachte.
<<Maschinen!>> ist in unseren Tagen der begeisterte Ruf der Jugend,
der Angstgedanke des geruhsamen Menschen, das Problem der Wirt
schaft und der offenen wie der hinterhältigen Politik. Ratlos steht
die Welt vor dem, was die Über-Übermaschinen, Atomkernkraft
ausnutzend, bringen werden.
Das Funktionieren der Maschinen und das durch sie erzielte Pro
duktionsgefüge sind der eigentliche Inhalt der Welt geworden.
Leider, leider!
Überall finden wir eine mechanische, materialistische Struktur,
ein von der Technik bestimmtes Ordnungsgefüge. Alle Menschen
lehnen sich mehr oder weniger stark, mindestens innerlich, gegen
diese Vorherrschaft, die Technokratie, auf. Wer klar sieht, erkennt,
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DIE MASCHINE IM LEBEN DER VÖLKER
daß der menschliche Geist in einer von Maschinen beherrschten
Welt nicht mehr zu höheren Aufgaben frei ist, sondern in eine die
nende Rolle herabgedrückt wird.
Man schwärmt so gern von unserer Zeit "voll von Wundern
der Technik", übersieht dabei aber die Vergangenheit, in der alles,
was wir haben, langsam und mühsam reifte. Enthüllt das tech
nische Wunder sich nicht als eine Willensverbindung von Technik
und Organisation? Das Technisch-Monumentale ist, sehen wir es
so, entdämonisiert.
Fragt man, seit wann die Maschine zur Herrschaft gekommen sei,
dann hört man meistens: <<Seit Erfindung der Dampfmaschine));
das wäre seit dem Jahr 1769. Andere sagen: <<Seit hundert Jahren)>
und deuten so auf die erste große Weltausstellung. Die Dampfma
schine pumpte zunächst Wasser, vor allem aus Bergwerken. Seit I784
setzte man sie als Betriebsmaschine in eine Getreide-und Ölmühle.
So ü hernahm sie die Rolle älterer Betriebsmaschinen: der Göpel, Tret
maschinen, Wasseräder usw. Die Londoner Völkerschau von 185I
brachte nicht etwa die Maschinen zur Welt, sie zeigte die Techniken
aller Völker nebeneinander und machte das Maschinenwesen inter
national.
Tatsächlich sind Maschinen uralt und in allen Kulturkreisen zu
finden. Sie hatten stets großen Einfluß auf Politik und Kriegs
führung, aufVerkehr und Wirtschaft. In der industriellen Zeit ballte
sich das Maschinenwesen seit etwa I 8oo. In der groBindustriellen
Periode zeigten sich die ersten sozialen Schäden, und es bereiteten
sich die politischen Verwicklungen vor.
Ich bringehiervielNeues undräume mitalten Irrtümern auf, so daß
nicht nur Historiker, sondern auch Techniker, Wirtschaftler, Kultur
forscher und der Politiker sich in vielem neu orientieren können.
Begriffe und Worte für Maschinen. Man verstand unter <<Maschine)>
einst nicht das, was wir heute darunter verstehen. Der Römer
V ITRuvrus sagt um 3 5 v. Chr., zum Maschinenbauen gehöre auch
die Errichtung der Gerüste von Theatern oder Festspielen. Steinbau
zählte mit dem Maschinenbau zur <<Architectura)>, dem Gesamt
begriff der antiken Technik. Ich schalte hier die Bautechnik aus, da
sie von HANS STRAUB jüngst in seinem Buch Geschichte der Bau-
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MASCHINEN - DER MENSCHEN SCHICKSAL
ingenieurkunst beschrieben wurde. Ich halte mich bei meinen Be
trachtungen möglichst an den heutigen Begriff <<Maschine>>, nur für
die Frühzeit muß ich ihn im antiken Sinn weiter fassen.
Aus dem dorischen Dialekt haben wir das Wort mechene (ilTlXTlVll)
im Sinne von <<Hilfsmittel>>. Also haben Mechanik und Maschine
denselben Wortstamm. Im ersten vorchristlichen Jahrhundert fin
den wir bei CICERO das Wort <<machina>>, bei CAESAR und VITRuvrus
<<machinatio>> und bei Livrus <<machinamentum>>.
Das Wort <<apparatus>> hatte eine andere Bedeutung als heute, so
zum Beispiel wurde Kaiser ÜTTO I. im Jahr 962 <<miro ornatu
novoque apparatu>> geweiht, das soll heißen mit einem neuen Appa
rat, mit der neuen Krönungsausrüstung. Gemeint sind die neuen
Insignien, die neue Krone usw., keine kleinen Maschinen.
Im ersten mehrsprachigen Lehrbuch des Maschinenwesens, ver
faßt von dem Dalmatiner FAusTus VERANTrus - eigentlich
WRANCHICH -,heißt es I6I6: <<Das in dem Bavvverck die kunst,
so uon den Machinen handlet, die fuer nembste seye, ist uiler
vveltvveisen meinung >>. Kurios ist die Typographie dieses Buches,
das in einer Druckerei hergestellt wurde, die keine deutschen Typen
hatte und deshalb u für v und vv für w setzen mußte.
Maschinen sind nach heutigem Begriff Erfindungen, die ohne
oder mit Naturkräften eine zwangsläufige Bewegung machen, um
eine berechnete, die Menschen entlastende oder gar leistungsmäßig
übertreffende Arbeit zu tun. Auf diese Weise kommt man zu einer
klaren Trennung von Maschine und Bau.
Das Technologische Wörterbuch von J ACOBSSON und RosENTHAL
(I 78 3) sagt: << Maschiene, ein Werkzeug, welches man zu einem Vor
tbeil gebrauchen kann, daß man entweder in kürzerer Zeit oder mit
wenigerer Kraft eine größere Last dadurch zu bewegen, oder in
einerley Zeit und mit gleicher Kraft mehr auszurichten vermögend
ist, als sich sonsten gewöhnlich thun lässet>>. Sonderbar, daß
JAcOBSSON das Wort mit einem e schreibt: Maschiene.
Die Definition ändert sich, wenn man andere Standpunkte ein
nimmt. Von der Mechanik aus gesehen ist, nach PRANZ REULEAux,
die Maschine <<eine Verbindung widerstandsfähiger Körper, welche
so eingerichtet sind, daß mittels ihrer mechanische Naturkräfte
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DIE MASCHINE IM LEBEN DER VÖLKER
genötigt werden können, unter bestimmten Bewegungen eine
Wirkung auszuüben>>. Vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus
definiert WERNER SoMBAR T: <<Eine Maschine ist ein von einem Men
schen bedientes Arbeitsmittel oder ein Komplex von solchen zwecks
mechanischer Arbeitsrationalisierung, ein Arbeitsmittel also, wel
ches nicht- womit ich die Maschine scharf gegen das Werkzeug
abgrenze - den Menschen unterstützt, ihn bedient, sondern von
ihm bedient wird.>>
Und wie weit mußten die hohen Richter des Reichsgerichtes aus
holen, als sie am I7. März 1879 das Wort <<Eisenbahn>> zu erklären
hatten: <<Ein Unternehmen, gerichtet auf wiederholte Fortbewegung
von Personen und Sachen über nicht ganz unbedeutende Raum
strecken auf metallener Grundlage, welche durch ihre Konsistenz,
Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtsmassen,
beziehungsweise die Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden
Schnelligkeit der Transportbewegung zu ermöglichen bestimmt ist,
und durch diese Eigenart in Verbindung mit den außerdem zur Er
zeugung der Transportbewegung benutzten Naturkräften (Dampf,
Elektrizität, tierischer, menschlicher Muskeltätigkeit, bei geneigter
Ebene der Bahn auch schon der eigenen Schwere der Transport
gefäße und deren Ladung usw.) bei dem Betriebe des Unternehmens
auf derselben eine verhältnismäßig gewaltige (je nach den Umstän
den nur in bezweckter Weise nützliche, oder auch Menschenleben
vernichtende und die menschliche Gesundheit verletzende) Wirkung
zu erzeugen fähig ist. >> - -
Werkzeuge sind nach der Definition des Werks von ERNST KAPP
Philosophie der Technik (I877) Verlängerungen, Verstärkungen oder
Verschärfungen der Organe des Menschen. Mit der Entwicklung
der Technik kommen wir aber mit dieser einfachen Definition nicht
mehr aus. Die Schere ist ein Werkzeug, aber viele kleine Schneiden
hintereinandergesetzt, sehen wir als eine Haarschneidemaschinr an.
Zwischen Maschine und Werkzeug stehen heute die Maschinen
werkzeuge, die mit Maschinenkraft arbeiten, aber von der Hand
geführt werden.
Von der Maschine muß man eigentlich auch die Mechanismen
unterscheiden, die Getriebe, also Rolle, Keil, Schraube, Rad, Zahn-
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