Table Of ContentDie Legitimation der Einzelherrschaft
im Kontext der Generationenthematik
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Beiträge zur Altertumskunde
Herausgegeben von
Michael Erler, Dorothee Gall, Ernst Heitsch,
Ludwig Koenen, Clemens Zintzen
Band 251
Walter de Gruyter · Berlin · New York
Die Legitimation der Einzelherrschaft
im Kontext der Generationenthematik
Herausgegeben von
Thomas Baier
in Zusammenarbeit mit
Marilena Amerise
Walter de Gruyter · Berlin · New York
(cid:2)(cid:2) GedrucktaufsäurefreiemPapier,
dasdieUS-ANSI-NormüberHaltbarkeiterfüllt.
ISBN 978-3-11-020362-2
ISSN 1616-0452
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort.......................................................................................................7
Sabine Föllinger
Genealogie und Herrscherlegitimation in Aischylos’ Persern..................11
Michael Reichel
Herrschaftswechsel und Generationenfolge
in Xenophons Kyrupädie...........................................................................25
Michael Erler
Utopie und Realität. Epikureische Legitimation
von Herrschaftsformen..............................................................................39
Flavia Carderi
Legittimazione del potere e conflitti generazionali nella Roma degli
Scipioni. Il punto di vista di Lucilio..........................................................55
Thomas Baier
Cicero und Sallust über die Einzelherrschaft Caesars...............................65
Paolo Monella
L’autorità e le sue contraddizioni: Numa nei Fasti di Ovidio...................85
Luciano Landolfi
Un’adozione difficile. Tiberio, Caligola e la legittimazione del
nuovo princeps........................................................................................109
Valentina Chinnici
Nell’officina del tiranno: Seneca e la legittimazione debole del
potere monarchico...................................................................................129
6 Inhaltsverzeichnis
Antonio De Caro
Pone ex animo reges atavos (Tro. 712). Auflösung einer Familie,
Sinnbild der Geschichte...........................................................................147
Silvia Stucchi
La sentenziosità del potere assoluto e le autogiustificazioni del nefas
tirannico in Seneca: l’incombere del pater..............................................175
Jan Radicke
Neros Rede vor dem Senat (Tac. ann. 13,4). Zu Programm und
Politik der neronischen Regierung in den Jahren 54–62 n.Chr...............199
Ferdinand Stürner
Silius Italicus und die Herrschaft des Einzelnen: Zur Darstellung
Hannibals und Scipios in den Punica......................................................221
Stefan Schorn
Legitimation und Sicherung von Herrschaft durch Kritik am
Kaiser. Zum sogenannten zweiten Panegyrikos Julians auf
Kaiser Constantius (or. 2 [3] Bidez)........................................................243
Jan Willem Drijvers
Imperial Succession in Ammianus Marcellinus......................................275
Peter Bruns
Der Monepiskopat im Briefkorpus des Ignatius von Antiochien............295
Marilena Amerise
Spirituelle Verwandtschaft als Legitimationskriterium
byzantinischer Kaiser in den Briefen des Nikolaos Mystikos.................309
Hans-Joachim Behr
des moht er wol gewinnen beide liute unde lant. Legimitation und
Herrschaft in epischen Texten des deutschen Mittelalters.......................319
Vorwort
Vorwort
Die dem Römer geläufige Vorstellung von Legitimität gibt Varro in dem
einschlägigen Lemma ‚legere‘ in De lingua Latina 6,66 wieder. Er stellt
die etymologisch und semantisch zutreffende Verknüpfung von legitimus
zu lex her. ‚Legitim‘ ist demnach, was dem Gesetz entspricht.1 Die Legiti-
mität spielt zunächst im Privatrecht eine maßgebliche Rolle. Ob es sich um
Eheschließungen, die aus einer Ehe hervorgegangenen Kinder, Adoptionen
oder Erbsachen handelt, jeweils beruht deren Legitimität auf rechtlich
nachprüfbaren Voraussetzungen und zieht bestimmte Rechtsfolgen nach
sich. Allerdings eignet dem Adjektiv legitimus wie auch dem deutschen
Fremdwort „legitim“ im allgemeinen Sprachgebrauch eine gewisse Un-
schärfe, und es ist keineswegs auf den Bereich des Privatrechts beschränkt.
Mommsen stellt fest: „In allgemeiner Geltung kommt das Prädikat legiti-
mus, d.h. gesetzlich, jeder Einrichtung zu, welche der öffentlichen Rechts-
ordnung entspricht, ohne Unterschied, ob dieses oder jenes Gesetz in das
Auge gefaßt wird, oder auch nur an die staatliche Ordnung allgemein ge-
dacht wird.“2 Wo der öffentliche Bereich zur Sprache kommt, bedeutet
legitimus dann oftmals lediglich „rechtmäßig nach allgemeinem Dafürhal-
ten“.3 In der elften Philippischen Rede stellt Cicero den Antrag, C. Cassius
Longinus mit der Statthalterschaft über Syrien und einem imperium maius
in Asien und Bithynien-Pontos zu betrauen. Tatsächlich war Cassius be-
reits in Richtung Syrien aufgebrochen mit dem Vorsatz, den dortigen
Statthalter Dolabella abzusetzen. Dieses Vorpreschen des Cassius rechtfer-
tigt Cicero folgendermaßen (Phil. 11,28): nonne eo ex Italia consilio pro-
fectus est ut prohiberet Syria Dolabellam? Qua lege, quo iure? Eo quod
Iupiter ipse sanxit, ut omnia quae rei publicae salutaria essent legitima et
iusta haberentur. Est enim lex nihil aliud nisi recta et a numine deorum
tracta ratio, imperans honesta, prohibens contraria. [„Ist Cassius nicht mit
dem Vorsatz aus Italien abgereist, Dolabella von Syrien fernzuhalten?
____________
1 Vgl. auch Varro ling. 5,180, wo legitimus soviel wie „gesetzlich festgelegt“ bedeu-
tet.
2 Th. Mommsen, Iudicium legitimum, in: Gesammelte Schriften, III, Berlin 1907,
357; H. Kloft, Caesar und die Legitimität. Überlegungen zum historischen Urteil,
Archiv für Kulturgeschichte 64, 1982, 1–39, bes. 5–12.
3 Vgl. Kloft (wie Anm. 2), 6.
8 Vorwort
Nach welchem Gesetz? Mit welchem Recht? Nach demjenigen, welches
Juppiter selbst für unantastbar erklärt, welches befiehlt, alles, was heilsam
für den Staat ist, für gesetz- und rechtmäßig zu halten. Das Gesetz ist näm-
lich nichts anderes als die richtige und vom Willen der Götter abgeleitete
Vorgehensweise, welche das Gute befiehlt, das Gegenteil aber verhin-
dert.“] Die Legitimität wird hier von der Gesetzlichkeit gelöst und statt
dessen mit der recta ratio in Verbindung gebracht. Sie nähert sich einer
naturrechtlichen Begründung an. Man vergleiche hierzu Laelius’ Ausfüh-
rungen im dritten Buch von De re publica (3,33): est quidem vera lex recta
ratio, naturae congruens, diffusa in omnis, constans, sempiterna, quae
vocet ad officium iubendo, vetando a fraude deterreat [„das eigentliche
Gesetz ist die rechte Vernunft; sie befindet sich in Übereinstimmung mit
der Natur, erstreckt sich auf alle, bleibt sich treu, ist ewig, ruft befehlend
zur Pflicht und schreckt durch Verbot von Untaten ab“].4 Die recta ratio
wird sodann, stoischer Tradition gehorchend, als Gesetz bezeichnet, das
man weder abschaffen noch abändern könne, und schließlich mit magister
et omnium imperator deus umschrieben.5 Cicero neigt dazu, in Krisenzei-
ten den Legitimitätsbegriff vom positiven Recht abzuheben, bisweilen ihn
gar in Opposition dazu zu stellen. Legitimität ergibt sich somit aus dem,
was vernünftig erscheint. Es ist ein schillernder Begriff, den jede Zeit für
sich neu definiert.
In dem vorliegenden Band sind Beiträge versammelt, die nach der Legiti-
mierung von Einzelherrschaft in unterschiedlichen historischen Kontexten
fragen. Die griechische Polis, die römische Republik oder die frühe christ-
liche Kirche sind zunächst nicht auf Monarchie oder Monepiskopat hin
ausgerichtet. Eine Monarchietheorie hat die Antike nicht ausgebildet; der
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4 Cicero versucht, Verfassung und Gesetze aus dem Naturrecht abzuleiten. Er ver-
bindet Natur ((cid:368)(cid:1027)(cid:365)(cid:355)(cid:364)) und die vom Menschen geschaffene Satzung ((cid:359)(cid:1017)μ(cid:361)(cid:364)), zwei
in der griechischen Philosophie als Antinomien geltende Begriffe; vgl. J. Bläns-
dorf, Das Naturrecht in der Verfassung – Von Ciceros Staatstheorie zum modernen
Naturrechtsdenken, in: H.-J. Glücklich (ed.), Lateinische Literatur, heute wirkend,
II, Göttingen 1987, 30–59, hier: 42.
5 In leg. 1,21–25 legt Cicero dar, daß die Welt von Gott geschaffen und gelenkt ist
und daß der Mensch als dessen Geschöpf an ratio und cogitatio Anteil hat. In leg.
1,33 führt er weiter aus, daß die Menschen, wenn sie in Übereinstimmung mit ihrer
‚rationalen‘ Natur leben, das Recht achten. Sodann postuliert er die Identität von
ratio, recta ratio, lex und ius: quibus enim ratio a natura data est, isdem etiam rec-
ta ratio data est; ergo et lex, quae est recta ratio in iubendo et vetando; si lex, ius
quoque. et omnibus ratio: ius igitur datum est omnibus. Diese Stelle klingt zum
Teil wörtlich an das Laktanzzitat aus rep. 3,33 an und läßt sich gleichsam als
Kommentar dazu lesen. Die zitierte Passage aus leg. steht im Zusammenhang mit
einem Beweisgang, in dem Cicero zeigen will, daß sich in der Natur des Menschen
der fons legum et iuris finden läßt (1,16). Vgl. auch Blänsdorf (wie Anm. 4), 48.
Vorwort 9
‚politische‘ Diskurs kreiste um die ‚Polis‘.6 Wie konnte es dennoch zu
monarchischen bzw. tyrannischen Herrschaftsstrukturen kommen? Welche
Begründungen mußten dafür herhalten? Wie verändern sich Legitimati-
onsmuster? Wo lassen sich Übergänge feststellen? Diese Fragen werden
eingeordnet in den Kontext der Generationenthematik, wobei Generation
zum einen im Sinne von Abstammung oder Nachfolge, zum anderen nach
Karl Mannheim7 als Erfahrungsgemeinschaft aufgefaßt wird. Es kommen
dynastische Aspekte ebenso zur Sprache wie die Inszenierung der Herr-
schaft als väterlicher Fürsorge oder aber die Legitimation von Herrschaft
durch militärische oder andere Erfolge, also letztlich durch Charisma. Es
wird versucht, das geistige Klima auszuloten, das die Entwicklung zu For-
men der Einzelherrschaft begünstigt.
Die abgedruckten Aufsätze berühren die griechisch-römische Antike, die
Spätantike und geben einen Ausblick auf deren Nachleben im Mittelalter.
Es handelt sich dabei um die überarbeiteten Vorträge, die auf einem inter-
nationalen Kongreß an der Universität Bamberg im November 2006 im
Rahmen des Graduiertenkollegs „Generationenkonflikte und Generatio-
nenbewußtsein in Antike und Mittelalter“ gehalten wurden. Das Graduier-
tenkolleg und seine Aktivitäten werden von der Deutschen Forschungsge-
meinschaft gefördert. Ihr sei an dieser Stelle nachdrücklich gedankt. Dank
gebührt schließlich den Helfern beim Korrekturlesen und bei der Herstel-
lung der Druckvorlage, Oliver Siegl und Ferdinand Stürner. Um die Be-
treuung der italienischen Manuskripte hat sich Marilena Amerise in beson-
derer Weise verdient gemacht.
Bamberg, im Februar 2008 Th.B.
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6 W. Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsge-
schichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 22000, 34.
7 Das Problem der Generationen (1928), in: ders., Wissenssoziologie, Berlin 1984,
509–565.