Table Of ContentFORSCHUNGSBERICIITE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr. 2424
Herausgegeben im Auftrage des Ministerprbidenten Heinz Kuhn
vom Minister fUr Wissenschaft und Forschung Johannes Rau
Dipl. -Wirts ch. -lng.Dr. -lng. J ochen F rangen
"Entwicklungstrends in Wissenschaft und Technik"
Interfakultative Forschungsgruppe
der Rhein. -Westf. Techn. Hochschule Aachen
Die Langfristprognose
im Investitionsgiiterbereich als
dynamische Systemanalyse
Westdeutscher Verlag 1975
Teilbericht im Rahmen des Forschungsvorhabens
"Wirtschaftliche, kulturelle und soziale Aspekte
der Technik und der lngenieurwissenschaften in
ihrer Bedeutung fUr Staat und Gesellschaft".
Leitung des Gesamtprojekts im Auftrage des Senates
der Rhein. -Westf. Techn. Hochschule Aachen:
Prof. Dr. -lng. Georg Menges, Institut fUr
Kunststoffverarbeitung
~ 1975 by Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag
ISBN 978-3-531-02424-0 ISBN 978-3-322-88547-0 (eBook)
DOl 10.1007/978-3-322-88547-0
Inhalt
EinfUhrung •••••••••••••••••••••••.•••••••••.•........•••. 5
1. Die Stellung der Unternehmung im Umweltsystem ••...•..• 8
1.1 Der Begriff der Absatzwirtschaft aus
traditioneller Sicht •...•••.•.•..•..•. ."....... 9
1.2 Die Erweiterung des Begriffs der Absatz-
wirtschaft in heutiger Zeit ..••••.•••....•.... 9
1.3 Der umweltspezifische Anforderungs- und
Bedingungsrahmen fUr eine marktorientierte
Planung neuer Produkte ••••.•.•.••.••..•..•..•. 11
2. Die Darstellung und verallgemeinernde Interpretation
des Produktentstehungsprozesses als Ausgangspunkt
der Modellprognose ••••..••••...••••..•..•.•.••.•••.... 13
2.1 Eine deskriptive Darstellung des Produkt-
entstehungsprozesses •••••••.••••.••••••••••••• 13
2.2 Eine entscheidungstheoretische Interpretation
des Produktentstehungsprozesses ••..•••••.••••. 16
2.2.1 Die Phasen des unternehmerischen
Entscheidungsprozesses ••••••••••..•••••..••••• 17
2.2.2 Die Determinanten des Entscheidungsprozesses.. 20
2.2.2.1 Das unternehmerische Zielsystem ••..••••••••••• 21
2.2.2.2 Das unternehmerische Risikoverhalten ••...•.... 23
2.2.2.3 Das unternehmerische Informationssystem ••••••• 24
2.2.2.4 Das unternehmerische Sozialsystem •••••••. •.••• 26
3. Die Formulierung der Modellpr~issen ••.••.••••••.••••• 28
3.1 Modellpr~isse (A) - Statische Rationalit~ts-
pr~isse ••••••••••••••••••••.•••••••••••.••••• 28
3.2 Modellpr~isse (B) - Dynamische Rationalit~ts-
pr~isse ••••••••••••••••••••••••.•••••.•••••.• 30
3.3 Modellpr~isse (e) - Reduktionspr~isse •.••••• 31
4. Die Ermittlung der Modellparameter unter BerUcksich-
tigung der MarktfUhrerschaft der Modellunternehmung ••• 34
4.1 Die modellgerechte Erfassung der
unternehmerischen Zielehierarchie .•••••..••••• 35
4.1.1 Technologische Zielbeziehungen ••••••••..•••..• 36
4.1.2 Die Aufl6sung der unternehmerischen Rahmenziele
unter Beachtung der Modellpr~issen ••••••.•... 40
4.2 Die modellgerechte Ableitung alternativer
Produktkonzeptionen ••••••••••••••••••••••••••• 44
4.3 Die Prognose der Konsequenzen der zur Auswahl
stehenden Alternativen ••••••••••••••••••.•..•. 50
4.4 Die Ermittlung der relativen Gewichte der
markt- bzw. unternehmensspezifischen
Anforderungen ••••.••••••••••••••••••••••.•.••• 54
4.4.1 Die Interpretation der Anforderungsgewichte als
partielle Differentiale der Einzelnutzen-
..f unktion •••••••••••••••••••••••••••••••••.••••• 54
4.4.2 Die modellgerechte Erfassung der Einzelnutzen-
funktion •••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 56
3
5. Die empirisch-analytische Ableitung der Modell-
gleichungen ..........................................• 63
5.1 Formulierung des Gesamtnutzenindex GEi aus den
allgemeinen Maximen rationalen Handelns bei
Risiko ........................................ 64
5.1.1 Die allgemeinen Maximen rational en Handelns
bei Risiko .................................... 65
5.1.2 Analytische Formulierung und wahrscheinlich
keitstheoretische Interpretation des Gesamt-
nutzenindex GEi ............................... 69
5.2 Formulierung des Gesamtnutzenindex GEi aus
einer speziellen Maxime rationalen Handelns
bei Risiko .................................... 71
6. Anmerkungen zur praktischen Handhabung des Modells 76
6.1 Die Sensitivitatsanalyse als Mittel zur
Abgrenzung der Prognoseaussage bei unvoll-
kommener Information .. ........................ 77
6.2 Ansatz zur Transformation der produktorien
tierten in eine absatzorientierte Prognose-
aussage ....................................... 79
SchluBbetrachtung ........................................ 81
Anhang 84
Anhang A: Die Dimensionen technologischen Wandels als
Bewertungskriterien einiger Prognosemethoden 84
Anhang B: Beweis fUr die Invarianz der durch eine mor~
phologische Matrix gegebenen Losungsgesamtmenge
bei dezentraler Erarbeitung von Losungsteil-
mengen ........................................ 92
Anhang C: Die Uberlagerung von Wahrscheinlichkeitsver
teilungen unter Verwendung der 'Monte-Carlo-
Methode' ...................................... 93
Anhang D: Formulierung des Gesamtnutzenindex GEi aus
einer (erweiterten) speziellen Maxime
rationalen Handelns bei Risiko ................ 95
Li teraturverzeichnis ..................................... 100'
Anmerkungen 104
Abbildungen 106
4
Einfuhrung
Die Zukunft einer Guter oder Dienst1eistungen anbietenden Unter
nehmung wird dureh deren Absatzmarkt bestimmt. Von diesem Absatz
markt in seiner zuklinftigen Entwiek1ung hangen Erfo1g odet MiB
erfo1g a11er unternehmerisehen Aktivitaten ab, denn auf diesem
Markt wird 1etzt1ieh entsehieden, ob die angebotene Leistung ei
ne Abnahme findet und somit die Verwirk1iehung der unternehmeri
sehen Zie1vorste11ungen, seien sie wirtsehaft1iehen, po1itisehen
oder sozia1en Ursprungs, zu1aBt [1/5. 22; 2/5. 13 f] .
Aus dieser Sieht ist die Absatzprognose a1s Instrument zur Er
he11ung der in der Zukunft 1iegenden Markt- und Absatzverha1tnis
se Ange1punkt und Grund1age jeder unternehmerisehen Tatigkeit.
Auf allen 5tufen des Unternehmensp1anungsprozesses hat sie Daten
und Informationen zur Verfligung zu ste11en, um die im Zeitab1auf
sukzessive zu fa11enden Entseheidungen optimal auf die zur ge
p1anten Produkt1aufzeit vorhandenen Marktgegebenheiten zusehnei
den und damit das Entseheidungsrisiko vermindern zu konnen. Der
Konkretisierungsgrad des bereitzuste11enden Daten- und Informa
tionsmateria1s verandert sieh dabei im Rahmen der kontinuier1ieh
fortzusehreibenden Absatzprognose analog zu den Anforderungen
wahrend der jewei1s dureh1aufenden P1anungsphasen. 50 stlitzt
sieh die am Anfang des P1anungsprozesses stehende Erarbeitung
zukunftstraehtiger Produktfunktionsfe1der im wesent1iehen auf
gesamtwirtsehaft1iehe und branchenspezifisehe Prognosen globa-
1er Zukunftsentwiek1ungen [3/5. 28]. In ihtem Mitte1punkt steht
die Identifizierung des einer gesamten Produktgruppe zuzuordnen
den Absatzpotentia1s.
Naeh Fest1egung des aus der 5ieht der Unternehmung aussiehts
reiehsten Produktfunktionsfe1des ver1agert sieh der saeh1iehe
5ehwerpunkt des Informationsbedarfs. 1m Rahmen der Auswah1 der
1m 5inne der unternehmerisehen Zie1setzungen optima1en Produkt
idee entsteht die Notwendigkeit einer spezie11 auf einze1ne Pro
dukte abgeste11ten Absatzprognose. Sie soll der Unternehmung
darfiber Auskunft geben, wie sieh die zukunftigen Absatzaussieh
ten der sieh anbietenden Produkte (in diesem Stadium noeh dureh
mehr oder minder konkretisierte Produktkonzeptionen reprasen
tiert) in Abhangigkeit von ihren Eigensehaften, ihrem Grad der
Bedurfnisbefriedigung und Nutzenerfu11ung gestalten, damit auf
der Basis dieser Erkenntnisse ein optima1er Entseheid herbeige
fuhrt und geeignete 5trategien in der Absatz-, Produktions-, Be
sehaffungs-, Persona1-, Investitions- und Finanzpo1itik entwik
kelt werden konnen [1/5. 48].
Die Produktauswah1 gesta1tet sieh offenbar immer dann unprob1e
matiseh, wenn die Unternehmung a11einiger Anbieter auf dem zu
kunftigen Markt ist. In diesem Fall gewahr1eistet die Mindest
erfu11ung der Anforderungen, die der potentie11e Abnehmer an das
Produkt ste11t, einen Absatz in Hohe der im Ver1auf der Erarbei
tung der Produktfunktionsfe1der erste11ten Absatzprognose. Eine
Prognose des Marktantei1s der Unternehmung a1s Funktion der 5pe
zifikationen des Produktes wird somit uberf1ussig. Da nun aber
5
in der heutigen Marktwirtschaft die unternehmerische Entfaltung
in der Regel durch Konkurrenzeinwirkungen gestBrt wird, ist die
se aus Unternehmenssicht ideale Situation in der Realit~t des
Marktgeschehens nicht gegeben. Uber eine qualitative Verbesse
rung der Produkteigenschaften muB also versucht werden, produkt
politische MaBnahmen der Konkurrenz zu neutralisieren, urn einen
die ErfUllung der unternehmerischen Ziele sichernden Anteil am
Gesamtabsatzpotential zu realisieren. Dies gilt nicht nur fUr
gleiche oder ~hnliche Produkte der Konkurrenten im engeren Sinn,
sondern auch bezUglich des mittelbaren Wettbewerbs durch Substi
tutions- und komplement~re Erzeugnisse [4/s. 26 f). In dem Be
wuBtsein dieser Wettbewerbssituation verbietet es sich, etwaige
rGckl~ufige Umsatzentwicklungen dann der konjunkturellen Lage
zuzuschreiben, wenn gleichzeitig die Ums~tze aktiverer Konkur
renten steigen.
Die Erstellung einer Prognose des zukUnftigen Marktanteils be
dingt also die Kenntnis nicht nur der absoluten NutzenerfUllung,
die das geplante Produkt aus der Sicht der Abnehmer gew~hrlei
stet, sondern auch das Wissen urn den Grad der Bedarfsbefriedi
gung, die dem Produkt im Vergleich zu den Erzeugnissen der Kon
kurrenz zugestanden wird. Demnach erfordert die Entscheidung fUr
eine der zur Auswahl stehenden Produktalternativen immer eine
realistische Einsch~tzung der zukUnftigen Wettbewerbsposition
der Unternehmung. Sie muB die Schwierigkeiten kennen, die einer
Xnderung dieser Position entgegenstehen, und urn die St~rken und
Schw~chen der Produktstrategien ihrer Konkurrenten wissen. Auf
diese Weise lassen sich eigene Produktkonzeptionen entwickeln,
die an den Aktivit~ten der Wettbewerber orientiert sind [3/s. 36:
Sis. 66 ~ .
Ausgangspunkt einer in diesem Sinne wettbewerbsorientierten Ab
satzprognose hat also die Ermittlung der Produktalternative zu
sein, die von den zur geplanten Laufzeit des eigenen Erzeugnis
ses am Markt angebotenen Produkten aus der Sicht der potentiel
len Abnehmer bezUglich ihrer Eigenschaften optimal ist. Die Er
mittlung dieser Produktalternative erfolgt nun sinnvollerweise
nicht Uber die isolierte Prognose einzelner Produkteigenschaf
ten, sondern auf dem Wege einer systematischen Analyse des der
zu prognostizierenden Entwicklung zugrunde liegenden Wirkungszu
sammenhanges. Denn ohne an dieser Stelle auf eine Bewertung der
Zuverl~ssigkeit einzelner methodischer Ans~tze zur Prognose tech
nologischer Entwicklungen n~her einzugehen (siehe dazu Anhang A) ,
l~Bt sich fUr die auf mathematisch-statistischen Erkenntnissen
basierenden Methoden folgende Schw~che feststellen: Sie verzich
ten auf eine explizite Auseinandersetzung mit den Wirkungs- oder
Sachzusammenh~ngen zwischen den EinfluBgrBBen und der ZielgrBBe
einer zu prognostizierenden Entwicklung. Zwar sind in der auf
statistischem Datenmaterial basierenden Trendkurve alle im Er
fassungszeitraurn auf diese einwirkenden EinflUsse als letztlich
die Form der Kurve bestimmende Faktoren enthalten, jedoch erlaubt
eine solche implizite BerUcksichtigung der EinfluBgrBBen nur ei
ne 'ad-hoc-Prognose', die von der GUltigkeit der der Zeitreihe
zugrunde liegenden Konstellation der EinfluBgrBBen auch fUr die
zukUnftige Entwicklung ausgeht.
In diesem Sinne reicht es also nicht, etwa im BewuBtsein des
st~ndig steigenden Bedarfs an elektrischer Energie den im Zeit
ablauf ermittelten Trend der Maximalleistung von Kraftwerksein
heiten (siehe Abb. 1) unter Heranziehung mehr oder minder auf
wendiger statistischer Methoden zu extrapolieren und den zurn
6
Planungszeitraum ermittelten Wert zur Maxime der Forschungs- und
Entwicklungsarbeit zu machen, denn in der Vergangenheit wirkende
EinflUsse kBnnten sich abschwachen, neue kBnnten an Bedeutung ge
winnen. In diesem Zusammenhang seien beispielsweise auf der Ab
nehmerseite die mit wachsenden Kraftwerksleistungen verbundenen
Schwierigkeiten bei der StromUbertragung Uber groBe Entfernungen
und auf der Herstellerseite der mit zunehmender BlockgrBBe zu
erwartende Anstieg der spezifischen Anlagekosten erwahnt, der
auf den sich verringernden Auslastungsgrad der i~er hBhere In
vestitionen verlangenden Fertigungsanlagen zurUckzufUhren ist
[9/S. 517; 10/S. 52 f].
Demnach sollte versucht werden, die wichtigsten der auf die zeit
liche Entwicklung der ZielgrBBen einwirkenden EinfluBgrBBen zu
erfassen und deren wechselseitige Beziehungen zueinander in Mo
dellform so darzustellen, daB die MBglichkeit einander widerspre
chender, inkonsistenter Einzelaussagen ausgeschaltet wird
[11/S. 120; 12/S. 113 f]. Vergegenwartigt man sich nun die Auf
gabenstellung der mit der Planung, Entwicklung und Gestaltung
neuer Produkte befaBten Abteilungen in den Unternehmungen, nam
lich methodische Integration, Koordination und Auswertung aller
produktbestimmenden Faktoren aus Markt, Wissenschaft, Technik
und Unternehmung, die auf optimale Produktentstehung gerichtet
sind [3/S. 28], dann ist festzustellen, daB diesen Abteilungen
im Grunde die Synthese all der EinflUsse, welche letztlich die
Entwicklung der ZielgrBBen bewirken, obliegt. Gelingt es also,
die im Sinne einer optimalen Produktentstehung in der mit der
Konzipierung funktionsgleicher Produkte befaBten Branche zu voll
ziehende Umsetzung der problemrelevanten Informationen in eine
technische LBsung von ihrem strukturellen Ablauf her analytisch
zu erfassen und in der fUr ein Modell gebotenen vereinfachten
Form darzustellen, dann gewahrleistet die Zugrundelegung reali
stischer zeitfunktionaler Modellparameter die Ableitung einer
in sich konsistenten, wettbewerbsorientierten Prognoseaussage
(siehe Abb. 2).
Hierzu bedarf es zunachst einer kurzen systemanalytischen Be
trachtung, die sich auf relativ hohem Abstraktionsniveau mit den
Beziehungen zwischen dem System 'Unternehmung' und dem umfassen
deren System 'Umwelt' befaBt. Dabei steht die in der Vergangen
heit beobachtete kontinuierlich zunehmende Orientierung der Un
ternehmenspolitik an den BedUrfnissen des Marktes im Vordergrund
(Kapitel 1). Die Integration der umweltspezifischen Daten, die
sich fUr aIle konkurrierenden Unternehmungen letztlich gleich
artig darstellen, mit unternehmensspezifischen Daten, die Uber
die Zielsetzungen der Unternehmungen und den ihnen auferlegten
Restriktionen von Unternehmung zu Unternehmung variieren, voll
zieht sich im Rahmen des Produktentstehungsprozesses. Die Inter
pretation des in seinem Ablauf sukzessiven Produktentstehungs
prozesses im Sinne einer Vereinfachung der Modellstruktur als
simultaner EntscheidungsprozeB ftihrt tiber die Ch~rakterisierung
der Entscheidungsdeterminanten (Kapitel 2) zur Formulierung der
Modellpramissen (Kapitel 3). Im AnschluB an die Darstellung der
MBglichkeiten zur Abschatzung der Modellparameter (Kapitel 4)
werden die Gleichungen des Modells hergeleitet (Kapitel 5). Da
das Modell selbst keinen Ansatz ftir die Ermittlung der exogenen
Modellparameter, die ja als auBerhalb des Modells vorzugebende
Variable die zu prognostizierende ZielgrBBe bestimmen, zu geben
vermag, gilt die Prognoseaussage nur unter der Bedingung des zu
kUnftigen Eintreffens der zugrunde gelegten Parameterkonstella
tion. Demnach erscheint es erforderlich, auf der Basis unter
schiedlich plausibler Hypothesen tiber die zu erwartende
7
Parameterkonstellation ein Spektrum wahrscheinlicher ZielgroBen
auspragungen zu erarbeiten, urn Einblick in das mit der Prognose~
aussage verbundene Risiko zu gewinnen (Kapitel 6.1). AbschlieBend
wird dann ein Ansatz zur Transformation der produktorientierten
in eine absatzorientierte Prognoseaussage zur Diskussion gestellt
(KapiteI6.2).
Obwohl zur Konkretisierung einzelner Verfahrensschritte aus
schlieBlich Beispiele aus dem Schwermaschinenbau (Kraftwerksan
lagen) herangezogen werden, wird dadurch nicht die allgemeine
Anwendbarkeit des Prognosemodells auch auf anderen Gebieten ein
geschrankt. Grundsatzlich steht seinem Einsatz sowohl auf dem
Investitionsgutersektor wie auch auf dem Konsumgutersektor nichts
im Wege. Allerdings konnen die im Konsurnguterbereich zuweilen be
wuBt ins Spiel gebrachte 'geplante Oboleszenz', die Wirksamkeit
der oft auf Emotionen des Kaufers zugeschnittenen werbepoliti
schen MaBnahmen und die Existenz wohldurchdachter und -organi
sierter Verkaufsnetze die Bedeutung der Produktspezifikationen
als Indikatoren des einer Unternehmung zur Verfugung stehenden
Marktpotentials so stark uberdecken, daB die uber das Modell er
zielte Prognoseaussage nur bedingt als Ausgangspunkt einer rea
listischen Absatzprognose verwendbar is~.
1. Die Stellung der Unternehmung im Umweltsystem
Zu einem besseren Verstandnis der Beziehungen des Systems Unter
nehmung zu dem umfassenderen sozio-okonomischen Umweltsystem und
der daraus resultierenden unternehmenspolitischen Konzeption ge
langt man wohl am zweckmaBigsten durch die Erfassung der Verla
gerung des Begriffs der Absatzwirtschaft (mikrookonomisch gese
hen) im Verlauf der letzten Jahrzehnte. Im Interesse der Beruck
sichtigung des Zeiteinflusses bei der Umbildung dieses Begriffes
wird ein kurzer wirtschaftsgeschichtlicher Ruckblick notwendig
sein, der sich jedoch auf die zeitfunktionale ~nderung der fur
die anbietenden Unternehmungen geltenden Marktkonditionen be
schranken kann. Anhand der Beschreibung des Wandels der Forde
rungen, die die Nachfragesituation am Markt an die Hersteller
der abzusetzenden Produkte stellt, sollen die Unterschiede der
vom Markt induzierten unternehmenspolitischen Konzeptionen von
darnals und heute herausgearbeitet werden. Im Hinblick auf die
Ableitung der Modellstruktur wird das Hauptgewicht der Betrach
tung auf der Darstellung von Art und Bedeutung der umweltspezi
fischen Gegebenheiten fur eine wettbewerbsor~entierte Entwick
lung und Gestaltung neuer Produkte liegen.
Begreift man die Absatzwirtschaft als die Institutionen sowie
betrieblichen Organe, die mit der Uberwindung der Spannungen zwi
schen der Produktion eines Gutes und des sen Verwendung bzw. Ver
brauch beschaftigt sind, aber auch die MaBnahmen, die dazu er
griffen werden [13/S. 19], so bestimmt vor allem die Grundhal
tung, aus der heraus die MaBnahmen zur Uberwindung dieser Span
nungen festgelegt werden, den Sinngehalt des Begriffs der Ab
satzwirtschaft. Dabei kann vorausgesetzt werden, daB Art, Anzahl
und im besonderen die Bedeutung der Institutionen und betriebli
chen Organe sowie ihre Einordnung in die Organisationsstruktur
der Unternehmung erst auf der Basis dieser Grundhaltung festge
legt werden. Demzufolge erscheint es angebracht, die grundsatz
liche Einstellung der Unternehmungen zurn Abnehmer ihrer Leistung
als Kriterium zur Erfassung des Sinngehaltes der Absatzwirtschaft
heranzuziehen.
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1.1 Der Begriff der Absatzwirtschaft aus traditioneller Sicht
Bis 1945 gab es in Deutschland eine gelenkte Wirtschaft. Die
Verh~ltnisse zwischen 1945 und 1948 kann man wahl am besten mit
einem vBlligen Mangel an einer Wirtschaftsordnung charakterisie
reno Erst danach begann der wirtschaftliche Aufstieg, der in den
ersten Jahren nach der W~hrungsreform durch einen starken Nach
frageUberhang gekennzeichnet war. Es herrschte ein reiner Ver
k~ufermarkt [14/S. 11]. Die Maxime der Unternehmungen war: MBg
lichst viel, mBglichst billig in mBglichst kurzer Zeit zu produ
zieren. Der EngpaB im betrieblichen System der Leistungserstel
lung und Leistungsverwertung lag bei ersterer. Die Produktion
der GUter stand im Vordergrund. In dieser Phase der Konzentra
tion auf den innerbetrieblichen LeistungsprozeB kam dem Absatz
also eine rein distributive Aufgabe zu. So war das Verhaltnis
zwischen Hersteller und Abnehmer stark unternehmensorientiert
und die DurchfUhrung des Absatzes wurde bei weitestgehender Los
lBsung von speziellen Anforderungen der Nachfrager und in dem
BewuBtsein der Unabhangigkeit von MaBnahmen der Konkurrenz als
mehr oder weniger technisches (weil eben vorwiegend Distribu
tions-) Problem angesehen.
Ihren Ausdruck fand diese unternehmenspolitische Grundhaltung in
der organisatorischen Aufgliederung des innerbetrieblichen Ab
satzwesens. Hierbei stand - wie Abb. 3 beispielhaft zeigt - das
Problem der Uberwindung der zeitlichen und raumlichen Distanz
zwischen Unternehmung und Markt·offenbar im Vordergrund. Markt
forschung und Werbung waren relativ unbedeutende Stabsabteilun
gen, das Schwergewicht lag bei der Verkaufsorganisation. Die
Produktkonzipierung und -auswahl unterlag ausschlieBlich den
Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Unternehmungen, wo
raus man folgern mag, daB die Entwicklung und Gestaltung neuer
Produkte allein schon aufgrund der Schwierigkeiten bei der in
nerorganisatorischen InformationsUbermittlung zwischen zwei ver
schiedenen Linien der Unternehmung kaum von detaillier~en Ergeb
nissen der marktforscherischen T~tigkeit beeinfluBt wurden
[14/S. 165].
1.2 Die Erweiterung des Begriffs der Absatzwirtschaft in heuti
ger Zeit
Als zunehmende Spezialisierung und technischer Fortschritt auf
zahlreichen Gebieten im Laufe der Zeit ein Angebot an industriel
len GUtern mit sich brachte, das selbst durch eine mit steigendem
Lebensstandard grB8er und differenzierter werdende Nachfrage im
mer schwerer aufgenommen wurde (Entwicklung vom Verkaufer- zum
Kaufermarkt), geriet die Produktion immer h~ufiger in den Schat
ten des Problems, fUr die wachsenden Kapazitaten Markte zu fin
den [14/S. 12]. Das Problem der zeitlichen und r~umlichen Uber
brUckung der Distanz zwischen Produktion und Markt wurde nun zu
nehmend ausgedehnt auf die Frage nach der Uberwindung der sach
lichen Distanz zwischen Hersteller und Bedarfstr~ger. Der geeig
nete Ausweg aus diesem Dilemma erschien nicht zuletzt auch im
Hinblick auf die Aktivitaten der Konkurrenz ein in starkerem
Ma8e auf die BedUrfnisse des Abnehmers zugeschnittenes qualita
tiv verbessertes GUterangebot. Diese Grundhaltung der Unterneh
mungen, die durch die Erweiterung des traditionellen Begriffs
der Absatzwirtschaft durch die BerUcksichtigung der zentralen
9
Stellung des Nachfragers gekennzeichnet ist, wird oft durch den
Begriff des 'Marketing' urnschrieben.
1m Marketing wird dann auch eine bestimmte Grundeinstellung zu
den in den Unternehmungen gestellten absatzwirtschaftlichen Auf
gaben gesehen, die in einer konsequent marktbezogenen Unterneh
menspolitik, die sich vom produktionsorientierten Denken losge
lost hat, ihren Ausdruck findet [13/S. 441. Marketing in diesem
Sinne fordert von jeder Unternehmensleitung mit all dem grUnd
lich vertraut zu sein, was man ursprUnglich unter Absatzwirt
schaft verstand. DarUber hinaus entscheidet aber erst die orga
nisatorische Einordnung der absatzpolitischen Instrumente -
Markt- und Motivforschung sowie Forschung und Entwicklung in ih
rer Eigenschaft als informationsgewinnende Bereiche, Entwicklung
und Konstruktion sowie Verkaufsforderung und technischer Absatz
in ihrer Eigenschaft als marktgestaltende Bereiche - Uber die
potentielle Realisierbarkeit der Marketing-Idee: FUhrung der Un
ternehmung vom Absatzmarkt her.
Demnach muB das im Sinne des Marketing aufgegliederte Absatzwe
sen sich von dem in Abb. 3 dargestellten in wesentlichen ZUgen
unterscheiden. Dabei muB die Doppelfunktion der unternehmerischen
Kontaktstelle mit der Umwelt BerUcksichtigung finden. Diese hat
nun nicht mehr nur die Aufgabe, Produkte zu verteilen, sondern
auch den AnstoB zur Erstellung eines Produktes zu geben. 1m Rah
men des betrieblichen Leistungsprozesses steht sie mit der Markt
und Motivforschung sowie der Produktentwicklung und -gestaltung
am Anfang und mit der Verkaufsforderung sowie dem technischen Ab
satz am Ende. Sie kann also nicht mehr als betriebliche Teilfunk
tion im Sinne von Vertrieb interpretiert werden.
Aus dieser Sicht erlangt auch die Koordination zwischen den Ab
teilungen groBeres Gewicht; der Informationsaustausch muB for
¥iert werden, so daB jeder innerhalb der Organisation Ideen fUr
neue Produkte oder Produktdifferenzierungen beisteuern kann.
Letztlich macht das Marketing-Konzept, wenn es voll wirksam wer
den solI, eine neue Organisation der gesamten Unternehmung er
forderlich. Ein Schritt in diese Richtung bedeutet der in Ame~i
ka entwickelte FT (Funktionale Teamarbeit)-Organisationstyp. Wie
aus Abb. 4 zu entnehmen wird dabei angenommen, daB aIle Unter
nehmensfunktionen auf die drei Generalnenner ProzeBfunktionen,
Mittelfunktionen und Human-Relations-Funktionen zurUckgefUhrt
werden konnen.
"ProzeBfunktionen in diesem Zusammenhang sind solche Tatigkeiten,
die auf der Basis ihres zeitlichen Ablaufs Uberwacht werden und
die jede Unternehmung standig mit Erfolg wiederholen muB, urn zu
Uberleben. Beispiele dafUr sind Aufgaben wie Produktplanung,
-entwicklung und -gestaltung, Produktion, Einkauf und Werbung.
Mittelfunktionen umschlieBen die Beschaffung, Verteilung und
Kontrolle einer unUbersehbaren Menge von Mitteln - materieller
wie immaterieller, menschlicher wie physischer. Beispiele hier
fUr sind Geld oder die Fahigkeiten der Angestellten.
Die Hurnan-Relations-Funktion sucht durch die Koordination des ge
samten Kommunikationsflusses jede Unordnung zu vermeiden, die die
ErfUllung der gesteckten Ziele gefahrden konnte. Das Hauptinter
esse richtet sich hierbei nicht auf das 'Was', sondern auf das
'Wie' und 'Wann' der Kommunikation.
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