Table Of ContentDIE KONSERVIERUNG
VON KNOCHENGEWEBE
FOR TRANSPLANTATIONEN
VON
HANS ROTH
OBERARZT DER CHLRURGISCHEN UNIVERSITATSKLINIK BASEL
MIT 147 TEXTABBILDUNGEN (233 EINZELBILDERN)
wrEN
SPRINGER-VERLAG
1952
ISBN-13: 978-3-7091-7810-2 e-ISBN-13: 978-3-7091-7809-6
DOl: 10.1007/978-3-7091-7809-6
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER UBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
COPYRIGHT 1952 BY SPRINGER-VERLAG IN VIENNA.
Softcover reprint ofthe hardcover 1s t edition 1952
Vorwort.
Die vorliegende Arbeit stammt aus der Chirurgischen Universitatsklinik
Basel. Sie stellt den Versuch dar, die theoretischen und praktischen Fragen der
Knochenkonservierung kurz zusammenzufassen. AIle uns zuganglichen wichtigen
Publikationen der letzten Jahre wurden verwertet und zum Teil auszugsweise
wiedergegeben. Daneben berichten wir liber die Resultate eigener Untersuchungen
sowie liber eigene klinische Erfahrungen mit der Knochenkonservierung. Die
Transplantation konservierter Spane ist noch keine Standardmethode. Sie be
findet sich im Stadium des Versuches. Die vOrliegende Schrift kann deshalb
nichts Endgliltiges vermitteln. Sie dient dem Zwecke, in Form eines Querschnittes
den heutigen Stand unseres Wissens aufzuzeigen und mochte zur Mitarbeit an
den zahlreichen offenen Fragen anregen.
Meinem verstorbenen Lehrer, Prof. Dr. O. M. S c h li r c h, bin ich zu groBem
Dank verpfiichtet. Er unterstlitzte meine Arbeit in jeder Beziehung. Wertvolle
Ratschlage und Unterstlitzung erhielt ich von Prof. Dr. E. U e h lin g e r
(Direktor des Pathologisch-Anatomischen Institutes St. Gallen) und Professor
Dr. A. We r the man n (Direktor des Pathologisch-Anatomischen Institutes
Basel). Die zah1reichen Rontgenbilder verdanke ich Prof. Dr. M. L li din (Vor
steher des Universitats-Rontgeninstitutes Basel). Die bakteriologischen Unter
suchungen wurden im Hygiene-Institut der Universitat Basel durchgeflihrt,
woflir ich Prof. Dr. J. Tom c s i k danke. Zu danken habe ich ferner dem Leiter
unseres chemischen Laboratoriums, Dr. H. S li 11 man n, und dem Leiter unseres
Gewebezlichtungs-Laboratoriums, Dr. M. A 11 g 0 w e r.
Die Mikro-Photographien machte W. Fie t z, St. Gallen. Alle lib rig en Photo
graphien stammen von unserem Klinik-Photographen K. A. S c h mid 1 i n. Die
Skizzen und Zeichnungen wurden von Universitats-Zeichner R. Mus pac h
ausgeflihrt. Ihnen allen sei auch an dieser Stelle herz1ich gedankt.
Mein besonderer Dank gilt auch dem Springer-Verlag in Wien, der zah1-
reiche Schwierigkeiten zu liberwinden hatte, urn eine rasche Druck1egung zu
ermoglichen.
Hans Roth.
Bas e 1, im Marz 1952.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1
Erster Teil.
Die Transplantation von Knochengewebe.
1. Allgemeines .................... . 3
2. Die QueUe des Transplantatersatzes ....... . 4
Die Lehre von den praexistierenden Osteoblasten 5
Kritik an der Osteoblastentheorie - die Metaplasietheorie . 6
Die Bedeutung des Periostes bei der Osteogenese . 13
3. Die Vorgange beim normalen Transplantateinbau . 14
4. Storungen beim rrransplantateinbau ..... 21
5. Autoplastik, Homoplastik und Heteroplastik 28
Zweiter Teil.
. Die Konservierung von Knochengewebe.
1. Allgemeines . 34
2. Frtihere Konservierllngsversllche . 36
3. Konservierung durch Tiefktihlung 38
4. Nellere Untersuchungen und Erfahrungen tiber die Knochenkonservierung 42
5. Eigene Qxperimentelle Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . 68
a) Histologische Untersuchungen an konservierten Knochenspanen . 69
b) Del' EinfluB tiefer Temperaturen auf Bindegewebskulturen . . 74
c) Stoffwechseluntersuchungen an konserviertem Knochengewebe 79
d) Rest-N-Bestimmungen am konservierten Knochengewebe . . 82
e) Extraktversuche mit konserviertem Knochengewebe . . . . . . 84
f) Transplantationsversuche mit konservierten Knochenspanen . 89
Implantationen ins Weichteillager 89. - Transplantationen ins Knochenlager 99.
g) Del' Einflufl von fiiissigem Paraffin auf Gewebskulturen ................ 112
h) Bakteriologische Untersuchungen mit konservierten Knochenspanen ......... 112
i) Kllrze Zusammenfassung der Ergebnisse unserer experimenteUen Untersuchungen 114
6. Eigene klinische Erfahrungen mit del' Knochenkonservierung . . . . . . . 116
a) Die ]<'rage der Knochenspender ...... 116
b) Die Spanentnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
c) Die Konservierung del' Knochenspane . . . . . . . . . . . . . 122
d) Die Implantation des konservierten Spanes. . . . . . . . . . 126
e) Organisation del' Knochenkonservierllng, "die Buchhaltung" 128
f) Der Transport konservierter Spane .. ' ....... 129
g) Rechtliche Fragen del' Knochenentnahme an Leichen. . . . 130
VI
Inhaltsverzeichnis.
Seite
7. Un sere Operation en mit homologen konservierten Knochenspanen ]31
a) Arthrodesen . . . . . . . . . . . . . . ...... . 133
b) Arthrorisen . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . 146
c) Pseudarthrosenoperationen . . . . 149
d) Entziindliche Knochendefekte .. . 163
e) Knochenzysten ............. . 167
f) Knochentumoren ........... . 172
g) Frische Extremitatenfrakturen 176
h) Plastische Operationen ...... . 177
i) Zusammenfassung .............. . 181
8. Der heutige Stand der Knochenkonservierung . 187
Literaturverzeichnis ........ . 190
Sachverzeichni~ ..................... . . 218
Einleitung.
Die Verpflanzung von Knochengewebe ist ein Teilgebiet aus dem groBen,
biologisch auBerordentlich interessanten Kapitel der Transplantation. Durch
die grundlegenden Arbeiten von 0 11 i e r, Bar t h, Mar c han d, Lex e r
u. a. ist die Knochentransplantation Allgemeingut der Chirurgie geworden. Sie
ist neben der Verpflanzung von Haut - sofern wir von der Bluttransfusion
absehen - die praktisch wei taus wichtigste und gebrauchlichste Art der
Gewebsverpflanzung. Trotz jahrzehntelangen intensivsten Bemuhungen - die
Zahl der experimentellen und klinischen Arbeiten ist unubersehbar groB
geworden - sind grundlegende Probleme der Knochentransplantation noch
ungelOst. So wissen wir zwar, daB beim lebenden Einbau (L e x e r) der Span
allmahlich durch neues Knochengewebe ersetzt wird. Die groBe Streitfrage aber,
ob einzelne Zellen des Transplantates uberleben und am schleichenden Ersatz
aktiv mitbeteiligt sind, oder ob der Ersatz ausschlieBlich yom Transplantatbett
ausgeht, ist bis heute noch nicht verstummt. Auch uber die letzten Ursachen
der Osteogenese und dam it auch des Transplantateinbaues wissen wir noch sehr
wenig. Trotz dieses noch mangelhaften theoretischen Wissens hat sich die
Methode der autoplastischen Transplantation von frischem Knochengewebe in
der Praxis bewahrt. Allerdings zeigt die Praxis auch immer wieder, daB die
Methode entscheidende Nachteile hat und deshalb niemals die Ideallosung des
operativen Knochenersatzes darstellen kann. Der groBte Nachteil der auto
plastischen Transplantation besteht darin, daB durch die Spanentnahme beim
Patienten selbst an einer andern Stelle ein Knochendefekt gesetzt wird. Die
Spanentnahme bedeutet einen zusatzlichen Eingriff und oft eine Verlangerung
des Krankenlagers. In gewissen Fallen ist die autoplastische Methode uberhaupt
nicht durchfuhrbar, weil sie zu wenig' oder qualitativ schlechtes Material gibt
(Kinder, groBe Transplantate, generalisierte Skeletterkrankungen). Es ware am
naheliegendsten, den Eigenspan in solchen Fallen durch den Span eines andern
Individuums (Homoplastik) zu ersetzen. Eine Schwierigkeit der Homoplastik
besteht jedoch darin, daB nicht immer gerade dann Knochenmaterial zur Ver
fligung steht, wenn es benotigt wird. Diese Schwierigkeit wird durch die
Knochenkonservierung beseitigt, indem sie es ermoglicht, operativ oder post
mortal entnommene Knochenspane bis zur Verwendung aufzubewahren. Die
ersten Anregungen in dieser Richtung gingen von Car reI aus (1912). Seit
1942 wirrl die Methode in Amerika vercinzelt (I n c I a n) und seit 1947 in
groBerem MaBstab verwendet. In Europa sind, angeregt durch die Erfolge der
Amerikaner, vor allem einige franzosische Autoren zur Verwendung konser
vierter Knochenspane ubergegangen.
Verschiedene unkritische Publikationen der letzten Zeit erwecken den Ein
druck, als ob die Konservierung von Knocheng'ewebe bereits eine bewahrte
Standardmethode sei. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Methode steht in den
Roth, Knochenkonservierung. 1
2 Einleitung.
ersten Anfangen und bedarf noch dringend einer weiteren kritischen Prlifung.
Die vorliegende Arbeit solI ein Beitrag in dieser Richtung sein.
Die Probleme der Knochenkonservierung konnen nur richtig verstanden
werden, wenn man von den neueren Anschauungen der Osteogenese ausgeht.
Diese Anschauungen haben in den letzten Jahren eine entscheidende Wandlung
durchgemacht. An die Stelle der klassischen Lehre von den praexistierenden
Osteoblasten ist die Metaplasielehre getreten. Wir hielten es deshalb fUr zweck
maBig, in einem ersten Teil unserer Arbeit auf einige allgemeine Fragen der
Knochentransplantation einzutreten. Wir taten dies nur so weit, als es uns fUr
das Verstandnis der Knochenkonservierung notwendig erschien. 1m zweiten
Teil unserer Arbeit geben wir eine kurze 'Obersicht der bisherigen VerOffent
lichungen liber die Knochenkonservierung, um dann unsere eigenen experimen
tellen und klinischen Erfahrungen mitzuteilen.
Erster Teil.
Die Transplantation von Knochengewebe.
1. Allgemeines.
Wenn man sich etwas eingehender mit Transplantationsfragen beschaftigt,
so nUlt einem vor aIlem einmal die groBe Diskrepanz zwischen dem untiber
sehbar groB gewordenen Schrifttum und den wenigen, wirklich feststehenden
Erkenntnissen auf. J e tiefer man in das Gebiet eindringt, desto besser erkennt
man, wieviele Probleme und Fragen noch unbeantwortet sind. Die Grtinde dafUr
sind verschiedener Art. Einmal liegt es daran, daB die V orgiinge und damit die
Probleme bei der Transplantation wesentlich komplizierter und verwickelter
sind, als man auf den ersten Blick annehmen konnte. Dann war die Forschung
auf diesem Gebiet jahrelang unsystematisch, ja geradezu plan- und ziellos. Als
urn die Mitte des vorigen Jahrhunderts die operative Chirurgie, dank den Errun
genschaften der Asepsis und Narkose, rasche Fortschritte machte, wurde der
Weg frei zu einem neuen und interessanten Gebiet, zur Gewebs- und Organ
transplantation. Transplantationsversuche wurden groBe Mode. Dabei fehlte
jedoch meist eine klare Zielsetzung und Fragestellung. Die einzige Frage,
die jeweils gestellt wurde, lautete lediglich, ob das Transplantat einheile oder
nicht. Aber gerade die Beantwortung dieser scheinbar einfachsten Frage nach
dem Transplantationserfolg sWBt oft auf groBe Schwierigkeiten. Vom theore
tischen, pathologisch-anatomischen und biologischen' Standpunkt aus konnen
wir von einem vollen Transplantationserfolg nur dann sprechen, wenn die Zellen
des Transplantates am Leben bleiben und durch eigene Lebenstiitigkeit (Wachs
tum, Regeneration) mit ihrer neuen Umgebung in organische Verbindung treten.
Vom klinischen, praktischen Standpunkt aus hingegen kann die Transplantation
auch dann erfolgreich erscheinen, wenn das Transplantat nur passiv einheilt wie
ein Fremdkorper oder wenn die Zellen des Transplantates allmiihlich absterben
und sukzessive aus dem Transplantatbett ersetzt werden. Solange die Beurteilung
der Einheilung nur klinisch oder makroskopisch erfolgte, blieben diese Unter
schiede weitgehend unerkannt. Auch heute noch rtihren viele Meinungsverschie
denheiten im Schrifttum daher, daB nicht klar genug festgelegt wird, was unter
erfolgreicher Einheilung verstanden werden solI. Eine weitere Schwierigkeit
der Transplantationsforschung besteht darin, daB die Resultate von Tierexperi
menten nur mit groBten Vorbehalten auf den Menschen tibertragen werden
dtirfen. Wir wissen, daB die Transplantationserfolge urn so besser sind, je tie fer
das betreffende Tier in stammesgeschichtlicher Entwicklung steht und je
weniger hoch differenziert das zu verpflanzende Gewebe selbst ist. Die Trans
plantationsmoglichkeit nimmt mit dem phylo- und ontogenetischen Fortschritt
gradatim ab (B 0 r s t). Ein weiterer Grund fUr die jahrelange Stagnation
in der Transplantationsforschung liegt auch in der einseitigen Untersuchungs
methodik. Jahrzehntelang beschriinkte man sich auf rein morphologisch
histologische Untersuchungen. Nun gibt zwar der leblose Schnitt ein bis
in zahlreiche Details genaues momentanes Zustandsbild. Es ist aber nach
dem histologischen Bild meist unmoglich, tiber die Herkunft bestimmter Zellen
oder Strukturen etwas Sicheres zu sagen. Beim Knochen gilt dies in besonderem
1*
4 Die Transplantation von Knochengewebe.
MaBe fur die Transplantationen in ein knochernes Bett. Die histologische Unter
suchung kann hier in der Regel nicht entscheiden, ob neu gebildetes, junges
Knochengewebe aus dem Transplantat oder aus dem Transplantatbett stammt.
Die verschiedene Interpretation histologischer Schnitte fiihrte zu dem jahrzehnte
langen Streit uber die Quelle des Transplantatersatzes. Wenn man das Schrift
tum etwas genauer verfolgt, erkennt man immer wieder, daB die Beobachtungen
der verschiedenen Autoren oft auffallend gut ubereinstimmen. Der Streit dreht
sich nicht um die Befunde, sondern in erster Linie um ihre Auslegung. Andere
Untersuchungsmethoden, insbesondere die Gewebezuchtung, sind vielleicht
imstande, zahlreiche Fragen zu beantworten, die bisher noch offen blieben.
Endlose und unfruchtbare Diskussionen sind auch dadurch entstanden, daB man
erst spat die Bedeutung des Transplantatbettes erkannt und gewurdigt hat.
Gerade bei der Knochentransplantation sind die Bedingungen im knochernen
Lager und im Weichteillager so grundverschieden, daB man nicht eindriicklich
genug darauf hinweisen kann. Es ist deshalb von wesentlicher Bedeutung, ob
eine bestimmte Beobachtung an einem transplantierten Knochenspan im
knochernen Bett oder im Weichteillager gemacht wurde.
Die ganze Transplantationsforschung dreht sich letzten Endes immer wieder
um die Einheilungsvorgange und um die Einheilungsbedingungen oder -voraus
setzungen. Das letzte Ziel, die vollkommene Beherrschung - theoretisch und
praktisch - der Knochentransplantation, haben wir dann erreicht, wenn wir
alle Einbauvorgange kennen und zudem alle Faktoren, die diesen Einbau beein
flussen, ebenfalls kennen und beherrschen. Von diesem Endziel sind wir jedoch
vorlaufig noch weit entfernt.
Es wurde den Rahmen unserer Arbeit we it uberschreiten, wenn wir alle
noch offenen Probleme der Knochentransplantation zur Diskussion stellen
wollten. Fur die Knochenkonservierung sind vor aHem zwei Fragenkomplexe
von Bedeutung: die Frage nach der Quelle des Transplantatersatzes und die
Frage der Einheilungsunterschiede bei der Auto-, Homo- und Heteroplastik. In
den folgenden Kapiteln werden wir deshalb in erster Linie diese Frage behan
deln. Daneben werden wir kurz die Vorgange beim normalen Transplantateinbau
sowie die hauptsachlichsten Storungen der Transplantateinheilung besprechen.
2. Die QueUe des Transplantatersatzes.
(Osteoblastenlehre - Metaplasietheorie.)
Wenn z. B. eine Lucke der Schadelkalotte durch autoplastische Verpflan
zung eines Tibiaspanes gedeckt wird, so heilt der Span im IdealfaH so ein, daB
wir - nach Jahren - an Stelle des Tibiaknochens ein Stuck einer normalen
Schadelkalotte finden. Diese Tatsache laBt zwei verschiedene Interpretationen
zu. Einmal konnen wir annehmen, daB dfjr lebendig eingeheilte Span sich im
Laufe der Zeit in Anpassung an die neue Funktion vollstandig umgebaut habe.
Dies ware pathologisch-anatomisch und klinisch ein hundertprozentiger Trans
plantationserfolg. Wir konnen aber auch annehmen, der implantierte Tibiaspan
sei abgestorben und - ohne eigenes Dazutun - allmahlich durch Knochen
gewebe aus der Umgebung ersetzt worden. Unter diesen Umstanden ware die
Transplantation, trotz des klinisch-funktionellen Erfolges, yom pathologisch
anatomischen Standpunkt aus miBlungen. Die Pathologen sprechen nur von einer
erfolgreichen Transplantation, wenn die verpflanzten Zellen am Leben bleiben
und aktiv am Einbau mitwirken. Jahrzehntelang bildete diese Alternative die
Hauptstreitfrage der Transplantationsforschung. Schon zwischen 011 i e r einer-
Die QueUe des Transplantatersatzes. 5
seits, B a l' t h und M a l' c han d anderseits herrschte in diesel' Frage Meinungs
verschiedenheit. 0 11 i e l' glaubte an das Uberleben del' transplantierten Zellen
und sah in ihnen die Hauptquelle des Transplantatersatzes. B a l' t h und M a 1'
c han d waren del' Meinung, daB alle transplantierten Zellen absterben und del'
Ersatz lediglich aus dem Gewebe del' ImplantationssteUe stamme. A x h a use n
nahm eine Zwischenstellung ein. Er stellte zwar auch fest, daB ein betrachtlicher
Teil del' implantierten Zellen absterbe; es bleiben abel' nach seiner Meinung
gentigend Zellen erhalten, urn bei del' folgenden Substitution die Hauptrolle
zu spielen. Die ungezahlten Autoren, die sich spateI' immer wieder mit diesel'
Frage beschliftigten, kamen zu den verschiedensten Schltissen. Die Frage ist
nicht nur von groBem wissenschaftlichem Interesse, sondern von unmittelbar
praktischer Bedeutung, gerade im Hinblick auf die Knochenkonservierung. Wenn
namlich die Zellen des Transplantates absterben und aus del' Umgebung durch
lebendes Knochengewebe ersetzt werden, so sind wir berechtigt, an Stelle des
lebenden Frischtransplantates einen toten (konservierten) Knochen zu ver
wenden. Dabei ist es nattirlich auBerordentlich wichtig, zu wissen, ob del' Ersatz
nur in einem knochernen Lager odeI' auch in einem Weichteillager erfolgt.
Die Einheilung eines verpfianzten Knochenspanes stellt einen Spezialfall del'
Frakturheilung und damit del' Knochenregeneration tiberhaupt dar. Die Frage
nach del' QueUe del' Knochenregeneration stellt sich tiberall, wo neuer Knochen
entsteht: bei del' Frakturheilung, beim Transplantateinbau und bei del'
heterotopen Knochenneubildung (z. B. Myositis ossificans). Die angeschnittene
Frage ist also eine Frage del' Osteogenese tiberhaupt. Letzten Endes lautet sie:
Kann neues Knochengewebe nul' aus Elementen des Knochens (Osteozyten,
Periost, Endost, Mark) entstehen odeI' auch aus anderen mesenchymalen Ele
menten? Diese Frage scheint heute im Sinne del' zweiten Moglichkeit ent
schieden zu sein: Neuer Knochen kann unter bestimmten Voraussetzungen
unabhangig vom Knochengewebe durch Metaplasie eines indifferenten mesen
chymalen Keimgewebes entstehen.
Diese Auffassung widerspricht del' klassischen Osteoblastenlehre, nach del'
neues Knochengewebe nul' aus Elementen des Knochens, und zwar aus praexistie
renden knochenbildenden Zellen, den Osteoblasten, entsteht. Diese Osteoblasten
lehre hat trotz zahlreicher Widersprtiche jahrzehntelang das Feld behauptet.
Sie ist heute noch vielfach die offizieUe Lehrbuchmeinung und ist auch zum
praktisch unangefochtenen AUgemeingut del' Chirurgie geworden. Die Osteo
blastenlehre verdankt diese starke Stellung in del' Chirurgie VOl' aUem ihrem
eifrigsten Verfechter Lex e r. Eine Folge diesel' Lehre ist die Uberschatzung
del' Bedeutung des Periostes. Nach Lex e l' und seiner Schule nimmt das Periost
in bezug auf die Osteogenese praktisch eine Monopolstellung ein. Wenn wir
auf Grund eines eingehenden Literaturstudiums und eigener Versuche zur gegen
t.eiligen Auffassung gelangt sind, so mtissen wir dies im folgenden begrtinden.
Die Lehre von den praexistierenden Osteoblasten.
MaBgebend fUr diese Lehre war die Beobachtung, daB ein in Weichteile
transplantiertes Knochenstuck neuen Knochen bilden kann. Es war naheliegend,
fUr diese Knochenneubildung die zelligen Elemente des eingepfianzten Knochens
verantwortlich zu machen. Nach Bon 0 m e, Mac ewe n, M c Ewe n und
M c Will i am s sind es die Osteozyten selbst, die sich vermehren und neuen
Knochen bilden. Diese Auffassung ist abel' offenbar unrichtig. Sie laBt sich
dadurch widerlegen, daB in histologischen Schnitten nie Mitosen von Osteozyten
gefunden werden. Die histologische Untersuchung von Transplantaten zeigt