Table Of ContentSitzungsberich te
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse
======= Jahrgang 1948. 7. Abhandlung' =======
Die Jansen -Rayleighsche Naherung
zur Berechnung
von Unterschallstromungen
Von
H.Wendt
in Bonn a. Rh.
Vo rgelegt in der Sitzung yom 31. lanuar 1948
von W. Threlfall
Heidelberg 1948
Springer-Verlag
H. Wendt
DreadeD, 7.1.1913
Aile Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen,
vorbehalten.
Copyright 1948 by Springer-Verlag OHG. in Berlin, Gottingen alld Heidelberg.
ISBN-13: 978-3-540-01353-2 e-ISBN-13: 978-3-642-45807-1
DOl: 10.1007/978-3-642-45807-1
US-W-1093. - Dezember1948. - 1000 Exemplare.
Die Jansen_Rayleighsche Niiherung
zur Berechnung von Unterschallstromungen.
Yon
H. Wendt in Bonn a. Rh.,
vorgelegt von W. THRELFALL.
Bei der mathematischen Behandlung ebener, stationarer, kom
pressibler, reibungsfreier, adiabatischer Stromungen muB man drei
wesentlich verschiedene Gruppen unterscheiden:
'I. In allen Punk ten des Stromungsfeldes ist der Betrag der
Geschwindigkeit groBer als die Schallgeschwindigkeit: Reine Uber
schallstromungen.
2. Es gibt Punkte im Stromungsfeld, fUr die die Geschwindig
keit groBer als die Schallgeschwindigkeit ist und solche, fUr die sie
kleiner ist.
3. In allen Punkten des Stromungsfeldes ist der Geschwindig
keitsbetrag kleiner als die Schallgeschwindigkeit: Reine Unter
schallstromungen.
Die Stromungen der ersten Gruppe geniigen einer hyperbolischen
Differentialgleichung. Ihre Integration kann mit geniigender Ge
nauigkeit mittels eines Charakteristikennetzes auf graphisch
rechnerischem Wege bewaltigt werden. Die fUr die Praxis wich
tigen Methoden sind seit langem von BUSEMANN, GUDERLEY,
SAUER, SCHULz-GRUNOW und anderen entwickelt worden.
Die Stromungen der zweiten Gruppe bieten z. Zt. noch groBe
mathematische Schwierigkeiten, die durch die Anderung des Typs
der Differentialgleichung vom hyperbolischen in den elliptischen
beim Ubergang von Uberschall- zu Unterschallbereichen bedingt
ist. Es existieren bisher nur wenige praktisch interessante durch
gerechnete Beispiele.
-147 -
4 H. WENDT:
Die reinen Unterschallstromungen genugen einer elliptischen
Different~algleichung. Fur ihre Berechnung sind verschiedene
Naherungsmethoden ersonnen worden, von denen wir die haupt
saehlichsten kurz auffuhren wollen.
a) Die Theorie der dunnen Profile behandelt Stromungen, die
sich wenig von einer Parallelstromung unterscheiden. Potential
und Stromfunktion werden dabei nach einem von der geometrischen
Gestalt des umstromten Profils abhangigem Parameter entwickelt.
In den Koeffizienten der Entwicklung wird fur die Abhangigkeit
von der Anstromgeschwindigkeit keine Vernachlassigung einge
fuhrt. Die erste Naherung wird durch die Parallelstromung ge
geben, der zweite Schritt fiiJlt mit der in der Praxis sehr wichtigen
PRANDTL-BuSEMANKschen Naherung zusammen.
b) Die Methode von v. KARMAN und TSIEN verknupft die Gas
stromungen mit der Theorie der Minimalflachen. Physikaliseh
wird dabei mit dem hypothetisehen Gas gerechnet, fur das das
Verhaltnis der spezifischen Warm en bei konstantem Druck und
Volumen den Wert - 1 hat. Die Adiabate dieses Gases ist eine
Gerade im Druck-Volumendiagramm. Liegt eine Gasstromung
urn ein dunnes Profil vor, wo die Geschwindigkeiten nur wenig
von einer mittleren abweichen, so wird von der Addiabate l1ur
ein kieines Stuck benutzt, das man naherungsweise durch eine
Gerade ersetzen kann. In der Originalarbeit von v. KAR;\1AN und
TSIEN wurden die zirkulationsbehafteten Stromungen zunachst
ausgesehlossen. Durch neuere Arbeiten von P. GERMAIN, K.JAECKEL
(als Bericht erschienen) ist diese Lucke geschlossen worden.
e) Die in der Praxis weniger in Frage kommenden Stromungen
urn dicke Profile werden durch die JANSEN-RAYLEIGHSehe Naherung
beschrieben. Dabei wird eine Entwicklung des Potentials bzw.
der Stromfunktion nach dem Quadrat der MAcHschen Zahl vor
genommen. Den Ausgangsschritt des Verfahrens stellt die in
kompressible Stromung urn das vorgegebene Profil dar. Den
Konvergenzbeweis fUr die JANSEN-RAYLEIGHSche :\fethode hat
E. HOLDER gefUhrt. Wir wollen in dieser Arbeit diese Naherung
durch konsequente Einfiihrung komplexer GroBen darstellen (§ 1)
und als Beispiel die symmetrische kompressible Stromung urn
einen Kreiszylinder im Kanal mit festen Wand en behandeln
(§ 3). Die dazu notige inkompressible Stromung wird in § 2
bereehnet.
-148 -
Die JANSEN-RAYLEIGHSche Niiherung. 5
§ 1. Die Jansen-Rayleighsche Niherung.
1. Aufstellung der Differentialgleichung der kompressiblen
Stromungen. Wir betrachten eine ebene, stationare, kompressible,
adiabatische Potentialstromung, die wir auf ein rechtwinkliges
kartesisches x y-Koordinatensystem bezogen denken. Mit q; (x, y)
und 1p (x, y) bezeichnen wir das Potential und die Stromfunktion.
Sind ft (x, y) und v(x, y) die Komponenten der Geschwindigkeit
parallel zu den Koordinatenachsen, so gilt:
v = q;" = - -(l1""1 ',., (1 )
(l
(! (x, y) ist die Dichte der Gasstromung, mit dem Index (Xl bezeich
nen wir hier und im folgenden die ZustandsgroBen im Unendlichen.
Wir nehmen weiter an, daB im Unendlichen Parallelstromung der
Geschwindigkeit Uoo = - U (U > 0), Voo = 0 herrscht. a = a(x, y)
bedeutet die Schallgeschwindigkeit, a gibt dann den Wert der
oo
Schallgeschwindigkeit im Unendlichen an. Das Verhaltnis (1",,/(1
berechnet sich aus der BERNOuLLIschen Gleichung:
(2)
und dem Adiabatengesetz, das wir in der Form
schreiben wollen, zu
" = cpicv ist dabei das Verhaltnis der spezifischen Warmen bei
konstantem Druck und Volumen, M = Ula"" bezeichnet die
MAcHsche Zahl der Anstromung. Damit nimmt Gl. (1) die Ge
stalt an:
Diese beiden Gleichungen fassen wir zu einer komplexen zusammen,
l! --
indem wir die zweite mit i = 1 multiplizieren und zur ersten
-149 -
6 H. WENDT:
addieren. Man findet:
r
([1- "; -1
+ + M2{(;y + (; }l"~l_1)
IP% i IPy-1py i 1p% = 1 (1py-i1p%). (6)
Die in Gl. (5) u. {6) auftretenden Funktionen IP(x, y) und 1p(x, y)
nehmen wir als analytische Funktionen in x und y an. Sehen
wir von einzelnen singuHiren Stellen auf dem umstromten Profil \l3
ab (unter Umstanden der Hinterkante), so konnen wir in cler Um
gebung aller iibrigen Punkte xo, Yo des Stromungsbereiches das
I
Potential und die Stromfunktion in eine konvergente Potenzreihe
nach steigenden Potenzen von x - Xo und y - Yo entwickeln:
IP (x, y) = ~ a.,m(x - xo)e (y - Yo)m,
e, In -= 0 (7)
00
1p(x, y) = ~ b.,m (x - xo)' (y - yo)m.
e.m
=0
Eine solche Entwicklung hat mathematisch auch dann noch Sinn,
wenn wir zulassen, daB x und y komplexe Werte durchlaufen:
+
y = Yl i Y2 (Xl' x2, Yl' Y2 reell). (8)
\Vir arbeiten dann in einem vierdimensionalen komplex en Raum,
den wir auch mittels der Koordinaten
&2 = x-i Y (9)
beschreiben konnen. Die uns interessierende physikalische Stro
mung findet in einer Ebene E des h kRalimes statt. Es miissen
dort die GroBen X2 und Y2 von Gl. (8) verschwinden. Bezeichnen
wir mit einem Querstrich iiber einer komplexen GroBe ihren
konjugiert komplt!xen Wert (Ersetzen aller auftretenden GroBen i
durch - i), so hat E die Gleichung:
31 =h
Wir gehen zunachst daran, die Gl. (6) auf die neuen Koordinaten
Gl. (9) umzuschreiben.
Das Potential und die Stromfunktion bezogen auf die Koordi
nat en 31> 32 des vierdimensionalen komplexen Raumes bezeichnen
wir mit l/> (31) 32) und lJI (31' 32) :
IP (x, y) = (J}(31' 32)' 1p(x, y) = lJI(31) 32) •
- 150-
Die ]ANSEN-RAYLEIGHSche Niiherung. 7
Transformieren wir (6) auf 31 und 32' wobei flir die Umrechnung
der Differentialquotienten die Rechenregeln
° ° °
a;=~+~,
gelten, so wird daraus:
([1-
2(~ +i O'P) = - 2i ~~M2{~ EtlJ ~ -1}l"~l -1) 0'P. (10)
05a 052 2 U 051 032 . 03a
Fassen wir noch tJ> und 1J1 zu einem komplexen Potential
U [J (31' 32) = tJ> (31) 32) + i lJf (31, 32) (Ha)
zusammen und fiihren noch den Ausdruck
U Q* (31' 02) = tJ> (01' 02) - i lJf (01' 02) t (1 1 b)
em, so erhalt man aus Gl. (10) wegen
die Gleichung
20Q =([1- M2{(OQ + OQ*)(oQ + OQ*)-1}l"~l-1)(OQ. _ oQ). (12)
)e-1
051 2 051 051 032 038 052 052
Dies ist keine reine Differentialgleichung flir Q (J1' J2)' denn auBer
den Ableitungen oQjoh und oQjOJ2 kommen noch die Ableitungen
des gesternten Potentials Q* VOL
2. Die Differentialgleichung der RAYLEIGHSchen Naherung.
Auf der rechten Seite von Gl. (12) tritt das Quadrat der MAcHschen
Zahl der Anstromung als Parameter auf. Es liegt somit nahe, flir
das Potential und die Stromfunktion eine Entwicklung nach M2
anzunehmen. Wir set zen daher:
tp(X,y)=tpo(X,y) +M2tp1(X,y) +M4tp2(X,y)+,,' } (13)
+ + + ... .
1j!(x, y)= 1j!o(x, y) M21j!I(X, y) M41j!2(X,y)
Mit tp;(x, y) = tJ>;(J1> J2)' 1j!; (x, y) = 1J1(J1> 32) (i = 0,1,2, ... ) schreiben
wir dann im 01 02-Raum :
Das Symbol n* ist wohl zu unterseheiden vom konjugiert komplex en
n. Denn fiir die Bildung von n* wird nur der bei 'P(h, 32) stehende Faktor i
dureh - i ersetzt, jedoeh nieht aile andcren i, die eventuell in t1i und 'P
auftreten konnen. .
-151-
8 H. WENDT:
Durch
U Q~ (31) 32) = (/); (31) 32) + ~!P; (31) 32) }
(1 5)
U Q; (31, 32) = (/); (31' 32) - Z !p; (31' 32)
fUhren wir schlieBlich noch eine Entwicklung der komplexen
Potentiale D und D* nach der MAcHschen Zahl ein:
Q(31' 32) =Qo(31) 32) + M2Qd31> 32)+ M4Q2(31) 31) +"', (16a)
Q*(31) 32)=Qt(31) 32)+M2Qf(31) 32)+M4Q:(31' 32)+ .. ·. (16b)
Als die n-te Naherung fur das komplexe Potential einer kompres
siblen Stromung nach der Methode von JANSEN und RAYLEIGH
wollen wir den Abschnitt der Entwicklung von D (31' 32) bis zum
n-ten Gliede bezeichnen. Die erste Naherung ergibt sich somit,
wenn wir in Gl. (16a) auf der rechten Seite M = 0 setzen. Die
zweite Naherung umfaBt die Glieder
+
Q 0 (31) 32) M2 Q1 (31' 32) ,
die dritte Nahertmg wird von den Gliedern
+ +
Q 0 (31) 32) M2 Q1 (31' 32) M4 Q 2 (31) 32)
gebildet usw. Entsprechend definieren wir die n-te Naherung
fUr das Potential und die Stromfunktion.
Von den in den Entwicklungen Gl. (13), (14) u. (16) auftretenden
Koeffizienten IP,(x, y), "P;(x, y), (/),(31,32)' P;(31' 32)' D,(31) 32)'
Df (31) 32) nehmen wir an, daB sie, wenn man von einer endlichen
Zahl von singularen Stellen auf dem umstromten Profil absieht,
in allen ubrigen Punkten des Stromungsbereiches der Ebene 31 = ~2
analytische Funktionen ihrer Argumente sind. Insbesondere gilt
fUr Q; (31) 32) in der Umgebung eines gewohnlichen Punktes 3~, 3~
der Ebene E die konvergente Entwicklung:
00
L
Q;(31' 32) = Ce,,,, (31 - 3~)' (32 - 3g)'" C.,,,, komplex. (17)
e,,,.=O
Wir gehen nun mit (16) in die Gl. (12) ein. Der Vergleich der
Koeffizienten von MO, M2, M4, ... liefert dann die folgenden Dif
ferentialgleichungen:
28Do=O (18)
831 '
28D1 =..!..[(8Do + oD,~).(8Do + oDt)_1](oD: _ ODo) , (19)
03. 2 031 031 031 031 .831 031
-152 -
Die }ANSEN-RAYLEIGHSche Naherung. 9
Auf der rechten Seite der Differentialgleichung fur D,. kommen
nur die D; und Dr (i = 0, 1, 2, ... , n - 1) vor, so daB man D,.
berechnenkann, wenn man diese Funktionen kennt.
Urn physikalisch sinnvolle Losungen der Gl. (18) bis (20) an
zugeben, mlissen wir noch genauer auf Dr (h, 32) eingehen. Zur
Festlegung dieser Funktionen fordern wir, daB lP; (31) 32) und
P; (h, 32) in der Ebene E: h = b2 fUr alle Punkte des Stromungs
bereiches reelle Werte annehmen. Bezeichiien wir mit dem Sym
bol iRe und ~m den Real- und Imaginarteil einer komplexen GroBe,
so hat man also:
(21)
Damit fant in E offenbar Dr mit dem konjugiert komplex en
Potential von D; zusammen.
(22)
Nehmen wir fUr D; (h, 32) in der Umgebung eines Punktes 3~, 3~
von E eine Entwicklung der Form (17) an, so heiBt wegen (21)
die fUr'Dr (31' 02) :
00
Dr(~1> ~2) = L C• • m (~2 - ~g)'(31 - 3~)m giiltig in E.
e,m=O
Da wir aber D;* als analytische Funktion in 31 und 32 voraussetzen,
gilt die obige Darstellung allgemein. Die Reihe fUr Dr konvergiert
wie die fUr D; in der Umgebung des Punktes 3~, 3~ des Stromungs
bereiches von E, wenn man von einer endlichen Zahl singularer
Stell en auf \l3 absieht.
Liegt insbesondere eine Funktion Do (31. 32) = Do (31) vor:
00
Do (h) = L a, (31 - 3~)' ,
.=0
Qri
so ist (31) 32) eine Funktion von 32:
(23)
-153 ~
10 H. WENDT:
Nach diesen Vorbetrachtungen schreiten wir zur Integration der
Differentialgleichungen (18) bis (20).
3. Integration des ersten und zweiten Schrittes. Das allge
meine Integral von Gl. (18) ist offenbar eine in E beliebige ana
lytische Funktion Do(31). Fiir diesen ersten Schritt des JANSEN
RAYLEIGHSchen Verfahrens wahlen wir als Funktion das kom
plexe Potential der inkompressiblen Stromung in E urn das Profil \l3
mit der Anstromgeschwindigkeit U. Der Real- bzw. der Imaginar
teil ergibt dann nach Gl. (21) das Potential CPo bzw. die Strom
funktion 'l'o in E:
CPo= Uffie.Qo, ~= U~m.Qo giiltig in E.
Beachten wir, daB Dt wegen (23) nur von 32 abhangt, so nimmt
(19) die Gestalt an:
-1)
4 aD = (dDo dDt dm . (24)
aa.I dal
daB daa
Diese Differentialgleichung fiir D1 gilt nach unseren friiheren Uber
legungen in einem Bereich des vierdimensionalen komplexen
Raumes, der die P.unkte des Stromungsgebietes in der Ebene E
bis auf einzelne singulare Punkte auf \l3 zu inneren Punkten hat.
Auf der rechten Seite von (24) treten Produkte einer Funktion
von 31 mit einer von 32 auf. Das allgemeine Integral laBt sich
sofort angeben zu
4.01(31) 32)= ~~; f(~~]2d32-.Q: +11(31)· (25)
Gehen wir in die Ebene E(31 = ~2) und schreiben dort fiir 31 und 52
31=3=X+iy, 52=~=x-iy (x,y reell),
so erhalt man wegen Gl. (22)
4.Q1(3,It)=dd~of(d~ord5-.Qo+11(3) giiltig in E. (26)
Damit haben wir ausgehend von der inkompressiblen Stromung
Do(3) als erster Naherung den zweiten Schritt fiir das Verfahren
von JANSEN und RAYLEIGH zur Ermittlung von Unterschall
stromungen gewonnen, und zwar sowohl fiir die Potential- als auch
fiir die Stromfunktion, die man nach (21) als den Real- bz'¥.
den Imaginarteil von D1 erhalt:
ume[d~o f(dd~or
4CP1(3, j)=4Uffie.Ql(3, 3)= d3-.Qo(5)+11(3)] }
(27)
41Jl(3, j) = 4 U~m.Ql(3, It) =U~m [dd~o f(dd~or d3 -.00(3) +1;(3)].
-154 -