Table Of ContentTilman Engel
Die Insolvenz und
optionsbasierte Reorganisationsmodelle
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Tilman Engel
Die Insolvenz und
optionsbasierte
Reorganisationsmodelle
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Hermann Reichold
Deutscher Universitats-Verlag
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Dissertation Katholisc~e Universitiit Eichstiitt-Ingolstadt, 2003
1. Auflage Juli 2004
Aile Rechte vorbehalten
© Deutscher Universitiits-Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2004
Lektorat: Brigitte Siegel I Sabine Scholler
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ISBN-13:97B-3-B244-8128-6 e-ISBN-13:978-3-322-B1772-3
001: 10.1007/97B-3-322-81772-3
Geleitwort
Ein iiberschuldetes Untemehmen soil mi:iglichst gerettet statt zerschlagen werden. Das ist
Leitmotiv auch des neuen deutschen 1nsolvenzrechts, wonach ,,in einem 1nsolvenzplan
eine abweichende Regelung insbesondere zurn Erhalt des Untemehmens" getroffen wer
den kann. Dem deutschen Reformgesetzgeber diente Chapter 11 (JVOI;ganization) des US
amerikanischen Bankruptry Code als Vorbild fur den 1nsolvenzplan (§§ 217 ff. 1nsO). Damit
sollten Gliiubigerautonomie, Deregulierung und mi:iglichst flexible 1nsolvenzbewiiltigung
ermi:iglicht, kurz: der Wettbewerb urn die beste Verwertungsart eri:iffnet werden.
Dass aber Marktmechanismen innerhalb des Insolveni!'ichts ihrerseits von rechtlichen und
i:ikonomischen Rahmenbedingungen -im engeren wie im weiteren Sinn - abhiingig sind,
zeigt die hier vorgelegte Arbeit sehr plastisch und mit einem beachtlichen Theorie
aufwand, indem sie das US-amerikanische Modell mit der deutschen Neuschi:ipfung
vergleicht und am Ende die deutlichen Grenzen einer Rechtsvergleichung herausstellt.
Denn "altemative Reorganisationsmodelle", die nicht mehr dem aufwiindigen bargaining
Modell, sondem einem options-Modell folgen und wie sie in Arnerika von i:ikonomisch
theoretischer Seite zur Fortentwicklung des Chapter 11 befiirwortet werden, setzen u. a.
eine Klarung der Stellung des "gesicherten Gliiubigers" voraus - der soil ja als vormaliger
Fremdkapitalgeber mi:iglichst neuer Eigentiimer des sanierten Untemehmens werden.
Tilman Engel arbeitet als wesentliches Ergebnis seiner Studie heraus, dass der institutionelle
Zusammenhang von - der in Arnerika unattraktiveren, wei! publizitiitspflichtigen -Kredit
sicherung einerseits und der daraus folgenden Finanzierungsstruktur der Untemehmen -
in Arnerika mehr Eigenkapital als in Deutschland - andererseits sich maBgeblich auf die
institutionellen Li:isungen der Reorganisation auswirken muss. Er holt damit deutsche
1nsolvenzrechtskritiker, die amerikanische Ansiitze eins zu eins auf das Recht des
Insolvenzplans iibertragen wollen, zuriick auf den Boden der rechtsdogmatischen und -
kulturellen deutschen Wirklichkeit. Und er hat nebenbei eine wesentliche neue Stimme in
das institutioneni:ikonomisch argumentierende Konzert der 1nsolvenzexperten einge
bracht, die Beachtung verdient.
Professor Dr. Hermann Reichold
v
Vorwort
Die Insolvenz eines Unternehmens wird international als Problem erachtet. Mit Hilfe
verscruedener Institutionen soll dieses Problem gelost werden. Optionsbasierte Reorga
nisationsmodelle sind VorschHige, die insbesondere eine Reform des mit Defiziten behaf
teten US-amerikanischen Reorganisationsrechts nach Chapter 11 des Bankruptcy Code im
Blick haben. FUr den deutschen Beobachter erlangen diese VorschHige Bedeutung, seit
dem das neue Insolvenzrecht ein Insolvenzplanverfahren vorsieht, das strukturelle Ahn
lichkeiten mit dem Chapter 11-Verfahren aufweist. Diese Ahnlichkeiten und entsprechend
zu befurchtende Folgewirkungen fur Deutschland betont Eidenmiiller in seiner beachteten
Habilitationsschrift Sanierung iJPischen Markt und Gescf:?:, er diskutiert verscruedene dieser
VerfahrensvorschHige und deren Dbertragbarkeit nach Deutschland. An diese spezielle
Thematik kniipft die vorliegende Arbeit erweiternd an. Dabei wurde beriicksichtigt, dass
nicht nur Juristen, sondern auch Okonomen und darnit Vertreter unterscruedlicher
Methodologien an der Fragestellung interessiert sind. Dariiber hinaus flieBt nicht nur die
deutsche, sondern auch die davon abweichende US-amerikanische Rechtskultur und
Rechtswirklichkeit ein.
Die Arbeit zeigt zunachst die Notwendigkeit einer interdisziplinaren Bearbeitung und be
handelt unter dem Blickwinkel des Kritischen Rationalismus Karl Poppers die Methodo
logien der Okonomik und der Jurisprudenz. Dann wird eine okonomische Erklarung der
Insolvenzproblematik und der sie au£losenden juristischen Bedingungen entwickelt. Diese
sind das Kreditsicherungs- und das Insolvenzrecht, deren einschlagige Vorschriften fur
Deutschland und die USA rechtsvergleichend dargestellt werden. Die anschlieBende
Diskussion der verscruedenen optionsbasierten Modelle fiihrt zur Frage nach der Dber
tragbarkeit dieser Modelle nach Deutschland. Es zeigt sich, dass trotz der von
Eidenmiiller betonten Ahnlichkeiten in den insolvenzplanrechtlichen Regelungen
entscheidende - von der US-amerikanischen Situation abweichende - Bedingungen in
Deutschland vorliegen, die eine Dbertragung als nicht sinnvoll erscheinen lassen. Diese
abweichenden Bedingungen sind das unkomplizierte und vielfach publizitatslose deutsche
Kreditsicherungsrecht und die Abschaffung von bevorrechtigten Forderungen im Zuge
der deutschen Insolvenzrechtsreform. Diese Institutionen fiihren dazu, dass sich
strategische Konflikte zwischen verscruedenrangigen Verfahrensbeteiligten in der
klassischen deutschen Insolvenz nicht bilden konnen. Der strategische Konflikt ist jedoch
beachtlich, weil gerade er das eigentliche Wirkungsmoment dafur ist, dass in den USA der
Optionsansatz als Methode zur Entspannung dieser Konflikte entwickelt wurde.
VII
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2003 an der Wirtschaftswissenschaft
lichen Fakultat der Katholischen Universitiit Eichstiitt-Ingolstadt als Dissertation ange
nommen. Entstanden ist sie im Zeitraum 1999 bis 2002 als ich mein Berufsleben im
Sonderpriifungsbereich einer Niirnberger Wirtschaftspriifungskanzlei begann und da
neben noch wissenschaftlich tiitig war. Herr Prof. Dr. Hermann Reichold, zunachst
Lehrstuhl fur deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht an der
Katholischen Universitiit Eichstatt-Ingolstadt, dann Lehrstuhl fur Biirgerliches Recht,
Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht an der Eberhard-Karls-Universitat Tubingen,
nahm mich als "exteroen" Doktoranden an. Er hat rnir bereits wahrend meines Studiums
der Betriebswirtschaftslehre das Rustzeug zur Bearbeitung wirtschaftsrechtlicher
Fragestellungen verliehen und mein Interesse auf die Zusammenhange von Okonomik
und Jurisprudenz und das Insolvenzrecht im Besonderen gelenkt. Das Insolvenzrecht ist
fur den Diplomkaufmann ein hochinteressantes Terrain, weil es sowohl von Betriebs-und
Volkswirtschaftslehre, sowie von den Rechtswissenschaften gepragt ist. Nach der
Verabschiedung der Insolvenzordnung im Jahre 1994 ist eine Flut von juristisch gepragter
Literatur uber Deutschland hereingebrochen. Umso erstaunlicher ist, dass Werke
deutschsprachiger Okonomen kaum erschienen sind. Deshalb bin ich Herro Prof. Dr.
Reichold fur die Annahme des Dissertationsthemas, fur die Betreuung der Arbeit und fur
seinen steten Rat im besonderen MaBe dankbar. In gleichem MaBe mochte ich auch Frau
Prof. Dr. Dr. Christiana Djanani danken, die das Zweitgutachten gefertigt hat.
SchlieBlich danke ich jenen, die mich wahrend meines Promotionsvorhabens begleitet
haben und mich bei der entgilltigen Anfertigung des Manuskriptes unterstiitzt haben,
meinen Eltero, Karin und Dr. Peter Engel, Julia und Gereon Backmann, Dr. Michael Bell,
Dr. Christian Bliirnm, Karin Gillich, Dorte Simon, Dr. Rudiger Waldkirch und Armin
Wilfert.
Tilman Engel
VIII
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis XIII
Abkiirzungsverzeichnis XV
Kapite11. Interdisziplinaritat und Problemstellung 1
I. Interdisziplinaritat als zwingender Aspekt bei der Gesetzesgestaltung
1. Die These zur Interdisziplinaritit
2. Offensichtliche Mangel bei der Gestaltung der Verbraucherinsolvenz
3. Eine Erklarung dieser Mangel mit Hilfe der Okonornik 2
II. Interdisziplinaritit als Folge der Rechtsvergleichung 3
1. Die Gestaltung der sonstigen Regelungsbereiche u.a. mit Blick auf die USA 3
2. Die Diskussion urn die ,,Alternativen Reorganisationsmodelle" 5
3. Die optionsbasierte Teilmenge der ,,Alternativen Reorganisationsmodelle" 6
III. Interdisziplinaritit in Abhangigkeit der Rechtskulturen 8
IV. Der Aufbau der Arbeit 13
Kapite12. Die theoretischen Grundlagen 15
I. Die V orgehensweise 15
II. Wissenschaftstheorie: Karl Poppets Kritischer Rationalismus 15
III. Das Wissenschaftsprogramm der Okonornik 18
1. Der zentrale Begriff det "Institutionen" innerhalb der modernen Okonornik 18
2. Die Spieltheorie als Werkzeug der Okonornik 21
IV. Das Wissenschaftsprogramm der Rechtswissenschaften 25
1. Die Rechtswissenschaften und die Jurisprudenz 25
2. Die Frage der Auslegung als Kernptoblem der Jurisprudenz 27
2.1 Die Vielfalt der Auslegungsmethoden 27
2.2 Methodenkonkurrenz, herk6mmliche L6sungsversuche, Empirie 31
2.3 Die Methodenkonkurrenz und der Kritische Rationalismus 32
Kapite13. Die Okonomik der "Insolvenz" mit deutschem Recht 37
I. Die Vorgehensweise 37
II. Die rechtlichen Grundlagen 39
1. Der Ausgangspunkt der Betrachtung: § 1 S. 1 InsO 39
2. Rechtliche Grundbegriffe 39
3. Die (zwangs)vollstreckungsrechtlichen Grundlagen 40
IX
III. Die Okonomik des Ubergangs yom Vollstreckungsrecht zurn Insolvenzrecht 44
1. Eine Problembeschreibung aus juristischer Sicht 44
2. Die Strukturierung der Problemstellung mittels der Okonomik 45
3. Der "Schuldner" aus juristischer und okonomischer Sicht 47
3.1 Anteizprobleme bei "korporativen Spielem" 47
3.2 Die "Drittorganschaft" als entscheidende institutionelle LOsung 49
3.3 Publikurnsgesellschaften, Drittorganschaft und altemative Institutionen 50
3.4 Die Govemance-Debatte und das Insolvenzverfahren 51
4. "Die Glaubiger" aus juristischer und okonomischer Sicht 51
4.1 Das zeitliche Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung 51
4.2 Die "Reputation" als informelle institutionelle LOsung 51
4.3 Die "Kreditsicherheiten" als formelle institutionelle Losung 52
5. Das Dilemma der ungesicherten Glaubiger 54
5.1 Vorgehensweise bei der Modellbildung 54
5.2 Die Ausgangssituation: Spieler, Handlungsaltemativen, Auszahlungen 55
5.3 Die Erweiterung der Ausgangsituation urn "monitoring costs" 58
5.4 Das "Nash-Gleichgewicht" und das Gefangenendilemma 59
5.5 Eine wissenschaftstheoretische Zwischenbemerkung zurn "Kollektiv" 60
5.6 Die Oberwindung der problematischen Losung dutch Kreditsicherung 61
IV. Das weiterhin bestehende Dilemma der gesicherten Glaubiger 64
1. Die Erweiterung der Modellsituation urn das Kreditsicherungsrecht 64
2. Die spieltheoretische LOsung des Spiels: Das Koordinationsproblem 66
3. Die Oberwindung des Koordinationsproblems mittels "Pooling" 67
4. Die Oberwindung des Koordinationsproblems mittels des Insolvenzrechts 67
5. Erweiterung: Das Insolvenzrecht als Verteilungsrecht 68
V. Eine institutionelle Losung der "Insolvenz" dutch das Insolvenzrecht 68
1. Der Insolvenzantrag und das Vorverfahren 68
2. Die Eroffnung des Insolvenzverfahrens 69
2.1 Der Insolvenzverwalter und die Insolvenzglaubiger 69
2.2 Die Insolvenzmasse, Aussonderungen und Absonderungen 70
2.3 Die Insolvenzmasse, Riickschlagsperre und Anfechtungen 72
3. Die Glaubigerbefriedigung im Regelinsolvenzverfahren 73
4. Die Verteilung und die Verfahrensbeendigung 75
5. Die Glaubigerbefriedigung im Insolvenzplanverfahren 77
5.1 Die relative Offenheit 77
5.2 Offenheit in Hinblick auf die Verwertungsaltemativen 78
5.3 Relativitat in Hinblick auf den Verfahrensgang 79
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Kapite14. Die Okonomik der "Insolvenz" mit dem Recht der USA 82
I. Vorgehensweise 82
II. Die Institutionen des gegenwiirtigen Insolvenzrechts der USA 83
1. Struktur WId allgemeine Ziele 83
2. Das Sachenrecht und die Sicherwtgsrechte vor WId in der Insolvenz 85
2.1 Das Sachenrecht ~,property law'') 85
2.2 Die Sicherwtgsrechte ~,mortgage", "security interests'') 86
2.3 Das Rangprinzip auBerhalb der Insolvenz 89
2.4 Das Rangprinzip innerhalb eines Insolvenzverfahrens 89
3. Das Insolvenzverfahren gemiill Kapitel 7 BC ,,Liquidation" 93
4. Das Insolvenzverfahren gemiill Kapitel 11 BC: "Reorganization" 93
5. Zahl der Insolvenzverfahren in den USA 99
III. Alternative Institutionen zum Insolvenzrecht der USA 102
1. Ein Uberblick WId die Vorgehensweise im Speziellen 102
2. Das auktionsbasierte Modell von Roe als Ausgangspunkt 105
2.1 Der Modellkontext 105
2.2 Das Modell 111
2.3 Wiirdigwtg 112
3. Das Modell von Bebchuk 116
3.1 Der Modellkontext 116
3.2 Das Modell 120
3.3 Die (kritischen) Details des Modells 126
3.4 Die Modellkritik 128
4. Das Modell von Aghion, Hart, Moore 135
4.1 Der Modellkontext 135
4.2 Das Modell 139
4.3 Die (kritischen) Details des Modells 142
4.4 Wiirdigwtg 145
5. Das Modell von Hart/La Porta Drago/Lopez-de-Silanes/Moore 148
5.1 Der Modellkontext 148
5.2 Das Modell 149
5.3 Wiirdigwtg 158
6. Eine Alternarivversion von Aghion/Hart/Moore 162
6.1 Der Modellkontext 162
6.2 Das Modell 162
6.3 Wiirdigwtg 164
7. Zusammenfassung 164
XI