Table Of ContentWolfram-M.
Lippe
Die Geschichte
der Rechenautomaten
Von mechanischen Chiffriergeräten
bis zu den ersten
programmierbaren Rechnern
Die Geschichte der Rechenautomaten
Wolfram-M. Lippe
Die Geschichte der
Rechenautomaten
Band 2
Von mechanischen Chiffriergeräten bis zu
den ersten programmierbaren Rechnern
Prof. Dr. Wolfram-M. Lippe
Westfälische Wilhelms-Univ. Münster
Fachbereich 10
Einsteinstr. 62
48149 Münster
Germany
ISBN 978-3-642-36192-0 ISBN 978-3-642-36193-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-36193-7
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Vorwort
Der Gedanke, einen Beitrag zur Geschichte der Rechenautomaten zu erstellen, hatte viele Väter:
Zum einen war es die seit jeher vorhandene Faszination für alte Techniken. Es ist immer wie-
der bewundernswert, mit welcher Energie der Mensch mit einfachsten technischen Hilfsmitteln
naturwissenschaftliche und technische Höchstleistungen vollbracht hat. Genialität, Akribie und
Fleiß waren die bestimmenden Faktoren. Viele Erkenntnisse gingen aber auch im Laufe der
Zeit verloren und mussten zum Teil neu entdeckt werden. Selbst in dem noch so jungen und
sich mit unheimlicher Geschwindigkeit fortentwickelnden Fach der „Informatik“ gab es immer
wieder weit vorausschauende Konzepte, die „noch nicht“ verstanden wurden oder wegen des
zu diesem Zeitpunkt gegebenen technologischen Umfelds noch nicht realisierbar waren und
daher wieder in Vergessenheit gerieten, um sodann später wieder neu entdeckt und unter neuem
Namen erfolgreich zu werden. Diese Entwicklung konnte ich zu einem erheblichen Teil noch
selbst mitverfolgen. Meine ersten „Gehversuche“ als Programmierer erfolgten 1965 auf einer
Röhrenmaschine vom Typ Zuse Z22 an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Die
Programmiersprache war ALGOL 60 und das Eingabemedium ein Fernschreiber mit einem
5-Kanal-Lochstreifen. In immer kürzeren Abständen folgten neue Modelle und neue Techno-
logien: Electrologica X1, CDC 3300, CDC 6600, Telefunken TR440, PDP 10 und 11, Siemens
6660 usw.
Verstärkt wurde dieser Gedanke durch die Feststellung der Gesellschaft für Informatik in
ihrer Festschrift anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens, dass ich wohl der erste Student war,
der in Deutschland ein Diplom im Fach Informatik abgelegt hat. Dies und die Erfahrungen, die
ich durch die Mitwirkung am Aufbau der Informatikabteilungen an den Universitäten Saarbrü-
cken, Kiel, Münster und Gießen gesammelt habe, führte dazu, dass ich mich intensiver mit der
Geschichte der Informatikentwicklung an deutschen Hochschulen beschäftigte.
Auslösender Faktor war dann eine Einladung im Jahre 2000 anlässlich einer Jubilarehrung
des VDE – Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e. V. – einen Vor-
trag zu dieser Thematik zu halten. Bei den Vorbereitungen zu diesem Vortrag wurde ich sofort
mit einer Problematik konfrontiert: Das Fach, in dem ich mein Diplom abgelegt habe und für
das ich vor über 25 Jahren an die Universität Münster berufen wurde, um es neu aufzubauen,
heißt „Informatik“. Es lag also nahe, als Thema „Die Geschichte der Informatik“ zu wählen.
Da dieser Begriff jedoch ein Kunstwort unserer Zeit ist, hätte dieser Titel nur den kleinsten
Teil der Geschichte abgedeckt, denn die Geschichte der Rechentechnik und Informationsver-
arbeitung ist sehr alt.
Wann beginnt also diese geistig-technische Entwicklung, die man mit den Begriffen Da-
tenverarbeitung und Computer umschreibt? Es handelt sich nicht um ein alleiniges Produkt
einer speziellen technischen Revolution, genannt Elektronik. Es handelt sich auch nicht um die
Perfektionierung der Erfindung von Rechenmaschinen oder um ein Ergebnis des „technischen
Zeitalters“. Die Anfänge der Technologien der Datenverarbeitung liegen in grauer Vorzeit, als
die Menschen zur Bestimmung mehrerer gleicher Sachen die ersten Zählzeichen und Zahlen-
systeme erfanden.
Eine der größten geistigen Leistungen der Frühzeit des Menschen und seiner Kulturge-
schichte war die Abstraktion von Zahlen (eins, zwei usw.) von den Sachen (eine Ziege, zwei
V
VI Vorwort
Ziegen usw.) und die anschließende Entwicklung von Operationen auf diesen Zahlen. Aber
schon weit früher gab es einen ebenso wichtigen Evolutionsschritt. Der Mensch entwickelte
die Fähigkeit, zu zählen und Informationen längerfristig zu speichern. Die Möglichkeit, Dinge
zu zählen und ihre Anzahl zu speichern, war wichtig für Handel und Viehwirtschaft. Die ersten
Speichertechniken bestanden aus kleinen Steinen und Kerben in weichem Material. Daneben
speicherte man Ergebnisse von Himmelsbeobachtungen mittels Holz- und Steinkonstruktionen.
So war es durch langjährige Vergleiche möglich, den Phänomenen der Natur auf die Spur zu
kommen. Die Informationsverarbeitung begann mit der Entwicklung von Speichertechnologien.
Daher entstand der Titel „Geschichte der Rechenautomaten“. Man hätte noch den Untertitel
• „von A (wie das Räderwerk von Antikythera)
• bis Z“ (wie Zuse, dem Erbauer der ersten frei programmierbaren Rechenmaschine)
hinzufügen können, denn dieser Zeitraum ist der Hauptgegenstand dieser Bücher und deckt
damit die wichtigsten Meilensteine auf dem Weg zur Architektur unserer modernen Rechen-
anlagen ab.
Mit diesem dreibändigen Werk soll ein Einblick in die über 2000-jährige faszinierende
Geschichte dieses Wegs gegeben werden, die geprägt ist durch Visionäre, durch unermüdliche
Tüftler, vom erreichten Wissen, welches wieder verloren ging, und von Motivationen, die vom
Freundschaftsdienst bis zum steten Streben nach neuer wissenschaftlicher Erkenntnis reichen.
Wenn man ein so umfangreiches Werk schreibt, macht man Fehler. Sollten Sie als Leser
Fehler in diesem Buch finden, so würde ich mich freuen, wenn Sie mir dies mitteilen würden,
damit diese Fehler in folgenden Auflagen korrigiert werden können. Auch Berichte über eigene
Erkenntnisse sind willkommen.
Auch möchte ich all denen danken, die zur Erstellung dieses Buches beigetragen haben.
Dies gilt für alle Studierenden, die in mehreren Semestern an meinen gleichnamigen Seminaren
teilgenommen haben. Ihnen sei für ihr enormes Engagement gedankt. Besonderer Dank gebührt
auch den „guten Feen meines Vorzimmers“ Frau Marlies Giesa und Frau Hedwig Hoff-Weikert,
die meine handschriftlichen Vorlagen umgesetzt und in oft mühevoller Arbeit die von mir
selbst erstellten Passagen korrekturgelesen haben, sowie Herrn Dr. Marcel Shirvanian für die
Gesamtkorrektur und die vielfältigen Anregungen.
Zum Schluss möchte ich mich noch bei meiner Familie für ihre Geduld bedanken, mit der
sie besonders in der Endphase der Erstellung dieses Werkes einen stressgeplagten Familienvater
erduldet haben.
Zu Band 2: Von mechanischen Chiffriergeräten bis zu den ersten
programmierbaren Rechnern
Der 2. Band der Geschichte der Rechenautomaten befasst sich zunächst mit den verschiedenen
Wurzeln der modernen Rechenmaschinen, die neben den mechanischen Rechenmaschinen für
deren Entwicklung maßgebend waren.
Ein ganz wesentlicher Schritt war die Entwicklung der Programmsteuerung mit Hilfe von
Lochkarten. Zunächst für Webstühle entwickelt, prägten die Lochkartenmaschinen die Daten-
verarbeitung in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Auch die ersten elektronischen
Großrechner setzten sie zu ihrer Programmierung ein. Verwendet wurden sie in den unterschied-
lichsten Ausprägungen auch in mechanischen Puppen und Musikautomaten. In ihnen kann man
die Vorfahren unserer heutigen Roboter sehen.
Das Militär hat seit jeher die Entwicklung von technologischen Neuerungen beflügelt. Um
Nachrichten geheim austauschen zu können, wurden Codes zur Verschlüsselung entwickelt. Um
immer größere Informationsmengen verschlüsseln bzw. entschlüsseln zu können, konstruierte
man Chiffriermaschinen. Waren diese zu Anfang rein mechanisch, so ging man im Verlauf des
2. Weltkrieges zu elektronischen Geräten über. Parallel wurden aber auch die Methoden der
Kryptoanalyse verfeinert, mit denen Codes „geknackt“ werden können. Einer der berühmtesten
und in seiner Auswirkung die Geschichte besonders beeinflussend war der Fall der deutschen
Verschlüsselungsmaschine Enigma. Deren verschlüsselte Botschaften konnten von den Alliier-
ten entschlüsselt werden. Hierdurch erfuhren sie die Operationspläne der deutschen U-Boote
Vorwort VII
und konnten entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen. Erst in jüngster Zeit wurden Verfahren
entwickelt, die als absolut sicher gelten.
Weite Verbreitung fanden analoge Rechengeräte und Rechenmaschinen. Ausgehend von den
einfachen analogen Hilfsmitteln, die im ersten Band beschrieben wurden, entstanden immer
komplexere Geräte zur Durchführung mathematischer Berechnungen. Den Höhepunkt dieser
Entwicklung bildeten die mechanischen, elektromechanischen und elektronischen Analogrech-
ner. Selbst nach dem Aufkommen der digitalen Computer waren sie noch lange im Einsatz. Ihr
Vorteil lag vor allem in der Fähigkeit zur Echtzeitverarbeitung.
Derjenige, dem das Verdienst gebührt, als erster das Konzept eines programmierbaren di-
gitalen Rechners konzipiert zu haben, war Charles Babbage. Er war jedoch seiner Zeit weit
voraus und die damaligen technologischen Möglichkeiten waren noch zu beschränkt. So blieb
seine Maschine unvollendet.
Wichtige Erkenntnisse für die weitere Entwicklung lieferten die Pioniere der „theoretischen
Informatik“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ihnen gelang die Erkenntnis, dass es
Probleme gibt, die mit keinem Rechner der Welt lösbar sind. Mit der Entwicklung der binären
Logik legten sie ferner die Grundlagen für die Schaltungstechnik.
Der erste lauffähige und frei programmierbare Rechner der Welt wurde im 2. Weltkrieg
von Konrad Zuse konstruiert. Aufbauend auf Relaistechnik wies er fast alle Merkmale unserer
heutigen Rechner auf. Er war damit den amerikanischen Entwicklungen um Jahre voraus.
Nach dem 2. Weltkrieg setzte zunächst in den USA und in England, und später in anderen
Ländern, eine rasante Entwicklung ein. Es entstanden Firmen, die noch heute zu den größten
der Welt gehören. Ihre Entstehungsgeschichte schließt den 2. Band der Geschichte der Rechen-
automaten ab.
Möge dieses Buch dem Leser bei seinem Studium einige vergnügliche Stunden bereiten.
Im Februar 2013 Prof. Dr. Wolfram-M. Lippe
Inhaltsverzeichnis
1 Codes und Chiffriermaschinen 1
1.1 Historische Grundlagen 1
1.2 Chiffren und Codes 2
1.2.1 Transpositions-Chiffren 2
1.2.2 Substitutions-Chiffren 3
1.2.3 Die Vigenère-Verschlüsselung 4
1.3 Kryptoanalyse 6
1.3.1 Häufigkeitsanalyse 6
1.4 Mechanische Chiffrierwerkzeuge und Chiffriergeräte 8
1.4.1 Die Skytale 8
1.4.2 Die Chiffrierscheibe von Alberti 9
1.4.3 Die Cardano-Schablone 10
1.4.4 Der Dresdner Geheimschriftzirkel 11
1.4.5 Der Wheatstone Kryptograf 11
1.4.6 Chiffrierwalzen 12
1.5 Die Chiffriermaschine Enigma 13
1.5.1 Vorgeschichte 13
1.5.2 Aufbau der Maschine 15
1.5.3 Handhabung 19
1.5.4 Die Entschlüsselung der Enigma 19
1.5.5 Weitere Rotor-Chiffriermaschinen 25
1.6 Elektronische Verschlüsselungssysteme 26
1.6.1 Sprachverschlüsselung 26
1.6.2 DES 26
1.6.3 Das Problem der Schlüsselverteilung 26
1.6.4 Die Idee zweier getrennter Schlüssel 27
1.6.5 RSA 30
2 Automaten und Lochkartenmaschinen 33
2.1 Automatische Puppen und Musikinstrumente 33
2.2 Lochkartenmaschinen 39
2.2.1 Lochkartensteuerung 39
2.2.2 Die Entwicklungen von Hollerith 41
2.2.3 Die Deutsche Hollerith-Maschinen Gesellschaft 42
2.2.4 Erweiterungen in der Lochkartentechnik 42
3 Analogrechner 45
3.1 Grundlagen und frühe Geräte 45
3.2 Proportionalzirkel 52
IX
X Inhaltsverzeichnis
3.3 Rechenschieber 54
3.4 Mathematische Geräte 56
3.4.1 Kurvenmesser 56
3.4.2 Planimeter 56
3.5 Gezeitenrechner 60
3.6 Feuerleitrechner 64
3.7 Elektromechanische und Elektronische Analogrechner 66
3.7.1 Elektromechanische Analogrechner 66
3.7.2 Elektronische Analogrechner 68
4 Die Rechenmaschinen von Babbage 75
4.1 Das Lebenswerk von Babbage 75
4.1.1 Das Tabellen Problem 76
4.1.2 Technologische Probleme 77
4.1.3 „Mechanical Notation“ 78
4.1.4 Die Geschichte seiner Entwicklungen 78
4.2 Die Difference-Engine 80
4.2.1 Die Differenzenmethode 80
4.3 Die Analytical-Engine 83
4.4 Angeregte Entwicklungen 86
5 Die frühen Pioniere der Informatik 89
5.1 Die Ursprünge der theoretischen Informatik 89
5.2 George Boole 93
5.3 Claude Shannon 95
5.4 Alan Turing 95
5.5 John von Neumann 96
5.6 Alonzo Church 98
5.7 John Atanasoff 98
6 Die ersten programmierbaren Rechner 101
6.1 Die ersten Arbeiten von Zuse 101
6.2 Die „Z3“ 102
6.3 Die „Z4“ 103
6.4 Die Nachkriegsentwicklungen von Zuse 105
6.5 Das Firmenende 108
7 Die Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg 111
7.1 Die Entwicklung in den USA 111
7.1.1 IBM 113
7.1.2 EMCC 117
7.1.3 ERA 118
7.1.4 CDC 118
7.1.5 Cray Corporation 119
7.1.6 Remington Rand 120
7.1.7 Sperry Rand 121
7.1.8 Burroughs 122
7.1.9 UNISYS 124
7.1.10 DEC 125
7.2 Die Entwicklung in Großbritannien 129
7.2.1 BABY 130
7.2.2 MARK I 131
Inhaltsverzeichnis XI
7.2.3 Elliot/NRDC 401 132
7.3 Die Entwicklung in Russland 133
7.4 Die Entwicklung in Frankreich 135
7.5 Die Entwicklung in Italien 138
7.5.1 Der CRC 102 in Milano 138
7.5.2 Der FINAC-Rechner in Rom 139
7.5.3 Olivetti 139
7.5.4 Der CEP in Pisa 140
7.6 Die Entwicklung in Deutschland 140
7.6.1 Öffentliche Forschungseinrichtungen 140
7.6.2 Nixdorf 142
7.6.3 Siemens 143
7.6.4 AEG/Telefunken 147
7.6.5 SEL 148
7.6.6 Die Entwicklungen in der DDR 148
7.7 Die Entwicklung in den Staaten des Rates für Gegenseitige
Wirtschaftshilfe (RGW/COMECON) – ESER und SKR 155
7.8 Die Entwicklung in Japan 155
7.8.1 Die ersten Entwicklungen 155
7.8.2 ETL 157
7.8.3 Fuji 157
7.8.4 Fujitsu 158
7.8.5 NEC 159
7.9 Die Entwicklungen in den übrigen Ländern 160
Zeittabelle 161
Literaturverzeichnis 163
Stichwortverzeichnis 167