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DIE
DEUTSCHEN MtI-NZEN
DER
SiiCHSISCHEUNN Dk iNKISCHEN KAISERZEIT.
HERAUSGEGEBEN
VON
HERMANN DANNENBERG.
e
MIT EIR'ER KARTE UND LXI TAFELN ABBILDUNGEN.
BERLIN, ’ \
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
1876.
VORWORT.
E.
m Schriftsteller, der seine Arbeit der Welt vorstellt, muss gar oft
ttlit, einer Entschuldigung beginnen, dass cr cincn schon so oft behandelten
Gegenstand abermals anzugreifen unternommen, und bemüht sich dann, die
neuen Gesichtspunkte zu entwickeln, welche er dem vielfach bearbeiteten
Stoffe abgewonnen habe. In dieser Lage befinde ich mich nicht. Im Gegen-
theil ist noch Niemand an die Aufgabe herangetreten, die ich mir gestellt
habe. Wohl ist schon hier und da von Deutschlands altesten Münzen ge-
handelt, nirgends aber im Zusammenhange, nirgends iu übersichtlicher Dar-
stellung, nirgends unter der nothwendigen Hcsch~ankung auf die Zeiten der
staatlichen Einheit unseres Vaterlandes. Nur zerstreute Bruchstücke finden
wir in der numismatiscllen Littcratur ; wer eine Einsicht in die ältest,e deutsche
Münzpr~g~mg gewinnen wollte, der müsste aus einer gossen Anzahl Bücher,
Zeitschriften und Schriftehen den Stoff zusammentragen, und würde schliess-
lieh mit, aller nliihe es doch nur zu einem sehr lückenhaften Bilde voller
Widersprüche bringen.
Der Grund dieses Mangels ist nicht schwer zu entdecken. Er liegt
nicht blas darin, dass wir Deutsche uns weniger als andre Völker auf das
N&hstliegentle, das Vaterländische beschränken, vielmehr von jeher das ganze
weite Gebiet menschlichen Erkennens uns zu unterwerfen gesucht haben,
,sondern es sind in der Sache selbst Schwierigkciteu genug, welche bishe
von einem solchen Unternehmen abzuschrecken vermocht haben, ganz beson-
ders Mang>1 an Sto@, d. h. an einer hinltinglich gossen Anzahl der belref-
fentlen Münzen , dann aber auch, wesentlich dadurch bedingt, die vielfach
unrichtige &Iethode der Behandlung dieses Stotfes, welche zahlreiche Wider-
spriiche zu Tage gefördert hat, und die Lösung der Aufgabe schwieriger
erscheinen lässt, als siel in der That ist.
IV Vorwort.
Die wissenschaftlicht Beschäftigung mit den deutschen Münzen des
Mittelalters datirt bei uns vom Anfange dea vorigen Jahrhunderts, wo einige
bedeutende Brakteatenfunde mit ihren ungewohnten, und doch schönen, deut-
lichen Typen wundersame Mahre von vergessenen Zeiten erzählten, und da-
neben Lcibnitz den Eifer fiir Erforschung der tiltesten Welfengeschichte zu
beleben wusste. Damals erschien neben den Spezialschriften iiber Brak-
teaten von Olearius, Schmidt, Leukfeld, Schlegel, Seelaender und Liebknecht
auch Joachims Groschenkabinet , in welchem an der Spitze der groschtln-
förmigen Geprage auch die altesten Denare, aber getrennt in die Gepräge
der Kaiser, der Erzbischöfe von Mainz, Trier, Köln und der Herzöge von
Baiern, Beachtung fanden. Aber wie Weniges war damals vorhanden! Wie
vielfach musste noch der gleichzeitige Köhler in seinen ))Münzbelustigungenc(
Münzen dieser Art als ))hauptrarcc vorftihren, die jetzt zu den verbreitetsten
zählen, und selbst, Eckhel konnte noch (doctr. num. vett. proleg. cp. 15) die
HMigkeit der antiken Münzen in Gegensatz zu der Seltenheit unsrer alten
Denare setzen.
Wie hat sich dies seitdem geändert, ! Zwar sind viele dieser LMünzen
nur in wenigen oder gar nur Einem Exemplare bekannt, und viele andere he-
hauyten sich auch noch in verhältnissmässiger Seltenheit, wie dies selbstver-
ständlich auch von den antiken Miinzen gilt, aber den Drachmen von Apollonia
und Dyrrhachium, den Tetradrachmen von Thasos und den Münzen von
Massilia können wir doch jetzt als ebenso verbreitet die Kölnischen Ottonen,
die Adelheids-Denare und noch manche andere gegenüberstellen. Zahlreiche
Münzfunde, die zum Glück nicht immer dem Schmelztiegel anheimgefallen
sind, haben das Verhältniss zu unseren Gunsten gebessert. Nolhwendig
sind mannigfache neue Arten zu den bereits länger bekannten hinzugetreten,
und diese neuen Erscheinungen haben die Federn der Münzforscher in Bewe-
gung gesetzt. Aber die meisten haben sich mit einer Beschreibung des ihnen
zufällig durch solche Funde gelieferten Materials begnügt, wenige, wie Göt,z,
Lelewel und Cappe nach einem grösseren Plane gearbeitet. Und doch sind
gerade jene ersteren Schriften die wichtigeren und übertreffen an Brauchbar-
keit die systematischen Werke. Bei Götz, der zuerst die deutschen Kaiser-
münzen, bei Cappe, der ausserdem noch einige andere Münzreihen bearbeitet,
hat, liegt der Fehler hauptsachlich in der Unzul;inglichkeit ihres litterarischen
Könnens, bei Cappe noch überdies in der grenzenlosen Willkühr, mit der er
sich den Stoff nach seiner vorgefassten Meinung zurechtschneidet , bei dem
geistreichen Lelewel hingegen an dem Mangel des nöthigen Vorratlies von
Yünzen und Büchern, daher denn ))das grosse Lob, welches seine Numis-
matique du moyen4ge verdient, mehr dem Plane als der Ausführung giltc(,
wie Grote (Münzstud. VIII, 33) trelfend bemerkt.
Vorwort. v
Die bisherige sachliche Haupt,schwierigkeit, der Mangel an der er-
forderlichen Anzahl von Miinzen, ist durch diese Leistungen wenigstens in so
weit, heseitigt, dass eine Bearbeitung auch nur des bereits Bekannten schon
von vornherein einige Ausbeute verspricht; dass noch Vieles von der Zu-
kunft zu holl’tm bleibt, durfte nicht abschrecken. Dies ist bei allen Erfahrungs-
wissenschaf2en der Fall. Liegt nun auch die Arbeit, die ich unternommen,
weit ah von meiner Berufsthätigkeit, so habe ich doch wohl eine gewisse
Berechtigung zu derselben, nicht bloss durch meint über ein ~Menschcnalter
fortgesetzte Thätigkeit als Münzsammler und einige litterarische Versuche im
Facht der Münzkunde, sondern in höherem Grade um deshalb, weil ich mehr
als wohl jemals ein Sammler Gelegenheit gehabt hahe, Münzfunde der hier
in Frage kommenden Zeit zu untersuchen, von denen ich dann auch zehn,
also viel m&r als irgend ein Anderer, eingehend beschrieben habe. Mit Bück-
sicht Serade hierauf erging schon vor einer Heihe von Jahreu von berufenster
Stelle an mich die Mahnuuc;, eine Uehersicht des gesamurten numismatischen
Stoffes dieser Periode zu liefern, doch hat weniger diese Aufforderung mich
zu meiner Arbeit veranlasst,, als die erst viel später gewonnene Einsicht, dass
die bisherige Art der bruchstückweisen Betrachtung und die bisherige Methode
überhaupt, welche so vielfach Zu&lligcs als Wesentliches hinstellte, unmög-
lich zum Ziele führen konnte. Alle Früheren - und ich nehme mich selbst
nicht aus -- sind in Irrthümer verfallen, denen sie bei mangelnder Ueher-
Sicht ühcr den gesammten Stoff kaum entgehen konnlen.
Das Suum cuique ist in der Münzwissenschaft die Haupt,sache ,- es
kommt zun:tchst darauf an, die Geprtige gleichnamiger Herrscher und gleich-
namigrr Orte richtig zu unterscheiden, erst müssen wir wissen , welchen
Alexander, welchen Antiochus, welches Caesarea, welches Antiochia wir vor
uns haben, ehe wir uns zu einer doctrina numorum erheben können, bis zu
einem gewissen Grade wenigstens muss jene Vorarbeit gethan sein. Bei den
ältest.en deutschen Münzen, die sich in drei Hauptklassen, die der Kaiser, der
übrigen weltlichen Herren und die der Geistlichen trennen lassen, bietet zwar
die Anordnung der beiden Ictztcn Klassen an sich weniger Schwierigkeiten,
desto mehr aber die der Kaisermünzen, denn, abgesehen von dem Gegen-
könige Hermann, treten überhaupt während zweier Jahrhunderte nur drei
Kaisernamen auf: Otto, Heinrich und Konrad, dieser allrrdings nur Einmal,
Otto dagegen dreimal und Heinrich sogar fünfmal. Es begreift sich hiernach,
wie schwer es beim Mangel von Jahrqzahlen und Namensziffern sein muss,
jeden Denar eines Otto und Heinrich an seinen richtigen Platz zu legen. Die
Ausscheidung dessen, was von dem Vorhandenen jedem einzelnen Herrscher
zukommt, bildet aber, unsere Hauptaufgabe; ihr gegenüber sind die übrigen
uns gest,eckten Ziele verhältnissmässig leicht zu erreichen. Dieser Hauptauf-
.
VI Vorwort.
gabe bat man wohl theilweis in richtiger Erkenntniss durch Erforschung der
Münzfunde zu genügen gesucht, theilweis aber hat man die aus ihnen zu
ziehende Lehre irrigen Theorien zu Liebe ausser Augen gesetzt. Solcher lrr-
lehren sind namentlich zwei aufgest.ellt,: die Theorie von dem stetig ab-
nehmenden Gewicht, und die fast überall, wenn auch meist unbewusxt auf-
tretende Meinung, dass je roher eine Münze, desto älter sie auch sei. ße-
sonders diese irrthümliche Auffassung der Stylgesetze ist es, welche die grössten
FehlgrifFe verschuldet, fast jeder Schriftsteller beruft sich, wenn andere Hilfs-
mittel ihn im Stich lassen, ausdrücklich oder stillschweigend auf den Styl der
Münze. Das ist aber sehr gefährlich: so regelnlässig wie bei den antiken
Münzen wirkt in dieser Zeit das Stylgesetz nicht,, und die Fabrik bietet, was
meistens verkannt ist, im Allgemeinen weniger lokale als chronologische
Unterschiede, wie dies Grote (Münzstud. VII, ~140 ) richtig hervorhebt. Im
bunten Wechswl sehen wir an demselben Orte die verschiedensten Stylgruppen
sich ablösen, und sehen alte Typen in neuerer Zeit aufgefrischt, kurz, wil
sehen Vieles wider alles Erwart,en von der Persönlichkeit und dem Beliebeu
der Stempelschneider ahhangig, was wir auf anderen Gebieten der Miinzkunde
als Attribut der Münzstätte kennen gelernt haben. Kein Wunder daher, wenn
die Bestimmune der Münzen lediglich nach ihrem Style in so vielen Fällen
sich trügerisch erwiesen hat, selbst bei denen, welchen wir das St~ylgctIihl
nicht absprechen dürfen. Ist nicht von Allen der Mainzer Denar Heinrichs 11
mit, ‘byzantinischem Brustbilde seines Stylcs halber für jünger erklart? hat man
nicht meistentheils die Adelheiclsmünzen, gerade die gewöhnlichsten und das
Urtheil am meisten herausfordernden Münzen, Otto dem Grossen zugeschrieben?
gleichwie man irrthümlich viele andere sächsische Miinzen, von Dortmund,
Magdeburg u. s. w. auf ihn, stat,t auf seinen Gnkel bezogen hat. Solche
Irrthümer, verschuldet durch ein vorgebliches St.ylsefühl, wird der Text zu
Hunderten aufdecken. Hüten wir uns also, Unerwiesenes als feststehend an-
zusehen, und somit aus falschen Voraussetzungen Schlüsse zu ziehen, die dann
nothwendig ebenfalls falsch sein müssen, hüten wir uns, Stylgesetze aufzu-
stellen, ohne sichere Grundlage.
Wo aber finden wir diese sichere Grundlage? Zunächst gewiss in
Analogien : wir schreiten fort vom Bekannten zum Ilnhekannlen, die nach
Zeit und Ort feststellenden Münzen so vieler Bischöfe und einzelner Dynasten
helfen uns, andere verwandte einzureihen. Leider aber ist diese Hülfe von
gerine;erer Bedeutuns als man glauben sollte. Auch die beiden einzigen
Kaiser, deren Miinzen vermöge ihres Namens allein eine feste Stelle ein-
nehmen, Heinrich 1 und Konrad 11 fördern uns wenig, denn Ersterer hat uns
überhaupt nur 5 Münzen mit seinem Namen hinterlassen, und Letzterer hat
einen Heinrich zum Vorgänger wie zum Nachfolger, so dass es zweifelhaft
Vorwort. VII
bleibt, ob ein ihm &-wand& Heiurich dem zweiten oder dem dritten dieses
Namens angehört. Aber zum Gluck giebt es auch für dies Labyrinth einen
Ariadnefaden: die Münzfunde klaren uns über das Leitalter dieser sowie noch
unendlich vieler anderer Münzen auf, und als Resultat lässt sich aufstellen,
dass, wenn man diese gehöri g ausbeutet, es jetzt kaum noch zweifelhaft ist,
welche Minzen dem ersten, welche dem drit.ten Otto, und welche den ver-
schiedenen Heinrichs zufallen; nur zwischen Heinrich 1V und dem V ist die
Grenze nicht immer scharf zu ziehen, so wenig CS gelingen will, dem zweiten
Otto zu dem Seinigen zu verhelfen. M’eiter wären wir, wenn - ich will nicht
sagen alle je entdeckten - aber doch alle für die Sammlungen geretteten,
uncl dem blassen Fundorte oder summarischen Inhalte nach bekannt ge-
werderlen Funde auch genau beschrieben worden waren. Leider ist dies
aber nur bei einem sehr kleinen Thcile, und auch hier nur selten in ganz
genügender Weise geschehen. Holtentlich giebt die vorliegende Arbeit cr-
neute und vcr&irkte Anregun, cv dazu, nachdem schon Thornsen wiederholt auf
die Wichtigkeit der Münzfunde hingc\viesen hat.
Der Mühe einer Lusammcnstellung der bisher bekannt gewordenen
Funde, oder auch nur ihrer Prüfung und einer Zusammenslellung der aus
ihnen abeuloitonden Folgerungen, wie ich sie hier im VI11 Kapitel der Ein-
Murig unternommen, hat sich noch Niemand untcrzogcn, und doch hofYe ich
im Folgenden den grossen, dar;ius entspringenden Nutzen anschaulich zu
machen : einzig und allein tlic> Funde in Gemeinschaft mit der Analogie führen
zu einer rich@en Anordnung der Münzen. Dass man dabei nicht nach Götz-
Cappe’scher \Veiüe die Laiscrlichcn von den iibrigen lliinzen aussondern darf,
liegt auf der Hand, denn erstere empfangen, wie bemerkt, vielfach von letzteren
ihr Licht, beide unterliegen denselben Stylregeln, und überdies entziehen sich
die Grenzen beiclcr Klassen durchaus einer sicheren Feststellung. Auch bietet
erst ein solches Zusammenfassen cles gesammtrn StotYes zu einer Einheit die
blijglic~hkeit der Erkenntniss allgemeiner leitender Grundsätze, welche die
gründliche Heseitigung aller IrrLhiimcr, wie sie bezüglich des Hartwich von
Salzburg, des %:e!inus von Strasshurg, des Otto und Hermann von iinder-
nach (??), der sächsischen Pr3guugcn vor Otto 111 u. s. w. noch vielfach ge-
hegt werden, endlich zur Folge haben müssen. An diesen Früchten mag
man erkennen, ob die von mir eingeschlagene Methocle die richtige ist.
Die M’ahl des Themas wird keiner Rechtfertigung bedürfen, seine
chronologische Abgrenzung auch ‘kaum. Man braucht nur einen flüchtigen
.Blick auf die Geschichte zu werfen. Unter den Karolingern war unser
Vaterland nur erst zum geringsten Theile der Kultur gewonnen, diesseits des
Rheines erhoben sich erst wenige Ortschaften selbst in den Landstrichen, die
VIII Vorwort
früher den Römern gehorcht und römische Ansiedlungen gesehen hatten, und
die Sachsen hatte ja der grosse Karl erst in wiederholten blutigen Kämpfen
gezähmt und dem Christcnthume gewonnen. Seiner kräftigen Herrschaft
folgten schwache und schwächere Regierungen, der innere Zerfall wurde durch
äussere Feinde beschleunigt, Normannen, Ungarn, Dänen und Wenden zer-
traten um die Wette die kaum aufspriessende Saat. Der wackere Arnulf
konnte nicht nachhaltig wirken, seines Sohn&, des unmündigen Ludwig
Herrschaft schien gar das Ende unseres Vaterlandes bringen zu sollen. So
treflliche Eigenschaften seinen Nachfolger, den Franken Konrad auch auszeich-
neten, MOe rkannte er doch selbst am Ziele seiner kurzen Herrscher-Laufbahn,
dass er sich in seiner Aufgabe vergriffen habe. Richtiger erfasste sie Hein-
rich 1, der glorreiche Ahnherr des Sachsischen Kaiserhauses; er, der selbst
ewig Denkwürdiges vollbrachte, legte den festen Grund zu einem neuen
deutschen Rcichc, und ebnete die Wege seinem grösseren Sohne, dem un-
vergesslichen Otto 1. Wie es ihm gelungen, die Selbstständigkeitsgelüste der
Stammesherzöge zum Vortheil des Ganzen in die nöthigen Schranken einzu-
dämmen, wie er die äusseren Feinde in wiederholten Kämpfen zurückget,rieben
und die Marken des Reichs weit hinausgerückt, wie er seine siegreichen
Waffen bis vor Paris getragen, wie er das italische Reich nicht blas fül
Deutschland gewonnen, sondern dasselbe auch der Ordnung zurückgegeben,
und durch Macht und Weisheit eine Stellung sich gescha&n, welche ihn und
seine Nachfolger als die Könige der Könige erscheinen lässt, ohne dass er
doch der Kirche jenes ungebührliche Ucbergewicht eingeräumt hätte, welches
sie sich erst in der Folgt zu erobern gewusst - das Alles ist nicht nm
dem Geschichtsforscher bekannt, sondern es lebt in dem Herzen eines jeden
Deutschen, der für die Griisse des Vaterlandes empfindet. Mit Herrscher-
tugenden reich ausgestattet erscheint auch sein Sohn Otto IJ, aber vielleicht
war er zu friih zur Herrschaf1 gelangt, ehe noch der jugendliche Ungestüm
in richtige Bahnen geleitet war; die einzige unglückliche Schlacht gegen die
Araber stellte Alles wieder aufs Spiel, und der Körper hielt die harten Stösse
nicht aus, welche seine Seele zu ertragen hatte, Auch dem Sohne, den er
im Kindesalter zurtickliess, war es nicht beschieden, sich dem Grossvater an
die Seite zu stellen; grosse Gelehrsamkeit, die ihm, dem Schiiler des gott-
seligen Bernward von Hildesheim , den Namen des Wunders der Welt ein-
trug, und ein gewisser phantastischer Zug, der ihn ebenso zu übertriebenen
Bussübungen als zur Wiederbelebung des römischen Hofceremoniells und Ge-
ringachtung deutscher Art drängte, charakterisiren den dritten Otto. Hein-
rich 11, seinem Urgrossvater Heinrich 1 nicht unähnlich, nahm die Erhebung
seines Volkes zum Ziele - renovatio regni Francorum steht auf seiner Blei-
bulle -, und erwarb sich den Namen eines Wiederherstellers des deutschen
Vorwort. IX
Reiches ‘) hauptsächlich durch seine Verdienste um Begrtindung gesicherter
Rechtszustände und Abwendung des Auseinanderfalles des stolzen Baues, wozu
sich unter seinem Vorgänger Anfange gezeigt hatten. Weniger bezeichnend ist
für ihn sein Seschichtlicher Beinamen des Heiligen, jedenfalls war er kein
ascetischer Pfaffenknecht, sondern suchte in der Geistlichkeit nur das natur-
liebe Gegengewicht gegen die Sewalb,c r anstrebenden weltlichen Grossen, und
stattete sie daher mit den wichtigsten Rechten aus, nicht jedoch ohne von
ihr zugleich die schwersten .Lcistungcn und Opfer zu verlangen. .Seine WeSe,
wenngleich ftir die Kirche weniger besorgt, wandelte im Allgemeinen auch
sein Nachfolger, der kluge, unerschrockene, ehrenfeste Konrad, er, der Burgund
an Deutschland brachte und das Polenieich zertrtimmerte. Die Fülle der Macht,
weltliche und geistliche Vasallen der Krone unterworfen wie nie zuvor, hinter-
liess er seinem Sohne, Heinrich 111 dem Schwarzen, der mit allen grossen
Eigenschaften des Vaters noch die Vorzuge einer sorC;faltigen Erziehung ver-
band, das vollkommenste Bild eines Herrschers der Christenheit. Von achter
Frömmigkeit, den Satzungen der Kirche allezeit sich beugend, zwang er doch
ihre höchsten Diener unter seinen Willen, und setzte Bischöfe und Päpste
nicht minder als Herzöse ein und ab, wie es des Reiches Wohl zu erfordern
schien. Hell strahlt sein Bild, gleich dem Ottos cles Grossen und Barbarossas,
und keine leere Schmeichelei war es, die ihm den Bcinamcn linca justitiae
zuerkannt bat. Dornenvoller war die langt Laufbahn seines mit sechs Jahren
zur Krone gelangten Sohnes, ungeachtet seiner ausgezeichneten Eigenschaften,
welche ihm in minder schwierigen Zeiten den hiichsten Ruhm eingetragen
haben wurden, ungeachtet mannhaften redlichen Strebens und Kämpfens
konnte er doch seinem herzlosen Sohne die Gewalt nicht ungeschmälert, wie
er sie überkommen hatte, vererben; gegen die vereint anstürmende Macht der
Kirche und des Adels mit Erfolg zu ringen, hätte vielleicht kaum ein Herrscher-
genie vermocht. Heinrich V, der tyrannische Rebell, konnte des Papstthums
cbcnsowenig Meister werden, schliesslich, und ungeachtet aller seiner Energie
und’ Klugheit musste er mit ihm (im Wormser Konkordate) seinen Frieden
machen und die lange vertheidigten Rechte der Krone im Wcscnt,lichen Preis
geben. Die kurze Regierung des Sachsen Lothar, eines rechtschaffenen und
t,apfern Königs, ist durch Ereignisse von Wichtigkeit nicht ausgezeichnet, zeigte
aber immer noch das deutsche Königthum als r\as erste der Welt in hehrem
Glanze, der bald von dem Hohenstaufen Friedrich neu belebt werden sollte.
Dies ist in den allgemeinsten Umrissen der geschichtliche Boden, auf
dem wir die Personen sich bewegen sehen, deren numismatische Andenken
1) Doch spricht noch Fickler (Berhtold d. Bärt. S. 7) von Heinrichs schwacher Hand, die
kaum das Scepter zu halten vermocht - die ältere, irrige Auffassung.
X Vornrort.
uns beschäftigen. Er ist inleressant gnuf;, aber er ist auch bekannt genug,
um eine weilere Schilderung überflüssig erscheinen zu lassen. Nur der obige
kurze Abriss schien mir nntzlich, um die Grenzen tlieses Huches feslzuslellen.
Unter den Karolingcrn nemlich bildete das heutige Deutschland heine staat-
liche Einheit, und ein sehr beträchtlicher Theil war der Kultur noch gar nicht
erschlossen. Demgemass fehlen uns auch Karolinger ;Mtinzen aus rechts-
rheinischen Gegenden fast ganz i), und nur die rheinischen sowie die nicder-
ländischcn und lolhringischen Städte haben uns einige wenige geliefert.
Numismatisch richtig ist es daher, einzig und allein, diese im Zusammenhange
mit den übrigen karolingischen zu betrachten, und ihnen mag man auch die
einzige oder allenfalls zwei Münzen anschlicssen, die wir von Konrad 1 kennen.
Die wenigen aber, welche uns das Andenken Heinrichs 1 erhalten haben,
dürfen wir nicht v’on den andern seines Hauses t,renncn, wie man vorge-
schlagen hat; die Geschichte gebietet CS, die mit ihm neue Rahnen betritt,
und die Rlünzkunde verbietet es durchaus nicht, sondern sieht in ihnen die
Einleitung und Vorbereitung zu Neuem. iillc Slünzen aber sowohl aus den
Leiten der sächsischen als auc11 der frankischen Kaiser bilden, troz ihrer
bunten Mannigfaltigkeit ein Ganzes, und sondern sich scharf von denen dc~
folgenden Hohcnstaulischcn Zeit nach drei Richtungen hin : ~1) sie sind sämm-
lieh, bis auf einige vereinzelte Ausnahmen am Schlusse der Periode, zvvei-
scitige Xünzcn, die eigntlichen Hraktcaten, wclchc im nordiistlichcn wie im
südwestlichen Dcut,schland so lange in Geltung gewcscn sind, treten erst mit,
den Hoheristaufen auf, 2) iiherharrpt machen sich Fnbrikllntcrschictle, an
denen rnan spat,er so Iciçllt die engere Ileimath einer deutschen Mittelalter-
münze erkennt,, erst nach tlem Schluxsc unseres Zeitalters hemerkbar~ wenn
auch Uehergänge schon gegen ihr Kode in den östlichen und südwestlichen
Gegenden vorkommen, 3) unterscheidet die Darstellung unsere Münzen wesent-
lich von den späteren, nur Rrustbiider sind gebräuchlich, während in der
Hohenstaufenzeit die sitzende Figur des Regenten die Regel bildet, und nicht
lange nachher die Wappen ihre Rolle zu spielen beginnen. Es kommt noch
dazu, dass unter den Hohenstaufen die Territorialverhältnisse die bedcutcndsten
Verändcrungcn durchmachen, und in Folgt davon ganz ncuc Dynastenge-
schlechter auftreten. Damit ist dann tlcr Abschluss gewonnen, und es schien
sich zu empfehlen, noch die kurze Regierung Lotbars des Sacllsen anzu-
schliessen, da die einzige sichere hltinze von ihm noch den alten Charakter
bewahrt, und dasselbe von den wenigen Bischöfen gilt, die unter ihm gelebt,
aber meistens ihre Herrschaft schon früher begonnen haben.
1 j Wir haben nur Eine Nünze Ludwigs d. Fr. von Regensburg in einigen höchst seltenen
Abarten, und je eine von Constanz, und von Würzburg (Ludwig d. K.) wahrscheinlich Unica.
Description:Beige 11, 3, S. 145 Anm. ein ahnlieber Denar (angeb- lich in Westermanns Sammlung) erwähnt, auf dem der Heilige einen Schlüssel statt des Stabes