Table Of ContentSOIRON I DIE BERGPREDIGT JESU
DIE BERGPREDIGT JESU
Formgeschichtliche, exegetische und
theologische Erklärung
Von
THADDÄUS SOIRON O. F. M.
Freiburg im Breisgau 1941
Herder & Co. G.m. b. H. Verlags huchhand! ung
Imprimi potest. - Düsseldorpii, die 16 Octobris 1940
Fr. SERVATIUS SCHITTLY, Min. Provo
Imprimatur. - Friburgi Brisgoviae, die 4 Octobris 1940
RÖSCH, Vic. Gen.
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1940 by Herder & Co. G. m. b. H., Freiburg im Breisgau
Buchdruckerei von Herder&Co:G.m.b.H. in Freiburg im Breisgau
VORWORT
W
er sich einmal eingehend mit der Bergpredigt beschäftigt hat,
kommt nicht mehr von ihr los. Es ist gleichgültig, wie man
sie versteht: mit dem heiligen Augustin (De sermone Domini in
monte I, I, I) als den "perfectus vitae christianae modus", oder
mit Maldonat (Commentarii in quattuor evangelistas 12, Mainz
1853, 67) als die "de evangelica perfectione doctrina", oder mit
Joh. Weiß (Die Schriften des Neuen Testamentes P, Göttingen 1917,
250) als die "umfangreichste, inhaltvollste, durch keine Erklärung
auszuschöpfende und durch kein Menschenleben auszulebende Rede"
Jesu, ü~!mer wieder meldet sie sich zu Wort. Es mag sein, daß sie
sich in behagliChen und ruhigen Zeiten in den Hintergrund drängen
läßt oder sich eine Deutung gefallen lassen muß, die die Behaglich
keit und Ruhe dieser Zeiten nicht stört. Aber keine Zeit vermag ihr
auszuweichen. Sie ist als ewiges, unverrückbares Signal über alle
Zeiten gesetzt. In Zeiten freilich, in denen die bürgerliche Behaglich
keit und Ruhe erschüttert ist, in denen sich vor allem die Sinnfrage
des Lebens, besonders. des christlichen Lebens, mit großer Dringlich
keit anmeldet, in solchen Zeiten tritt die Bergpredigt so sehr in den
Vordergrund des Interesses, daß sich die Theologie um sie wie kaum
um ein anderes Dokument der Heiligen Schrift bemüht.
"In der ganzen Geistesgeschichte der Menschheit", sagt mit Recht
Joh. Müller (Die Bergpredigt, München 1906, 21 f.), "wird man
vergeblich Antwort auf die Frage suchen, die heute alle Nachdenk
lichen beschäftigt: Wie werde ich in Wahrhei t Mensch, wie gewinnen
wir ein gemeinschaftliches Leben untereinander, das schöpferisch
die Vollendung der Menschheit heraufführt, wie kommen wir zu der
Neuordnung aller Dinge, die uns befriedigt und unserer würdig ist?"
"Die Bergpredigt allein", sagt er, "zeigt uns den Weg zu diesem
höchsten Ziele und offenbart uns das Geheimnis eines schöpferischen
Werdens im Wesen des Menschen, das sich ganz unmittelbar ordnend
und gestaltend auswirkt."
"Das ist die verborgene Ursache", so fährt er fort, ,,·warum heute
alle suchenden Geister, ohne sich Rechenschaft darüber geben zu
VI Vorwort
können, mit magischer Gewalt von ihr angezogen werden. Sie
mögen wollen oder nicht: der Spürsinn für Wahrheit und Heil führt
einen nach dem andern unweigerlich auf diese Spur, und wer sich
nicht in ratlosem Skeptizismus verzehren und zeitlebens in der Irre
gehen will, muß ihr folgen. Das sind verborgene Zusammenhänge,
die jenseits aller persönlichen Wünsche und Meinungen walten. Des
halb ist die Bergpredigt viel mehr als ein wunderbares Dokument
der Vergangenheit der Kompaß menschlicher Zukunft, und in dem
Maße als innere Unruhe und Werdenot sich ausbreiten und fühlbar
werden, muß die Bergpredigt lebendig werden als das lösende Wort
und die führende Parole."
In solche Zeiten sind wir aber heute eingetreten. Kein Wunder,
daß darum gerade heute immer wieder neue Versuche auftauchen, die
sich für das Verständnis der Bergpredigt einsetzen und in ihrem
Lichte die geistige Situation der Menschheit, ja das Problem des
Mensch-, des Christs'Cins schauen wollen. Diesen Versuchen schließt
sich dieses Buch an, in der festen Überzeugung, daß die Bergpredigt
ein größtes Anliegen nicht nur der Christenheit, sondern der ganzen
Menschheit, des Menschentums überhaupt ausspricht. Es soll sich
dabei nicht um ein billiges Gerede über die Bergpredigt handeln,
sondern um eine ernste, eindringende und mühsame Exegese, die
dem Verfasser viele Jahre der Arbeit gekostet hat und die ihm die
Zuversicht gibt, vielen Menschen von heute damit einen Dienst zu
erweisen. Mit Joh. Müller lebt er eben in der Hoffnung, daß unsere
Zeit wie kaum eine andere darauf angelegt ist, die Bergpredigt zu
verstehen, zu verwirklichen und ihren Lebenszug in Fluß zu bringen.
Am Schluß bleibt dem Verfass·er noch die Pflicht, auch hier seinen
Mitbrüdern P. Hugo Dausend und vor allem P. Willibrord Hillmann
für die wertvolle Hilfe zu danken, die sie ihm bei der Durchsicht
der Druckbogen geleistet haben, P. Hillmann noch besonders dafür,
daß er die große Mühe auf sich genommen und die Register her
gestellt hat.
M.-Gladbach, den 4. Oktober 1940.
Der Verfasser.
INHALT
Erster Teil
Das Problem der Bergpredigt und seine Lösungen
Seite
I. Die Lösung im Sinne eines doppelten Christentums 1-7
2. Die Lösung im Sinne der Kulturfeindlichkeit des Christentums 7-10
3. Die zeitgeschichtliche Lösung im rabbinischen und eschato·
logischen Sinne 10-29
4. Die Lösung im Sinne ethischer Haltung 29-66
5. Die christologische Lösung 66-77
6. Die Lösung im Smne der Ausführbarkeit 77-96
Zweiter Teil
Die Formgeschichte der Bergpredigt
I. Die Überlieferung der Bergpredigt 97-98
2. Die Komposition der Bergpredigt 98- II6
a) Die Komposition der Bergpredigt bei Mt 98- 111
b) Die Komposition der Bergpredigt bei Lk 1II-II6
3. Der Sinn der Komposition der Bergpredigt II6-127
a) Die Komposition der Bergpredigt und ihr Sinn bei Mt II6-121
b) Die Komposition der Bergpredigt und ihr Sinn bei Lk 122-127
4. Die ursprüngliche Gestalt der Bergpredigt 128-130
5. Der Ort der Bergpredigt 130- 134
6. Die Hörer der Bergpredigt 134-137
7. Die Lehrweise Jesu in der Bergpredigt 137-140
Dritter Teil
Die Erklärung der Bergpredigt
I. Einleitung. Mt 5. 3-16 141-231
a) Die Seligpreisungen. 5. 3-12 141-208
b) Der Beruf der Jünger. 5. 13-16 . 208-231
11. Hauptteil der Bergpredigt: Die Lehre von der neuen Gerechtig·
keit. 5. 17 bis 7. 23 . 231-445
Erster Abschnitt: Die Vollkommenheit der neuen Gerechtigkeit.
5. 17-48 . 231-302
I. Die neue Gerechtigkeit größer als die der Schriftgelehrten
und Pharisäer. 5. 17-20
VIII
Seite
2. Die neue Gerechtigkeit verbietet nicht nur das Töten, sondern
jede Feindseligkeit, 5. 21-26 .
3. Die neue Gerechtigkeit verbietet nicht nur den Ehebruch,
sondern .jedes Begehren des fremden Weibes, 5, 27-30 260-265
4. Die neue Gerechtigkeit erschwert die Ehescheidung und ver
bietet die Heirat der Geschiedenen, 5, 31-32
5. Die neue Gerechtigkeit verurteilt nicht nur das Falschschwören,
sondern das Schwören überhaupt, 5, 33-37 .
6. Die neue Gerechtigkeit verbietet die Rache und gebietet, dem
Bö<en nicht zu widerstehen, 5, 38-42 .
7. Die neue Gerechtigkeit verlangt, nicht nur den Freund, sondern
auch den Feind zu lieben, 5, 43-48 295-302
Zweiter Abschnitt: Die Ausübung der neuen Gerechtigkeit, 6, 1-34 ,3°2-395
I. Almosengeben nur vor Gott, 6, 1-4 303-314
2. Beten nur vor Gott, 6. 5-15 . 314--370
3. Fasten nur vor Gott, 6, 16-18 370-375
4. Schätzesammeln nur für Gott, 6, 19-'21 375-379
5. Der innere Sinn nur auf Gott gerichtet, 6, 23-23 379-382
6. Nur Gott ,dienen, 6, 24 , 382-386
7. Nur sich sorgen um Gott, 6, 25-34 386-395
Dritter Abschnitt: Die Notwendigkeit der neuen Gerechtigkeit,
7, 1-23 395-445
I. Nicht richten, 7, 1-5 397-403
2. Gebt das Heilige nicht den Hunden, 7, 6 403-408
3. Bittet, und es wird euch gegeben werden, 7, 7-11 408-418
4. Die goldene Regel, 7, 12 418-422
5. Die zwei Wege, 7, 13-14 423-434
6. Warnung vor falschen Propheten, 7, 15-21 434-441
7. Die Herr-Herr-Sager, 7, 22-23 441-445
Ill. Schluß: Das Gleichnis vom Hausbau, 7, 24-27 445-449
Rahmenbemerkung, 7, 28-29 . 450-452
Vierter Teil
Die Theologie der Bergpredigt
Die Bergpredigt als Erlösungsethik
Sc h rift st eil en v e rz ei ch n i s 467
Apokryphe Schriften 475
Per son en verz ei ch n i s 476
Sachverzeichnis 479