Table Of ContentDie Berechnung
der Drehschwingungen
und ihre Anwendung inl Maschinenbau
YOII
Heinrich Holzer
Oberingenieur der Maschinenfabrik Augsburg-Niirnberg
1\1 i t y i e len p r a k tis c hen B e i s pie len
und 48 Textfiguren
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1921
Aile Rechte, insbesondere das der Ubersetzung
in fremde Sprachen, vorbehalten.
ISBN 978-3-662-24228-5 ISBN 978-3-662-26341-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-26341-9
Copyright by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1921
Urspriinglich erschienen bei Julius Springer in Berlin 1921.
Vorwort.
Das vorliegende Buch verdankt seine Entstehung der Zusammen
steHung und Ordnung von praktischen Berechnungen uber Dreh
schwingungen, was von selbst zu Erganzungen und Erweiterungen
anregte. Besonderen Wert habe ich auf die luckenlose Begriindung
jedes Berechnungsverfahrens gelegt. Fur jedes Verfahren ist die An
wendung an sorgfaltig durchgerechneten Zahlenbeispielen gezeigt,
die meist unmittelbar aus der Praxis entnommen sind. Die Zahlen
beispiele wurden absichtlich mit fur praktische Zwecke unnotig groBer
Genauigkeit gerechnet und die Richtigkeit der Ergebnisse an Kontroll
rechnungen bewiesen. Die ubertrieben groBe Genauigkeit der Zahlen
rechnungen, die ich ohne wesentliche Mehrarbeit mittels Rechen
maschine erzieIte, soIl namlich solchen Lesern, die mangels mathe
matischer Vorbildung den analytischen Begrundungen fremd gegenuber
stehen, die Berechnungsverfahren in Zahlen vorfuhren, und die
Feststellung der Richtigkeit der Ergebnisse soH ihnen neben der Rech
nungsprufung den Beweis der Richtigkeit des Verfahrens ersetzen. Solche
Leser mogen sich an den langen und scheinbar verwickelten Eigenschwin
gungsgleichungen nicht stoBen; denn diese Gleichungen sind nur der
Vollstandigkeit halber aufgefuhrt, und es wird in dem Buche gezeigt,
daB und wie man ihrer ganz entraten kann. Die vorgefuhrten Berech-
. nungsverfahren selbst sind denkbar einfach, und ich hoffe, sie so deut
lich dargelegt zu haben,daB jeder Praktiker, auch ohne besondere
mathematische Kenntnisse, sich ihrer mit Nutzen bedienen kann.
Die Genauigkeit der Berechnung ist aber auch unerlaBlich bei den
Untersuchungen der gedampften Drehschwingungen. Denn da die prak
tisch vorkommenden dampfenden Widerstande verhaltnismaBig klein zu
sein pflegen, so sind die von der Dampfung herruhrenden harmonischen
Drehmomente gegenuber den von der Tragheit der s~hwingenden Massen
hervorgerufenen so klein, daB ihre Berucksichtigung eben einen groBeren
Genauigkeitsgrad der Rechnung voraussetzt .. Aus diesem Grunde ver
sagen fUr solche FaHe auch die zeichnerischen Berechnungsverfahren.
Ich habe den Versuch gemacht, die damp£enden Widerstande zu
untersuchen und fur die wichtigsten Arten· wenigstens ungefahre
Zahlenwerte zu geben. Nur der wissenschaftliche Versuch kann hieruber
endgi.iltigen AufschluB bringen. Aber ich hoffe, daB gerade die vor
liegendep. theoretischen Untersuchungen imstande sein werden, den Leit
faden fur die Anstellung und Auswertung solcher Versuche zu bilden.
Schwa bach-Nurn berg, Februar 1921.
Heinrich Holzer.
Maschinenfabrik Augsburg-Niirnberg.
Inhalt sverzeichnis.
Seite
Einleitung . . . 1-2
I. Allge mei nes . 3-24
1. Drehelastizitat der Welle. 3-13
2. MasseD. ........ . 14-15
3. Periodische Krafte und Momente . 15-24
II. Drehschwingungen ohne Dampfung 25-91
4. Ungedampfte Schwingungen einer Einzelmasse . 25-28
5. Schwingungssysteme mit beliebig vielen Massen 28-29
6. Ungedampfte Eigenschwingungen beliebiger Massensysteme 29-40
7. Ungedampfte erzwungene Schwingungen beliebiger ~Iassen·
systeme .. : ..................... . ,40-51
8. Die Drehbeanspruchung der Welle durch die erzwungenen
Schwingungen .......... . 52-56
9. Die Arbeit der harmonischen Momente 56-58
10. Teilschwingungen . . . . . . . . 58-62
II. Zusatzliche harmonische Momente. 62-66
12. Federnde Zusatzmassen . . . . . 67-68
13. Zusammengesetzte Systeme 68-75
14. Zusammengesetzte Schwingungssysteme mit starrer und elasti
scher Ubersetzung zwischen den Systemteilen 75-79
15. Beriicksichtigung der Wellenmasse 79-91
III. Gedampfte Drehschwingungen 91-199
16. Begriff der Dampfung. . .. 91-92
17. Die dampfenden Widerstande. . 92-93
18. Dampfungsfaktoren . . . . . . 93-103
19. Gedampfte Drehschwingungen einer Einzelmasse 103-1 II
20. Eigenschwingungen eines Systems mit beliebig vielen Massen
mit auIlerer' Dampfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . lII-128
21. Erzwungene Schwingungen beliebiger Massensysteme mit auIle-
rer Dampfung. . . . . . . . . . . . . 128-140
22. Teilschwingungen mit auBerer Dampfung 140-146
23. Dampfer .............. . 146-153
24. Innere Dampfung,. . . . . . . . . . . 153-157
25. Gemischte Dampfung. Eigenschwingungen 157-172
26. Erzwungene Schwingungen bei innerer und gemischter Damp-
fung . . . . . . . . . . . . . . . ..... 172-181
27. Beriicksichtigung der Wellenmasse bei auBerer und innerer
Dampfung . . . . . . . . . . . . ..... 181-199
Einleitung.
Die Schwingungserscheinungen spielen in der gesamten Technik
eine gewaltige Rolle, deren Bedeutung mit dem Ausbau der Technik
stetig wachst."\ J eder Konstruktionsteil, der zeitlich wechselnde Krafte
aufzunehmen hat, vollfiihrt unter der Einwirkung dieser Krafte infolge
seiner Elastizitat erzwungene Schwingungen, welche die Beanspru
chungen des Bauteiles gegenuber der statischen Beanspruchung wesent
lich erhohen konnen. Da das Bestreben der Technik dahin geht, die
Baustoffe immer besser auszunutzen, das heiBt die von der Raumeinheit
des Baustoffes aufgenommenen Formanderungsarbeiten, die dem
Quadrat der Spannungen proportional sind, moglichst groil zu halten,
so erkennt man schon, wie wichtig es ist, den Einfluil der Schwingungen
auf die Beanspruchung mit Sicherheit zu beherrschen. Andererseits
schreitet die Entwicklung des Maschinenbaues in der Richtung fort, die
Leistung einer Maschine, sei es durch Vergroilerung ihrer Abmessungen
oder sei es durch Vermehrung der zu einer Gesamtheit vereinigten
Maschineneinheiten zu steigern, was wiederum die Moglichkeit gefahr
licher Schwingungszustande vervielfaltigt. Bekanntlich werden die
erzwungenen Schwingungen dann geflihrlich, wenn ihre Periode an
nahernd oder ganzmit der Periode der Eigenschwingungen zusammen
flillt (Resonanz), denn bei fehlender Dampfung bringt dann jede noch
so kleine erregende Kraft dauernd wachsende Schwingungsausschlage
hervor, welche die· Beanspruchung des Konstruktionsteils bis zum
Bruch steigern. Es wird also die Sorge des Konstrukteurs sein mussen,
jenen geflihrlichen Zustanden moglichst ganz aus dem Weg zu gehen.
Das erfordert aber zunachst die genaue Kenntnis aller in Betracht
kommenden Eigenschwingungszahlen. Die neuere technische Literatur
hat denn auch dei' Wichtigkeit dieser Erkenntnis Rechnung getragen
und eine Reihe von genauen oder angenaherten Verfahren zur Be
stimmung der Eigenschwingungszahlen bei beliehig gegebener Massen
verteilung gebracht1).
1) Frahm, Z. d. V. D. I. 1902; Stodola, Die Dampfturbinen; Holzer,
Schiffbau 1907; Gumbel, Z. d. V. D. I. 1912; BlaB, Z. d. V. D. I. 1914; Krause,
Z. d. V. D. 1: 1914; Geiger, Dissertation, 1914; Mies, Dinglers P. J. 1915; Kutz
bach, Z. d. V. D. 1. 1917/1918; Dreves, Z. d. V. D. I. 1918; Lewis, Journ. of
Am. Soc. of Naval Engineers 1919.
HoI z e r, Dl'chsehwillgnngnn. 1
Einleitullg.
Aber leider ist dem Konstrukteur mit der Kenntnis der Eigen
schwingungszahlen allein nicht gedient, denn die Forderung, weit
genug von den kritischen Zustanden entfernt zu bleiben, laBt sich in
gar vielen Fallen nicht einhalten. Die Anzahl der im Betriebsbereich
einer Maschine in Frage kommenden Eigenschwingungszahlen ist
namlich urn so groBer, je groBer die Anzahl der Betriebsmassen und je
hoher die Betriebsdrehzahl ist. Ja, die Betriebsdrehzahl ist in fast
allen Fallen uberhaupt nicht fest, sondern in mehr oder weniger weiten
Grenzen veranderlich, so daB notwendigerweise im Betriebsbereich
oft nicht nur eine, sondern mehrere kritische Drehzahlen liegen.
DaB solche kritische Gebiete im Betriebsbereich uberhaupt geduldet
werden kannen, ist nur dem EinfluB der Dampfung zu verdanken.
Ohne Dampfung wiirden die erzwungenen Schwingungen bei Resonanz
unendlich groBe Ausschlage (theoretisch) erreichen, mit der"Dampfung
aber sind die Ausschlage auch in diesem Fall von ganz bestimTIlter
endlicher GraBe. Es muB also das Bestreben sein, die Schwingungs
ausschlage bei gegebener Dampfung moglichst sicher vorausberechnen
zu konnen. Die vorliegende Arbeit solI einen Beitrag zur Lasung dieser
Aufgabe bilden. Sie beschrankt sich dabei auf Drehschwingungen,
obschon in genau gleicher Weise auch die Schwingungen behandelt
werden kannen, welche eine Reihevon Massen vollfuhren, die durch
Zug- und Druckfedern oder -Gestange elastisch miteinander verbunden
sind, denn die Formanderung zwischen zwei Massen ist wie bei den
Drehschwingungen der Lange der dazwischenliegenden Feder einfach
proportional.
I. Allgemeines.
1. Drehelastizitat der Welle.
Es sei die Welle einer Maschine d~rch ihre Konstruktionszeichnung
und die Befestigungsart aller auf ihr sitzenden Massen gegeben. Die
Welle besteht aus einer Aufeinanderfolge von runden Wellenstiicken
mit verschiedenen Durchmessern und aus Kurbelkropfungen. Zum
Zwecke der Untersuchung ist die Welle zunachst durch eine dreh
elastisch gleichwertige Welle von iiberall gleichem, beliebig wahlbaren
Durchmesser zu ersetzen1). Diese Welle heiBe die Bezugswelle, und
das iiberall korrstante polare Tragheitsmoment ihres Querschnittes sei
Jo• Ein Wellenstiick der gegebenen Welle von der Lange list mit
einem Wellenstiick to der Bezugswelle drehelastisch gleichwertig, wenn
beide sich durch gleiche verdrehende Momente urn gleiche Winkel ver
drehen. Die Lange lo wollen wir die be z 0 g e n e Lange des wirklichen
Wellenstiickes l nennen. Fiir ein zylindrisches Stuck der gegebenen Welle
von der Lange lund dem polaren Tragheitsmoment Jist dann:
lo = l . ~o. (1)
Die bezogene Lange runder Wellenstiicke von nicht zylindrischer Form
ergibt sich aus
(2)
+J1
wobei J das (veranderliche) po
I{ X I
lare Tragheitsmoment des zum
~cccc:::,~~::::a
Wellenelement dl gehorigen Quer
schnittes bedeutet. Als prak
tisches Beispiel sei dEr haufig vor I· l1 : l~
I I
kommende kegelige Ansatz be :. lz .1
rechnet (Fig. 1). Fig. 1.
Es ist
d X
cl2 = l~·
1) Frn,hm, Z. d. V. D. 1. 1\102, S. 800.
1*
4 AllgPllleiu('s.
Rei voller (l'Ingebohrter) Welle ist J = ~ d4, demnach
32
l
1] _ 1
-__ .J102812l_l (,12 _ 1I ,) [( l7~2 )2 + Y1;2 +. - -13 Jj2o • dd2l(dd2l )2 + erll2l +'.I (3)
Denkt man sich diese Gleichung auf die Form gebracht: 10 = 1· ~? ,
so ist J' das der Reduktion zugrnnde zu legende mittlere Tragheits
moment des Kegelansatzes, also
1,0~
0,9 ~
0,8 \
~~0,7
'"
t Ebenso kann man sich den der
0,6 "'"
I 0,5 i'.. <V~ I Umrechnung entsprechenden
I " .<fi ! . mittleren Durchmesser d' er
mitteln.
Diese Rechnungen sind in
Zahlentafel 1 durchgefiihrt und
die Ergebnisse in Fig. 2 zu
sammengestellt.
1,0 1,1 1,2 1,3 1,1,L 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2,0
Fig. 2.
Zahlentafel 1.
~: I~~J~,~J _~_~J~~_
11,0 1--=:-' 1,2 11,3 1,4 11,5 11,6
1
=(=~:=_)=2=+==~=:=+=1====j!, 3,001;~13,64 14'755'1615'5~F'04~~5~~'~-
3,99 4,36
0,~911
,]':.12 = 1,00010,82410,687 0,578 0,421 0,36310 ,316i 0,276 0,243 0,214
rl': rl2 = ],000: 0,953 0,911 0,872,0,837 0,8060,777 0,750,0,725 0,702' 0,681
1
, 1 . 1 I, 1
Hat man es schlieBlich mit runden Wellenteilen von beliebiger
Gestalt zu tun, so kann man sie immer durch eine Anzahl kegeliger
Teile ersetzt denken und die bezogenen Langen mit Hilfe von Zahlen
tafel 1 und Fig. 2 rasch ermitteln.
Einer besonderen Vberlegung bedarf die Frage, was man als be
zogene Lange einer Wellenflanschkupplung anzusehen hat. Ein ver
drchendeR Moment kann nur c1nrch die Flanschschranben hindurch
Dl'eheluHtizitiit del' Welle.
vom einen Wellen strang ZUl1l anderen ubertragen werden. Die Dber
tragung kann entweder durch die von den Schraubenkraften erzeugte
Reibung aUein erfolgen, odeI' es miissen dabei die Schraubenbolzen
und -Locher in del' Umfangsrichtung des Schraubenkrcises elastische
Formanderungen erfahren. N ur wenn die Schraubenreibung das groJ3te
(mit Beriicksichtigung del' Schwingungen) wirklich auftretende Dreh
moment sichel' allein ub3rtragen kann, ist das Tragheitsmoment des
Flansches fill' die Berechnung del' bezogellen Lange zugrunde zu legen,
andernfaUs muB die bezogene Lange aus den elastischen Formanderungen
del' Bolzen und Flanschen berechnet werden. Eine ahnliche Betraehtung
gilt auch fUr aufgekeilte N aben. Genau genommen ist die gesamtc
elastischc Formanderung von Keil, Welle und Nabe fur die Ermittlung
del' bezogenen Lange des Nabensitzes zu berucksiehtigen. Eine genugend
genaue Berechnung aller wirklich eintretenden Formanderungen staJ3t
abel' sowohl beim Schraubenflansch, wie bei del' aufgekeilten Nabe
auf groJ3e Schwierigkeitcn, so daJ3 man eigentlich auf Vel'suche ange
wiesen ist, lim dic wirklichen bezogenen Langen zu finden. Es ist
abel' in beidcn Filllen so viel ldar, daB die bezogenen Liingen gro J3er
ausfallen miissen, als wenn man beicle Kuppelflanschen als ei n Stiick
ansieht und die Kabcn als aus ei ne m Stiick mit del' ·WeUe betrachtet.
Eine ungefahre Berechnung cines KupplungsfIansches, clessen Schrauben
reibung wesentlich geringel' als c1ie zu i.ibertragemle Umfangskraft ist,
laJ3t el'kennen, daJ3 cine solche Flanschkupplung unter Umstiinden
einem gleichlangen vVellensti.lck gleichwertig ist, clessen Durchmesser
nicht groJ3erals del' zur Kupplung gehorige wirkliche vVeIlendurchmesser
ist. Aus gleichem Grunde sind aufgekeilte Naben, die nur geringe
Momente von del' HauptweIIe ableiten, etwa die Xaben del' Steuerrader,
nul' als geringe Verstarkung del' Hauptwelle anzusehen. 1m aUgemeinen
pflegen Flanschen und Naben nur einen kleinen Anteil an del' ganzen
'Vellenlange auszumachen, so daB auch cler EinfluJ3 eines Fehlers in
del' Schatzung ihrer bezogenen Lange klein bleibt.
Von wesentlicherer Bedeutung ist die richtige Ermittlung del'
bezogenen Lange einer K lll' bel kro pf u ng, besonders fiir Maschinen
mit vielen nebeneinanderliegenclen Zylindern. Da in del' Literatur sich
richtige Angaben dariiber nicht finden, so soU hier die ausfiihrIiche
Berechnung gezeigt werden.
Bei del' Durchleitung eines verdrehendell Momentes .1110 clurch
cine Kurhelkl'opfung suehen sich infolge del' Verdrehung des Kurbel
zapfens clie beiden Kurbelschenkel aus del' urspriinglichen Kl'opfl1ngs
chene nach entgegengesetzten Seiten herauszudrehen, was ZUlll Teil
von den an die Schenkel ansehlieJ3enden vVellenlagern unter Entstehung
von Lagereinspannmomenten .M! und Lagerdrucken A verhindert wire!.
Setzen wir die Lager symmetrisch ZIll' Kropfungsmittc voraus, so gibt