Table Of ContentDie Behandlung' der
Haut- und Geschlechtskrankheiten
in der Sprechstunde
Von
Professor Dr. Philipp Keller
Chefarzt der Stadt. Hautklinik
Bad .Aachen
Dritte, verbesserte Auflage
Springer-Verlag
Berlin· Gottingen . Heidelberg
1952
ISBN-13: 978-3-642-49007-1 e-ISBN-13: 978-3-642-92571-9
DOl: 10.1 007/978-3-642-92571-9
AHe Rechte, insbesondere d&8 der Obersetzung
in fremde Spra.chen, vorbeha.lten.
Copyright 1942, 1948 and 1952 by Springer-Verla.g OHG.
Softcover reprint of the hardcover 3rd edition 1952
in Berlin· GOttingen· Heidelberg.
Inhaltsverzeichnis.
Selte
Einleitung . . . . . . . . . I
I. Symptomatische Behandlung der Hautkrankheiten 3
I. Akut entziindliche Hauterkrankungen . . 3
2.lS"iissende Hauterkrankungen . . . . . . 8
3. Blasenbildende und pustulOse Hauterkrankungen 12
4. Juckende Hauterkrankungen . . . . . . . . . . 14
5. Abscedierende und geschwiirige Hauterkrankungen 19
6. Chronisch entziindliche Hauterkrankungen . . . 25
7. Schuppende und schwielige Hauterkrankungen . . 29
8. Reizbare und nicht reizbare Hauterkrankungen. . 34
II. Behandlung der Hautkrankheiten entsprechend ibrer Lokalisation .. .. 44
Gesicht S.44. - Ohren S.52. - Behaarter Kopf S.53. - Hals S.59. -
Rumpf S.60. - Arme S.62. - Hande S.64. - Unterleib S.7I. - Beine
S. 79. - FiiBe S.83. - Systematisierte und universelle Erkrankungen S. 84.
III. Die Heilweisen . . . . . . . . . 86
A. Behandlung von auBen . . 86
I. Medikamentose Behandlung . 86
a) Anwendungsformen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Bader S.88. - Feuchte Umschlage S.90. - Puder S.91. - Trocken·
pinselungen S.92. - Salben S.94. - Ole S.97. - Pasten (Fettpasten)
S.98. - Pflaster S.99. - Firnisse und Leime S.100. - Seifen und
Waschmittel S. 102. - Verbandmittel S. 104. '
b) Heilmittel zur auBeren Behandlung: ................ 106
Aluminiumverbindungen S.107. - Balsame und Harze S.108. - Bor
saure S.109. - Chrysarobin S.109. - Farbstoffe S.llI. - Formalin
S.lll. - Jod S.ll2. - Kupfer S.1l3. - lS"aphthol S.ll4. - Phenol
S.ll4. -Pyrogallol S.1I4. - Quecksilber S.1I5. - Resorcin S.1I7. -
Salicylsaure S.1l8. - Schmerz-!;und juckstillende Mittel S.1l9. -
Schwefel S.121. - Silber S.123. - Tannin S.124. - Teere S.125. -
Wismutverbindungen S.128. - Zink S.129.
2. Physikalische Behandlung ...................... 129
Ultraviolettlicht S.129. - Rontgenstrahlen S.134. - Radium S.145.
Radiumemanation, Thorium X S.146. - Warmebehandlung S.147. -
Kaltebehandlung S. 151. - Elektrischer Gleichstrom S. 152.
B. Behandlung von innen . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
a) Heilmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Mittel zur Allgemeinbehandlung bei Hautkrankheiten: ....... 153
Entziindungshemmende Mittel S.153. - Juckstillende und beruhigende
Mittel S.154. - Antihistamine S.156. - Schlafmittel S.157. - Krafti
gungsmittel S.159. - Spezifische und unspezifische leistungssteigernde
Mittel S.159. - Abfiihrmittel bei Hautkrankheiten S.I64. - Magen
darmmittel S.166. - Brechmittel S.167.
Heilmittel zur besonderen Behandlung bestimmter Hautkrankheiten: 167
Arsen S.167. - Salicylsaure S.169. - Schwefel S.169. - Prontosil,
Sulfonamide und Sulfonamidderivate S.170. - Antibiotische Wirkstoffe
(Penicillin u.a.) S.174. - Gold S.177. - Chinin S.179. - Jod S.179.
b) Diat bei Hautkrankheiten . . . . . . . 180
c) Vita mine . . . . . . . . . . . . . . . 184
d) Hormone. . . . . . . . . . . . . . . 188
e} Psychische Behandlung des Hautkranken 191
IV Inhaltsverzeiohnis.
Seite
IV. Die Bebandlung der einzelnen Hautkrankbeiten. . . . . . . . . . . . . . . 194
1. Pyodermien ............................ 194
2. Ekzemgruppe (Dermatitis,Ekzeme : Gewer beekzeme, konstitutionelleEkzeme) 209
3. Hautentziindungen ohne ekzematoses Aussehen naoh bestimmten auBeren
Einwirkungen (Wirme, KiUte, Lioht u. a.) 254
4. Urtioaria . . . . . 261
5. Prurigo, Pruritus . 267
6. Pityriasis rosea . . 270
7. Psoriasis . . . . . 271
8. Aone und Rosaoea . . . 279
9. Herpesgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
10. Erythema exsudativum multiforme, Erythema nodosum. . . . 290
11. Krampfadern und 13eingesohwiire . . . . . . . . . . . . . . 292
12. Kreislaufstorungen und Hautblutungen (Purpura). . . . . . . 300
13. Kritze und andere Hauterkrankungen duroh tierisohe Parasiten 305
14. Dermatomykosen (Pilzfleohten) . . . . . . . . . . . 310
15. Die Hauttuberkulose. . . . . . . . . . . . . . . . 321
16. Chronisohe Infektionskrankheiten unsioherer Herkunft . 333
17. Lichen ruber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
18.13lasenbildende Hauterkrankungen (Dermatitis herpetiformis, Pemphigus
und Epidermolysis). . . . . . . . . . . . . 338
19. Sklerodermie und spontane Hautatrophien . . 341
20. Iohthyosis und umsohriebene Verhornungen. . 343
21. Alopeoia areata und andere Haarkrankheiten . 345
22. Hautkrebs und andere Hautgesohwiilste 350
23. Kosmetisohe Hautstorungen. . . . . 354
24. Seltene Hautkrankheiten. . . . . . 364
V. Die Bebandlung der Geschlechtskrankheiten 369
A. Gonorrhoe ........... . 369
1. Der akute Tripper des Mannes . . . 369
a) Vor bedingungen der 13ehandlung . . . . . . . . . . . . . . 369
b) 13ehandlung der unkomplizierten akuten Gonorrhoe des Mannes 370
0) 13ehandlung der gonorrhoisohen Komplikationen ...... . 374
d) 13ehandlung einer niohtgonorrhoisohen Harnrohrenentziindung . 379
e) Feststellung der Heilung einer akuten GonorrhOe. 380
2. Der ohronische Tripper des Mannes . . . . . . . . 381
3. Die akute Gonorrhoe der Frau ......... . 383
a) 13ehandlung. . . . . . . . . . . . . • . . . . 383
b) Komplikationen der Frauengonorrhoe ..... . 387
c) Mastdarmtripper .............. . 388
d) Feststellung der Heilung bei der Frauengonorrhoe 389
4. Die ohronisohe Gonorrhoe der Frau .. 390
5. GonorrhOe bei Kindern ....... . 390
6. Allgemeinersoheinungen bei Gonorrhoe . 392
13. Syphilis . . . . . . . . . . . . . . . 393
1. Vorbemerkungen iiber Fehldiagnosen und Fehltherapie 393
2. Klinisoh-diagnostische 'Obersicht. . . . . . . . . . . 395
3. Die antiluisohen Mittel. . . . . 401
4. Syphilisbehandlung ...... . 409
5. Feststellung der Syphilisheilung; . 414
6. Angeborene Syphilis ..... . 415
C. Weioher Schanker. . .... . 418
D. Inguinale Lymphogranulomatose. 420
E. 13alanitis und Ulous phagedaenioum. 421
F. Feigwarzen ............. . 423
G. Prophylaxe der Gesohleohtskrankheiten . 424
Sacbverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
Einleitung.
Es ist keine Frage, daB die Mehrzahl alier Hautkranken zuerst den praktisehen
Arzt aufsueht, dort behandelt und aueh meist geheilt wird. Dazu bedarf es
manehmal also nur einer allgemein gehaltenen Diagnose und einer vorwiegend
symptomatisehen Therapie, die allerdings Fingerspitzengefiihl voraussetzt. Zu
dem Faeharzt gelangen die enronisehen Falle und die Patiente n mit besonderer
Hautempfindliehkeit; viele vom Aligemeinpraktiker bevorzugte Methoden und
Medikamente erseheinen ihm um so gefahrlieher, je mehr Hautreizungen er dureh
sie gesehen hat; die damit geheilten Falle sieht er freilieh nieht. In den Kliniken
sammeln sieh die Kranken, bei denen die Ausdehnung des Leidens oder Befallen
seins von Handen und FUBen Gehfahigkeit und hausliehe Selbstpflege unmoglieh
maehen. In der Therapie kann die Klinik groBziigiger sein, weil sie sieh weniger
fiir die Kostenfrage interessiert, wahrend der Faeharzt mit dem Regelbetrag aus
zukommen hat (Regelbetrag der RVO-Kassen 1951 DM 4,75 im Vierteljahr).
Alierdings muB er dann auf manehe von dort empfohlenen Mittel verziehten.
Eine besondere Sehwierigkeit ergibt sieh fiir die Therapie daraus, daB sie ohne
Berufsstorung, oft trotz sehadlieher Einfliisse und in Anpassung an die soziale
Lage des Patienten durehgefiihrt werden solI. Salben, die stark rieehen oder die
Wasehe besehmutzen, sind unanwendbar. Injektionen werden oft miBtrauiseh
abgelehnt. Dennoeh darf gerade die Hauttherapie nieht in einen Nihilismus ver
fallen, denn unter einer indifferenten Salbenbehandlung heilen nur wenige Haut
krankheiten tatsaehlieh abo DerunoedingteWille zur HeHung muBJilhrend sein,
man sei also nl<iht nur vorsiehtig, sondern aueh angriffsbereit. Es ist bedauerlieh,
daB noeh zu wenig Regelbehandlungen erprobt sind, die fiir eine bestimmte
Erkrankung mit einem MindestmaB an Kosten und Belastigung des Patienten
einen mogliehst hohen Prozentsatz an Erfolgen erreiehen. 1m Rahmen einer
Regelbehandlung ist fiir Individualisierung noeh geniigend Raum.
Obwohl man mit einigen modernen Mitteln alienthalben etwas erreiehen
kann, wenn man ihre Anwendung beherrseht (z. B. mit Rontgenstrahlen, mit
Penieillin), ist damit manehe alte Behandlungsweise, aueh wenn sie primitiv be
griindet ist, nieht iiberholt; besondere Lagen erfordern eine gewisse Reiehhaltig
keit der Behandlungsformen. Man sollte alles verwenden und behalten, was
gut ist ; allerdings aueh iiberfliissige Verfahren und unnotige Varianten abstoBen,
selbst auf die Gefahr hin, fiir unwissend zu gelten.
Was die Salbenbehandlung betI:ifft, so haben wir nieht den Eindruek, als ob
ihre Mogliehkeiten ersehOpft sind; vielleieht stehen wirvor einer neuen experi
mentellen Periode ihrer Erforsehung und Verbesserung. Die bisher von der
Industrie fertiggelieferten Salben lehnen wir nieht ab, sie zeiehnen sieh oft dureh
gute Zubereitung aus, aber sie enthalten meist zu vielerlei, damit sie iiberall mit
Vorteil anwendbar sein sollen; das maeht sie fiir den Einzelfall (z. B. bei Idiosyn
krasien) oft ungeeignet. Wir rezeptieren lieber, aber erwarten aueh, daB aIle
Apotheken einheitlieh arbeiten una einwandfreie Salben liefern.
Keller, Raut- und Gesohlechtskr&nkhelten, S. AUf!. 1
2 Einleitung.
Zur Anordnung, Darstellung und Auswahl dieses Buches, das fur den Prak
tiker bestimmt ist, den Allgemeinarzt und den angehenden Facharzt, ist zu sagen,
daB sie ausschlieBlich den praktischen Bedurfnissen des Alltags entsprechen sollen.
Zur "Obersichtlichkeit gehOrt eine gewisse Beschrankung des Stoffs, die nur sub
jektiv sein kann; Wiederholungen dagegen entsprechen didaktischen Grunden.
Da zu einer richtigen und endgultigen Therapie haufig, wenn auch nicht immer,
eine richtige Diagnose gehOrt, sind uberall, wo sich Gelegenheit bietet, differential
diagnostische Hinweise gegeben; es war aber nicht die Aufgabe, ein Lehrbuch der
Hautkrankheiten, deren es viele vortreffliche gibt, zu ersetzen, sondern bei
angeregtem Interesse den Leser zu ihnen hinzufiihren und auf sie begierig zu
machen.
Dieses Buch ist meinen Lehrern,
Prof. G. A. ROST, Berlin, und Dr. FRITZ PAULUS, Aachen,
zugeeignet.
I. Symptomatische Behandlung der Hautkrankheiten.
Auch wenn wir imstande sind, bei einer Rauterkrankung eine genaue Diagnose
zu steHen, ist in vielen Fallen unsere Behandluhg rein symptomatisch; wir richten
unser therapeutisches Verhalten auf das entziindliche Stadium~ das Nassen, das
Jucken, die Schuppung usw. ein, wobei bei aller Verschiedenheit der Erkran
kungen gemeinsame Richtlinien zu beachten sind. Derart gelingt es uns bis
weilen, selbst eine Krankheit zu heilen, deren Diagnose unklar geblieben ist.
1. Akut entziindliche Hauterkrankungen.
Die altbekannten klinischen Symptome der Rotung, Schwellung, Ritze und
MiBempfindung (Brennen, Schmerzen oder Jucken) kennzeichnen fiir unsere
Zwecke zur Geniige die frisch entziindete Raut. Dabei ist die Rotung als Zeichen
einer vermehrten Blutzufuhr fast stets vorhanden; die Schwellung kann fehlen,
aber auch enorme Grade erreichen bei besonders disponierten Personen oder an
bestimmten Korperstellen mit lockerem Bindegewebe (der Augengegend, dem
Genitale) oder hOherem Gewebswasserdruck(den FuBknocheln); die Ritze steht
nicht immer in trbereinstimmung mit der Rotung, da diese von der BlutfiiHe der
Capillaren, die Ritze von der Durchstromung tieferer GefaBnetze abhangt, und
die MiBempfindungen entsprechen desgleichen nicht den anderen Symptomen -
fiir manche Erkrankungen charakteristisch, fehlen sie bei anderen und werden
vor aHem entsprechend einer voriibergehenden oder dauernden nervosen Ver
stimmung yom Kranken ganz verschieden bewertet.
Was kann bei diesen einfachen Veranderungen (ohne Nassen, ohne Blasen
bildungen) eine auBere Behandlung erreichen! Sie kann Kiihlung bringen, sie
kann die geschwollene Raut entspannen, die subjektiven Beschwerden lindern
und darf dabei gleichzeitig die Vorbedingungen fiir eine moglichst ungestorte
Abheilung nicht auBer acht lassen.
Dazu s1lehen uns als besonders zwec1cmii{3ige Mittel zur Verfiigung: Puder,
Trockenpasten und Fettpa8ten; sie aHe entziehen der Oberhaut Feuchtigkeit und
erleichtern auch teilweise deren Verdunstung; gleichzeitig schiitzen sie mehr oder
weniger die Raut vor weiteren auBeren Reizen. Puder ist fiir ausgedehnte Stellen
am reinlichsten, aber er haftet schlecht, auBer bei Bettruhe; Trockenpasten sind
reizlos und halten auch ohne Verband; ihre Nachteile liegen jedoch in einer zu
starken Austrocknung der Oberhaut. Fettpasten entspannen die Raut und
trocknen sie gleichzeitig aus, aber sie bediirfen meistens eines Verbandes, um
nicht zu verschmieren, und haben den Nachteil, daB sie gelegentlich bei frischen
Rautentziindungen schlechter vertragen werden und dann die Abheilung ver
zogern.
AuBer dieser Regelbehandlung konnen feuchte und kiihlende Umschlage -
deren hauptsachliches Indikationsgebiet die nassenden Erkrankungen sind -
an beschrankten Stellen, z. B. der Augengegend, den Randen, dem Genitale
voriibergehend gute Dienste tun. Salben sind dagegen als warmestauend nicht
geeignet; sog. Kiihlsalben - nicht jede wasserhaltige Salbe hat eine Kiihl-
1·
4 Symptomatische Behandlung der Hautkrankheiten.
wirkung, die wirklichen Kiihlsalben (z. B. Macremal, Ungt.leniens) zeichnen sich
durch ihre labile, zum Zerfall neigende Zusammensetzung aus - haben vor allem
eine subjektive Wirkung.
Durch geeignete Kombination der genannten Mittel im Laufe der Behandlung
lassen sich jedoch die Vorteile vereinigen und die Nachteile vermindern; dabei
gilt es insbesondere der Reizbarkeit des jeweiligen Entziindungsstadiums Rech
nung zu tragen.
Was die Puder betrifft, so verschreibe man grundsatzlich vollig reizlose Wund
puder, z. B. Fissanwundpuder, Desitin- oder Niveakinderpuder. Vor den for
malinhaltigen Korper- und SchweiBpudern ist ausdriicklich zu warnen, ebenso
vor desinfizierenden Pudern, die Sulfonamide enthalten wie z. B. etwa MP-Puder.
Bei der Anwendung ist mit Puder' nicht zu sparen, bei Bettruhe streue man ihn
reichlich ins Nachthemd, das durch giirtelartig angelegte Binden unterteilt wird,
um eine Verlagerung des Puders zu. vermeiden (Puderbett). An umschriebenen
Stellenkann man unter Watteverbanden groBere Pudermengen anbringen. Ohne
Verband haftet Puder besser nach leichtem Einfetten der Raut (mit 61 oder
Fissanpaste); aber hier besteht wieder die Gefahr einer Reizung durch Fette,
iiber die noch oft zu sprechen sein wird.
Besser als Puder haften die Trockenpasten (oder die weniger konsistenten
Schilttelmixturen), die aus Zinkoxyd, Talk, Glycerin und Wasser bestehen. Bei
sorgfaltigem Anreiben durch den Apotheker sind die Trockenpasten dickbreiig,
brauchen vom Patienten nur umgeriihrt, aber nicht durch Schiitteln auf
geschwemmt zu werden - was oft miBlingt -, werden zweckma.Big in Porzellan
kruken (nie jedoch in Pappdosen) verabfolgt und konnen, wenn sie mit der Zeit
eintrocknen, durch ein paar Tropfen Wasser wieder gebrauchsfertig gemacht
werden. Man tragt sie hauchdiinn auf, mehrmals am Tag, ohne alte Reste zu
entfernen, und sie kiihlen besser als jede Kiihlsalbe; in einigen Fallen brennen
sie zwar in den ersten Minuten, was ihre Anwendung jedoch nicht stort. In
anderen tritt ein Brennen erst nach einigen Stunden ein mit der volligen Aus
trocknung, das laSt sich durch neues Aufstreichen gelegentlich mildern. Schiittel
mixturen sind lediglich weniger konsistent als Trockenpasten, enthalten also
verhaltnismaBig mehr Fliissigkeit, sie werden in weithalsigen Flaschen geliefert
und tiichtig umgeschiittelt, bevor sie mit einem Pinsel diinnaufgestrichen werden.
Bei einer derartigen einfachen Behandlung, einige Tage durchgefiihrt, kann
manche akute Hautentziindung (z. B. die haufige akute Dermatitis) rasch ab
heilen oder wenigstens sich bedeutend bess ern ; auch enorme Schwellungen
schwinden rasch - von selbst, da man diesen fliissigen Pudern Tiefenwirkung
kaum zusprechen wird. Zusatze sind meist entbehrlich und erhOhen das Risiko
der Unvertraglichkeit. Gebrauchlich sind Targesin- oder Chinosollosung, Blei
wasser, Dermatol; gewarnt sei - bei akuter Entziindung - vor Schwefel. Lastig
ist an unbedeckten Korperstellen die weiSe maskenartige Verfarbung; hier setzt
man Tumenol-Ammonium zu (aber nicht mehr als 1 %, da sonst eiile schmierige
Entmischung eintritt) oder Dermatol nebst Bolus rubra. Wenn Zinko:xyd in der
Trockenpaste nicht vertragen wird (was selten ist), so ersetze man es durch
Amylum Tritici oder Titano:xyd. Will man das Abfarben eingetrockneter Pasten
(an den Kleidern) vermeiden, so setze manihnen Tragant, Gelatine oder Mucilago
Tylose zu. Mochte man sie auch bei Arbeiten im Wasser gebrauchen, so muB
man ihnen fliissigesParaffin beifiigen (s. S.93). Fertigpraparate: Fissantrocken
paste, Fissanschiittel, Esiderm, Esiderm cum Tumenol.
Die Nachteile der Trockenpaste bestehen in einer zu starken Rautaustrock
nung, die friiher oder spater auftritt und storen kann. An den Gelenkbeugen
kann die Haut sprode werden und einreiBen, in der Bartgegend werden die Haare
Akut entziindliche Hautkrankheiten. 5
hart und empfindlich. Badet man die Trockenpaste aIle 2-3 Tage mit warmem
Wasser vorsichtig ab - ohne Seife, mit einem Wattebausch ohne starkes Reiben
- und halt man die aufgetragene Schicht dunn, so bleiben diese Beschwerden
noch am langsten aus, andernfalls fette man die Haut vorher mit Olivenol oder
Mandelol ein, bevor man die Trockenpaste auftragt.
Erweist sich dieses vorsichtigere Vorgehen nicht mehr als notwendig, so geht
man zu einer Fettpaste uber (Fissanpaste, Desitinpaste, Zinkpaste), die man eben
falls noch uberpudert oder die man - nachts - mit der Trockenpaste abwechseln
laBt.
Die Fettpasten enthalten neben Puder schmierbare Salben oder flussige Ole;
der Puderzusatz (meist Zinkoxyd) soIl so erheblich sein, daB auf der Haut bei
Korperwarme eine nichtzerflieBliche Deckschicht bestehenbleibt, wie sie zur Aus
trocknung notig ist. Je nach der Konsistenz der verwandten Salbe ist dieser
Pudergehalt verschieden, z. B. 30-40 % Zinkvaselin, 20 % Zinklenienssalbe, 10 %
Zinkschweineschmalz (fertige Priiparate: Desitinpaste; die etwas weiche Fissan
paste wird durch Nachstreuen von Puder konsistenter gemacht). BesondereKuhl
paste n werden mit Magnesiumcarbonat statt Zinkoxyd bereitet und enthalten
groBere Mengen Fltissigkeit. Alle diese Pasten werden meist auf - weichem
altem - Leinen dick aufgestrichen und mit Verb and befestigt, sind also haupt
sachlich an umschriebenen Stellen zu verwenden. An. groBeren Korperstellen
konnen sie mit geringerer Wirkung dunn eingerieben und uberpudert werden.
Die mit pflanzlichen Olen bereiteten Pasten (30-50% Zinkol; "weiche Zink
paste": Zinc. oxydat., Calc. carb., 01. Lini, Aq. Calcar. zu gleichen Teilen) konnen
ebenfalls zu Verbanden dienen; dann werden Mullagen reichlich mit ihnen durch
tranktund aufgelegt. Vor allemaber sind sie zur ausgedehnten Verwendung ohne
Verband geeignet; sie werden mehrmals am Tage immer wieder auf die alte
Schicht dunn eingerieben und bilden nach Eindringen des Ols in die Haut eine
gleichmaBige, weiche, gut austrocknende Schutzdecke (fertige Praparate: Fissan-
01, Mollositin).
Vor den Trockenpasten haben die Fettpasten gewisse Vorteile, bei ihnen fehlt
ein anfangliches Brennen, sie trocknen nicht nur aus, sondern erweichen auch
gleich2<eitig die Oberhaut, so daB sie auch an Stellen mit dickerer Hornschicht
von vornherein geeigneter sind (z. B. Finger, Hande, FuBe); dasselbe gilt, wenn
mit Abheilung einer Entzundung die Hornschicht dicker, dichter und wasser
undurchlassiger wird. Ihre Nachteile bestehen nur darin, daB man das Risiko
eingeht, bei dem Patienten auf eine 1Jberempfindlichkeit zu stoBen, namlich
wenn fetthaltige Salben nicht oder nicht vollig vertragen werden; diese Fett
uberempfindlichkeit kann vorubergehend sein, d. h. sich auf die Tage der stark
sten Entzundung beschranken. Oft zeigt sich das durch ein nicht aufhorendes
Jucken und eine am Rande fortschreitende Entzundung; dabei ist der Patient
von den subjektiven Wirkungen der einfettenden Paste oft befriedigter als z. B.
von einer Trockenpaste, die ihn spannt und belastigt, aber eher heiIt.
Was die Fettempfindlichkeit betrifft, so kann mannach der praktischen
Erfahrung die Moglichkeit eines MiBerfolges einschranken, wenn man beruck
sichtigt, daB 1Jberempfindlichkeiten am hiiufigsten gegen Vaseline (chemisch kein
Fett, sondern ein Paraffinkohlenwasserstoff), weniger gegen tierische Fette
(Schweineschmalz) oder Wachse (Wollfett, Lanette, Ungt. leniens), noch sel
tener gegen pflanzliche Ole bestehen, und daB manchmal mit steigender Puder
konzentration die Reizwirkung einer derartigen Zinksalbe nachlaBt; hier sind es
also wohl ungunstige physikalische Momente (Warmestauung), die die entzundete
Haut nicht vertragt und die sich mit Vermehrung der Pastenkonsistenz verlieren.
Haben wir es dagegen mit einer idiosynkrasischen 1Jberempfindlichkeit gegen
6 Symptoma.tisobe Beba.ndlung der Ha.utkra.nkbeiten.
einzeIne Salbengrundlagen zu tun, so miissen wir diese in der Paste auswechseIn
- also z. B. statt Vaselin eine Wollfett-Olivenol-Mischung nehmen oder Lanette.
Absolut feste RegeIn der Vertraglichkeit gibt es jedoch nicht; treten Schwierig
keiten auf, so muB man sich aufs Probieren verlassen, wobei man zweckmaBig an
verschiedenen kleinen Stellen verschiedenes versucht.
Mit den genannten einfachen MitteIn - achtsam und sorgfii.ltig angewandt -
sind wir nun imstande, die-meisten akuten Hautentziindungen zur Beruhigung
oder Abheilung zu bringen, wenn wir nur mit Geduld die notige Zeit aufwenden.
Eine wichtige Frage ist also, wann wir von einer richtigen Behandlung einen
Edolg erwarten diiden. Natiirlich sind wir bestrebt, die Leiden unseres Patiente n
rasch zu beheben, aber sein volliges Wohlbehagen ist nicht immer sofort zu er
reichen und auch nicht immer der einzig maBgebende Gesichtspunkt. Um die
notige therapeutische Sicherheit dem Patienten gegeniiber zu erlangen, muB man
sich also durch differentialdiagnostische Erwagungen weiterhin einigermaBen
Klarheit iiber die Art der vorliegenden Hautentziindung verschaffen, um zu
wissen, was man an Beschwerden dem - oft ungeduldigen - Patienten zumuten
muB und wann man ihm ehestens eine Wirkung der Behandlung verheiBen kann.
tTher die kiiujigsten alcuten Hautentzundungen der Praxis geben dabei folgende
tTherlegungen AufschluB:
1st eine frische entz~dliche Hauterkrankung fliichtig, so daB der Patient sie
dem Arzt meist nicht einmal vorzuweisen vermag, wiederholt sie sich an derselben
Stelle oder an einer anderen, juckt sie stark, so dad eine Nesselsuckt vermutet
werden; diese wird durch die hier geschilderte Behandlung zwar subjektiv ge
bessert, aber selten geheilt; ihre Dauer ist verschieden, meist flaut sie langsam abo
Riickfalle kommen vor, und die endgiiltige Behandlung muB den Ursachen ent
sprechen (s. S. 263). Mit einer Fettiiberempfindlichkeit hat man bei einer Urti
caria gewohnlich nicht zu rechnen.
1st \lie Entziindung bestandig, so kann der HautprozeB einmalscharf begrenzt
sein, langsam und geschlossen fortschreiten, aus einem zusammenhangenden
heiBen Herd bestehen, meist auch mit Fieber einhergehen, dann handelt es sich
um ein Erysipel (s. S. 206); auch hier verlauft der EntziindungsprozeB wie bei
der Nesselsucht vorwiegend in der Unterhaut, und es besteht eine geringe Haut
empfindlichkeit; deshalb werden nicht nur Fettpasten und Kiihlsalben, sondern
sogar Hohensonnen- oder Rontgenbestrahlungen vertragen (kausa,} Sulfonamide,
Penicillin). Fiir gewohnlich kommt das akute Erysipel im Gesicht, an der Nase,
den Wangen, aber auch an den Extremitaten in der Nahe von Wunden vor und
heHt meist in 3-5-7 Tagen. Riickfallige Erysipele im Gesicht, meist von in
fizierten Schrunden der Nasenlocher ausgehend, verlaufen oft sehr geringfiigig,
auch ohne Fieber, hinterlassen aber gelegentlich dauernde Schwellungen der
Augenlider oder Lippen. Chronische, persistente, erysipelahnliche Zustande
schreiten, ebenfalls in scharf begrenzten Herden, langsam iiber mehrere Wochen
hin fort, - fiir gewohnlich ohne Fieber, z. B. der Schweinerotlauf, an den Fingern
bei Fleischern, Kochinnen, Jagern, Fischern, oder das Erythema chronicum
migrans, blaulichrote nichtschuppende, langsam wachsende Flecke meist an den
unteren Extremitaten, bei Jagern oder nach Spaziergangen im Walde, wohl fiir
gewohnlich nach dem BiB kranker Zecken.
1st die Entziindung bestandig, mit zerrissenen Randern, mit einzelnen ver
sprengten Herden - als Vorlaufer (oft nur an den Haarbalgen) - oder mit
gesunden Stellen im erkrankten Gebiet, unter Umstanden mit springendem Fort
schreiten iiber eine oder mehrere Korpergegenden, vor allem ohne Fieber, bei
groBerer Ausdehnung wohl mit subjektiven Fieberschauern, so besteht meist
eine Dermat#is (auch sog. akutes Ekzem). Bier handelt es sich um eine Haut-