Table Of ContentARCHIV
FÜR KATHOLISCHES
KIRCHENRECHT
MIT BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG
DER LÄNDER DEUTSCHER SPRACHE
Begründet von Ernst Freiherrn von Moy de Sons
Fortgesetzt v. Fr. H. Vering, Fr. Heiner, N. Hilling
u. K. Mörsdorf
Im Kanonistischen Institut der Universität München
herausgegeben von
Winfried Aymans, Heribert Schmitz, Karl-Theodor Geringer
Geschäftsführender Herausgeber und Schriftleiter
Winfried Aymans
160. Band
Jahrgang 1991
VERLAG KIRCHHEIM & CO GMBH, MAINZ/RHEIN
J
arsit1i 819.
700
INHALTSVERZEICHNIS
160. Band - 1991
I. Abhandlungen
W. Aymans, Synodale Strukturen im Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium 367
A. Bernhard, Beurteilung des Ehewillens der evangelischen Christen und der Unge-
tauften in der ehemaligen DDR. Die Handhabung des Privilegium-fidei-Verfahrens
in der ehemaligen DDR 48
S. Demel, Die kanonische Eheschließungsform im Recht der unierten Ostkirchen.
Ein Vergleich des CCEO/1990 mit dem CIC/1983 418
K.-Th. Geringer, Die bedingte Eheschließung im Recht der katholischen orientali
schen Kirchen 68
A. E. Hierold, Die Systematik des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium . . . 337
Ρ Krämer, Die Katholische Universität. Kirchenrechtliche Perspektiven 25
L. Müller, „Theologisierung" des Kirchenrechts? 441
H. Paarhammer, Bischofsbestellung im CCEO. Patriarchen- und Bischofswahl und
andere Formen der Bischofsbestellung 390
J. Prader, Der Ehebegriff im Orientalischen Kodex. Unterschiedliche Bestimmungen
zwischen dem CCEO und dem CIC 408
B. Primetshofer, Interrituelles Verkehrsrecht im CCEO 346
W. Rees, Der Schutz der Glaubens- und Sittenlehre durch kirchliche Gesetze. Index
librorum prohibitorum. Bücherzensur. Lehrbeanstandungsverfahren. Nachkonzi-
liare Änderungen und gegenwärtiger Rechtszustand 3
II. Kleine Beiträge
K. Hartelt, Zum Gedenken an Benno Löbmann 476
J. Listi, Keine Gewährleistung der Kirchenfreiheit nach der Schweizerischen Bundes
verfassung. Das Verhältnis von Staat und Kirche im Kanton Luzern 89
H. Pree, Prälat Univ. Prof. Dr. theol. Dr. iur. can. Peter Gradauer zum Gedenken
(1921-1991) 480
/. Riedel-Spangenberger, Domkapitular Professor Dr. theol., Dr. iur. can. Linus Hof
mann zum Gedächtnis 84
R. Sobanski, Kulturelle Faktoren im kirchlichen Verfassungsrecht 464
R. Wenner, Das Lehrbeanstandungsverfahren bei der Deutschen Bischofskonferenz.
Gesetzgeber und Gesetzgebungsverfahren 102
III. Kirchliche Erlasse und Entscheidungen
A. Abdrucke
a) Römische Behörden
Ansprache Papst Johannes Pauls II. vom 28. Januar 1991 an die Mitglieder der Römi
schen Rota zur Eröffnung des Gerichtsjahres 110
Bekanntmachung der Glaubenskongregation über die Gültigkeit der Taufe der Chri
stengemeinschaft Rudolf Steiners 115
701
Dekret der Kongregation für den Klerus vom 22. Februar 1991 über die Meßstipendien 115
Antwort des Höchsten Gerichts der Apostolischen Signatur vom I.Februar 1991 zu
einer vorgelegten Frage 484
Antwort des Päpstlichen Rates zur Interpretation von Gesetzestexten vom 11. Oktober
1991 zu einer vorgelegten Frage 484
b) Bischofskonferenzen
Österreichische Bischofskonferenz
Beschluß vom 12. März 1991 der deutschen Formeln für Glaubensbekenntnis und
Treueid 119
Partikularnormen vom 6. November 1991 486
c) Bistümer des deutschen Sprachraums
Kirchenprovinzen München-Freising und Bamberg
Stipendien- und Stolgebührenordnung vom 8. November 1990 143
Berlin
Rahmenordnung vom 7. März 1991 für Laienkatecheten und Kommunionspender . 126
Statut des Priesterrats vom 2. Mai 1991 130
Wahlordnung des Priesterrats vom 2. Mai 1991 133
Eichstätt
Dienstordnung für Ständige Diakone vom 1. Februar 1991 121
Feldkirch
Kirchenbeitragsordnung und Anhang zur Kirchenbeitragsordnung vom 15. April 1991 . 145
Freiburg
Ordnung vom 24. April 1991 für das Diözesanforum 135
Limburg
Erlaß vom 23. September 1991 zur Gemeindeleitung in Kooperation 532
Erlaß vom 23. September 1991 über Bezugspersonen in Kirchengemeinden . . .. 535
Linz
Erlaß vom 1. April 1991 zu Eheschließungen abgefallener Katholiken 141
Osnabrück
Hinweis vom 4. März 1991 zur Eintragung von Ziviltrauungen formfreier Partner in die
Matrikelbücher 142
Dienst- und Disziplinarordnung für die Beamten des Katholischen Gemeindeverban
des in Bremen (DDO) vom 9. Juli 1991 519
Paderborn
Dekret vom 7. Oktober 1991 zum Entzug der Lehrbefugnis von Privatdozent Dr. Eu
gen Drewermann 489
Regensburg
Diözesanordnung für den Ständigen Diakonat vom 8. Dezember 1991 536
Ordnung für den Dienst des Kommunionhelfers vom 19. November 1991 543
Salzburg
Hinweis vom 13. März 1991 zur Teilnahme von Schülern anderer Religionsgemein
schaften am Religionsunterricht 140
Pfarrkirchenratsordnung vom 15. Juli 1991 512
Erlaß vom 15. Juli 1991 zur Festsetzung von Akten der außerordentlichen Verwaltung
der kirchlichen Vermögensträger 551
702
Würzburg
Verordnung vom 5. November 1991 über die Errichtung von Meßstiftungen 549
B. Fundorte 154, 553
Rechtsquellen zum innerkirchlichen Datenschutz in der Bundesrepublik Deutschland
und Österreich seit 1978 (E. D. Menges) 570
IV. Staatliche Erlasse und Entscheidungen
A. Abdrucke
Bayerisches Staatsministerium des Innern
Schreiben vom 25. Juni 1991 über die rechtliche Zugehörigkeit zu einer Religionsge
sellschaft 169
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluß vom 3. Juni 1991 (7 CE 91.1014) zum Anbringen eines Kreuzes in Unter
richtsräumen 170
Verwaltungsgericht Regensburg
Beschluß vom I.März 1991 (RO 1 E 91.0167) zu Schulkreuzen 176
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. Oktober 1991 (18 U 78/91) zur Kündigung einer Arbeitnehmerin in einer
kirchlichen Einrichtung während des Erziehungsurlaubs 588
Oberlandesgericht Hamm
Urteil vom 17. September 1991 (7 U 74/91) zu Formvorschriften für Verträge mit katho
lischen Kirchengemeinden 579
Rechtsentscheid vom 23. Oktober 1991 (31 REMiet 1/91) zur Aufnahme eines nicht
ehelichen Lebensgefährten in eine kirchliche Mietwohnung 580
Landgericht Bonn
Beschluß vom 9. November 1990 (5 Τ 119/90) zum Fremdeinfluß bei einem kirchlichen
Verein 179
Amtsgericht Schorndorf
Urteil vom 7. November 1991 (5 F 63/91) zur Aufrechterhaltung der Ehe aus religiösen
Gründen 586
Finanzgericht Münster
Urteil vom 2. Oktober 1991 (11Κ 111/91 L) zur Anrechnung des Postulats in einem Klo
ster als Berufsausbildung 591
B. Fundorte 186, 594
V. Vereinbarungen zwischen Kirche und Staat
(vacat)
VI. Kirchenrechtliche Chronik
vom 1. Januar bis 30. Juni 1991 (E. Güthoff - J. Martetschlägeή 196
vom 1. Juli bis 31. Dezember 1991 (J. Martetschlägeή 602
Wesen und Verwirklichung der Synodalität. Bericht über den VII. Internationalen Kon
greß für kanonisches Recht vom 21. bis 28. September 1990 in Paris (J. O. fì/tfer) 214
703
14. und 15. Studienwoche für die Angehörigen des höheren Verwaltungsdienstes in
den Diözesen der Bundesrepublik Deutschland vom 8.-12. bzw. 15.-19. Septem
ber 1991 im Erbacher Hof, Bildungszentrum der Diözese Mainz {J. Listf) . . .. 613
Dritte Jahrestagung des European Consortium for Church and State Research am
29./30. November 1991 in der Universität Augsburg {J. Listi) 635
VII. Besprechungen und Anzeigen
Ahlers, Reinhild, Communio Eucharistica. Eine kirchenrechtliche Untersuchung zur
Eucharistielehre im Codex Iuris Canonici {H. Schmitz) 291
Aymans, Winfried, Beiträge zum Verfassungsrecht der Kirche {Anzeige) 637
Aymans, Winfried, Mörsdorf, Klaus, Kanonisches Recht. Lehrbuch aufgrund des
Codex Iuris Canonici, Bd. I {Selbstanzeige) 228
Becker, Hans-Jürgen, Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil (L
Schick) 252
Bernhard, Jean, Lefebvre, Charles, Rapp, Francis, L'Époque de la Réforme
et du Concile de Trente {Κ. Ganzer) 652
Bier, Georg, Psychosexuelle Abweichungen und Ehenichtigkeit {H. Heinemann) . . 299
Co re eco, Eugenio, Théologie et droit canon {P. Krämeή 637
De Fuenmayor, Amadeo, Escritos sobre prelaturas personales {M. Benz) . . .. 289
Deumeland, Klaus Dieter, Das Promotionsrecht kirchlicher Hochschulen und die
Befugnis zur Führung kirchlicher akademischer Grade in der Bundesrepublik
Deutschland (G. May) 661
Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648 bis 1803 (H.
Schmitz) 229
Die Bistümer und ihre Pfarreien (G. May) 645
Die Kirchen und die deutsche Einheit. Rechts- und Verfassungsfragen
zwischen Kirche und Staat im geeinten Deutschland {J. Listf) 666
Ed er, Joachim, Tarifpartnerin Katholische Kirche? Der „Dritte Weg" der katholischen
Kirche in der Bundesrepublik Deutschland aus kanonistischer Sicht (G. May) . . 661
El laicado en la I g I e s i a. XXI Semana Espanola de Derecho Canònico (L
Schick) 272
Engelhardt, Hanns, Die Kirchensteuer in den neuen Bundesländern {St. Haering) 669
Erdö, Péter, Introducilo in historiam scientiae canonicae {H. Schmitz) 246
Estudios juridico-canónicos. Conmemorativos del Primer Cincuentenario
de la restauración de la Facultad de Derecho Canònico en Salamanca (1940-
1989) (G. May) 656
G e rosa, Libero, Charisma und Recht. Kirchenrechtliche Überlegungen zum „Urcha-
risma" der neuen Vereinigungsformen in der Kirche {R. Bertolino) 276
Geschichte und Recht geistlicher Ritterorden besonders in der
Schweiz (G. May) 247
Gut, Walter, Politische Kultur in der Kirche {H. Schmitz) 305
Historia de la Iglesia y de las instituciones ec lesi as ti cas. Traba-
jos en homenaje a Ferran Valls i Taberner en ocasión de centenario de su naci-
miento (G. May) 245
lustus Iudex. Festgabe für Paul Wesemann zum 75. Geburtstag von seinen
Freunden und Schülern {P Wirth) 231
Kai de, Franz, Die Paarformel „fides # mores". Eine sprachwissenschaftliche und
entwicklungsgeschichtliche Untersuchung aus kanonistischer Sicht {St. Haering) 659
Kraus, Dieter, Pahud de Mortanges, René, Bibliographie des Schweizeri
schen Staatskirchenrechts {F. Kalde) 673
La „conta delle anime". Popolazione e registri parrocchiali (H. Schmitz) . . 250
Leisner, Walter, Staatliche Rechnungsprüfung Privater unter besonderer Berück
sichtigung der Freien Wohlfahrtspflege (G. May) 671
Lopez A lare on, Mariano, Navarro-Valls, Rafael, Curso de derecho matrimonial
canònico y concordado (L Schick) 296
704
Naturaleza y futuro de las Conferencias Episcopales (H. J. Pott-
meyef) 290
Public Law and Comparative Politics. Trabajos en homenaje a Ferran
Valls i Taberner (G. May) 246
Radbruch, Knut, Mathematik in den Geisteswissenschaften (F. Kalde) 309
Recht als Heilsdienst. Matthäus Kaiser zum 65. Geburtstag (L Müller) . . . 239
Rodriguez-Ocana, Rafael, Las asociaciones de clérigos en la Iglesia (L
Schick) 286
Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte, Band 9 (St. Haering) . 269
Schappert, Peter, Solidarische Pfarrseelsorge. Möglichkeit und Bewertung in der
neuklassischen Kanonistik (J. ΗΐΓηερθ^βή 654
Schmitz, Heribert, Kalde, Franz, Partikularnormen der deutschsprachigen Bi
schofskonferenzen (Selbstanzeige) 270
Schulze, Manfred, Fürsten und Reformation. Geistliche Reformpolitik weltlicher
Fürsten vor der Reformation (G. May) 260
Seiler, Joachim, Das Augsburger Domkapitel vom Dreißigjährigen Krieg bis zur Sä
kularisation (1648-1802) (Ε. M. Buxbaum) 265
Selge, Karl-Heinz, Das seelsorgerische Amt im neuen Codex Iuris Canonici (P Krä
mer) 271
Thiede, Christian, Bischöfe - kollegial für Europa. Der Rat der Europäischen Bi
schofskonferenzen im Dienst einer sozialethisch konkretisierten Evangelisierung
(H. Heinemann) 658
Tu rri ηi, Miriam, La coscienza e le leggi. Morale e diritto nei testi per la confessione
della prima Età moderna (G. May) 652
Veldtrup, Dieter, Zwischen Eherecht und Familienpolitik. Studien zu den dynasti
schen Heiratsprojekten Karls IV. (M. Ka/'sef) 257
Vries, Jan, Gottesbeziehung und Gesetz. Grund, Inhalt und Grenze kanonischer
Normierung im Bereich des religiösen Lebens des Gläubigen (G. May) 641
Wolf, Lorenz, Der Irrtum über eine Eigenschaft der Person als Ehenichtigkeitsgrund
(P Wirth) 302
Würdinger, Hans, Das Passauer Domkapitel nach seiner Wiedererrichtung im Jahr
1826 bis zum Jahr 1906 (E. M. Buxbaum) 267
VIII. Literaturverzeichnis 312, 674
Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Schriften 334, 695
Verzeichnis der Mitarbeiter mit namentlich gezeichneten Beiträgen zum 160. Band . 698
Inhaltsverzeichnis 160. Band - 1991 700
l^iv£-"T:t§&>- ]
München 1
ARCHIV FÜR KATHOLISCHES KIRCHENRECHT
Begründet 1856.
Erscheint in 2. Halbjahresbänden a posteriori ^
Schriftleiter: Prof. Dr. Winfried Aymans, Kanonistisches Institut der Universität München,
Geschwister-Scholl-Platz 1, D-8000 München 22. - Alle Zuschriften, Manuskripte und Be
sprechungsexemplare werden an den Schriftleiter erbeten. Besprechung bleibt vorbehalten.
Für unaufgefordert eingesandte Schriften wird keine Verpflichtung zur Rezension über
nommen.
Verlag Kirchheim + Co GmbH, Kaiserstraße 41, D-6500 Mainz 1
Druck: Joh. Falk III. Söhne GmbH, Rheinhessenstraße 1, D-6500 Mainz-Hechtsheim
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn-Bad Godesberg.
ISSN 0003-9160
68
DIE BEDINGTE EHESCHLIESSUNG IM RECHT
DER KATHOLISCHEN ORIENTALISCHEN KIRCHEN*
Von Karl-Theodor Geringer
Das Eherecht der katholischen Orientalischen Kirchen hat erstmals
Pius XII. im MP Crebrae allatae (= lOmatr) vom 22. 2. 1949 kodifiziert1.
Dieses Gesetzeswerk entsprach in Konzeption und meist sogar auch im
Wortlaut dem lateinischen CIC/1917; einer der wenigen Unterschiede lag
in der Norm über die bedingte Eheschließung (c. 83 lOmatr, c. 1092 CIC/
1917).
Das neue orientalische Eherecht, das am 28. 10. 1990 im Codex Ca
nonum Ecclesiarum Orientalium (= CCEO) promulgiert wurde2, unter
scheidet sich vom CIC/1983 vor allem in der Grundkonzeption: Während
c. 1055 CIC/1983 sofort von der Sakramentalität der Ehe spricht und die
natürlichen Sinnziele der Ehe bloß in einem Relativsatz erwähnt, unter
scheidet c. 776 CCEO genau zwischen der Naturehe, die der Schöp
fungsordnung angehört und die natürlichen Sinnziele bereits in sich
trägt, und der sakramentalen Ehe, die zusätzlich übernatürliche Sinn
ziele hat. Außerdem fällt auf, daß überall dort, wo im lateinischen CIC -
übrigens auch noch im lOmatr - von matrimonium contrahere bzw. inire
oder von matrimonio assistere gesprochen wird, im CCEO matrimonium
celebrare3 oder matrimonium benedicere steht. Dieser Unterschied in
der Wortwahl ist zweifellos darin begründet, daß nach Lateinischem
Recht allein der übereinstimmende Ehewille der Partner Wirkursache der
Ehe ist (c. 1057 CIC/1983), während nach Orientalischem Recht auch
die benedictio sacerdotalis eine wesentliche Bedeutung hat (c. 828
CCEO; vgl. c. 1127 § 1 CIC/1983)4.
Im übrigen aber stimmen in den Einzelnormen, besonders hinsicht
lich der Ehehindernisse und der Konsensmängel, beide Eherechte inhalt
überarbeitete und erweiterte Fassung einer Gastvorlesung, die am 10. 6.
1991 am Kirchenrechtlichen Seminar in der Kath.-theol. Fakultät der Universität
Mainz gehalten wurde.
1 AAS 41 (1949) 89-117.
2 AAS 82 (1990) 1033-1364.
3 Im CIC/1983 findet sich diese oder eine sinngleiche Formulierung in
cc. 1130, 1131 und 1133, wo es um die „Geheime Eheschließung" geht, sowie in
cc. 1115, 1118 und 1119, die vom Ort der Trauung handeln. In cc. 1116 und 1121
geht es um die Noteheschließung bzw. um die Beweissicherung der Eheschlie
ßung. Eine spezifisch religiöse oder liturgische Bedeutung hat celebrare bzw. ce
lebrano - anders als im Ostkirchenrecht - in diesen Zusammenhängen nicht.
4 Dazu s. unten S. 79 mit Anm. 60.
Die bedingte I-Hieschließung im Recht der katholischen orientalischen Kirchen 69
lieh weitgehend überein5. Doch hinsichtlich der bedingten Eheschließung
scheinen sich die Gegensätze noch verschärft zu haben. Daher muß zu
nächst wohl kurz in Erinnerung gerufen werden, welche Normen in der
Lateinischen Kirche galten bzw. gelten.
1. Die bedingte Eheschließung im Lateinischen Kirchenrecht
Auf den ersten Blick scheint c. 1092 CIC/1917 großartig durchkompo
niert gewesen zu sein und äußerst penibel alle Möglichkeiten berücksich
tigt zu haben. Daß diese umfassende Regelung einem unerleuchteten
Hang zum Perfektionismus entsprang, wurde bereits überzeugend nach
gewiesen6. Dazu im einzelnen:
In c. 1092, 1°, CIC/1917 war schon das pro non adiecta habeatur, das
an eine Rechtsfiktion7 denken läßt, gegen die es keinerlei Gegenbeweis
gibt, äußerst problematisch, da dadurch der Ehekonsens durch das Ge
setz - eine inumana potestas (vgl. c. 1081, Halbsatz 2, CIC/1917) - er
setzt worden wäre. Da dies rechtsdogmatisch unsinnig wäre, hat sich bei
den Kanonisten als „herrschende Meinung" die Auffassung durchge
setzt, daß diese Formel - gegen den eigentlichen Wortsinn - lediglich
eine (widerlegbare) Rechtsvermutung zum Ausdruck bringt, die freilich
niemals praktisch anwendbar sein konnte8. Im übrigen erweisen auch
die in c. 1092, 1°, CIC/1917 genannten Tatbestände seine Überflüssigkeit.
Wollte nämlich jemand seinen Ehewillen ernstlich an die Erfüllung einer
conditio necessaria9 vei impossibilis10 binden, müßte man ohnehin nach
seiner Geistesgesundheit fragen, wofür aber ein anderer Ehenichtigkeits-
5 Auffallend ist der Unterschied zwischen c. 1089 CIC/1983 und c. 806
CCEO hinsichtlich der Entführung zum Zweck der Eheschließung. Das Hindernis
der geistlichen Verwandtschaft (c. 811 CCEO) kennt der CIC/1983 nicht mehr.
6 H. Flatten, Zur Problematik der bedingten Eheschließung im kanoni
schen Recht: ÖAfKR 12 (1961) 280-305.
7 So F. Triebs, Praktisches Handbuch des geltenden kanonischen Ehe
rechts in Vergleichung mit dem deutschen staatlichen Eherecht. 1-4, Breslau
1927-1932; hier: 3, 528.
K. Mörsdorf, Die Rechtssprache des Codex Iuris Canonici. Eine kritische
Untersuchung, Paderborn (Nachdruck) 1967, 343, sieht hier ebenfalls eine
Rechtsfiktion und beruft sich ausdrücklich auf die „eingehende Begründung" bei
Triebs (s. o.), Anm. 102.
Ders., Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici. 2,
München 111967, 239, Anm. 2, geht von dieser Auffassung ab und bezeichnet die
Meinung Triebs - ohne Begründung - als „irrig".
8 Ausführlicher bei Flatten (Anm. 6) 287-289. - Vgl. auch SRR 31.3.
1950 c. Staffa, η. 2, vol. 42, p. 207.
9 Ζ. Β.: Ich heirate dich, wenn es wieder Sommer wird. - Allenfalls könnte
man in diesem Fall auch an eine Terminsetzung denken.
10 Ζ. B.: Ich heirate dich, wenn du mir die Sterne vom Himmel holst. - Hier
könnte man allenfalls auch an eine schwärmerische Äußerung denken.
70 Karl-Theodor Geringer
grund zur Verfügung steht. Was aber die conditio turpis" betrifft, hat man
in der Praxis eindeutig gegenwartsbezogene Bedingungen12 entweder
mit einiger Gewalt in eine zukunftsbezogene umgebogen13, oder man
hat die Sittenwidrigkeit der Bedingung nicht auf deren (an sich erlaubten)
Inhalt, sondern auf die in Aussicht genommene Verifizierungsmethode
bezogen14. Von welcher Seite auch immer man an c. 1092, 1°, CIC/1917
herangehen wollte - immer mußte man auf Unstimmigkeiten stoßen.
Daß der Gesetzgeber des CIC/1983 auf die Übernahme dieser Norm ver
zichtet hat, kann man nur für sehr weise halten.
Ebenso zu begrüßen ist der Wegfall von c. 1092, 2°, CIC/1917, da
eine gegen das Wesen der Ehe gerichtete Bedingung inhaltlich einem
Vorbehalt nach c. 1101 § 2 CIC/1983 (= c. 1086 § 2 CIC/1917) gleich
kommt15. Wie solch ein positiver Willensakt zum Ausdruck gebracht wird,
ob in Form einer Bedingung oder in Form eines einfachen Vorsatzes, ist
für die Qualität des Willensaktes völlig unerheblich. Eine Bedingung läßt
bloß die Entschiedenheit der Absicht leichter erkennen; dies ist aber
keine Rechts-, sondern eine Beweisfrage.
In c. 1092, 3°, CIC/1917 war von einer erlaubten Zukunftsbedingung
die Rede16, die in Schwebe ließ, ob und wann der bei der Trauung aus
gedrückte Ehewille wirksam wurde. Aufgrund des das Eherecht des CIC/
1917 beherrschenden Vertragsdenkens war diese Regelung rechtstheore
tisch durchaus angebracht; rechtspolitisch aber war sie schon immer be
denklich. Denn das zeitliche Auseinanderklaffen von Ehewillenserklärung
und Zustandekommen der Ehe ist nicht nur der Rechtssicherheit unzu
träglich, da jemand, der solch eine Bedingung stellt, sich kaum jemals
bewußt ist, daß er mit dem Ja-Wort noch gar nicht verheiratet ist. Vor al
lem aber ist eine solche Norm auch unnötig, da es einem Menschen, der
seinen Ehewillen von einem erst in der Zukunft eintretenden Umstand
abhängig macht, durchaus zuzumuten ist, seine Ehewillenserklärung
erst dann abzugeben, wenn er seine Bedingung erfüllt sieht. Mit Recht
11 Z. B.: Ich heirate dich, wenn du meine Erbtante tötest.
12 Z. B.: ..., wenn du Jungfrau bist; ..., wenn du gebär- bzw. zeugungsfähig
bist.
13 So sogar P. G as par ri, Tractatus canonicus de Matrimonio. 2, Vatican
21932, 78, n. 891: Contrailo tecum, si te virginem invenero.
14 Rescr. SCSacr vom 30. 5. 1938 an den Erzbischof von Mailand, n. IV: „La
condizione di verginità diviene turpe se il nubente intende accertarsi della esi
stenza di detta circostanza a mezzo del coito, - Abgedruckt bei J. Wen-
η er, Kirchliche Eheprozeßordnung, Paderborn 31956, 232.
SRR 31. 3. 1950 c. Staffa, η. 2, vol. 42, p. 207: Si condition! simpliciter subest
generandi capacitas ... est licita si medi is licitis verificanda sit (e. g. inspectione
medicorum); est e converso illicita si modo inhonesto (e. g. copula).
15 Flatten (Anm. 6) 289-292.
16 Ζ. B.: Ich heirate dich, wenn mein Vater zustimmt.
Description:Triebs (s. o.), Anm. 102. Ders., Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris reciente jurisprudencia rotai, 257-332; A. Mostaza Rodriguez,. La exclusion del „bonum prolis" y del „bonum fidei", 333-360; M. J. Moro Almaraz,. Las nuevas téenicas de fecundación artificial y el Derecho