Table Of ContentDIE ANORECTALEN FISTELN
VON
FRIEDRICH STELZNER
DR. MED. APL. PROFESSOR FOR CHIRURGIE AN DER UNIVERSITÄT HAMBURG
OBERARZT DER CHIRURGISCHEN UNIVERSITATSKLINIK HAMßURG-EPPENDORF
MIT 156 ZUM TEIL FARBIGEN ABBILDUNGEN
SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH 1959
ISBN 978-3-540-02473-6 ISBN 978-3-662-11477-3 (eBook)
DOI 10.10071978-3-662-11477-3
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© by Sprioger-Verlag Berlio Heidelberg 1959
Urspriinglich erschienen bei Springer-Verlag oHG. Berlin· Gottingen . Heidelberg 1959
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MEINEM LEHRER
OTTO GOETZE
1885~1955
WEILAND ORD. PROF. FÜR CHIRURGIE
AN DER UNIVERSITÄT ERLANGEN
Geleitwort
Mancher Chirurg mag an der Berechtigung zweifeln, eine umfangreiche
Monographie den Problemen der anorectalen Fisteln zu widmen, und darin eine
neue Blüte der Überspezialisierung sehen. Ich habe aber Herrn STELZNER bewußt
zu einer ausführlichen Darstellung angeregt. Die Operation der Analfistel stellte
lange Zeit einen der rezidivhäufigsten Eingriffe wegen eines gutartigen Leidens
dar. Trotz jahrhundertelanger Beschäftigung der Chirurgen mit den Fisteln
gehen auch heute noch die Meinungen über das empfehlenswerteste Vorgehen
auseinander. Die Darstellung der anatomischen und pathologisch-anatomischen
Gegebenheiten bildet eine solide Grundlage für die Schilderung des operativen
Vorgehens. Die Ausführungen über die Sphincterverhältnisse sind zur Vermei
dung der Inkontinenz bei radikalem Angriff auf komplizierte Fistelsysteme von
entscheidender Bedeutung. Ich konnte mich oft genug davon überzeugen, daß
bei Befolgung der Ratschläge STELZNERS auch in zunächst fast hoffnungslos
erscheinenden Fällen von Rezidiven nach mehrmaligen Operationen doch noch
ein befriedigendes Resultat zu erreichen war. Klare Richtlinien für operatives
Vorgehen stellen sich erst heraus, wenn ein einheitlich behandeltes Material lange
genug überblickt werden kann. Diese Voraussetzung ist bei STELZNER in besonde
rem Maße gegeben. Seine Erfahrungen zeigen, daß die Behandlung der Analfisteln
nicht in die Hände des jungen chirurgischen Anfängers gehört. Sie erfordert
vielmehr ebenso die Beherrschung allgemeinchirurgischer Prinzipien wie sehr
spezielle anatomisch-physiologische Kenntnisse. Bei der großen Verbreitung des
Fistelleidens ist der Monographie STELZNERS ein breiter Leserkreis zu wünschen.
Hamburg-Eppendorf, August 1958 L. ZUKSCHWERDT
Vorwort
In der vorliegenden Monographie sind die Erfahrungen bei 399 Fistelkranken
niedergelegt. Unter diesen Kranken befanden sich manche, die inkontinent waren.
Innerhalb von 8 Jahren habe ich mich neben meiner allgemeinen chirurgischen
Tätigkeit mit jedem derartigen Fall diagnostisch bzw. therapeutisch selbst befaßt.
Nach den ersten Erfahrungen bei 70 nach verschiedenen Methoden behandelten
Kranken wurde versucht, einheitlich vorzugehen.
Zuerst wurden die therapeutischen Grundlagen aus der chirurgischen Anatomie
und Pathologie entwickelt. Hieraus wurde eine Systematik der anorectalen
Fisteln abgeleitet. Die Geschichte der Fistelkrankheit und die vergleichende
Anatomie des Sphincterorgans lieferten wertvolle Hinweise. Auf allen diesen
Grundlagen wurde versucht, eine gefahrlose und erfolgreiche operative Therapie
aufzubauen. Da im Mittelpunkt der Diskussion neben der vermeintlichen Unheil
barkeit dieser Krankheit die Gefahr der Schließmuskelinkontinenz steht, ist das
letzte Kapitel dieser Komplikation vorbehalten.
Ich wage jetzt erst eine Schilderung der entwickelten Indikationsstellung und
unseres operativen Vorgehens, weil mir zuvor ein überblick über meine Ergebnisse
nach genügend langer Beobachtungszeit notwendig erschien.
Der Beginn der Arbeit fällt in die letzten Jahre, in denen ich mit meinem ver
storbenen ersten I .. ehrer, Prof. OTTO GOETZE, Erlangen, arbeiten durfte. Er hat mir
in seiner bewunderungswürdigen Großmütigkeit jede Hilfe gegeben. Ich widme
ihm dieses Buch in tiefer Verehrung. In Wort und Schrift vertrat er die Auffassung,
daß nur aus der Allgemeinen Chirurgie eine fruchtbare Entwicklung spezieller
Probleme möglich sei. Unter diesem Aspekt ist auch dieses Buch verfaßt. Die
Anatomie und die vergleichende Zergliederung des Kontinenzorgans ist ein weit
über den Rahmen der Fiswlkrankheit hinausgehendes Kapitel.
Prof. ZUKSCHWERDT, Hamburg, an dessen Klinik ich jetzt arbeite, hat meinen
Bemühungen immer das größte Verständnis entgegengebracht.
Er hat mir Gelegenheit zu einem mehrmonatigen Studienaufenthalt in Eng
land gegeben und entscheidenden Einfluß auf den Abschluß der Arbeit genommen.
Er hat es aus seiner persönlichen Erfahrung an Rat und Tat nicht fehlen lassen.
Ich bin ihm zu großem Dank verpflichtet.
Zahlreiche und entscheidende Anregungen habe ich durch die Pathologen und
Chirurgen des St. Marks Hospital in London erfahren, die mir mit größter Bereit
willigkeit Einblick in ihr in der Welt wohl einmaliges Erfahrungsgut gewährten.
Es ist mir ein aufrichtiges Bedürfnis, die Herren C. E. DUKES, W. B. GABRIEL,
C. NAUTON-MORGAN, O. B. LLOYD-DAVIEs, H. R. THOMPSON, H. E. LOCKHART
MUMMERY, IAN P. TODD, BASIL C. MORsoN dankbaren Herzens zu nennen. Die
Organisation des British Council ebnete mir den Weg, wofür ich Dank schulde.
Die Bilder sind zum größten Teil von den wissenschaftlichen Zeichnern Herrn
HILPERT, Erlangen, und Herrn BRANDT, Hamburg, gezeichnet; die Fotos von
Herrn KARL RIEPEI" Chirurgische Universitäts-Klinik Erlangen, ausgeführt. Das
Manuskript schrieben Fräulein DEMME und Frau GOLDBERG. Ihnen allen sowie
besonders auch dem Verlag für sein bereitwilliges Entgegenkommen und die aus
gezeichnete Ausstattung sei herzlich gedankt.
Hamburg-Eppendorf, Juli 1958 STELZNER
Inhal tsverzeichnis
Seite
A. Die Anatomie des Sphincterorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
B. Die Physiologie des Sphincters ..................... 18
C. Die vergleichende Anatomie des Sphincterorgans vom chirurgischen Standpunkt 19
D. Die Geschichte der Fistelkrankheit . . . . . . . . . . . 25
E. Untersuchungsmethoden und allgemeine Diagnostik . . . 33
F. Allgemeine Symptomatologie und Pathogenese der Fisteln 38
Instrumente. . . . . . . . . . . . 55
Die Vorbereitung zur Fisteloperation . 56
G. Allgemeines über die Therapie. . . . 57
Zur Technik des Anus praeter naturalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Einige Hinweise zu den Rectumresektionen bei ausgedehnten oder ungünstig liegenden
hohen Mastdarmfisteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 69
H. Die Systematik der primären, analen und pelvirectalen Abscesse und Fisteln 73
I. Die Einteilung der anorectalen Abscesse . 74
a) Der subcutane Absceß . 74
b) Der submuköse Absceß . 77
c) Der ischiorectale Absceß 79
d) Der pelvirectale Absceß. 83
11. Die Einteilung der Fisteln . 87
1. Die intrasphincteren Fisteln . 87
a) Die subcutanen Fisteln. . 87
b) Die submukösen Fisteln . 94
2. Die intermuskulären Fisteln. 101
3. Die transsphincterischen Fisteln 105
a) Die perisphincteren Fisteln 1., 2. und 3. Grades 106
b) Die ischiorectalen Fisteln . . . . . 126
4. Die extrasphincteren perianalen Fisteln. . . . . 143
a) Die pelvirectalen Fisteln. . . . . . . . . . 143
b) Die pelvirectalen Abscesse und Fisteln nach einem rezidivierenden oder
weit fortgeschrittenen Carcinom der Portio vaginalis uteri 153
111. Die tuberkulöse perianale Fistel . . . . . . . . . . . 155
IV. Die Fisteln nach Verletzungen des Anus und des Rectums 160
1. Die durch äußere Verletzungen entstandenen Fisteln 160
2. Die postoperativen Fisteln des Rectums. . . . . . . 168
3. Die fistelnden Carcinome und Sarkome. . . . . . . 172
V. Die Fisteln des Rectums mit den Bauchorganen und der Bauchdecke 178
1. Die Fisteln bei der Divertikulitis. . 178
2. Die rectovaginalen Fisteln. . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
a) Die Fisteln nach Bestrahlungen. . . . . . . . . . . . . . 182
b) Die postoperativen Rectovaginalfisteln oder solche, die nach anderen Ver·
letzungen aufgetreten sind. (Die rectovagina1en Fisteln nach den Mast·
darmresektionen, Mastdarmamputationen mit und ohne Entfernung des
Uterus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
c) Die tiefe Rectovaginalfistel nach mißglückter Naht eines Dammrisses
3. Grades . . . . . . . . . . . . . . . 190
d) Andere Ursachen von rectovaginalen Fisteln . . . . . 193
3. Die rectourethralen Fisteln . . . . . . . . . . . . . . 195
4. Die anorectalen Fisteln bei der sog. Crohnschen Krankheit 198
VI. Die Fisteln beim Lymphogranuloma inguinale . . . . . . . 200
VII. Die Fisteln bei der Colitis gravis ulcerosa . . . . . . . . . 203
VIII. Die Fisteln bei den Mißbildungen des Rectums und des Anus. 204
1. Die Rectovaginalfistel bei Atresia ani oder recti der Mädchen . 204
2. Die perinealen Fisteln bei der Atresia ani oder recti der Knaben . 208
VIII Inhaltsverzeichnis
Seite
J. Die Fisteln, die keine primäre Verbindung mit dem Anus oder dem Rectum haben 209
l. Die perianalen Schleimfisteln . . . . . 209
2. Die perianalen fistelnden Dermoidcysten 209
3. Die perirectalen fistelnden Dermoide 210
4. Die fistelnden Teratome 212
5. Fistelnde Chordome . . . . . . . 213
6. Der Sinus pilonidalis ..... . 213
K. Die Schließmuskelinsuffizienz und die Incontinentia alvi . 217
Die Technik der Lagerung eines sublevatorischen Drahtringes zur Stützung des
Sphincter recti und andere Methoden operativer Inkontinenzbeseitigung (die künst·
liehe Analfissur und die Naht des durchtrennten Beckenbodens) . . . . . . . . . 222
L. Die postoperativen Maßnahmen nach Eingriffen am Anus und am Rectum . . . . 241
Maßnahmen zur Kontrolle der Schwere einer Blutung aus sacralen und analen Wunden 244
M. Das Rezidiv. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
N. Kasuistik und Ergebnisse ................. . 248
O. übersicht des gesamten einheitlich operierten Fistelkrankengutes . 250
Literatur 251
Sach verzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
A. Die Anatomie des Sphincterorgans
Die Anatomie des Rectums, des Anus und der Beckenregion, wie sie hier
beschrieben wird, unterscheidet sich von der systematischen Anatomie dieser
Organe insofern, als die eigentümlichen Erfordernisse chirurgischen Vorgehens
bei besonderen Krankheiten gewissen Strukturen eine Wichtigkeit verleihen,
welche die deskriptive Wissenschaft der Anatomie nicht berücksichtigen kann.
Auch die Nomenklatur dieser chirurgischen Anatomie ist von der regulären Zer
gliederung manchmal abweichend. Besonders oft werden z. B. Spalträume be
schrieben, die de facto erst durch einen pathologischen Prozeß ihre Abgrenzung
finden und auffallen. Dabei kann nicht immer gleichzeitig auf die dieses anato
mische Detail unterstreichenden krankhaften Phänomene verwiesen werden.
Einerseits werden anatomische Einzelheiten vernachlässigt, von denen wir bisher
keine Beziehung zu den uns hier interessierenden Krankheiten und ihrer Behand
lung kennen, andererseits aber muß auf scheinbar unbedeutende minimale
Varianten der natürlichen Form verwiesen werden, die Ursache vieler Störungen
werden können. So kann z. B. die individuelle Formabweichung eines winzigen
Details als Minus- oder Plusvariante alleiniger Grund für die Auslösung einer
Kette von Krankheiten sein, die bis zur Vernichtung des Sphincterorgans führt.
Ich nenne hier z. B. die Krypten, die eine sehr variable Tiefe und u. a. deshalb
eine ebenso variable Entzündungsbereitschaft haben, deren Folge eine wahre Heer
schar von Leiden ist. Das gleiche gilt, um einen anderen Vergleich zu wählen,
auch für die individuell so unterschiedlich mächtige anorectale Beckenmuskulatur.
Schon die verschiedenen Konstitutionstypen zeigen sie in sehr verschiedener
Prägung. Noch sehen wir die Gesetze der Mächtigkeit der Sphincteren nicht ganz.
Wir können aber heute schon sagen, daß die richtige Einschätzung und Beurtei
lung der Mächtigkeit des M. pubo-rectalis bei der Operation einer Analfistel von
ganz entscheidender Wichtigkeit ist. Von ihr hängt es ab, ob nach der Operation
eine Inkontinenz besteht, oder ob sie verhütet wird.
Das hier dargestellte anatomische Nebeneinander soll nicht darüber hinweg
täuschen, daß alles ein harmonisches funktionelles Ineinander bedingt. Bei der
Kompliziertheit und Vielfalt der Systeme entsteht ein an vielen Stellen störb ares
Organsystem, in dem die Störung einer Funktion zwangsläufig eine andere, ja
die Funktion des ganzen Gebildes nach sich ziehen kann. Man wird sagen, das
Funktionsresultat des Sphincterorgans sei ja sehr einfach. Es sei der Verschluß
des Enddarms. Aber das ist recht oberflächlich betrachtet. Bei näherem Zu
sehen ergibt sich, daß dieses Abschlußsystem z. B. alle möglichen Phasen der
Faeces zurückhalten muß, und nicht genug damit, daß diese Phasen getrennt
ausgestoßen werden können, die gasförmige, die flüssige und die feste Phase. Eine
grob mechanisch unerklärliche Funktion.
All das möge etwas von der Mannigfaltigkeit des Systems, mit dem wir es
hier zu tun haben, ahnen lassen (Abb. 1).
Diese kurzen Hinweise mögen genügen, um die Berechtigung einer chirurgi
schen Anatomie zu akzeptieren und um diese nutzbringend anwenden zu können.
Anus oder After nennen wir den Abschluß des aboralen Darmrohres. Die
Form dieses Abschlusses ist nach Geschlecht, Lebensalter und Allgemeinzustand
recht unterschiedlich.
Stelzner. Die anorect. Fisteln
2 Die Anatomie des Sphincterorgans
Bei Kindern zeigt der Anus, wie auch in den allgemeinen Lehrbüchern abge
bildet, längliche Form bei beiden Geschlechtern. Im Laufe der Reifung scheidet
sich die Form des männlichen vom weiblichen Anus in der Regel sehr deutlich.
Während der männliche Anus spaltförmig bleibt - man kann eine vordere und
hintere Commissur deutlich unterscheiden -, bildet sich der After der Frauen zu
einer äußerlich mehr runden Öffnung um und bekommt durch die Faltung der
dünnen dehnbaren Afterhaut ein sternförmiges Aussehen. Besonders bei der
adipösen Frau ist dieser immer relativ kleine Anus sehr unterschiedlich vom
männlichen After gebildet. Jegliche allgemeine Fettsucht läßt den Anus derb
elastisch und oft kaum der Besichtigung zugänglich erscheinen. Die Regio
perianalis ist ein bevorzugter Ort der Fettablagerung. In solchen Fällen ist auch
die Fältelung der Haut weniger ausgeprägt, und das Epithel ist nicht selten ekze
matös verändert, d. h. gerötet, überpigmentiert, in anderen, chronischen Fällen
auch farblos und papierdünn, atrophisch. Bei manchen Individuen ist der Anus
trichterförmig tief in wetzsteinförmig begrenzte scharfe Konturen zwischen den
Nates eingesenkt; eine natürliche Formvariante, die zu Ekzemen disponiert. Man
spricht von einem Trichteranus. In anderen Fällen steht der Anus prominent
wie ein Kegel vor, und zwar bei Menschen, die einen überlangen Sphincter ani
internus haben, der (bei dieser Variante) diese eigenartig auffallende Form be
dingt. Alle übergänge von dem eingesunkenen Trichteranus zum vorstehenden
prominenten Anus sind zu beobachten und zu werten.
Im Gegensatz zu den adipösen Menschen kann bei mageren der Anus deutlich
zwischen den fettarmen Ischiorectalgruben als massives Gesamtorgan prominent
zu sehen sein. In solchen Fällen ist dann die Form der Gesäßteile, die an den Anus
grenzen, nicht konvex, sondern konkav. Dieser Grad der Abmagerung ist in der
Regel schon pathologisch und findet sich immer bei stark konsumierenden Krank
heiten. Bei solchen Menschen sind die perianalen Hautfalten besonders gut ausge
bildet, zeigen aber keinen Turgor. Meist ist die Haut dort graubraun und trocken. In
einem Extremfall kann man bei in Steinschnittlage liegenden und narkotisierten
Patienten bei den Atemexkursionen durch die wechselnde Dehnung des Becken
bodensdas Hin-und Herschwingen des ganzen Sphincterorgans sehr gut beobachten.
Die Haut des Anus ist normalerweise dunkel pigmentiert und in der äußeren
Circumferenz beim Manne nach der Pubertät behaart, bei der Frau ist diese
Behaarung unterschiedlich, auch ihre Grenze ist da nicht exakt anzugeben. Nahe
dem Afterrand fehlt bei beiden Geschlechtern die Behaarung regelmäßig. Bei
der Frau und beim Mann erstreckt sich die dunkel pigmentierte Hautzone des
Anus in einem etwa 3 cm breiten Abschnitt als radiär gefältelte und radiär ge
runzelte Oberfläche außen um die Afteröffnung herum und geht mit scharfer
Grenze in die sehr derbe und dicke Gesäßhaut der Gesäßbacken über. Sie kann
über den Sitzbeinhöckern richtige Schwielen tragen. Diese eben geschilderte, dünne
und sehr dehnbare perianale Haut, die sog. Zona anocutanea, setzt sich mit
ähnlichen Eigenschaften auf das Perineum fort und geht ohne Abgrenzung beim
Mann in das Scrotum und bei der Frau in die Vulva bzw. in die Schamlippen
über. Die auf der Unterlage sehr verschiebliche perianale und anale Haut ist durch
Bindegewebsfesseln mit der Muskulatur des Sphincterorgans verbunden, und zwar
außen in einer Breite, die beim Erwachsenen einigermaßen genau 3 cm von der
Linea anocutanea (Abb. 1, 28) ab beträgt. Sie wird dadurch, wie die Haut
mancher Tiere, bewegt. Die perianale Haut trägt verhornendes Plattenepithel.
Mikroskopisch kann man hier modifizierte Talgdrüsen (Abb. 1,8) meist mit, selten
ohne Haare, die beim Tier als Duftdrüsen ausgebildet sind, und Schweißdrüsen
sehen. Die Duftdrüsen spielen beim Tier beim Prodrom des Sexualaktes eine Rolle.
HAMPERL hat diese Anal- und Zirkumanaldrüsen genau beschrieben.
Analhaut und Analdrüsen 3
Man kann folgende Formen finden: 1. Zirkumanale Schweißdrüsen (apokrine
Drüsen). Sie liegen in der Zona cutanea, also um die äußere Afteröffnung herum.
Außerdem kommen dort ekkrine Schweißdrüsen vor. Alle diese Drüsen liegen
außerhalb des Sphincter ani externus. 2. finden sich dort, aber auch an der Linea
anocutanea, circumanale, an Haare gebundene Talgdrüsen, und selten kann man
nicht an Haare gebundene Talgdrüsen etwas innerhalb der Linea anocutanea sehen.
Die Zona anocutanea (Abb. I) geht am leicht gerundeten Afterrand, also in
der äußeren Afteröffnung, in die eigentliche Analhaut über. Die Grenzlinie nennt
~~ 'IQ
Abb.l. Parasagittalschnitt durch das Sphincterorgan. 1 Line. anocutanea;.2 "Linea" besser Zon. alba; 3L inea
s9i nRuoecsatu; m4 aLminpeual laen; or1e0c tLalyism; p5h Cfoollliukmeln auen rde cHtaälems o; r6r hAonidaallkgreyfpätßeen; ;1 71 P rMo.k tsoudbimlauldcroüssuesn ;a nXi ;m o1d2if}i1z.ie rstpeh Tinalc~tcdrr üasnei:
intemus; 13 sog. M. corrugator ani. dessen Fasern in den Sphincter intemus einstrahlen; 14 t'nterrand des }l.
sphincter internus, dessen Innenseite dort mit der Analhaut fest verwa('hsen ist; J/j Fasern des Corrugator. dip
sich an der Haut verankern; 16 Sphincter ani externus subcutaneus; 17 Sphincter ani externus supcrficialis;
18 Sphincter ani externus profundus ; 19 Fascien und Levatoransatz am Rectum; 2J dichtgepacktes suheutanes ~'ett:
21 areoläres lockeres Fett der Ischiorectalgrube; 22 Faserzug aus dem Corrugator, der beide Fettarten 8eheidet
und in die (oberflächliche) Perianalfascie übergeht (s. Abb. 9); 23 perinealer Fascienkörper; 2J Hphincter recti
(M. puborectalis); 25 Fascia pelvis parietalis interna; 26 }'aseia pelvis parietalis externa : 27 Faseia pelvis visce·
ralis; 28 Fascia pelvis parietalis extern., die den Sphincter ani externus bedeckt und sich in 3 em AlJstand rU1lI1
um den Anus in der Haut verankert; 29 Faserzüge des schlillgenförmigen Sphineter recti, die vor dem Redum
kreuzen; 30 1\1. transversus perinaei profundus ; 31 l\1. transversus perinaei Muperficialis; 32 sog. Collesiseht'
(oberflächliche) Perinealfascie; 33 sog. Bucksche (tiefe) Perinealfascie; 34 hulhoea\"crnosus; 3.5 Bulhus
~l.
urethrae; 36 Cowpersche Drüse; 37 Spincter externus urethrae; 3X l'retlna; 3!J Prostata; 4{J Samenhlase:
41 Fasciengefüge, das Denovilliersche Fascie genannt wird; 42 :\1. prarrectalis, der das R{>dum unlöshar mit
der Prostata verbindet; 43 Hauchfell (Douglasscher Raum); 44 Harnhlase
man Linea anocutanea, Die die untere Hälfte des Analkanals auskleidende,
papierdünne Analhaut (Abb. 1, 2) ist pergamentfarben dehnbar, durchschei
nend und von Plattenepithel überzogen. Nur wenige modifizierte Talgdrüsen
und rudimentäre Proctodäaldrüsen sind vorhanden. Dieser untere Abschnitt
wird auch Zona alba oder Hiltonsche "Linie" genannt. (Die Originalarbeit
HILTONS weist aber ausdrücklich auf die sog. intermuskuläre Impression hin, die
wie MORGAN und THoMPsoN nachgewiesen haben, nur in Narkose so existiert, wie
sie HILTON gesehen hat,) Die Analhaut ist an der Innenseite des Sphincter
internus, nahe an dessen Unterrand festgewachsen (Abb.l, 14). Oberhalb und unter
halb der als Impression imponierenden Stelle ist sie verschieblieh und durch
unterliegende Gefäße etwas vorgewölbt. An dieser festgewachsenen Zone reißt
sie oft ein, es ist der Ursprung der Analfissur.
Stelzner, Die anorect. Fisteln Ia