Table Of ContentDas Forum für Umweltfragen der ETH Zürich ist
ein Gremium von gegenwärtig 12 Professoren aller
wichtigen Forschungs- und Unterrichtsgebiete der
ETH (Natur-, Geistes- und lngenieurwissenschaften).
Es bezweckt, vorhandenes Wissen im Umweltbereich
besser zu erschliessen, künftige Umweltbedrohungen
frühzeitig zu erkennen, das interdisziplinäre Denken
der Träger der Hochschulen zu fördern, in wichtigen
Fragen Stellung zu beziehen und dabei die Stimme der
Wissenschaft in die politische Diskussion über Umwelt
fragen einzubringen. ln diesem Sinne organisiert das
Forum Informationsveranstaltungen und verfasst
Informationsschriften im Umweltbereich, die sich an
eine breite Öffentlichkeit richten.
Die Alpen - Naturpark oder
Opfer des künftigen Europas ?
Mit Beiträgen von: H. Flühler
M. F. Broggi
J. Maurer
R. Jagmetti
P. Rieder
B. Huber
C. Kaspar
Springer Basel AG
ISBN 978-3-7643-2749-1 ISBN 978-3-0348-5652-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-5652-2
Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme
Die Alpen - Naturpark oder Opfer des künftigen Europas? I
mit Beitr. von : H. Flühler ... Basel; Boston; Berlin:
Birkhäuser, 1992
(ETH-Forum für Umweltfragen)
NE: Flühler, Hannes
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des § 54, Abs. 2 UrhG werden durch die «Verwertungsgesellschaft Wort»
München, wahrgenommen.
© 1992 Springer Basel AG
Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag Basel 1992.
Inhaltsverzeichnis
H. Flühler D Vorwort
M. F. Broggi fJ Zur Alpenkonvention gibt es keine Alternative 5
Die Rahmenkonvention-im Gebiss fehlen die Zähne 5
Öffentlichkeitsarbeit mangelhaft 6
Auf die Protokolle kommt es an! 7
Bei Naturschutz und Landschaftspflege ist man sich 7
relativ am nächsten
Einzelne Alpenregionen drohen sich ins Abseits zu setzen 8
Der Vollzug könnte bald beginnen 9
Die Salzburger Beschlüsse 9
Ein gemeinsames Alpenbewusstsein schaffen 10
J. Maurer D Umweltrelevante raumplanerische Gesichtspunkte 11
Aufgaben der Raumplanung 13
Einige Zahlen 14
Die Kulturlandschaft der Alpen 16
Überlegungen und Folgerungen für die Schweiz 20
R. Jagmetti EI Der Alpenraum - neue politische Einheit oder Raum 23
internationaler Kooperation?
Neue Herausforderungen -neue Antworten 23
Europa im Umbruch 23
Die Alpen in der internationalen Verflechtung 25
Die nationale Alpenpolitik 28
Regionale Vielfalt und Unterschiede 30
Der Stufenbau als Lösung auch der Zukunft 32
P. Rieder lll Die Erhaltung der bäuerlichen Kulturlandschaft der 33
Alpen - agrar- und gesellschaftspolitische Instrumente
und Hindernisse
Einleitung 33
Landschaft und Landwirtschaft im Alpenraum 34
in historischer Sicht
Zur heutigen Situation des Alpenraumes 37
Ein Kommentar zur heutigen Agrarpolitik zugunsten 41
der Berglandwirtschaft
Zielvorstellungen für die Zukunft 43
Neue Akzente in einer zukünftigen landwirtschaftlichen 45
Agrarpolitik der Schweiz ohne EG- und GATI-Aspekte
Zur Zukunft unter GATT-und EG-Sichtweise 47
Das neue Leitbild: Multifunktionale Landwirtschaft, 55
insbesondere des Alpenraumes
Folgerungen I Zusammenfassung zur Erhaltung der 59
bäuerlichen Kulturlandschaft der Alpen
B. Huber 1!1 Die Interdependenzen in der 61
Entwicklung von Berg-und Stadtregionen
C. Kaspar fJ Umweltrelevante Aspekte der 69
Tourismusentwicklung im Alpenraum
Der umweltsensible Alpenraum 69
Die Problematik des Übereinander 69
der Funktionen des Alpenraums
Der Tourismus als wirtschaftliche Stütze des Alpenraums 70
Nutzen und Gefahren des Tourismus im Alpenraum 71
Verschärfung der Umweltgesetzgebung 72
Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet 72
des Schutzes der Alpen
Lebenslauf der Autoren 77
VORWORT
Hannes Flühler
Das Symposium "Die Alpen- Naturpark oder Opfer des künftigen Europas" und die hier ver
öffentlichten Referate sollen die Diskussion über die künftigen Auswirkungen der europäischen
Verträge und Absprachen auf unsere Umwelt in eine breitere Öffentlichkeit hinaustragen. Wich
tige Umweltfragen aus der Sicht der Wissenschaft aufzugreifen und sichtbar zu machen, ist eine
der Aufgaben des ETHZ Forums für Umweltfragen. Dass wir die Alpen stellvertretend für die
Umweltfrage als Tagungsthema wählten, begründen wir mit der besonderen Verletzlichkeit
dieser Natur- und Kulturlandschaft und mit ihrer zentralen geographischen Lage im europäi
schen Wirtschaftsraum.
Der Titel des Symposiums ist provokativ gewählt und hat zu prononcierten Stellungnahmen ge
führt. Mit der Wahl dieses Themas wollen und dürfen wir uns nicht in regionale Kompetenzen
einmischen. Wir stellen das Beispiel der Alpen ins Zentrum, weil es ein multinationaler Pro
blemkomplex ist und sich deshalb für europäische Projektionen eignet.
Die Titelfrage ist eine etwas überzeichnete Alternative, welche sich in der Wirklichkeit etwas
differenzierter stellt. Sind die Alpen aus europäischer Sicht in erster Linie ein Hindernis zwi
schen dem nördlichen und südlichen Wirtschaftsraum? Sollen sie als Erholungsraum und
Naturmuseum für die Europäer geschützt und allenfalls gepflegt werden? Sind sie erhaltens
werter Lebensraum für eine zentraleuropäische Minderheit? Haben Gedanken, welche sich
auf die Erhaltung der Umwelt und auf eine nachhhaltige Nutzung der Landschaft beziehen, Platz
im politischen Prozess der Europäisierung?
Aus diesen Fragen tönen Bedenken oder gar Ängste, dass die Antwort auf die erste Frage Ja und
auf die beiden folgenden Fragen ein teilweises Nein sein könnte. Sie sind Ausdruck einer weit
gehenden Nicht-Information zum Thema "Europa und Umwelt". Sie sind sicher auch zum Teil
ein helvetischer Reflex gegen hegemoniale Ansprüche und nicht zuletzt eine überspitzte Kurz
form der mitschwingenden Ängste zahlreicher an der Umweltforschung beteiligter Wissenschaf
ter.
Diese Formulierungen sind keine durch das Forum abgesegnete Resolution, sondern meine
Interpretation des Informationsstandes und der Meinungsbildung in diesem Bereich. Sie charak
terisieren die Motivationslage unseres Gremiums, in welchem Hans Thierstein, Professor für
Geologie, den Anstoss gab, das Thema "Europa und Umwelt" aufzugreifen.
Wenn wir die Umwelt im europäischen Umfeld erhalten und gestalten wollen, dann richten wir
meist den Blick auf uns selbst und unseren Lebenraum, das heisst auf den Menschen und auf
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ihm Nutzen bringende Aspekte. Die Natur an sich (als Subjekt) bleibt oft unberücksichtigt. Es
geht dem Bewohner oder Benützer der Alpen primär nicht um die Erhaltung der physischen,
biologischen und ökologischen Eigenheiten eines Naturraumes, sondern um die Lebensqualität
des besiedelten oder nutzbaren Raumes, also um seine unmittelbare Um-Welt. Als Naturwissen
schafter erlaube ich mir in diesem Zusammenhang einige naive Fragen und Ansichten an den
Anfang dieses Bandes zu stellen, da ich mich in meiner Naivität gegenüber dem Thema Europa
nicht allein fühle. Es handelt sich um Fragen nach den politischen Axiomen, nach den priori
tären Werten, welche bei der Gestaltung des Neuen Europas letztlich von Bedeutung sind und
auf welchen die gesellschaftliche und wirtschaftliche Europäisierung aufbauen wird. Diese
axiomatischen Ziele werden das Gesicht der Umweltfrage entscheidend beeinflussen.
- Ist die Suche nach einer optimalen Arbeitswelt ein solches Ziel, eine europäische Arbeits
welt, welche dem einzelnen und der Gemeinschaft einen Sinn und eine wirtschaftliche Basis
gibt?
- Geht es letztlich und langfristig um eine sinnvolle und vor allem nachhaltige Nutzung der
Ressourcen im Hinblick auf einen lebenswerten Lebensraum für künftige Generationen?
- Sind es die europäischen Freiheiten wie Niederlassung, Berufsausübung, Mobilität etc.?
Daraus ergibt sich die Frage nach dem Schutz, welcher der einzelne, eine Gemeinschaft, eine
ganze Region und vor allem auch die Natur selbst vor einer übermässigen Nutzung dieser
europäischen Freiheiten oder vor einer einseitigen Betonung der obigen Ziele geniesst.
Diese axiomatischen Ziele oder Europäisierungsprioritäten sind in sich nicht konsistent und
meines Erachtens mit dem Umweltschutzgedanken teilweise unverträglich. Der Grund, weshalb
ich diese vielleicht etwas unvergorenen Gedanken hier anbringe und der Grund, weshalb wir
diese Thematik der Europäisierung und der Umwelt am Beispiel der Alpen auf die Bühne
zerren, ist der gleiche. Es ist dies ein vordergründiges Unbehagen oder eine Befürchtung, dass
der Europäisierung wegen wichtige Abstriche gemacht werden müssen, Abstriche in Bereichen,
wo wir dringend Fortschritte erzielen müssten. Dieses Unbehagen ist weit verbreitet und hat sich
im Verlaufe des Jahres 1991 auch politisch manifestiert.
Hinter dem Begriff "Naturpark", welcher im Titel mit Fragezeichen versehen ist, steht unausge
sprochen die Frage nach der Gestaltung der alpinen Kulturlandschaft. Diese Kulturlandschaft
ist aber mehr als nur ein Naturpark. Alte und neue Kulturformen prägen diese Landschaft. Den
Begriff "Kulturform" verbinden viele unter uns vorerst einmal mit gemähten Heuwiesen, mit be
wahrten oder modernisierten Dorfbildem, mit Alpweiden oder auch mit meliorierten Talebenen.
Diesen Begriff der alpinen Kulturlandschaft müssen wir heute aber erweitern. Die Sport· und
Freizeitkultur ist sicher ein wesentliches, gut sichtbares und in ihrem Ausmass ein verhältnis
mässig neues Element im Alpenraum. Sie prägt die Kulturlandschaft durch Erschliessungsanla
gen, durch viel benützte dichte Wanderwegnetze, durch neue Siedlungsräume für gestresste Er
holungssuchende bis hin zum Hüttenwesen im hochalpinen Bereich. Auch die Verkehrs- und
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Mobilitätskultur prägt die Kulturlandschaft der Alpen. Darauf brauche ich im Jahr der EWR
Verhandlungen nicht weiter hinzuweisen. Die Produktionskultur im Alpenraum zeigt verschie
dene Gesichter. Davon zeugen bewirtschaftete und erschlossene Wälder, Staumauern und
Produktionsanlagen, die vor Jahrzehnten wegen ihrer Nähe zur Wasserkraft und billiger
Arbeitskraft in den Alpentälern plaziert wurden. Die Funktionen dieser Kulturlandschaft sind
einer dauernden Veränderung unterworfen. Das künftige Europa wird diese Funktionen und ihre
Prioritäten definieren.
Wir müssen uns an diesem Prozess beteiligen oder mindestens die Argumente für Sorgfalt im
Umgang mit unserem Lebensraum rechtzeitig und vernehmlich vorbringen. Dieses Symposium
wat und die Beiträge in dieser Schrift sind ein Schritt in diese Richtung.
Prof. Dr. Hannes Flühler, Vorsitzender des ETHZ Forums für Umweltfragen, ETH/ITÖ,
Fachbereich Bodenphysik, Grabenstrasse 3, CH-8952 Schlieren