Table Of ContentJan Bauke-Ruegg
Die Allmacht Gottes
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DE
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Theologische Bibliothek
Töpelmann
Herausgegeben von
O. Bayer · W Härle · H.-P. Müüer
Band 96
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1998
Jan Bauke-Ruegg
Die Allmacht Gottes
Systematisch-theologische Erwägungen
zwischen Metaphysik, Postmoderne und Poesie
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1998
© Gedruckt auf säurefreiem Papier,
das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek — Catalogngin-PubUcation Data
Bauke-Ruegg, Jan:
Die Allmacht Gottes : systematisch-theologische Erwägungen zwi-
schen Metaphysik, Postmoderne und Poesie / Jan Bauke-Ruegg. —
Berlin ; New York : de Gruyter, 1998
(Theologische Bibliothek Töpelmann ; Bd. 96)
Zugl.: Zürich, Univ., Diss., 1996
ISBN 3-11-015905-8
© Copyright 1998 by Walter de Gruyter GmbH & Co., D-10785 Berlin
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In memoriam
Walter Mostert
(10.6.1936-4.3.1995)
„D. Luther ließ sich auch selber neben vielen andern
großen Leuten vom Adel und Gelehrten zu solchem
heilsamen und bischöflichen Werk gebrauchen und
verhörte die armen Bäuerlein im Beten, und befragte
sie im Catechismus fein säuberlich und mit Geduld,
und unterrichtete sie, deß ich von ihm eine liebliche
Historie gehört; denn da ein armes sächsisches Bäuer-
lein auf seine Sprache den Kinderglauben soll aufsa-
gen, und spricht: 'Jck glöve in Gat allmächtigen,'
fragt D. Luther, was allmächtigen heiße; der gute
Mann antwortet: 'Jck wes nicht.' 'Ja, mein Mann',
spricht unser Doctor, 'ich und alle Gelehrten wissens
auch nicht, was Gottes Kraft und Allmächtigkeit ist.
Glaube aber du in Einfalt, daß Gott dein lieber und
treuer Vater ist, der will, kann und weiß als der klüg-
ste Herr dir, deinem Weib und Kindern in allen Nö-
then zu helfen.'"
(J. Matthesius, Dr. Martin Luthers Leben. In siebenzehn Predig-
ten dargestellt, 1566, hg. v. Evangelischen Bücher-Verein, Ber-
lin31883,95)
Vorwort
Die erste Anregung zur folgenden Arbeit über die Allmacht Gottes erhielt ich
während meiner Studienzeit in Heidelberg durch eine Bemerkung Dietrich
Ritschis. „Über die Frage zu Gottes Allmacht oder eben der Begrenzung sei-
ner Macht, Menschen zu behüten, auch über 'Gottvertrauen'", so Ritsehl in
seinem Buch „Zur Logik der Theologie" (1984), „gibt es wohl meditative
und homiletische Literatur, aber, so weit ich sehe, keine argumentativen
theologischen Studien aus den letzten Jahrzehnten."1
Die Frage verschwand anschließend zunächst aus meinem unmittelbaren
studentischen Horizont, begegnete mir aber unversehens in den Kursen mei-
nes einjährigen Pfarramtpraktikums (Vikariat) in spannender und unerwarte-
ter Weise wieder und ließ den Wunsch stärker werden, die Frage der All-
macht Gottes im Rahmen einer Dissertation ex- wie intensiver zu verfolgen.
Das solchermaßen freudig und erwartungsvoll aufgenommene Thema er-
wies sich allerdings im Laufe der Erarbeitung oft als ein schier aussichtsloses
Unternehmen. Es ging mir manchmal wie Onno Quist, einem der Protagoni-
sten in Harry Mulischs Roman „Die Entdeckung des Himmels" (1992), der
anläßlich seiner Notizen über das Phänomen Macht notiert: „Jeden Tag wird
dieser Berg höher, aber glaubst du, ich komme damit meinem Ziel näher?
Mit jeder Notiz entferne ich mich weiter davon! Dieses Zeug hat den
Charakter eines Baumes, der sich unaufhörlich verzweigt, austreibt und
weiter wächst, während ich gerade den Stamm zu finden versuche, und die
Stelle, an der er aus dem Boden wächst."2
Daß mein Notizensammelsurium nun doch zu einem vorläufigen Abschluß
gekommen ist, verdanke ich vielen. Nennen möchte ich an dieser Stelle aus-
drücklich zwei. Zunächst Walter Mostert, der die dogmatische Beschäftigung
mit der Allmacht Gottes nachdrücklich anregte und mir als seinem Assisten-
ten alle Freiheiten zu ihrer Bearbeitung ließ, ihren Abschluß aber nicht mehr
erleben durfte. Seinem Andenken sind daher meine Versuche gewidmet.
Zu danken habe ich aber auch Ingolf U. Dalferth, der meine Arbeit nach
dem unzeitigen Tod von Walter Mostert in ungewöhnlich großzügiger Art
D. Ritsehl, Zur Logik der Theologie. Kurze Darstellung der Zusammenhänge
theologischer Grundgedanken, München 1984, 302.
H. Mulisch, Die Entdeckung des Himmels. Roman, übers, v. M. den Hertog-Vogt,
München/Wien 1993,602.
Vili Vorwort
und Weise spontan übernahm und betreute und - last but not least - kritisch
begutachtete. Daß solches keineswegs selbstverständlich ist, weiß ich.
Zu danken habe ich ferner der Theologischen Fakultät in Zürich, die die
vorliegende Arbeit im Wintersemester 1996/97 als Dissertation annahm, ins-
besondere Herrn Prof. Dr. Hans Ruh für die Erstellung des Korreferates, den
Herren Oswald Bayer, Winfried Härle und Hans-Peter Müller fur die Auf-
nahme in die „Theologische Bibliothek Töpelmann", dem Verlag Walter de
Gruyter & Co. für die kompetente und freundliche Beratung bei der Fertig-
stellung der Druckvorlage und der Emil Brunner-Stiftung, Zürich, sowie der
reformierten Kirchgemeinde Langnau am Albis für die großzügige und unbü-
rokratische Gewährung der Druckkostenzuschüsse.
„Es ist die hohe Kunst des Theologen", so Walter Mostert, „die jedem ein-
zelnen und dem All des einzelnen entsprechende Beziehung sorgsam und lie-
bevoll zu treffen, die adäquate Sprache zu finden: Diese Genauigkeit ist die
Dogmatik."3 Diese Genauigkeit zumindest ein wenig vollzogen zu haben, ist
zumindest die Absicht dieser Arbeit. Ob es gelungen ist, mögen Leserinnen
und Leser entscheiden. Die Beschränkung auf die in- wie extensive Interpre-
tation letztlich nicht allzu zahlreicher Texte verdankt sich diesem Interesse
ebenso wie der recht häufige Rückgriff auf literarische Texte; denn es
scheint, als seien - vor allem in der gegenwärtigen Situation der deutschspra-
chigen Theologie - die Schriftsteller oftmals zu genauerer Wahrnehmung
theologischer Sachverhalte fähig als unsereins, jedenfalls genauer als ich das
oft vermag. Daß Literatur und Theologie gattungsspezifische Unterschiede
aufweisen, weiß ich wohl, daß sie - zumindest über weite Strecken - dersel-
ben Sache auf der Spur sind, ist je länger je mehr meine Überzeugung.
Mit dem Rückgriff auf Texte aus der Literatur soll gleichzeitig der im Un-
tertitel angezeigten Pendelbewegung zwischen Metaphysik (als des Ver-
suchs, Gott unter Zuhilfenahme des klassischen philosophischen Instrumen-
tariums zu denken) und Poesie (als des Versuchs, die [Welt] Wirklichkeit
unter Zuhilfenahme einer nicht ausschließlich den Regeln der gewöhnlichen
Kommunikations- und Informationssprache folgenden Sprache auf ihre oft
verborgenen Strukturen und Grundierungen hin transparent zu machen)
dadurch Rechnung getragen werden, daß - so weit meine Funde reichten -
belletristische Texte völlig unkommentiert (und so der allzu schnellen
Synthetisierungs- und Verstehenswut meinerseits wie einer didaktischen
Funktionalisierung entzogen) ein- und vorgeschaltet werden, teils wider-
W. Mostert, Dogmatik und Hermeneutik im Blick auf die «Dogmatik des christlichen
Glaubens», in: H. F. Geißer/W. Mostert (Hgg.), Wirkungen hermeneutischer Theolo-
gie. Eine Zürcher Festgabe zum 70. Geburtstag Gerhard Ebelings, Zürich 1983, (123-
136.223) 125.
Vorwort IX
sprüchlich, teils bestätigend zu meinen eigenen Ausführungen. Für sie alle
mag Celans Wort gelten: „La poésie ne s'impose plus, elle s'expose."4
Wenn solches Vorgehen postmodern erscheinen mag, ist das nicht einfach
nicht beabsichtigt. Postmodern freilich im Sinne eines Denkens, das sich -
unter anderem eben durch literarische Texte - aus der stets drohenden
Selbstvernarrtheit des Denkens in die denkerische Beherrschung der Wirk-
lichkeit (eine Art reflexiver Allmachtswahn, der gerade angesichts des The-
mas der Allmacht Gottes naheliegt) herausrufen läßt und bereit ist, für un-
umstößlich und unverbrüchlich Gehaltenes erneut zu hinterfragen. Im An-
schluß an den Turiner Philosophen Gianni Vattimo ließe sich dieses Vorge-
hen durchaus als „schwaches Denken" bezeichnen5.
In dieselbe Richtung zielt mein Versuch, meine - zugebenermaßen aus-
führlichen - Darlegungen möglichst verständlich zu halteir, d. h. den insbe-
sondere in der Systematischen Theologie verbreiteten Fachjargon auf ein er-
trägliches Maß zu reduzieren6. Eine Wissenschaftssprache, die sich in immer
schnelleren Wendungen wie Windungen in für viele nicht mehr nachvoll-
ziehbare Höhen (oder Tiefen) schraubt, erscheint mir je länger je mehr als
Bärendienst an der Sache der Theologie und täuscht im übrigen wohl vielfach
Gewichtigkeit vor, wo keine ist, und vollzieht so, was typisch fur Macht zu
sein scheint: den Bluff, der andere den Atem anhalten läßt, selbst aber der
Wirklichkeit verblüffungsresistent gegenübersteht.
Dem in dieser Arbeit propagierten „schwachen" (oder „schwächeren")
Denken kommt es im Gegenzug dazu auf die stets neue Verblüffung über das
an, was diesseits aller Selbstverständlichkeiten liegt: Gott und seine vielfalti-
gen Beziehungen zu unserer Welt. Da ein solchermaßen staunendes Nach-
denken zu keinem Ende gelangen kann, ist und bleibt die nachfolgende Ar-
beit zwangsläufig unvollendet.
Zürich und Langnau a. A. im Februar 1998
P. Celan, Gesammelte Werke in filnf Bänden, hg. v. B. Allemann/S. Reichert, Bd. III
(st 1331), Frankfurt/M. 1986, 181. Vgl. J. Bobrowskis ([Benannte Schuld - Gebannte
Schuld?] Vortrag in der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg, in: Ders., Ge-
sammelte Werke, hg. v. E. Haufe, Bd. IV: Die Erzählungen. Vermischte Prosa und
Selbstzeugnisse, Stuttgart 1987, [443-448] 443) These: „Literatur ist machtlos."
Mit der Bezeichnung „schwaches Denken" läßt sich darüber hinaus an die scholasti-
sche communis opinio anknüpfen, der die Poesie als „infima (sic!) scientia" im Kanon
der Wissenschaften galt (vgl. E. R. Curtius, Europäische Literatur und Lateinisches
Mittelalter, Bern/München 31961, 230 und 473-476). Ein längerer, eher methodolo-
gisch gehaltener Zwischenteil „Schwaches Denken" wurde für die Drucklegung ausge-
spart. Ich hoffe, ihn in absehbarer Zeit an anderer Stelle und in überarbeiteter Form
publizieren zu können.
Dazu gehören auch die zahlreichen Zitate, die (überwiegend) im Anmerkungsapparat
vermerkt sind.
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Technische Vorbemerkungen
Technische Vorbemerkungen
(1) Abkürzungen entsprechen, sofern nicht ausdrücklich anders vermerkt, dem Abkürzungs-
verzeichnis der TRE (hg. v. S. M. Schwertner, Berlin/New York 21994).
(2) In Zitaten werden alle Hervorhebungen und Zeichensetzungen der Verfasser und Verfas-
serinnen übernommen; von mir gesetzte Hervorhebungen sind, wenn nicht eigens ange-
merkt, kursiv gedruckt.
(3) Jeder Titel wird bei seinem ersten Auftauchen innerhalb eines Paragraphen mit vollstän-
diger Bibliographie angegeben, bei allen weiteren Belegen nur noch unter Nennung des Ver-
fassers und des Haupttitels. Ausnahmen bilden häufig(er) zitierte Titel, für die jeweils eine
spezielle Abkürzung verwendet wird (s. Literaturverzeichnis).
(4) Griechische Wörter werden in griechischer Schrift geboten, hebräische in deutscher, aber
nicht streng phonetischen Kriterien und Regeln folgender Umschrift wiedergegeben.