Table Of ContentHendrik Wolber
Die 11 Irrtümer über Social Media
Hendrik Wolber
Die 11 Irrtümer
über Social Media
Was Sie über Marketing
und Reputationsmanagement
in sozialen Netzwerken
wissen sollten
GABLER
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
1 . Auflage 2012
Alle Rechte vorbehalten
© Gabler Verlag I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012
Lektorat: Maria Akhavan-Hezavei I Sabine Bernatz
Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien.
Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
www.gabler.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für
Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und
Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk
berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der
Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann
benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Stürtz GmbH, Würzburg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-8349-3112-2
Die 11 Irrtümer über Socia! Media 5
Wer sich an eine falsche Vorstellung gewöhnt,
dem wird jeder Irrtum willkommen sein.
Johann Wollgang von GDethe
VORWORT
Ich weiß es noch genau: Ich lehnte lässig an der Küchenarbeitsplatte, die linke
Hand in der Hosentasche, mit dem Daumen meiner rechten Hand tippte oder
wischte ich - den Rest der Welt ausgeblendet - auf dem Display meines schwar
zen iPhones herum. Im Hintergrund Stimmengewirr, mal ein lautes Lachen, Glä
serklirren oder Besteckgeklapper, Musik, also der typische Mehrklang des Sonn
tagsbrunchs mit Freunden und Bekannten. Die Tochter eines Freundes musste
mich seit ein paar Minuten dabei beobachtet haben. wie ich mal grinsend, mal
gelangweilt, mal nickend oder kopfschüttelnd meine Facebook- und Twitter
Accounts durchsurfte. Die aufgeweckte Achtjährige zog mich am Ännel und ich
sah sie fragend an. "Sag mal, wie kam man eigentlich ins Internet, bevor es Com
puter und Handys gab?"
Selbstverständlich ist der Inhalt meiner Antwort bei Weitem nicht so relevant wie
die genaue Betrachtung der Frage, denn sie bringt so viele Aspekte des Internets,
des Sodal Webs wie auch die damit einhergegangene Veränderung privater oder
kommerzieller Kommunikation auf den Punkt: Das Internet ist heute selbstver
ständlicher Lebensbestandteil, bevorzugtes Instrument zum Austausch mit ande
ren und zur Informationsbeschaffung. Nonverbales Kommunizieren oder infor
mieren per Tastatur oder Touchscreen, zu Hause oder in der U-Bahn, während
der Arbeit oder danach: Persönliche Botschaften und Infonnationen fließen heute
digital, im Livestream, in Echtzeit. Unzeitgemäß ist für viele junge Menschen, die
nach dem Internet-Urknall zur Welt kamen, vielmehr das Zeitunglesen, das Brief
eschreiben, das Telefonieren übers Festnetz. Es wird gesimst, gechattet, gepostet.
"Bist Du bei Facebook?" ersetzt heute die Frage nach der Telefonnummer. Und
die Meinung der Jugend zur E-Mail: Dieses Zeitalter ist vorbei! Universitäten ha
ben vielerorts sogar schon die Verbreitung von eigenen E-Mail-Accounts gestoppt.
Der Siegeszug des Internets begann in den frühen Achtzigerjahren, wobei erst
zehn Jahre später das World Wide Web, wie wir es heute kennen und nutzen, mit
der Veröffentlichung der ersten Webbrowser aufkam. Soziologen bezeichnen die
Generation, die nach 1980 als die Generation des digitalen Zeitalters geboren ist,
als "Millennials" oder als "Digital Natives". Die ältesten Frauen und Männer un
ter ihnen sind heute also schon über 30 Jahre alt, sie haben sich schon seit vielen
8 Vorwort
Jahren an die Internetnutzung gewöhnt, viele von ihnen sind quasi damit aufge
wachsen. Woran ein Mensch gewöhnt ist und was für ihn ganz natürlich ist, wird
nicht abgelehnt, es gibt wenig Vorbehalte oder wissensbedingte Barrieren in der
Nutzung. Sicherlich hat diese Haltung, gekoppelt mit einem rasanten technischen
Fortschritt, dafür gesorgt, dass Facebook laut eigenen Angaben bereits im Oktober
2007 - also gerade einmal etwas mehr als dreieinhalb Jahre nach dem Launch der
Internet-Community - 50 Millionen registrierte Benutzer zu verzeichnen hatte.
Das Radio brauchte ganze 38 Jahre, um diese Anzahl an Hörern auf der Welt zu
erreichen, das Fernsehen über zehn Jahre für entsprechend viele Zuschauer.
Es geht hier natürlich nicht nur um den Erfolg von Facebook. Doch er steht stell
vertretend als ungeheuer beeindruckendes Beispiel für Sodal Media, die heute
dank Twitter, Xing, YouTube oder vergleichbarer Plattformen oder Communities
täglich in allen Köpfen der User und in aller Munde der professionellen und
kommerziellen Kommunikatoren sind.
Zudem hat längst noch eine weitere Tatsache breite Anerkennung bei Marken,
Agenturen und Kommunikationsverantwortlichen gefunden: Es sind heute nicht
mehr nur die "Digital Natives", sondern auch die "Digital Relatives" bis hin zu
den Baby-Boomer-Generationen, die die Vorzüge, den Spaß, das gute Gefühl ent
decken, wenn sie sich online vernetzen, Freunde finden, Kunden binden, sich
informieren, sich mitteilen, sich einmischen, einkaufen gehen. Alles geht, und alles
geht hier: in Sodal Media. Rund um die Uhr, kostenlos.
Mit dem Aufstieg der Sodal Media kam unweigerlich der Abstieg der seit Jahr
zehnten bewährten Kommunikationsmodelle für Marken und Produktwerbung.
Zum einen liegt das am heutigen Mediennutzungsverhalten der Menschen, die
bevorzugt im Internet nach Produktinformationen suchen und nicht mehr am
Werbefernsehen interessiert sind. Viel hilft viel-diese einfache Formel hinter den
traditionellen riesigen Werbebudgets für große TV-Kampagnen mit beeindru
ckender Penetranz zur exklusivsten Prime Time gilt schon lange nicht mehr. Wer
kann heute schon einen positiven Return on Invest (ROI) einer miIlionenteuren
TV- oder Print-Kampagne nachweisen? Sicher, es gibt die großen Marken, deren
Budgets diese Art der Werbung auch künftig zulassen und die trotz aller nachge
wiesenen Ineffektivität die ausgedörrten Werbekanäle weiterhin zu bewässern
versuchen. Aber das sind auch gleichzeitig diejenigen Unternehmen, die zusätz-
Die 11 Irrtümer über Socia! Media 9
lich genügend Mittel für Online-Kampagnen aufbringen können und hier bereits
seit Jahren gute sowie schlechte Erfahrungen sammeln. Gleichzeitig erkennen
andere Unternehmen das Potenzial neuer Kommunikationsformen und -
mechanismen im Sodal Web und erzielen - ohne nennenswerten Kostenaufwand
- Erfolge, die gleich mit welcher Budgetgröße auf konventionellem Weg nicht zu
erreichen gewesen wären.
Die klassische Werbung behält selbstverständlich ihre Berechtigung, muss aber
zunehmend in Frage gestellt werden. denn jeder Euro Budget kann bekanntlich
nur einmal ausgegeben werden. Tatsache ist, dass heute nur noch 14 Prozent der
Menschen Werbung vertrauen. Dennoch beanspruchen die klassischen Werbeka
näle Print, Funk und Fernsehen einen Großteil der Mediabudgets - ein offensicht
licher Widerspruch. Wem aber vertrauen die Konsumenten wirklich? 78 Prozent
vertrauen Empfehlungen ihrer eigenen Community, ihres Online-Netzwerks,
wenn es um Produkte oder Dienstleistungen geht. Die logische Schlussfolgerung
liegt also nahe, dass Unternehmen heute zum Beispiel entsprechende Empfeh
lungsmöglichkeiten zu ihren angebotenen Produkten bieten. um Besucher ihrer
Websites oder E-Shops im Kaufentscheidungsprozess nicht wieder an andere
Netzwerke zu verlieren, sondern ihnen an Ort und Stelle den notwendigen Kauf
impuls zu geben. Amazon ist ein gutes Beispiel für diese Strategie, die vermutlich
jeder von Ihnen schon aktiv durch das Verfassen von Kommentaren zu Büchern.
Videos oder anderen Produkten oder passiv in Form von Hilfestellung zur richti
gen Produktauswahl kennengelernt hat.
Was im E-Commerce zu beobachten ist, ist nichts anderes als die logische Reakti
on der Unternehmen auf die Verschiebung kaufentscheidungsrelevanter Informa
tionsquellen vom Unternehmen selbst hin zum Individuum: Informationen, die
den Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung maßgeblich beeinflussen, wer
den in den Communities oder den Blogs des Sodal Webs von Privatpersonen ver
öffentlicht oder sind Teil von user-generierten Inhalten.
Wer heute verkaufen oder ein gutes Markenimage behalten will, muss hier emp
fohlen oder zum Gesprächsthema gemacht werden. Der Gefällt-Mir-Button von
Facebook ist zum Synonym dieser mächtigen Empfehlungsmaschinerie im Sodal
Web geworden, die Unternehmen und ihre Marken vor neue, oftmals ungelöste
Aufgaben stellt: Denn erstens muss das Produkt, das empfohlen wird, auch emp-
10 Vorwort
fehlenswert sein - Produkte von schlechter Qualität oder mit unpassendem Preis
Leistungs-Verhältnis steuern auf immer kürzere Lebenszyklen hin. Zweitens müs
sen Impulse im Sodal Web erzeugt werden, die Marken und deren Produkte zum
Thema machen, zur Interaktion mit einzelnen Usern bewegen, Dialog aufbauen
und Fans generieren. Wer hier Impulse mit Werbung verwechselt, ist allerdings
auf dem Holzweg, denn: Nobody cares your mission statement! - noch eine Reali
tät des Sodal Webs, an der sich mancher Kommunikationsprofi und so mancher
Agenturstratege die Zälme ausbeißt.
Wer nicht vorrangig verkaufen wil.l, sondern sich vielmehr um die Reputation
seines Unternehmens sorgt, sieht sich heute Millionen von Privatreportern gegen
über, die täglich - wahrscheinlich auch gerade jetzt in dieser Sekunde - über sein
Unternehmen bloggen oder twittern. Kaum zu erfassen sind die Menge und die
Relevanz der Informationen, die über das eigene Unternehmen, die eigenen Pro
dukte oder Dienstleistungen im Sodal Web veröffentlicht werden. Noch während
die neueste Presserneldung nach der Aktionärsversammlung zur Freigabe beim
Vorstand liegt, daraufhin nachts in den gewaltigen Druckmaschinen der Tageszei
tungen verarbeitet wird oder auf die geplante Sendezeit im Fernsehen wartet,
zwitschern die Internetvögelchen längst munter drauflos. Erlauben Sie mir zwei
rhetorische Fragen: Haben Unternehmen die eigene Berichterstattung noch voll
ends in der Hand? Woran liegt es, dass so gut wie keine Tageszeitung der Welt
nächstes Jahr mehr gedruckte Exemplare verkaufen wird als dieses Jahr, sondern
eher weniger?
Nun besteht die Welt aber nicht nur aus global bekannten Marken mit Produkten
oder Dienstleistungen für Millionen Verbraucher in internationalen Märkten.
Auch nicht nur aus Großkonzernen, die Flugzeuge oder Autos bauen, die Jeans
schneidern, die Daily-Soaps oder Casting-Shows produzieren oder die mit Geld
oder Versicherungen handeln. Es gibt auch den mittelständischen Maschinenbau
er, den Zeitungs- oder Buchverlag, den regionalen Telekommunikationsanbieter,
die Sparkassenfiliale, den Rechtsanwalt oder den Weinhändler um die Ecke. Sie
alle wollen für positive Gespräche über sich sorgen, wollen auffallen, sind abhän
gig von Mund-zu-Mund-Propaganda, wollen ihre Produkte verkaufen, aufklären
und Kunden binden. Und es gibt die zahlreichen Institutionen, Organisationen
oder die politischen Parteien, die Mitglieder, Spendengelder oder Wahlen gewin-
Die 11 Irrtümer über SociaL Media 11
nen wollen. Bestes Beispiel: Auch Barack Obama wollte das - und er hat es ge
schafft. Wenn 21 Millionen Menschen' auf Facebook gefällt, was man tut, und
man mehr als acht Millionen' Twitter-Follower hat, kann einem das heute erwie
senermaßen dabei helfen, Spendengelder zu sammeln und Präsident der Vereinig
ten Staaten zu werden. Besonders dann, wenn der Vize-Präsident und sein Kom
munikationsteam das Potenzial des Sodal Webs nicht erkannt haben. Es ist ebenso
davon auszugehen, dass Husni Mubarak noch im Amt wäre, wenn Facebook und
Twitler den Menschen in Ägypten nicht die Möglichkeit gegeben hätten, sich für
die erfolgreichen Protestmärsche zu verabreden.
DIE 11 IRRTÜMER ÜBER SOCIAl MEDIA
Dieses Buch ist geschrieben für diejenigen innerhalb von Unternehmen oder Or
ganisationen, die sich berufsbedingt für Sodal Media interessieren. Für Menschen.
die kommunikationsverantwortlich sind, die sich mit Werbung oder Marketing
befassen oder die mit entsprechenden Projekten innerhalb der internen oder ex
ternen Unternehmenskommunikation beauftragt werden. Dieses Buch richtet sich
an die "Macher", an diejenigen, die auf operativer Ebene umsetzen, die ambitio
niert sind, die Anregungen für Methodik, Strategie und Inhalte suchen - auch um
bei Vorgesetzten oder dem Top-Management leichter überzeugen zu können. Sie
brauchen. wenn Sie dieses Buch zur Hand nehmen und lesen. kein besonderes
Vorwissen. Vielmehr sollten Sie Interesse an neuen Medien haben und unvorein
genommen gegenüber Sodal Media sein. Selbstverständlich sind grundlegende
persönliche Erfahrungen mit Facebook, Twitter, YouTube & Co. hilfreich.
Ich möchte mit diesem Buch für künftiges Sodal-Web-Engagment auf beruflicher
Ebene begeistern, aber vor allem möchte ich aufklären und helfen! Denn meine
tägliche Praxis als Kommunikationsberater präsentiert mir einerseits eine teils
hohe Konzept- und Strategielosigkeit bei kurzfristigem Aktionismus von Unter
nehmen im Umgang mit Sodal Media. Andererseits - und das steht im krassen
1 Facebook, Stand Mai 2011
'Twitter, Stand Mai 2011