Table Of ContentB. Kirchner· Dialektik und Ethik
Baldur Kirchner
Dialektik und Ethik
Besser flihren mit FaimeB und Vertrauen
GABlER
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Kirchner, Baldur:
Dialektik und Ethik: besser fiihren mit Fairness und Vertrauen /
Baldur Kirchner. - Wiesbaden: Gabler, 1991
ISBN 3-409-19150-X
Der Gabler Verlag ist ein Untemehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International.
© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1991
Softcover reprint of the hardcover I st edition 1991
Lektorat: Ulrike M. Vetter
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Satz: Satztechnik, Taunusstein
ISBN-\3: 978-3-409-19150-0 e-ISBN-\3: 978-3-322-84048-6
DOl: 10.1007/978-3-322-84048-6
Dieses Buch widme ich meinem langjiihri
gen Gespriichspartner, Herrn Pater Raba
nus Mayer OSB, in der Benediktinerabtei
Neresheim. Er vollendete am 3. April 1991
sein 70. Lebensjahr.
"Nicht die Mehrheit des Volkes bestimmt,
was wahr und giUtig ist,
sondern der Heilige Geist. "
(P. Rabanus Mayer OSB)
Vorwort
1. Dieses Buch in den Jahren 1990 und 1991 geschrieben zu haben,
ist mir ein auBer-ordentliches Anliegen. Die gesellschaftspoliti
schen Veranderungen in den Landern der marxistisch-Ienini
stischen Ideologie haben die Perversionen eines kranken Geistes
zutage treten lassen. Das gedankliche Gebaude jener allzu hoch
bewerteten "materialistischen Dialektik" ist zusammengestiirzt.
In der Bundesrepublik Deutschland sind die Signale einer Orien
tierungs- und Sinnkrise inzwischen subtiler geworden. Der
"praktische Materialismus" spinnt im BewuBtsein vieler Men
schen schillernde Faden. 1m Glanze brillanter Bilanzen sieht man
cher Fiihrende das Licht seines Selbstwertes neu aufleuchten. Das
eigene Ansehen in den Medien zu pflegen, scheint fUr viele Per
sonlichkeiten des Offentlichen Lebens zu einem elementaren Ge
bot ihrer Psychohygiene geworden zu sein.
Mit diesem Buch will ich all jenen ein Angebot zu selbstkritischer
Reflexion unterbreiten, die den Weg in ihre Wesenstiefe suchen
oder schon einige Zeit gehen. Ich spiire in den Begegnungen mit
Seminarteilnehmern und Zuhorern, daB das Bediirfnis nach per
sonlichkeitsbildenden Inhalten wachst.
2. Es geht rnir in diesern Buch urn Personlichkeitsbildung. Nicht urn
Techniken bin ich bemiiht. Auch in meinen Seminaren vermittle
ich kaum Techniken. Ich lehne eine verhaltensnormierende Trai
ningsarbeit ab, weil sie abhangig macht. Wer sich vorwiegend an
Techniken orientiert, befreit sich kaum von der Angst vor sponta
ner Kommunikation.
• Kollektive Kommunikationsmuster schaffen Distanz.
Die personliche Originalitat geht weitgehend verloren.
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Deshalb betone ich in diesem Buch die wesentlich gewordene Per
sonlichkeit. Zum eigenen Wesen vorgedrungen zu sein, bedeutet,
die Ur-Sachen im Wesensinneren entdeckt zu haben.
3. Mit dieser Publikation lose ich auch ein Versprechen ein. Nicht
immer war es mir nach personlichkeitsbildenden Veranstaltungen
moglich, ein Manuskript zu versenden. Viele Zuhorer haben mich
gebeten, die Themen der Kolloquien und V ortrage in einem gro
Beren Publikationsrahmen zu verOffentlichen. So wird es nunmehr
moglich sein, jene Inhalte in Ruhe nachzulesen, die bei frtiheren
Begegnungen nur selektiv aufgenommen werden konnten. Viele
der frtiher geauBerten Gedanken habe ich erweitert und in einen
neuen Kontext eingereiht.
4. SchlieBlich ist dieses Buch auch ein Ausdruck meiner personli
chen Lebensreflexionen. Wer sich mit Personlichkeitsbildung be
schiiftigt, tut dies ja nicht selten seiner eigenen Seele wegen. Die
se berufliche Tatigkeit ermoglicht es mir, jene Spannungen und
Konflikte aufzuarbeiten, mit denen ich selbst oft ringe. Ich laufe
gelegentlich Gefahr, den dialektisch-ethischen Postulaten, die ich
erhebe, auch in meinem Kommunikationsverhalten nur bedingt
gerecht zu werden. Andererseits liegt mir die Verknupfung von
"Dialektik" und "Ethik" besonders am Herzen. Letztlich vermag
nur eine sittlich verantwortete Kommunikation die zwischen
menschlichen Beziehungen harmonisierend zu gestalten. Der
Mensch der Gegenwart ist besonders gefiihrdet, seine Kommuni
kationsfiihigkeit manipulativ einzusetzen. Solchen Stromungen des
Zeitgeistes mochte ich eine neue Wertschatzung kommunikativen
Handelns entgegenbringen.
5. Ich habe das Buch in zwei Teile gegliedert. 1m Teil A behandle
ich die Voraussetzungen fur eine ethisch orientierte Kommunika
tionskultur. 1m Teil B stelle ich eine Reihe von Prinzipien zusam
men, von denen die ethisch orientierte Kommunikationskultur im
privaten wie beruflichen Alltag getragen sein sollte.
Ettenbeuren, im Mai 1991 Baldur Kirchner
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort ............................................................................................... 7
Uber ethische Kommunikationskultur .............................................. 11
Teil A - Voraussetzungen fUr eine ethisch
orientierte Kommunikationskultur
I. Von der Theozentrik zur Anthropozentrik -
Die Wende im BewuBtsein ........................................................ 17
1. Glaubensfahigkeit .................................................................. 20
2. Akzeptanz der Heiligen Schrift ............................................. 24
3. Akzeptanz der institutionellen Kirche ................................... 29
II. Die Kompetenzen des Fiihrenden -
Merkmale seines Pers6nlichkeitsprofils .................................... 50
1. Uber das Fiihren ..................................................................... 52
2. Fachliche Kompetenz ............................................................ 62
3. Soziale Kompetenz ................................................................ 74
4. Sittliche Kompetenz .............................................................. 92
III. Dialektik und Dialektikfahigkeit ............................................... 99
1. Uberlegungen zum Begriff "Dialektik" ................................. 99
2. V oraussetzungen fUr Dialektikfahigkeit.. ............................ 104
IV. Ethik und Uberzeugungsfahigkeit ........................................... 112
1. Uberlegungen zum Begriff "Ethik" ..................................... 112
2. Merkmale der Uberzeugungsfahigkeit ................................ 116
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Teil B - Prinzipien einer ethisch orientierten
Kommunikationskultur
1. Ethische Prinzipien fUr Ehe und Partnerschaft ........................ 142
II. Ethische Prinzipien fUr die erzieherische Begleitung .............. 164
III. Ethische Prinzipien fUr die dialektische Dialogkultur ............. 184
IV. Ethische Prinzipien fUr Fuhrende in Hierarchien .................... 205
Anmerkungen .................................................................................. 221
Stichwortverzeichnis ....................................................................... 225
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Uber ethische Kommunikationskultur
Die kommunikative Qualitat des Zwischenmenschlichen wird danach
beurteilt, in welcher Weise sie es vermag, die Personlichkeit des
Kommunizierenden zu wtirdigen. Alles Verletzende, Entpersonli
chende, Entwertende ist ein Ausdruck gestorter Harmonie zwischen
den Gesprachspartnem. Im gegenwiirtigen gesellschaftlichen Leben
ist die offentliche Verunglimpfung der Kommunikationspartner zu ei
nem kollektiven sadistischen und zynischen Spektakel geworden. Der
heuchlerische politische Wahlkampf, die Affaren von Managem, die
profane Rivalitat bei der Besetzung von Bischofssttihlen - all dies
sind Zeichen eines neurotisierten Zeitgeistes, dessen Glaubwtirdigkeit
langst abgeblattert ist.
Die Feindaggressivitat und die Vemichtungsaggressivitat tiben ihre
kommunikative Herrschaft tiber das gesellschaftliche Bewu8tsein
aus. Die Kampfdialektik ist die gro8e Siegerin tiber die Uberzeu
gungsdialektik. Ais Erfolgreicher thront vielerorts der intellektuell
Ftihrende, der als analytischer Ratgeber die Wirtschaftsprozesse steu
ert.
Der Narzi8mus vieler Ftihrender laBt sie von Weihrauch zu Weih
rauch schreiten. Was sie an Leiden in den Gefiihrten erzeugen, be
merken sie nicht, weil ihre Selbstverliebtheit ihnen den Zugang zum
anderen verstellt. Ftir viele dieser Personen ist Personlichkeitsent
wicklung die Bestatigung ihrer selbstgefalligen Haltung. Dabei spti
ren sie nicht, daB sie sich selbst zu einem Instrument krankhaften Er
folgsverstiindnisses degradiert haben.
• Die Lebensltigen der Ftihrenden produzieren private
und berufliche Krisen.
W 0 das Handeln eines Menschen, besonders des Ftihrenden, nicht
mehr offen ist ftir das Erkennen von Lebensltigen, hat es sich weit
von der Lebensrealitat entfemt.
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In seiner Kommunikationskultur aber zeigt der Mensch, in welcher
Beziehung er zur LebensrealiHit steht. Was meine ich hier mit
"Kommunikationskultur"?
• "Kommunikationskultur" ist ein Ergebnis der Person
lichkeitsentwicklung eines Menschen. Sie meint die Art
und Weise des Umganges mit BewuBtseinsinhalten, die
sich im Lebensstil und im Verhalten gegeniiber dem Be
stehenden manifestiert.
Das Bestehende ist das menschliche Leben und seine Bindung an das
AuBermenschliche - das Metaphysische. Es ist, mit den Worten Bal
thasar Staehelins gesprochen, "die erste und die zweite Wirklichkeit"
eines Menschen. Das Ziel der hier angesprochenen Kommunikations
kultur ist das geistige und seelische Wachstum der menschlichen Per
sonlichkeit. Das aber gelingt nur dann, wenn Personlichkeitsentwick
lung den Blick in die eigene Wesenstiefe gestattet. Wenn es das Ziel
von Kultur ist, den Menschen in immer hoherem MaGe zur Selbster
kenntnis zu fUhren, so beabsichtigt Kommunikationskultur, die Inter
aktionswege zur Selbsterkenntnis zu ebnen.
- Selbsterkenntnis beginnt mit dem Begreifen der eigenen Lebens
realitiit.
Die Ab16sung von der Lebensrealitiit dagegen kennzeichnet eine
neurotische Eigenbeziehung.
Ich nenne nun jene Form der Kommunikationskultur, die die Ent
wicklung eines WertbewuBtseins in der menschlichen Personlichkeit
zum Inhalt hat, "ethische Kommunikationskultur".
• "Ethische Kommunikationskultur" ist eine Form der
Kommunikationskultur, die den sittlichen Zustand des
einzelnen spiirbar werden HiBt. Das erworbene und ent
wickelte MaB an Sittlichkeit ist die Vorbedingung fUr
Wertschatzung und Wiirde in der Kommunikation.
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