Table Of ContentErich Heinrich
Der Zahnarzt in der Karikatur
Der
Zahnarzt
in der Karikatur
Zugleich ein Beitrag zur
Kulturgeschichte der Zahnheilkunde
Zusammengestellt und
eingeleitet von Erich Heinrich
2., iiberarbeitete Auflage
mit 290 Abbildungen
J. F. Bergmann Verlag Miinchen 1980
Dr. Erich Heinrich
WorthstrafSe 4
D-8670 Hof/Saale
Namdruck der 1978 im J.F. Lehmanns Verlag Munchen
ersmienenen 2. uberarbeiteten Auflage
ISBN-13 :978-3-642-80495-3 e-ISBN-13 :978-3-642-80494-6
DOl: 10.1007/978-3-642-80494-6
J. F. Bergmann Verlag Miinchen
Springer-Verlag New York Heidelberg Berlin
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© J. F. Bergmann Verlag Miinchen 1980.
Softcover reprint of the hardcover 2nd edition 1980
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Vorwort zur 1. Auflage
Seit dem Altertum bis zum heutigen Tage haben Ganz anders ist die Lage auf dem Gebiet der Zahn
sich Spotter mit Vorliebe des Arztes bemachtigt. heilkunde!
Das liegt nun einmal in der Natur des Menschen.
Er braucht den Arzt und mufS ihn, ebenso wie den AufSer einem wohl kaum in weiteren Kreisen be
Zahnarzt, bezahlen - fur etwas, was ihm oft un kannt gewordenen Privatdruck von A. WOTHE
angenehm ist: fur die Angst vor und unter Um (Berlin) gibt es noch keine grofSere Zusammenstel
standen fur Schmerzen wahrend der Behandlung. lung von Karikaturen des Zahnarztesi denn auch
DafS sensible Kiinstler hinterher ihre innere Erre das in Danemark erschienene Buch >T he Dentist in
gung in oft nicht gerade liebevoller, manchmal Art< bringt nur wenige Spottbilder. Vor allem fehlt
so gar auch in verzerrender Form bildlich abreagie ihre Auswertung in kulturgeschichtlicher und vor
ren, ist psychologisch zu verstehen. allem in kulturpsychologischer Hinsicht.
Der nie versiegende Strom solcher Karikaturen hat Bei den vielen entsprechenden Zeichnungen, die seit
manche Arzte zum Sammeln und dann zur Heraus Jahr und Tag in Zeitungen und Zeitschriften er
gabe in Buchform veranlafSt. Am bekanntesten sind scheinen, ist dieses Fehlen doch recht merkwiirdig.
wohl die drei Bucher von E. HOLLANDER uber >Me Sollte die karikierte Figur des Zahnarztes bei seinen
dizin in Malerei, Satire und Karikatur< die friiher Kollegen etwa tabu sein?
mehrere Auflagen erlebt haben, jetzt aber kaum Tatsachlich!
mehr erhaltlich sind. Der neueste Beitrag zu diesem DafS namlich eine Sammlung von Karikaturen uber
Thema ist das Buch von H. VOIGT: >Medizinische den Zahnarzt und seine Tatigkeit wirklich noch zu
Karikaturen von 1.800 bis zur Gegenwart<, das in den Tabus gehort, hangt zum grofSen Teil - wie
der medizinischen Presse als >Sammlung kostlicher dies im Text noch begrundet wird - mit der histo
und geistvoller Attacken auf die Arzte< charakteri rischen Entwicklung und dem jahrelangen Kampf
siert wird. der Zahnheilkunde urn ihre Anerkennung zusam
abwohl sich in all dies en Buchern manch peinliches men. Da heute jedoch dieser Kampf siegreich be
und das Ansehen des Arztes schadigendes Bild fin endet ist und die Zahnheilkunde tatsachlich ein
det, hat sich aus dem Lager der Betroffenen noch integrierender Bestandteil der gesamten Heilkunde
keine Gegenstimme erhoben. 1m Gegenteil- 1.937 geworden ist, kann dieses Tabu doch endlich durch
hat die Staatliche Medico-historische Sammlung in brochen werden.
Berlin sogar eine offentliche Ausstellung veranstal Personliche Erfahrungen veranlassen mich, hierzu
tet, uber die seinerzeit prof. ADAM schrieb: >Es ist kurz erganzende Angaben zu machen:
eine frohliche Bilderschau, denn jeder, der die Aus 1m Laufe der Jahre habe ich aus meinen Sammlun
stellung verlafSt, verlafSt sie mit einem Schmunzeln gen verscruedene Bilder in zahnarztlichen Zeit
und dem Ausdruck innerer Frohlichkeit (Geschichte schriften veroffentlicht. Daraufhin wurde mir von
der Medizin, 1.938 Nr. 1.). Kollegen vielfach mundlich und schriftlich versi-
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chert, welch groBes Vergnugen ihnen diese Karika Dabei wird sich auch erweisen, daB die Karikaturi
turen bereiteten. sten von heute auch den Gestaltwandel empfinden:
Aber dann kam ein flammender Protest - von stan Die zahl der ausgesprochen gehassigen Bilder (>Der
despolitischer Seite! Begrundung: Diese Karikatu Zahnarzt als Grobian und pfuscher<) hat im letzten
ren sind fur Zahnarzte herabwiirdigend, storen Ja hrzehnt auffallig abgenommen!
empfindlich unsere Aufklarung; die Bilder sind
eine standespolitische Gefahr, und: >Es gibt nichts Bekanntlich haben auch Bucher ihre Schicksale. Die
Schlimmeres und Deprimierenderes auf diesem Ge ses Wort trifft auch auf vorliegendes Buch zu. Seit
biet, als wenn wir uns selbst in den Rucken fallen!< mehr als 30 Jahren sammIe ich Karikaturen uber
Die Auswertung der folgenden Bilder wird jedem den Zahnarzt und seine Tatigkeit aus der mir zu
vorurteilsfreien Leser beweisen, daB diese Einwen ganglichen internationalen Presse.
dungen nicht mehr stichhaltig sind. 1m Sommer 1.939 habe ich erstmals eine groBere
Die Zahnheilkunde hat heute - wie bereits er Anzahl von Bildern einem Verlag zur Herausgabe
wahnt - ihre anerkannte Stellung im Rahmen der in Buchform gegeben: die Klischees waren bereits
gesamten Heilkunde; die logische Folgerung aus fertig, als der Krieg ausbrach und den Druck ver
dieser Tatsache ist, daB sie auch ihre Vergangenheit hinderte, weil das benotigte gute Papier nicht mehr
geistig bewaltigen muB. Dazu gehort als erstes die zu erhalten war.
Einsicht, daB Minderwertigkeitsgefuhle vollkom 1m Februar 1.945 wurde durch Bomben und Feuer
men unberechtigt sind. meine groBe Bibliothek vernichtet; auf abenteuer
Das Bild der Zahnheilkunde laBt sich heute nicht liche Weise gelang es mir, nur etwa 600 Bilder zu
mehr verdunkeln - und Wunden, die ihr vor J ahr retten. Seit dieser Zeit ist die Sammlung natiirlich
zehnten geschlagen worden sind, sollten doch heute wieder groBer geworden. Ich habe mich aber be
langst verheilt sein. miiht, nur gute und typische Zeichnungen fiir dieses
Die Befurchtung, diese Karikaturensammlung Buch auszuwahlen und auf die so haufigen Wieder
konnte auch die zahnarztliche Aufklarung storen holungen und Variierungen irgendeines Themas zu
und die Angste der Patienten vermehren, ist eben verzichten. Urn den Dberblick zu erleichtern, sind
falls nicht zutreffend. Dieses Buch wird kaum in die die Bilder je nach einem bestimmten Gesichtspunkt
Hande ungebildeter Laien kommen; gebildete wer zusammengefaBt.
den sicherlich ihre Freude an den vielen Pointen Leider haben einige Verlage der ~achdruck nicht
haben. Es gibt auch genug Zahnarzte, die lachen gestattet. Deshalb fehlen beispielsweise einige der
konnen, wenn sie selbst durch den Kakao gezogen hurnorvollen Adamson-Bilder.
werden; schlieBlich diirfen Kiinstler, Kulturge Auch auf eine groBere Bilderzahl aus dem Abschnitt
schichtler, Bibliophile und Liebhaber der lronie und >Zahnarztliche Motive in der politischen Karikatur<
Satire ebenfalls ihren SpaB daran haben. Leser aus muBte aus bestimmten Griinden verzichtet werden.
dies en Kreisen werden ohne wei teres erkennen kon Urn so groBeren Dank schulde ich deshalb jenen
nen, daB es sich bei diesem Buch urn eine Problem Kiinstlern und Verlagsanstalten, die mit der Dber
geschichte handelt, und zwar urn eine Darstellung nahme entsprechender Bilder in dieses Buch einver
der kulturhistorischen und kulturpsychologischen standen sind.
Entwicklung der Zahnheilkunde, wobei insbeson Mein herzlichster Dank gebiihrt dem J. F. Lehmanns
dere das Bild des Zahnarztes von einst und jetzt im Verlag, der mit so viel Liebe und Miihe den Druck
Vordergrund steht. und die Ausstattung des Buches durchgefuhrt hat.
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V orwort zur 2. Auflage
Dieses Buch ist das Ergebnis einer Leidenschaft: so ablehnende befindet; neben wenigen nur referieren
wie andere an Briefmarken oder Mineralien inter den sind aIle zustimmend und lobend (lehrreich,
essiert sind, sammIe ich seit 45 Jahren alles, was in witzig, geistreich). Es ist also nicht notwendig ge
Wort und Bild irgendwie mit dem Zahnarzt und wesen, die Tendenz des Inhaltes zu andern. Trotz
seinem Beruf zu tun hat. Und da ist eine Menge dem ist das Buch kritisch uberarbeitet, manche ver
zusammengekommen, sicher mehr als 1.000 Be altete Bilder entfernt und durch zahlreiche neue,
lege. Die besten Karikaturen habe ich damals fur besonders aus den letzten Ja hren, ersetzt worden.
die erste Auflage zusammengestellt, nicht ganz
ohne Bedenken, denn es sind verschiedene Bilder Dem Verlag J. F. Bergmann bin ich fur die hervor
dabei, die den Zahnarzt nicht gerade sympathisch ragende und moderne Ausstattung zu herzlichem
darstellen. Dank verpflichtet, ebenso auch dem Kollegen Dr. B.
Wagner, der mir bei den Korrekturen geholfen hat
Erfreulich ist deshalb die Tatsache, dafS sich unter und der einmal spatere Auflagen betreuen wird.
den mir in grofSer Zahl vorliegenden Besprechun
gen aus der Fach- und Tagespresse keine einzige Hof, im Sommer 1.978 Dr. E. Heinrich
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Inhaltsiibersicht
Vorwort zur 1. Auflage 5 Zahnschmerzen 71
Vorwort zur 2. Auflage 7 Die Not der Zeit. 78
Ein Streifzug durch die Problemgeschichte der Politische Karikatur . 82
Zahnheilkunde 11 Die Angst. 91
Entwicklungsphasen der Zahnheilkunde 19 Das »Zahnziehen« 99
Der Neuzeit entgegen ... 25 Narkosen ... 114
Zahnbehandlung in friiherer Zeit 26 Der Zahnersatz . 117
Vom Wesen der Karikatur 29 Illustrierte Kindergeschichten . 136
Honorarfragen 147
Der Zahnarzt 33
Ideenverbindungen . 154
Bilderteil Werbemotive 157
Merkwiirdige Tombola-Preise 162
Der Zahnarzt . 37
Erotik . 167
Der Anfanger 58
Der Patient 62 Schrifttum 176
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Ein Streifzug durch die Problemgeschichte
der Zahnheilkunde
I Neuguinea und auf Sudseeinseln aufzusuchen, urn
als kundiger und kritischer Mensch den verschie
Die Anfange einer >Zahnheilkunde< verlieren sich denartigsten Zeremonien beizuwohnen und diese
im mystischen Dunkel der Friihzeit der Mensch Zauberer auszufragen, nachdem er durch langeren
heitsgeschichte. Man kann als sicher annehmen, Aufenthalt, Geschenke usw. ihr Vertrauen gewon
dafS schon damals Priester und Schamanen ihre nen hatte. Die Heilerfolge dieser Hexenmeister sind
Volksstamme gesundheitlich betreuten und mit fur uns ratselhaft und bis heute mit keiner ratio
allerlei Hokuspokus, rituellen Zeremonien und nalen Theorie zu erklaren. Es ist weiterhin bemer
Zaubertranken auch zahnschmerzen und ihre Fol kenswert, dafS WRIGHT in allen Erdteilen einige
gezustande bekampften. . feststehende und uberall gleiche Merkmale dieser
Dieses mystische Dunkel hellt sich jetzt aber auf, Zauberkunste fand. Auch diese Beobachtung wird
seitdem man weifS, dafS entsprechende Behandlungs uns spater noch einmal kurz beschaftigen.
mafSnahmen heute noch bei primitiv lebenden Na Nun das ErZebnis: 1m Dschungelgebiet des Gran
turvalkern ublich sind - uber Ja hrhunderte genauso Pajonal am oberen Amazonas verpflichtet WRIGHT
>vererbt< wie etwa die Sitte der Zahnfeilungen an einen Jivarofuhrer namens Gabrio, der furchtbare
lafSlich der Pubertatsriten, auf die wir noch zu spre Zahnschmerzen hat. WRIGHT sagt zu Gabrio: »Hare
chen kommen werden. einmal: lch Doktor! lch deinen Zahn in Ordnung
Diese >zahnarztliche< Arbeit, die damals und auch bringen!« Gabrio schuttelt den Kopf: »Magie von
heute noch von den Medizinmannern geleistet wor weifSem Mann nicht gut fur Indianer«, murmelt er,
den ist und geleistet wird, mufS im Rahmen des »ich Doktor aufsuchen.«
Maglichen als erfolgreich bezeichnet werden und Dieser Zauberdoktor war ein dunner, ausgemergel
grenzt manchmal an Wundertaten. ter Mann mit jenem Ausdruck von Weisheit und
Das, was heute Naturforscher in dieser Beziehung Verschlagenheit im Gesicht, der fast das Berufszei
erleben, ist fur die Erforschung der mystischen chen und Aushangeschild von Zauberdoktoren zu
Grundlagen der Heilkunst so aufschlufSreich, dafS sein scheint. Bei der Beobachtung der Vorbereitun
ein entsprechender, in das Gebiet der zahnheil gen des Medizinmannes kam WRIGHT zum ersten
kunde fallender Bericht wenigstens kurz zitiert und mal deutlich zum BewufStsein, wie vallig sich Gabrio
anschliefSend kommentiert werden soil. der Behandlung des Mannes mit allen ihren sonder
Die Frage, ob Medizinmanner Heilkundige, Magier baren und lacherlichen Phasen anvertraute. Man
oder Scharlatane sind und welche Mittel es ihnen nenne es, wie man will: Glaub-en, Vertrauen oder
gestatten, unbestreitbare Heilerfolge zu erzielen, Leichtglaubigkeit. »Was es auch sein mochte, es war
hat den amerikanischen Zahnarzt DR. HARRY B. eine Abart des sen, was wir oft als >P sychotherapie<
WRIGHT veranlafSt, zu seinem Privatvergnugen jah oder die Wissenschaft yom seelischen Heilen an
relang eingeborene Medizinmanner im Urwaldge fuhren.«
biet des Amazonas, in Westafrika, Indonesien, Zu den Vorbereitungen geharte eine Schale mit
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einer Fliissigkeit, die der Zauberdoktor in sich hin Er beherrscht die dunkle, verworrene, von Furcht
eingof.S und sofort wieder erbrach. Die Prozedur und Angsten bedrangte Gemiitswelt der primitiven
sollte vermutlich auf den Patienten Eindruck ma Menschen; durch Anwendung von Zauber in ver
chen; denn dieser starrte mit faszinierter Aufmerk schiedenen Formen vermindert er die Angst und
samkeit auf den dorflichen Heilpraktiker, der einen flof.St Vertrauen ein.
verziickten, fast ekstatischen Ausdruck angenom Der Zauberdoktor ist also im wahrsten Sinne des
men hatte. Nach einigen anderen Vorbereitungen Wortes Herr iiber Korper und Seele seiner Stam
legte sich der Zauberdoktor iiber den inzwischen mesangehorigen. WRIGHT vermerkt an anderer
auf den Boden hingeworfenen Gabrio, fuhr mit der Stelle einmal spottisch, daf.S der Zauberdoktor mit
ganzen Hand in dessen Mund, pref.Ste dann seinen der Anwendung des rohen Hokuspokus seines pri
Mund gegen die geschwollene Wange und begann mitiven Berufes in wenigen Minuten Resultate er
wild und gerauschvoll zu saugen. Diese Prozedur zielt, zu denen auch die teuersten amerikanischen
wurde mehrmals wiederholt: in kurzen Zwischen Psychiater Monate, wenn nicht sogar Jahre brau
pausen spuckte der Medizinmann nacheinander chen ...
einen Holzsplitter, eine Handvoll Ameisen und Das erstaunliche Wissen urn die Zusammenhange
eine Eidechse heraus. Wie der Alte diese Dinge zwischen Korper und Seele ermoglicht es, im Pa
in seinen Mund hineinpraktiziert hatte, konnte tienten die innere Bereitschaft herbeizufiihren, sei
WRIGHT nicht beobachten. nen Wunp.erglauben zu aktivieren und damit Krafte
Die Eidechse war die >piece de resistance<; nach we auszulosen, die uns unnatiirlich vorkommen oder
nigen Minuten entspannte sich Gabrios Gesichts zumindest unverstandlich bleiben, weil wir die
ausdruck. Der Schmerz in seinem Zahn horte nach Geisteswelt der Primitiven nicht mehr verstehen.
ein paar Sekunden auf, und mit der Verkiindigung: Der Primitive hat noch den unabdingbaren Glauben
»Eidechsenbein aus Zahn ausgerauchert!« war die an die Heilkunst seines >Doktors< - einen Glauben,
Sache abgetan. der dem heutigen zivilisierten Menschen fast vollig
verlorengegangen ist.
Daf.S man bei solch empfindsamen und beeindruck
baren Patienten Zahnschmerzen durch Suggestion
lindern und zahne in Hypnose schmerzlos entfer
1st dieser ganze Vorgang nun Hexerei oder Hokus nen kann, ist heute eine unbestreitbare T atsache.
pokus? In dem eingangs geschilderten Falle ist es auch mog
lich, daB bei Gabrio der AbszeB bereits durchbruchs
Nein, so leicht darf man sich die Erklarung dieses reif gewesen ist, so daf.S durch das Absaugen eine
Gescli.ehens nicht machen; denn die analytische augenblickliche Entlastung und Schmerzbefreiung
Auswertung dieses und entsprechender anderer Be eingetreten ist. Intelligent und erfahrungsreich wie
richte fiihrt tief in die Mystik der Heilkunst iiber die Zauberdoktoren der Naturvolker sind, werden
haupt. Der Zauberdoktor oder Medizinmann eines sie eine solche Situation rasch erkennen und im
jeden primitiven Stammes ist Priester, Seelsorger Rahmen des rituellen Zaubers ihre Behandlungs
und Heilkundiger fiir die korperlichen Leiden sei maf.Snahmen darauf abstellen.
ner Leute. Er berat sie, beschiitzt sie, kiimmert sich Wenn man all diese Zusammenhange kennt, sind
urn sie und totet unter Umstanden, wenn er es fiir die Wundertaten dieser Medizinmanner gar nicht
ratsam halt. mehr so ratselhaft ...
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1 Die alteste Karikatur einer Zahnextraktion - etwa 2000 lich einem Gott oder Halbgott, wird von teilweise affen
Jahre alt! ahnlichen Gestalten ein Zahn entfemt; er sitzt aber so fest,
daB die an einem Seil befestigte Zange von einem Elefanten
Es handelt sich urn ein indisches Medaillon, das sich am fortgezogen werden muB!
Rundrelief einer Pagode von Bharhut befindet. Das Bild ist Die Ruinen dieser Stupa (Pagode) sind erst 1873 entdeckt
voll derben, fast grotesken Humors: einem Riesen, vermut- worden und liegen bei Djabalpur in Indien.
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