Table Of ContentFrederic Fredersdorf · Wolfgang Heckmann
Der T-Faktor
VS RESEARCH
Forschung und Entwicklung in der Sozial(arbeits)wissenschaft
Herausgegeben von
Prof. Dr. Frederic Fredersdorf, Fachhochschule Vorarlberg
„Forschung und Entwicklung in der Sozial(arbeits)wissenschaft“ präsentiert Stu-
dien, Projekte, Modellvorhaben und Konzepte mit evidenzbasiertem Bezug zu
Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit. Die Klammer im Zentralbegriff bringt das
noch nicht etablierte Dasein einer Sozialarbeitswissenschaft zum Ausdruck und
regt zum kontroversen Diskurs an. Beiträge von Projekten und Theoriediskursen,
aber auch von Tagungen und Dissertationen fokussieren die Grundlage einer
zunehmend anerkannten eigenständigen Disziplin, die einerseits ein spezifisches
Profil zu entwickeln vermag, andererseits auf bezugswissenschaftlichen Ansät-
zen und Erkenntnissen basiert. Insofern transportiert der Reihentitel den hier
bewusst vermiedenen Plural „Sozialarbeitswissenschaften“ implizit. Der beab-
sichtigte transdisziplinäre und zugleich anwendungsorientierte Anspruch trägt
dazu bei, fachliche Barrieren zu überwinden, um eine fundierte Handlungswis-
senschaft für die Soziale Arbeit zu gestalten. Zielgruppe der Reihe sind Studie-
rende, Lehrende, WissenschaftlerInnen und Professionelle in der Sozialen Arbeit.
Frederic Fredersdorf
Wolfgang Heckmann
Der T-Faktor
Mäßigungskonzepte
in der Sozialen Arbeit
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
1. Auflage 2010
Alle Rechte vorbehalten
© VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010
Lektorat: Dorothee Koch | Anita Wilke
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wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-531-17097-8
Vorwort
Temperenz ist als Fachbegriff in der Psychologie, Soziologie oder Sozialen Ar-
beit kaum bekannt. Er (wie seine eher schwache deutsche Übersetzung „Mäßi-
gung“) erscheint weder im Sachregister des Wörterbuchs Soziale Arbeit von
Kreft & Mielenz (2008) noch im Anhang des Psychologie-Handbuchs von My-
ers (2004) oder im Neuen Handbuch der Sozialisationsforschung von Hurrel-
mann & Ulich (1997), um nur drei Beispiele anzuführen. Derartige Belege ließen
sich in den Humanwissenschaften vermehrt finden. Wieso also einen scheinbar
unbekannten, vielleicht auch veralteten Terminus in einem sozialwissenschaftli-
chen bzw. sozialarbeitswissenschaftlichen Zusammenhang bemühen und ihm
eine Monographie widmen?
Die Antwort ist relativ simpel, und sie lautet: Gerade deshalb! Denn mit
„Temperenz“ scheint ein Moralbegriff verlorengegangen, der menschliche Weis-
heit von Jahrhunderten, wenn nicht sogar Jahrtausenden, transportiert und heute
darauf wartet, wiederentdeckt zu werden. Dies gilt in einer engen Auslegung zu-
nächst für das Handlungsfeld Gesundheit/Suchterkrankungen. Wir finden „Tem-
perenz“ als Fachbegriff zum einen in der Mäßigungsliteratur des 19. und frühen
20. Jahrhunderts. Zum anderen stellt der Fachbereich Sozial- und Gesundheits-
wesen an der Hochschule Magdeburg-Stendal mit einer kulturwissenschaftlichen
Datenbank einen aktuellen Bezug her: Denn das Deutsche Archiv für Tempe-
renz- und Abstinenzliteratur transportiert den Terminus in seinem Titel. Das
Archiv verwaltet kulturwissenschaftliche Sammlungen alkohol- und drogenbe-
zogener Literatur mit spezifischem Forschungsfokus auf Mäßigkeits- und Absti-
nenzbewegungen. Es zielt darauf ab, kulturwissenschaftliche Erfahrungen in den
aktuellen Suchthilfediskurs zurückfließen zu lassen. 1
In einer weiten Auslegung gilt die Wiederentdeckung von Temperenz für
alle humanwissenschaftlichen Disziplinen und Themenschwerpunkte, die sich
mit ungesundem und destruktivem Überschreiten von Grenzen beschäftigen,
seien es psychische, physische, soziale, ökologische oder ökonomische.
Die vorliegende Monographie wirft Schlaglichter auf beide Facetten von
Temperenz. Im ersten Kapitel greift sie deren philosophische Bedeutung auf, die
mehr meint als mit leiblichen Genüssen moderat umzugehen. Über die drei histo-
1 Vgl.: http://www.neuland.com/index.php?s=adr&s2=org&knr=00055; download am 15.06.09
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rischen Epochen Antike, Mittelalter und Neuzeit werden temperenzorientierte
Philosophiesplitter präsentiert und in historische wie auch zeitgenössische Bezü-
ge eingebettet.
Im zweiten und dritten Kapitel stellt sie je ein auf Temperenz und Mäßi-
gung ausgelegtes Modellprojekt der aktuellen deutschsprachigen Suchthilfe und
Suchtforschung vor. Das ist erstens das europaweit realisierte Peer-Projekt zur
Implementierung von Punkt-Nüchternheit junger Menschen im Straßenverkehr,
implementiert und evaluiert von der Hochschule Magdeburg-Stendal in Sachsen-
Anhalt (Deutschland). Das ist zweitens das Projekt „Mehr Spaß mit Maß“, eine
gesellschaftlich breit angelegte Alkoholprävention für junge Menschen, imple-
mentiert und umgesetzt von der Suchthilfe-Stiftung Maria Ebene und evaluiert
von der FH Vorarlberg (Österreich). Beide Projekte, und deren sozialwissen-
schaftliche Evaluationen, zeigen exemplarisch, dass und wie Temperenz modern
ausgelegt und in sozialen Arbeitskontexten sinnvoll umgesetzt werden kann. Die
dahinterstehende Philosophie von Temperenz bezeichnen wir hier als den
„T-Faktor“.
Ohne das Fazit dieser Arbeit bereits hier vorwegzunehmen, stellen wir mit
diesem Werk die These auf, dass der T-Faktor über die Jahrtausende nichts an
Aktualität eingebüßt hat. Inwiefern menschliches Leben sowohl phylogenetisch
– als menschliche Stammesgeschichte – als auch ontologisch – als Geschichte
individuellen Lebens – gelingt oder scheitert, hängt unter anderem auch davon
ab, ob Temperenz in Form von Verhaltens- und Strukturprinzipien gelebt und
verbreitet wird.
Unsere Arbeit wäre ohne Hilfe kompetenter Kolleginnen und Kollegen
kaum entstanden. Seitens der FH Vorarlberg gilt daher der Dank: Prof. Dr. Rein-
hard Haller, Leiter der Stiftung Maria Ebene und Projektleiter, für sein Vertrauen
in die externe Evaluation. Martin Hefel, anfänglicher Projektkoordinator, für die
optimale Kooperation. Andreas Prenn, weiterführender Projektkoordinator, und
seinem zentralen Projektmitarbeiter, Pascal Keiser, für dieselbe sehr gute Zu-
sammenarbeit. Dr. Martina Battisti, Christine Ringler und Dr. Pascale Roux für
ihre wertvolle wissenschaftliche Mitarbeit in den verschiedenen Phasen der Eva-
luation und nicht zuletzt dem Rektorat und der Geschäftsführung der FH Vorarl-
berg dafür, über die Jahre die erforderlichen Ressourcen bereitgestellt zu haben.
Ein zusätzlicher und besonderer Dank geht an Dr. Hans Gruber, Bibliothekar der
FH Vorarlberg für seine hilfreiche Gelehrsamkeit in Bezug auf den Parforceritt
durch die abendländische Temperenzphilosophie und an Elisabeth Wicke, Bür-
germeisterin von Mellau, für ihre ebenso hilfreichen Anregungen über das Mit-
telalter.
Seitens des An-Institutes MISTEL an der Hochschule Magdeburg-Stendal
gilt der erste Dank den vielen Studierenden, die sich als Peers für ihre gleichalt-
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rigen FahranfängerInnen engagiert haben, in Sachsen-Anhalt, Deutschland und
Europa. Allen voran ist Marcel Christoph zu danken, heute Diplom-
Gesundheitswirt, der noch als Student das innovative PEER-Projekt an Fahr-
schulen erfunden hat, es in drei wichtigen Entwicklungsstufen koordiniert und
noch heute in mehreren Regionen beim weiteren Aufbau berät. Nach ihm sind
die gegenwärtig in Magdeburg und Umgebung aktiven Studierenden, allen voran
Martin Wollbrandt, zu nennen, ferner Thomas Stegelitz, der nach seinem Ex-
amen als Politologe eingestiegen ist, um eine weitere europäische Projektphase
vorzubereiten. Nicht zuletzt gilt unser Dank Prof. Dr. M.F. Kraus, der stets be-
reitsteht, um wichtige analytische und statistische Aufgaben zu lösen und auch
hier die externe Evaluation bewerkstelligt hat. Die Förderer aus dem Projektbei-
rat werden an geeigneter Stelle in der Projektdarstellung vorgestellt. Die mate-
riellen Förderer aus Land, Bund und Europäischer Kommission aus den jeweili-
gen Gesundheits- oder Jugendressorts werden hier ebenfalls mit Dank bedacht,
wissen aber sicher auch, dass sie mit weiteren Vorschlägen und Förderanträgen
zu rechnen haben.
Viel Freude beim Lesen wünschen Ihnen
Frederic Fredersdorf & Wolfgang Heckmann
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Inhaltsverzeichnis
1. Temperenz …………………………………………………..……… 15
2. Philosophie und Geschichte der Temperenz ………………….…..… 23
2.1 Frühzeit und Antike ………………………………………..….. 23
2.2 Mittelalter ……………………………………………….…….. 43
2.3 Neuzeit ………………………………………………….……... 53
3. Peers gegen Disko-Unfälle – eine Initiative führt
von Sachsen-Anhalt nach Europa ………………………………….. 83
3.1 Das Projekt …………………….….…………………………… 89
3.2 Die externe Evaluation ……..….….…………………………… 104
3.3 Die Verbreitung in Deutschland .….…………………………… 114
3.4 Der Weg nach Europa ………….….…………………………… 125
4. Mehr Spaß mit Maß in Vorarlberg ….……………………………… 143
4.1 Das Projekt ………………….………………………………… 147
4.2 Die externe Evaluation …….………………………………….. 148
4.3 Sektor Gemeinden ……….……………………………………. 154
4.4 Sektor Handel ……...…….……………………………………. 166
4.5 Sektor Gastronomie …..….……………………………………. 178
4.6 Sektor Verkehr ……..…………………………………………. 186
4.7 Sektor Frauen/Mädchen …………………………….…………. 200
4.8 Sektor Multiplikatoren …..………………………….…………. 210
4.9 Sektor Ärzte ………….….………………………….…………. 225
5. Gesundheit! ………..………………………………………..……… 231
Literatur ……………………..………………………………………..….. 235
Die Autoren …..……..…………………………………………………….. 247
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Tabellenverzeichnis
Tab. 1 Aktivitäten der Projektpartner im LPPF ………………………... 118
Tab. 2 Anzahl der Anschriften von Fahrschülerinnen und
Fahrschülern für eine Post-Befragung ………………………….. 121
Tab. 3 Besuche der Projektpartner vor Ort …………………………….. 128
Tab. 4 Beginn der Peer-Vorbereitung und Geschlechtsverteilung …….. 131
Tab. 5 Rückmeldungen der Fahrschüler/innen (06/07; Stand: Juni 2007) 133
Tab. 6 Themenkatalog zur Bewertung der „Peer-Drive Clean!“ ………. 136
Tab. 7 Anzahl der erreichten Fahrschüler/innen nach Geschlecht ……... 139
Tab. 8 Verkehrsunfälle in Österreichischen Bundesländern …………… 192
Tab. 9 Trenddifferenzen zu alkoholbedingten Verkehrsvorkommnissen
in Österreichischen Bundesländern ……………………………... 193
Tab. 10 Aktivitäten des Mädchenzentrums im Sektor Frauen/Mädchen .. 204
Tab. 11 Bekanntheit von Präventionsmaßnahmen der SUPRO ………… 217
Tab. 12 Durchführung von Präventionsmaßnahmen der SUPRO ………. 218
Tab. 13 Strategische Verankerung schulischer Suchtprävention ………... 220
Tab. 14 In Kollegien angesprochene Präventionsthematiken ………….... 222
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Getötete 18- bis 24-Jährige nach Art der Verkehrsbeteiligung .… 94
Abb. 2 Motive der Peers für Mitarbeit in „Peer-Drive Clean!“ ………… 132
Abb. 3 Pressebericht zur Zwischenauswertung von „Peer-Drive Clean!“
(Bezirksbote vom 13. September 2007) ………………………… 135
Abb. 4 Mystery-Shoppings in Vorarlberg (Sektor Handel) zwischen
04/04 und 12/07 – Alkoholverkäufe (prozentual) …………….. 169
Abb. 5 Mystery-Shoppings bei Vorarlberger Präventionspartnern im
Sektor Handel zwischen 04/04 und 12/07 –
Alkoholverkäufe (prozentual) ……………..……………………. 170
Abb. 6 Mystery-Shoppings in Vorarlberger Gastronomiebetrieben
zwischen 04/04 und 12/07 – Alkoholverkäufe (prozentual) …… 181
Abb. 7 Entwicklung alkoholbedingter Verkehrsauffälligkeiten
zwischen 04/04 und 12/08 – absolut ……………………………. 194
Abb. 8 Entwicklung alkoholbedingter Verkehrsauffälligkeiten zwischen
04/06 und 12/08 – in Relation zur Anzahl der Alkovortests …… 195
Abb. 9 Entwicklung alkoholbedingter Verkehrsauffälligkeiten zwischen
11/06 und 12/08 – in Relation zur Anzahl der Alkovortests ……. 197
Abb. 10 Logarithmische Autokorrelation der Anzeigen nach §5 StVO
und §14/8 FSG in Vorarlberg zwischen 04/04 und 12/08 ………. 198
Abb. 11 Kreuzkorrelation zwischen Alkovortests und Anzeigen nach
§5 StVO und §14/8 FSG in Vorarlberg zw. 04/06 und 12/08 ….. 199
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