Table Of ContentBereich und Zielsetzung Aims and scope
Jede Tierart, auch die der Haustiere, befindet Each animal species, including domestic ani
sich in ihrer Entstehungsgeschichte in einer mals, develops in the course of its evolution a
sie formenden Wechselbeziehung zu ihrer nä reciprocal relationship to every aspect of the
heren und weiteren, belebten und unbelebten environment. This adaption is so slow that
Umgebung. Dieser Prozess der Anpassung compared with a human lifetime it seems to be
verläuft so langsam, dass er uns in der Zeit static. As a result of this action single animals
spanne unseres Lebens als statisch vorkom show manifold behaviour pattern towards
men muss. Die einzelnen Tiere haben vielfälti their companions and towards the creatures
ge Verhaltensformen zu ihren Artgenossen and plants of their environment. This con
und zu den tierischen und pflanzlichen Lebe stant readiness and capability to adapt to ever
wesen der Umgebung ausgebildet. Diese stän changing surroundings, the various limits of
dige, mit den natürlichen Umgebungsbedin physiological and ethological adaption, allows
gungen wechselnde Bereitschaft und Fähig forms of animal management wh ich are eco
keit des Organismus, sich auf die fliessenden logically balanced and adequate to animal re
Veränderungen der Biosphäre einzustellen, al quirements.These aspects, which are of far
so die engeren und weiteren Grenzen des phy wider interest than those of production and
siologischen und ethologischen Anpassungs revenue, are to be investigated extensively.
bereiches, lassen Haltungsformen zu, die öko
logisch sinnvoll und tiergerecht sind. Diese Animals are autonomous creatures, even if
weit über die ausschliesslichen Nutzungs- they depend on human beings. We share and
und Produktionseigenschaften hinausgehen depend on the biosphere with the animals and
den Aspekte wollen wir umfassender und ver this compels us to responsibility. This ever
tieft kennenlernen. changing, living relationship of humans and
animals is the basis for our respect of our ani
Auch die vom Menschen in Abhängigkeit ste mal cohabitants.
henden Tiere sind eigenständige Lebewesen.
Die Verantwortung des Menschen begründet There is a need for test conclusions in the
sich aus der Tatsache, mit dem Tier in dersel field of ecology, ethology and health. This col
ben Biosphäre zu leben und wie das Tier von lected information is intended to serve as a
ihr abhängig zu sein. Aus diesem lebendigen, reference and basis for the realization of eco
veränderlichen Verhältnis des Menschen zum logically sound animal management based on
Tier ergibt sich notwendig eine Basis der Re the animals' requirements.
spektierung und Achtung unserer tierischen
Partner. This series and it's sources of information are
intended to be a symposium for the many dif
Es besteht ein Bedürfnis für Forschungsergeb ferent disciplines and professions dealing
,nisse auf dem ökologisch-ethologischen und with animal management.
gesundheitlichen Gebiet. Diese sollen gesam
melt als breite Informationsbasis dienen und The series offers space for well-founded test
die Voraussetzung zum Aufbau und zur Reali conclusions and critical discussions.
sierung von ökologisch sinnvollen und tier
entsprechenden Haltungsformen bilden.
Diese Reihe hat als Informationsquelle Brük
kenfunktion zwischen den verschiedenen an
der gesunden Tierhaltung beteiligten Diszipli
nen und Berufsgruppen.
Die Reihe bietet Raum für fundierte Versuchs
und Untersuchungsergebnisse und darauf fus
sende kritisch diskutierte Überlegungen.
TH22
Tierhaltung, Band 22
Animal Management, Vol. 22
Herausgegeben von:
Univ. Doz. Dr. H. Bartussek Prof. Dr. E. Boehncke
Bundesanstalt für Gesamthochschule Kassel
alpenländische Landwirtschaft Fachbereich Landwirtschaft
Gumpenstein D-3430 Witzenhausen
A-8952 Irdning
PD Dr. D. W. Fölsch Dr. J. TroxIer
Institut für Nutztierwissenschaften Eidg. Forschnngsanstalt für
Physiologie und TIerhaltung Betriebswirtschaft und Landtechnik
ETH-Zentrum PrüfsteHe für StaUeinrichtnngen des BVET
CH-8092 Zürich CH - 8356 Tänikon
Schriftleitung: Priv.-Doz. Dr. D. W. Fölsch
Wissenschaftlicher Beirat
W. Angst, Basel, CH J. B. Ludvigsen, Kopenhagen, DK
H. Bartussek, Irdning, A H. Mommsen, Frankfurt, D
M. A. S. Bates, Stanford, GB J. F. Obermaier, Darmstadt, D
G. C. Brantas, Beekbergen, NL G. Preuschen, Scherneck, D
H. Bruhin, Basel, CH J. Cl. Ruwet, Liege, B
o. Buess, Sissach, CH H. H. Sambraus, München, D
M. Cena, Wroclaw, PL M. W. Schein, Morgantown, W. VA., USA
D. J. Coffey, Claygate, GB P. M. Schenk, Wageningen, NL
M. A. Crawford, London, GB E. Scheurmann, Giessen, D
J. Czak6, Gödöllö, H W. M. Schleidt, College Park, M. D., USA
W. Dietl, Zürich, CH U. Schnitzer, Karlsruhe, D
I. Ekesbo, Skara, S G. H. Schwabe, Plön, D
Y. Espmark, Trondheim, N D. Senn, Basel, eh
R. Ewbank, Liverpool, GB P. B. Siegel, Blacksburg, VA., USA
M. W. Fox, Washington, D. C., USA E. Stephan, Hannover, D
A. Gigon, Zürich, CH G. Tembrock, Berlin, DDR
G. Graefe, Donnerskirchen, A J. Troxler, Tänikon, CH
A. Grauvogl, Grub, D E. Trumler, Birken-Königsessen, D
P. Gutknecht, Mülhausen, F B. Tschanz, Bern, CH
J. C. Guyomarc'h, Rennes, F H. Vogtmann, Witzenhausen, D
J. Hess, Basel, CH H. Wackernagel, Basel, CH
J. K. Hinrichsen, Giessen, D R. G. Warner, Ithaca, N. Y., USA
R. J. Holmes, Palmerston North, NZ W. H. Weihe, Zürich, CH
B. O. Hughes, Edinburgh, GB P. R. Wiepkema, Wageningen, NL
J. F. Hurnik, Guelph, CND E. Wolff, München, D
M. Kiley-Worthington, Brighton, GB K. Zeeb, Freiburg, D
F. Koväcs, Budapest, H E. Zirnen, Waldhäuser, D
P. Leloup, Aesch, CH V. Ziswiler, Zürich, CH
Birkhäuser Verlag
Basel· Boston· Berlin
Beat Wechsler
HansSchmid
HeidiMoser
Der Stolba-Familienstall
für Hausschweine
Ein tiergerechtes
Haltungssystem für
Zucht-und Mastschweine
Springer Basel AG
Danksagung:
Die Autoren danken dem Kantonalen Züricher TIerschutzverein, der durch einen großzügigen
Druckkostenbeitrag eine wesentliche Senkung des Buch-Ladenpreises ermöglichte.
Adresse der Autoren:
Dr. B. Wechsler
Dr. H. Schmid
Dr. H. Moser
Arbeitsgruppe Nutztierethologie
Zoologisches Institut
Universität Zürich
Winterthurstr. 190
CH-8057 Zürich
Die Umschlagabbildung zeigt den für den Stolba-Familienstall typischen Laktationsöstrus. Ob
wohl die Sauen ihre Ferkel noch säugen, können sie erneut gedeckt werden. Dadurch müssen die
Ferkel nicht vorzeitig abgesetzt werden. Zucht- und Mastschweine können in stabilen Familien
gruppen gehalten werden, was dem natürlichen Sozialsystem der Hausschweine entspricht. Zeich
nung: Jochen C. Krause
CIP-Dtelaufnahme der Deutschen Bib60thek
Wechsler, Beat:
Der Stolba-Familienstall für Hausschweine: ein tiergerechtes
Haltungssystem für Zucht-und Mastschweine / Beat Wechsler
Hans Schmid ; Heidi Moser. - Basel ; Boston ; Berlin : Birkhäuser, 1991
(TIerhaltung ; Bd. 22)
NE: Schmid, Hans:; Moser, Heidi:; GT
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung,
des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung,
der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege
und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben,
auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.
Die Vergütungsansprüche des § 54, Abs. 2 UrhG werden durch die
>>Verwertungsgesellschaft Wort«, München, wahrgenommen.
@1991 Springer Basel AG
Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag 1991.
ISBN 978-3-0348-5634-8 ISBN 978-3-0348-5633-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-5633-1
5
Inhaltsverzeichnis Seite
1. Einleitung und Überblick 7
2. Das Verhalten von Hausschweinen in einem Freigehege 9
2.1. Nutztierhaltung -ein Sonderfall? 9
2.2. Das Freigehege in Edinburgh 10
2.3. Die Tagesaktivität 11
2.4. Soziale Beziehungen 15
2.5. Die Reproduktion 16
2.6. Das Wildschwein im Hausschwein 19
3. Die evoluierte Verhaltens steuerung 21
3.1. Funktionen und Ziele des Verhaltens 21
3.2. Die artspezifische Umwelt 24
3.3. ~ie arttypischen Verhaltenselemente 25
3.4. Anderungen der Handlungsbereitschaft 26
3.5. Verhaltensprobleme in intensiven Haltungssystemen 28
3.6. Was ist ein tiergerechtes Haltungssystem? 32
4. Der Stolba-Familienstall 35
4.1. Die Umsetzung der Geländestrukturen 35
4.2. Das Verhalten im Stolba-Familienstall 38
4.3. Die Komponenten des Haltungssystems 42
5. Produktionsdaten im Stolba -Familienstall 45
5.1. Die Versuchsställe in Edinburgh 45
5.2. Der Betriebsablauf in den Versuchsställen 47
5.3. Wurfgrösse und Aufzuchtserfolg 49
5.4. Laktationsöstrus 54
5.5. Mastleistung 57
5.6. Strohbedarf und Entmistung 59
6. Eine Untersuchung zum Problem des Ferkelerdrückens 60
6.1. Versuche im Stolba-Familienstall 60
6.2. Verhaltens sicherungen gegen das Erdrücken 63
6.3. Die Wichtigkeit des Schnauzenkontaktes im Nest 65
6.4. Eine verhaltensgerechte Abferkelbucht ohne Fixierung der 69
Muttersau
6
7. Verfahrenstechnische Weiterentwicklung des Stolba-Familienstalles 71
7.l. Ziele und Rahmenbedingungen der Weiterentwicklung 71
7.2. Die Umgestaltung der Nestareale 72
7.3. Die Rationalisierung der Fütterung 75
7.4. Zur Verhaltenssteuerung des Kotens und Urinierens 76
7.5. Das Anbieten von Beschäftigungsmaterialien 78
7.6. Pläne für einen Stolba-Familienstall in der landwirtschaftlichen 81
Praxis
8. Literaturverzeichnis 84
9. Zusammenfassung 91
10. Summary 93
ll. Dankwort 95
7
1. Einleitung und Überblick
Für einen Verhaltensforscher ist es verlockend, sein Forschungsinteresse auf exoti
sche Tierarten zu richten und diese in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobach
ten. Auch Alex Stolba ging zunächst diesen Weg. In seiner Dissertation untersuchte
er das Sozialverhalten freilebender Mantelpaviane in Äthiopien. Dann aber erkann
te er die Bedeutung der an gewandten Ethologie und begann, sich am Beispiel der
Hausschweine mit der Problematik der Nutztierhaltung auseinander zu setzen.
Von Anfang an stellte sich Alex Stolba auf den Standpunkt, dass sich die Verhal
tensprobleme der Schweine in Intensivhaltungen nicht durch ethologische Unter
suchungen in eben diesen Haltungssystemen lösen lassen. Als ausgebildeter Zoologe
wollte er sich ein umfassendes Wissen über das Verhaltenspotential und die Verhal
tenssteuerung der hochgezüchteten Hausschweine aneignen. Zu diesem Zweck be
obachtete er von 1978 bis 1980 Hausschweinegruppen in einem naturnahen Freige
hege an der Universität Edinburgh. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden
von Alex Stolba in Fachzeitschriften publiziert und auch auf Film festgehalten. Sie
werden in Kapitel 2 des vorliegenden Bandes zusammengefasst.
Erst in einem zweiten Schritt setzte Alex Stolba sein ethologisches Wissen in ein
tiergerechtes Haltungssystem für Hausschweine um. Er entwickelte den Stolba
Familienstall, dessen "Möblierung" den Schweinen innerhalb des Stallgebäudes
eine Kunstnatur bietet, die arttypische Verhaltensweisen auslöst und steuert.
Kapitel 3 erläutert die Grundlagen des Verhaltens aus der Sicht des Zoologen.
Anhand konkreter Beispiele aus dem Verhalten der Hausschweine werden die
Grundzüge der Verhaltenssteuerung von Tieren dargelegt. Vor diesem Hinter
grund wird deutlich, wo die Verhaltensprobleme von Tieren in intensiven Hal
tungssystemen liegen und welche Anforderungen ein tiergerechtes Haltungssystem
zu erfüllen hat. Anschliessend wird in Kapitel 4 der Stolba-Familienstall als Hal
tungssystem vorgestellt und das Verhalten der Hausschweine in diesem Haltungs
system beschrieben.
Ein tiergerechtes Haltungssystem muss selbstverständlich auch den Anforderungen
der landwirtschaftlichen Produktion genügen. Im Anschluss an die Entwicklung
des Stolba-Familienstalles konnten von 1982 bis 1985 vier Einheiten dieses Hal
tungssystems an der Landwirtschaftlichen Schule der Universität Edinburgh unter
Praxisbedingungen getestet werden. Heidi Moser hat im Rahmen ihrer Dissertation
über diesen Zeitraum hinweg Produktionsdaten im Stolba-Familienstall erhoben.
Ihre Resultate sind in Kapitel 5 zusammengestellt.
1982 kehrte Alex Stolba in die Schweiz zurück und übernahm die Tiergarten
biologie-Assistenz des Zoologischen Instituts der Universität Zürich. Mit Unter
stützung des Schweizerischen Nationalfonds errichtete er 1983 an der Kantonalen
Landwirtschaftlichen Schule Strickhof in Eschikon-Lindau bei Zürich erneut einen
8
Stolba-Familienstall und führte seine Verhaltensbeobachtungen weiter. Während
Alex Stolba sich hauptsächlich den Verhaltensursachen des im Stolba-Familienstall
regelmässig auftretenden Laktationsöstrus widmete, begann Hans Schmid, das Pro
blem des Ferkelerdrückens zu untersuchen. In seiner Dissertation beschreibt er die
Verhaltensmechanismen von Sau und Ferkeln, die dem Erdrücken vorbeugen kön
nen. Auch er setzte sein ethologisches Wissen um, indem er eine verhaltensgerechte
Abferkelbucht ohne Fixierung der Muttersau entwickelte (Kapitel 6).
Völlig unerwartet verstarb Alex Stolba 1987. Das grosse Interesse, das seine
Verhaltensbeobachtungen an Hausschweinen und der Stolba-Familienstall national
und international ausgelöst hatten, bestärkte Prof. H. Kummer in seinem Entscheid,
das Projekt Stolba-Familienstall nicht so abrupt abbrechen zu lassen. Beat Wechsler
übernahm die Leitung der Arbeitsgruppe Nutztierethologie an der Abteilung
Ethologie und Wildforschung des Zoologischen Instituts der Universität Zürich
mit dem Ziel, den Stolba-Familienstall bis zur Praxisreife weiter zu entwickeln.
Basierend auf den mehrjährigen Erfahrungen mit diesem Haltungssystem und in
Zusammenarbeit mit Fachleuten aus dem landwirtschaftlichen Bauwesen wurde
eine neue, verfahrenstechnisch verbesserte Version des Stolba-Familienstalles
entworfen (Kapitel 7). Sie konnte 1989 durch einen Umbau der Buchten im Ver
suchsstall an der Kantonalen Landwirtschaftlichen Schule Strickhof getestet wer
den. Die positiven Erfahrungen mit dieser neuen Version ermutigten uns, den
Schritt in die landwirtschaftliche Praxis zu vollziehen. Im Winter 1990/91 wird auf
einem Praxisbetrieb bei Zürich ein Stolba-Familienstall für 3 Familiengruppen mit
je 4 Sauen gebaut. Die Arbeitsgruppe Nutztierethologie wird diesen Betrieb wäh
rend drei Jahren begleiten.
Der vorliegende Band verfolgt zwei Ziele. Zum einen soll am Beispiel des Stolba
Familienstalles aufgezeigt werden, wie wichtig ein fundiertes Wissen über das
Normalverhalten einer Tierart bei der Entwicklung neuer, tiergerechter Haltungs
systerne ist. Die im Stolba-Familienstall eingebaute "Möblierung" sowie die Idee
der kombinierten Haltung von Zucht- und Mastschweinen in stabilen Familien
gruppen sind das Ergebnis der eingehenden Verhaltensbeobachtungen im natur
nahen Freigehege in Edinburgh. Zum andern sollen die bis jetzt gemachten Erfah
rungen mit dem Stolba-Familienstall zusammenfassend dargestellt und einer brei
ten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wir hoffen, dass wir dadurch auch
Landwirte erreichen, die sich für den Stolba-Familienstall als tiergerechtes
Haltungssystem für Hausschweine interessieren.