Table Of ContentDer Polos,
die griechische Qötterkrone
INAUG URAL-DISSERTATION
ZUR
ERLANGUNG DER DOKTORWÜRDE
GENEHMIGT
VON DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT
DER
FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT
ZU BERLIN
VON
Valentin Kurt Müller
aus Berlin
Tag der Promotion: 24. Februar 1915.
Referenten:
Professor Dr. G. Loeschcke
Professor Dr. Ed. Meyer
Druck der Universitäts-Buchdruekerei von Gustav Schade (Otto Francke),
Berlin und Bernau.
Dem Andenken meines Vaters
Inhalt.
Die Aufgabe....................... V Seite
Die Entwicklung der Form:................ 11
1. Die kretisch-mykenische Zeit............ 11
2. Die archaische Zeit................ 24
3. Der freie Stil des 5. Jahrhunderts......... 35
4. Die spätere Zeit.................. 42
5. Zusammenfassung................. 45
6. Die Mauerkrone.................. 46
Die Verbreitung des Polos bis ins 5. Jahrhundert........ 51
Das Wesen des Polos................... 55
1. Die ältere Zeit:.................. 55
a) Göttinnen................... 56
b) Götter..................... 71
c) Tote...................... 74
d) Sterbliche................... 81
e) Die „Brautkrone"................ 85
2. Die jüngere Zeit.................. 88
Die Benennung..................... 101
Die Aufgabe.
In seinen Osservazioni istoriche sopra alcuni Medaglioni
antichi all'Altezza serenissima di Cosimo III, Roma 1698,
verwirft Filippo Buonarotti mit bemerkenswerter Kühnheit
die antiken Deutungen des Polos als Korb für die Feldfrüchte
oder Maß aller Dinge, die Suidas, Rufinus und Macrobius
geben, und stellt eine eigene neue auf. S. 216 beschreibt
er eine Münze mit der Darstellung des Zeus Kariös und,
wohl durch die säulenartige Form des Unterkörpers veranlaßt
, meint er, auch der Polos wäre ein Überbleibsel von
der altertümlichen und rohen Form der Säulenidole,
das die Bildhauer, die allmählich die völlige menschliche
Ausarbeitung lernten, stehen ließen, um Opfergaben wie
auf einen Altar darauf zu legen. Als Bezeichnung behält er,
wie man auch aus seiner Beschreibung des Sarapis S. 273
sieht, die antike „calato o modio" bei und erldärt S. 243
den Polos der Tyche des Bupalos, den Pausanias bezeugt,
für den Himmel.
Winckelmann in seiner vor nunmehr 150 Jahren erschienenen
Geschichte der Kunst des Altertums, 9. Buch
3. Kapitel § 3, vermutet in dem Polos, den er versehentlich
den Apollostatuen des Kanachos zuschreibt, einen „Nimbus
oder runden Kreis, mit welchem wir das Haupt der Heiligen
zu umgeben pflegen, der besonders den Figuren dieser Gottheit
als der Sonne beigelegt wäre". Als Stütze führt er eine
Glosse des Hesych ttoÄoq- xuxXog xae tützoq xopuörjQ xuxkoeidrjq an.
G3rhard sah bei der zu seiner Zeit herrschenden mythologischen
Spekulation, die überall Mysterien angedeutet fand,
in jeder Rundung ein Symbol des Himmels, in der Göttin
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die Erdgöttin, die sich mit dem Himmel verbindet, und
suchte den Polos in der halbkreisförmigen Stephane1).
Veranlaßt durch die Bedeutung des Wortes Polos bei
Atlas als Himmelskugel werden dann auch die drei von
Pausanias bezeugten Poloi von Siebeiis und neuerdings
von Frazer in ihren Kommentaren2) als Himmel aufgefaßt.
Eine eigene Deutung stellte wieder Visconti auf3).
Es sei „un objet concave, espece de casque ou bonnet",
ähnlich der phrygischen Mütze und dem Apex. Wie seine
Vorgänger trennt auch er den Polos von dem zylindrischen
Aufsatz, den man ja besonders bei Sarapis fand und nach
den antiken Zeugnissen (S. 94) für ein Symbol der Fruchtbarkeit
und den chthonischen Gottheiten eigen erklärte:
Winckelmann a. a. O. Buch 5 Kapitel 1 § 30; Gerhard,
Bilderkreis von Eleusis = Ges. Abh. II S. 396 Anm. 163, 180.
Diese Deutung und der Name Kalathus oder Modius blieben
in der Folgezeit die weitaus häufigsten: z. B. Stephani, der
aber die griechische Bezeichnung Kalathos vorgezogen
wissen wollte und in seiner bekannten Art zum Nutzen seiner
Nachfolger mit größter Gelehrsamkeit die literarischen
Zeugnisse sammelte, Compte-rendu 1865 S. 23 ff. Friederichs-
Wolters zu 1629; Bertrand, Comptes-rendus de l'Academie
des Inscr. et des B. Lettres 1887 S. 440; Saglio in Darem-
berg-Saglio „calathus" S. 813 f.
Daneben konnte die, wie ich am Schluß zeige, richtige
Gleichsetzung von Polos und „Kalathus" nicht aufkommen.
Sie vertrat vor allem Böttiger in der Amalthea III S. 157
auf Grund der bei Hesych angegebenen Bedeutung „Achse,
Zylinder". Doch behielt er die Deutung als Fruchtbarkeitssymbol
bei und nahm die Bedeutung „Himmelskugel" als
eine später entwickelte an4).
»J Akad. Abh. II S. 104 ff.; Prodromus S. 6.
2) Siebeiis I S. 189; Frazer I S. 334.
s) Museo Pio-Clementino II S. 94.
') Nach Visconti a. a. O. 95 hätte auch schon Fea in den Anmerkungen
zu seiner italienischen Übersetzung Winckelmanns, Rom
1783, diese Gleichsetzung behauptet, doch ist dies m. E. ein Irrtum;
Description:Relief in Kadyanda: Fellows, Lycia S. 116 ff., Petersen- v. Luschan, Reisen in Lykien S. 193 Anm. 1. Münze des 5. Jahrh. von Kyzikos, von Fritze,