Table Of ContentBernd Stiegler
DER MONTIERTE MENSCH
Bernd Stiegler - 978-3-8467-5976-9
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Bild und Text
herausgegeben von
GOTTFRIED BOEHM
GABRIELE BRANDSTETTER
BERND STIEGLER
begründet von
GOTTFRIED BOEHM
KARLHEINZ STIERLE
Bernd Stiegler - 978-3-8467-5976-9
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Bernd Stiegler
DER MONTIERTE MENSCH
Eine Figur der Moderne
Wilhelm Fink
Bernd Stiegler - 978-3-8467-5976-9
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Umschlagabbildung:
Der Mensch als Industriepalast (Ausschnitt),
Beilage zu Fritz Kahn, Das Leben des Menschen, Stuttgart 1922-31
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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© 2016 Wilhelm Fink, Paderborn
Wilhelm Fink GmbH & Co. Verlags-KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn
Internet: www.fink.de
Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München
Printed in Germany
Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn
ISBN 978-3-7705-5976-3
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für Felix H.
in Dankbarkeit & Freundschaft
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Inhalt
Einleitung .................................................. 9
I. TECHNIK UND PSYCHOTECHNIK:
DIE TECHNISCHE EINSTELLUNG DES MENSCHEN ....... 25
Einleitung ............................................. 27
1. Psychotechnik in Deutschland und Rußland:
Der allgemeine Mensch .................................. 41
2. Fritz Giese: Psychotechnik als deutsche Aufgabe ................ 67
3. Frank Bunker Gilbreth: Normalisierung als Lebenskunst ......... 87
II. TECHNIK UND MEDIEN:
DIE MEDIALE EINSTELLUNG DES MENSCHEN ........... 123
Einleitung ............................................... 125
1. Film und Montage in Rußland ............................. 131
1.1 Dsiga Wertow: Der Film als reflexologisch-politisches
Laboratorium ...................................... 132
1.2 Sergei Eisenstein: Die Macht der Bilder ................... 153
2. Technikphotographien: Aufnahmen aus dem Reich der Freiheit
und der Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
3. Die Photomontage: Kalkulierte Explosionen ................... 223
III. TECHNIK UND ÄSTHETIK:
DIE VISUELLE EINSTELLUNG DES MENSCHEN ........... 257
Einleitung ............................................... 259
1. Visuelle Alphabetisierung I: Technische Bildwelten .............. 265
1.1 Fritz Kahn: Im Inneren der Mensch-Maschine
1.2 Otto Neurath: Gesellschafts- und Aufklärungstechnik ........ 276
1.3 Jan Tschichold: Nach dem Gutenbergzeitalter .............. 285
2. Visuelle Alphabetisierung II: Photographische Alphabetisierung .... 297
3. Die photographische Alphabetisierung des Arbeiters ............ 323
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8 INHALT
EPILOG ................................................... 339
Die technische Mobilmachung: Ernst Jünger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
DANK .................................................... 361
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ................................ 363
NAMENREGISTER ......................................... 371
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Einleitung
„Handbewegung und Erlebnis, Körperhaltung und
Einsatz, Mensch und Maschine, immerfort gleich.“
Egon Erwin Kisch1
Der Begriff „Montage“ hat bekanntlich eine doppelte Bedeutung: Einerseits be-
zeichnet er als filmisches Verfahren die Bearbeitung des belichteten Materials bzw.
in der Photographie die Verwendung von Bildern und visuellen Elementen für eine
neue Komposition. Andererseits kennzeichnet er eine industrielle oder zumindest
technische Fertigung im Sinne eines Zusammenfügens vorgefertigten Materials.
Damit sind zwei sehr unterschiedliche epistemische Felder benannt: die Ästhetik
und die Technik. Während das eine bis hinein in die Moderne ein Reich der Frei-
heit oder zumindest des Widerstands und der Kritik ist, gilt das für das andere
nicht: Hier gilt das Gesetz der Zweckrationalität, ohne die das zusammengesetzte
Produkt nicht funktionieren würde. In diesem Sinne wurden auch die beiden se-
mantischen Felder des Begriffs „Montage“ zumeist streng voneinander getrennt:
die ästhetische wurde als Kritik an der industriellen Montage begriffen, das Prinzip
der künstlerischen Montage als jenem der mechanischen diametral entgegenlau-
fend aufgefaßt:
„Montage als industrielle Fertigungstechnik und künstlerisches Verfahren kenn-
zeichnet ein grundlegender Unterschied. Die eine setzt Teile aus gleichartigem Ma-
terial zu einem funktionalen Ganzen zusammen, während die andere zunächst den
Effekt des Dysfunktionalen sucht, indem sie Materialien, die gerade nicht zusam-
menpassen, aus ihren Herkunfts- und Funktionszusammenhängen reißt, um sie in
der künstlerischen Bearbeitung einem neuen Kontext einzufügen, der geeignet ist,
gerade auch über den ursprünglichen Zusammenhang eine Aussage zu machen.“2
So lautet die Definition im Katalog einer Marbacher Ausstellung, die so etwas wie
den common sense einer traditionellen Montagetheorie resümiert. Doch trifft diese
Bestimmung wirklich zu? Lassen sich die beiden Bereiche der Theorie wie auch der
Praxis der „Montage“ so scharf trennen, wie man es sich offenkundig wünscht?
1 Egon Erwin Kisch, Paradies Amerika, Berlin/Ost 1948, S. 298.
2 Ulrich Ott (Hg.), Literatur im Industriezeitalter, 2 Bde., Bd. 2, Marbach 1987 (= Ausstel-
lungskatalog Deutsches Literaturarchiv im Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar),
S. 732.
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10 EINLEITUNG
Ich möchte versuchen, in diesem Buch eine andere Geschichte der Montage zu-
mindest in Bruchstücken zu rekonstruieren. Sie folgt einem eigentümlichen roten
Faden, der sich durch zahlreiche Texte und Dokumente der Zeit zwischen den spä-
ten 1910er bis in die 1940er Jahre zieht: der Vision eines neuen, eines montierten
Menschen. Dieser sei, so wollen es unisono Psychotechniker und Literaten, Ingeni-
eure und Filmemacher, Architekten und Photographen, Tayloristen und Künstler,
technisch neu zu konstruieren. Vor einem Jahrhundert wurde die alte Idee eines
Maschinenmenschen wiederbelebt, technologisch aktualisiert und neu ausformu-
liert und avancierte zur Zentralmetapher von Kulturdiagnosen, Gesellschaftsvisio-
nen und Medientheorien. Anders als bei den Visionen eines La Mettrie und ande-
ren greift nun die Metapher auf die konkrete gesellschaftliche Praxis über. Sie steht
im Hintergrund der neu entstandenen Montagepraktiken der russischen Avantgar-
defilme, der sich nun rasch verbreitenden Arbeitswissenschaft und Psychotechnik,
weiter Teile der künstlerischen Strömungen der Zeit und nicht zuletzt auch politi-
scher Theorien zwischen Nationalsozialismus und Stalinismus. Wenn man verste-
hen will, welche Bedeutung die Technik für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts
hat, so gilt es zuallererst diese Leitmetapher des „montierten Menschen“ in den
Blick zu nehmen. Es geht um nichts Geringeres als um eine eigentümliche Figur
des politischen Imaginären, die mehrere Jahrzehnte lang höchst unterschiedliche
Gesellschaften umtreibt. Die Technik bildet dabei eine vermeintlich neutrale Zone,
von der aus die eminent politische Agenda einer Umgestaltung der Gesellschaft
und des Menschen in Angriff genommen wird. Dies geschieht in bemerkenswerter
Weise in höchst unterschiedlichen politischen Lagern, aber auch in einer Fülle sehr
heterogener epistemischer Felder. So wurden etwa der Taylorismus und die deut-
sche Arbeitswissenschaft in Sowjetrußland breit rezipiert und umgesetzt. Doch
auch wenn die politischen Systeme stark differierten, träumte man diesseits wie
jenseits des Atlantiks vom montierten Menschen. Zwischen den Vereinigten Staa-
ten, Europa und Rußland bildete die Technik eine Art Austauschzone, die ideolo-
gische und politische Neutralität garantierte. Wenn wir daher von Montage und
dem montierten Menschen sprechen, so haben wir es mit einem nahezu globalen
Phänomen zu tun, bei dem systematisch Ästhetik und Technik verschaltet werden.
Die Montagepraktiken der Kunst und Ästhetik sind ohne die Montageverfahren
der Industrie nicht vorstellbar, wie umgekehrt auch die tayloristischen Rationalisie-
rungsverfahren eines Frank Bunker Gilbreth eine neue, technische Art der Lebens-
kunst zu entwerfen suchen, die sich keineswegs auf die industrielle Produktions-
technik beschränkt. Und last but not least greifen die filmischen Montageverfahren,
die in den 1910er und dann vor allem 1920er Jahren entwickelt werden, auf ande-
re Weise auf Theorien der Rationalisierung, des Taylorismus, aber auch der psycho-
logischen Konditionierung zurück.
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