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(Montaigne, Des livres)
Ex Libris
Jose Mindlin
DER KRIEG
DER
TRIPLE-ALLIANZ
(KAISERTHUM BRASILIEN, ARGENTINISCHE CONFÖDERATION UND REPUBLIK
BANDA ORLENTAL DEL URUGUAY)
GEGEN.
4
DIE RE^IEROTGr DER REPUBLIK
PARAGUAY.
VON.
L. SCHNEIDER.
BAND I.
ME| vTER KARTEN UND EINEM PLAN.
BERLIN.
B. BEHR'S BUCHHANDLUNG (E. BOCK)
2T. UNTER J)BN LINDEN.
1872.
V o r w o r t.
jM.it Uebersetzung und Redaction der offiziellen und Correspondenz- Nachrich-
ten beschäftigt, welche der „Neuen Preussischen Zeitung" während des
ganzen Krieges der Triple* Allianz gegen den Dictator Lopez von Paraguay,
aus Süd-Amerika zugingen, konnte es nicht fehlen, dass aus der Arbeit selbst
ein grösseres Interesse an den dortigen militärischen und poUtischen Vorgängen
erwuchs, als sich im Allgemeinen in Europa für denselben zeigte. Sowohl die
ungewöhnliche Erscheinung eines — des ersten in Süd-Amerika -— in
grossem Maassstabe geffhrten Krieges, als die Probe, auf welche dadurch die
monarchisch-constitutionelle Regierungsform in Brasilien gestellt wurde, da das
Kaiserreich mit und gegen RepubUken zu kämpfen hatte, — die lange Dauer
des Krieges, — die ausserordentiichen Schwierigkeiten, welche die Kriegführung
zu überwinden hatte, — die vielfach politischen Momente, welche sich mit der
Absicht einmischten, zu vermitteln oder zu trennen, —'• .die Charaktere und
Persönlichkeiten, welche gegeneinander wirkten, — endlich aber die neue Phase,
welche dieser Krieg in die Entwickelung der ganzen Südhälfte des Amerika
nischen Continents einleiten musste, fesselten die Aufmerksamkeit über die
Arbeit des Augenblicks hinaus und führten zu einer eingehenden Beschäftigung
mit dem Studium des Kriegsschauplatzes, des Personals und Materials"der
gegenseitigen Streitkräfte und der diplomatischen Einwirkungen, so dass aus
der untergeordneten Arbeit der Uebersetzung und Zusammenstellung, unwill
kürlich eine selbstständige Arbeit wurde, deren Resultat ich in den „Mili-
tairischen Blättern" von v. Courbiere, später v. Glasenapp, in der
II
„Berliner Revue" und in der Brockhausischen Zeitschrift „Unsere Zeit"
niederlegte. Die in der zuletzt genannten Zeitschrift veröffentlichten Artikel
*;fan§enfdurch den Capitain des Französischen Generalstabes, Fix, in einer
Französischen Uebersetzung Eingang in den Pariser „Spectateur mili-
taire" und wurden dadurch auch über Deutschland hinaus bekannt. Die
^freundliche Anerkennung, welche ihnen von verschiedenen Seiten zu Theil wurde
und der dadurch hervorgerufene Wunsch, ein Gesammtbüd des ganzen Krieges
in gleicher DarsteUung zu besitzen, liess den Entschluss zur Herausgabe
des vorliegenden Werkes reifen, und vor den Schwierigkeiten nicht zurück-
schrecken, welche die weite Entfernung vom Kriegsschauplatze, die, trotz
aUer Mühe des Sammeins, doch immer noch lückenhaften Materialien, und das
durch mannigfache Partei-Interessen wesentlich getrübte Urtheil von Augen
zeugen, einem solchen Unternehmen entgegenstellten.
Erleichtert wurde die Arbeit allerdings durch die werthvollen Mittheilungen,
welche dem Verfasser durch den KönigUch Preussischen Major im grossen
Generalstabe, Freiherrn v. Versen,Üurch den Kaiserlich Brasilianischen Major
Emmerich in Rio de Janeiro, durch Deutsche Colonisten der Provinz Rio
grande do Sul, welche den Krieg mitgemacht, und durch Befreundete in
Buenos- Ayres zugingen. Die bis jetzt über den Krieg erschienenen Schriften von
Mastermann, Thompson, Burton u. s. w. machen keinen Anspruch darauf,
die Geschichte dieses Krieges geben zu wollen, oder entsprechen vielmehr
einer solchen Aufgabe nicht, erfordern vielmehr eine sehr vorsichtige Kritik*
um überhaupt brauchbar dafür zu sein. Ihre Nachrichten und ihre Dar
steUung beschränken sich auf das Unterhaltungs-Interesse an den Erlebnissen
miUtairischer Touristen, geben aber anderseits ai|eh. über viele Dinge Aufschluss,
welche bei einer äusserÜchen Betrachtung und Beurtheilung unverstanden
bleiben würden. So haben auch diese Werke einen bestimmten, wenn auch
nur relativen Werth, namentUch für das Erkennen der Motive, sowie der
augönbUcklich einwirkenden Personen und Verhältnisse. Wichtig, weil durch
aus unparteiisch, haben sich die fortlaufenden Berichte der in London er
scheinenden „Brazil and River Plate Mail" erwiesen; dagegen zeigte sich
während der ganzen Dauer des Krieges in der Tages-Presse Englands, Frank
reichs, Nord-Amerikas und Deutschlands eine fast leidenschaftliche Partei
IE
nähme für «oder gegen Paraguay, für oder gegen die StaaiienCder Triple-
AlUanz. Beweisbar ist, dass der Dictator Lopez durch ausserordentlich ge-
schickte und thätige Agenten in Europa die bedeutendsten Organe für sich
, . - *
zu gewinnen wusste; ebenso haben die Brasilianischen Legationen in Europa
die Wirkung feindseliger DarsteUung auf die öffentliche Meinung abzuschwächen
gesucht. Aber auch die allgemeine Parteisj;ellung der Zeitungen influirte auf
die Beurtheilung der Kriegshandlungen. Radicale Blätter glaubten den Be
stand einer Republik, $a, die republikanische Regierungsform selbst in Süd-
Amerika durch BrasUien bedroht; Conservative nahmen für die einzige Mo
narchie Partei, welche sich in Mitte von Republiken*nun ''schon seit fast einem
Menschenalter bewährt und von keiner Revolution — diesem chronischen Uebel
des la Plata- Beckens und de? Anden — mehr heimgesucht worden ist. Danach
färbten sich selbst die Berichte über unzweifelhafte Vorgänge und wurden
sogar Actenstücke, je nach den Partei-Anschauungen interpretirt.
Es musste erst einige Zeit nach Beendigung des Krieges vergehen, ehe
ein voUkommen unabhängiger Standpunkt für die Darstellung zu gewinnen
war. Die Erfolge mussten sich erst bewähren, die Thatsachen erst das rasche
Urtheil oder die Combination des Augenblicks entkräftet haben. Nur so war
Objectivität zu gewinnen. Bei der Unbekanntschaffc Europas mit den maass-
gebenden Verhältnissen in den Plata-Ländern, welche sich jedem Vergleich
mit unseren politischen und socialen Notionen entziehen, bedarf es aUerdings
für die Geschichte dieses denkwürdigen Krieges einer Einführung in denselben,
die sehr viel weiter auszuholen und sehj viel mehr klar zu legen hat, als
es sonst die Aufgabe einer kriegsgeschichtUchen Monographie ist. Der Verfolg
der Darstellung wird aber erkennen lassen und beweisen, dass es ganz unmöglich
für die meisten Leser sein würde, sich die Ursachen, die Vorbereitungen und
den Verlauf dieses Krieges vollständig klar zu machen, wenn seine Chronik
sofort mit den Kriegshandlungen selbst beginnen woUte. Jedes der Länder,
welche durch mehrere Jahre theils verbunden waren, theUs sich in leiden
schaftlichen Gegensätzen bewegten, hat seine eigene Physiognomie, seine eigene
NationaUtät, seine ihm allein eigene Entwickelung und die Ursachen zu diesem
Kriege Uegen so weit zurück, dass nur ein umfassender RückbUck ihren
endlichen Conflict erklären kann.
IV
Nach den Kriegen von 1866 und 1870—1871 in Europa mit ihren wunder
baren Resultaten, hat freüich der Krieg gegen Paraguay kaum noch Anspruch auf
ein allgemeines Interesse; dessenungeachtet ist er nach vielen Seiten hin lehr
reich und darum beachtenswerth. Europäische Normen muss man allerdings
weder suchen, noch erwarten. Es sind eben durchaus andere Zustände und
Vorgänge, die unser Buch beschreiben und zum Verständniss bringen soll.
Macht es den Eindruck erstrebter Unparteilichkeit, so hat es seinen
Zweck erreicht!
Potsdam, den 1. August 1871,
L. Schneider.
