Table Of ContentMOXTER . DER EINFLUSS VON PUBLIZITÄTSVORSCHRIFTEN
AUF DAS UNTERNEHMERISCHE VERHALTEN
Adolf Moxter
DerEinflug
von auf das
Publizitătsvorschriften
unternehmerische Verhalten
SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH
1962
ISBN 978-3-663-00243-7 ISBN 978-3-663-02156-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-02156-8
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung
der Wirtschafts-und Sozialwissenschaftlichen Pakultăt
der Universităt Prankfurt (M) gedruckt
mit Unterstiitzung der Deutschen Porschungsgemeinschaft
Verlags-Nr. 021038
Alle Rechte vorbehalten
© 1962 Springer Fachmedien Wiesbaden
Urspriinglich erschienen bei Westdeutscher Verlag. K6ln und Opladen 1962
Gesamtherstellung: Stalling AG, Oldenburg
Vorwort
Der Einfluß des Publizitätszwartges auf die unternehmerischen Dispositionen wird
in den fast unübersehbar gewordenen Arbeiten über die Vor- und Nachteile der
Publizitätspflicht kaum analysiert. Man unterstellt weitgehend bestimmte unterneh
merische Reaktionen auf die Veröffentlichung betrieblicher Sachverhalte als mehr
oder weniger offensichtlich und diskutiert im wesentlichen nur darüber, inwieweit
die Folgen dieser Reaktionen unter ethischen, ökonomischen und anderen Aspekten
als erwünscht gelten können. Mit den zugrundegelegten Hypothesen hinsichtlich
des unternehmerischen Verhaltens steht und fällt indessen die Verbindlichkeit dieser
bekanntlich so erheblich divergierenden Urteile; die Wirklichkeitsnähe jener An
nahmen zu überprüfen liegt also an sich sehr nahe, zumal viele der Hypothesen
durchaus nicht als unmittelbar überzeugend angesehen werden können. Es läßt sich
auf diesem Gebiete nicht anders zu einer Annäherung der Auffassungen (unter den
Vertretern gleicher ethischer und wirtschaftspolitischer Postulate) kommen.
Der Sinn dieser Arbeit ist aber nicht nur, nicht einmal primär, darin zu sehen,
eine zuverlässigere Basis für die erwähnten Urteile zu schaffen, so sehr auch dieser
Wunsch die vorliegende Untersuchung beflügelte. Die Unternehmer unterliegen doch,
trotz des noch so umstrittenen Für und Wider, bereits einem gewissen Publizitäts
zwang; dieser Sachverhalt wirkt sich also gegenwärtig schon auf ihre Dispositionen
aus. Wenn man diese Entscheidungen der Unternehmer begreifen will, muß man
daher die Publizitätspflicht als einen Bestimmungsfaktor unternehmerischen Ver
haltens in die allgemeine mikroökonomische Theorie einbauen. Vom Einfluß des
Publizitätszwanges auf das unternehmerische Verhalten zu abstrahieren bedeutet
mithin, nicht nur auf eine Aussage der betriebswirtschaftlichen Theorie zum Für und
Wider einer Publizitätspflicht verzichten zu müssen.
Der Verfasser ist den Mitgliedern der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen
Fakultät der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main für viele
wertvolle Anregungen dankbar; besonders verpflichtet fühlt er sich seinem Lehrer,
VI Vorwort
Magnifizenz Professor Dr. Karl Hax. Dank schuldet er auch dem British Council,
dem Institute of Chartered Accountants und einer Reihe weiterer englischer Insti
tutionen sowie englischer Unternehmen für vielfältige Unterstützung bei einem
Aufenthalt in Großbritannien, einem Land, das schon längere Zeit relativ strenge
Publizitätsbestimmungen kennt und daher reiches empirisches Material für diese
Untersuchung bot.
Frankfurt am Main, im Oktober 1961 Adolf Moxter
Inhaltsverzeichnis
Vorwort.......................................................... V
Problemstellung und Gang der UntersudlUng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
A. Einflüsse auf die unternehmerischen Dispositionen, die sich bei einer Offen-
legung betrieblicher Sachverhalte ergeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Vorbemerkung ................................................. 3
1. Die Beeinflussung des unternehmerischen Verhaltens durch die Unter-
richtung von Konkurrenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1. Mögliche Gründe für eine (zwangsweise) Information von Konkur-
renten über die wirtschaftlichen Verhältnisse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
2. Auswirkungen auf die unternehmerischen Dispositionen, die sich aus
der erleichterten Na eh ahm u n g von Entscheidungen durch Kon-
kurrenten ergeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
a) Einflüsse auf das unternehmerische Verhalten, die auf die erleich
terte Nachahmung des Produktionsprogramms (die Furcht vor
dem Auftreten neuer Konkurrenten) zurückzuführen sind . . . . . . 5
b) Die Beeinflussung der unternehmerischen Dispositionen durch die
erleichterte Nachahmung sonstiger Maßnahmen durch Konkur-
renten ................................................ 19
aa)Auswirkungen, die sich durch die Veröffentlichung von "Ab-
schlüssen" ergeben ................•.................. 19
bb) Einflüsse von über die Offenlegung der "Abschlüsse" hinaus-
gehenden Publizitätsvorschriften ....................... 28
3. Einflüsse auf die unternehmerischen Dispositionen, die sich durch die
Offenlegung der "Stärke" des publizitätspflichtigen Unternehmens
bei Auseinandersetzungen mit Konkurrenten ergeben..... 40
a) Die grundsätzliche Bedeutung der Information Außenstehender
über die "Stärke" eines Unternehmens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
b) Einflüsse der Rechnungslegung bei Auseinandersetzungen unter
Konkurrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 48
VIII Inhalt
aa) Auswirkungen auf die unternehmerischen Dispositionen, die
auf der Furcht vor einer vollständigen Verdrängung aus dem
Markt beruhen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 48
bb) Einflüsse, die sich aus einer drohenden Verminderung des Markt-
anteils ergeben ...................................... 54
4. Einflüsse auf die unternehmerischen Dispositionen, die sich aus der
erleichterten Kar tell i e run g des Absatzmarktes ergeben. . . . . .. 55
a) Auswirkungen auf Grund der verbesserten gegenseitigen Abstim
mung bei stillschweigender übereinkunfl: . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 55
b) Auswirkungen auf Grund der erleichterten Kontrolle von Verein-
barungen durch Konkurrenten ............................ 57
11. Einflüsse auf die unternehmerischen Dispositionen, die sich aus der
Information der Abnehmer und der Öffentlichkeit (Allgemeinheit)
ergeben. .. . . . . .. .. . . . .. .. . .. .. . . . . .. .. . . .. . . . . . .. . . . .. . . .. 64
1. Mögliche Gründe für eine (zwangsweise) Unterrichtung der Abneh-
mer und der öffentlichkeit über die wirtschafl:lichen Verhältnisse . .. 64
2. Auswirkungen auf die unternehmerischen Dispositionen, die auf der
Furcht vor einer ungünstigen (von den Abnehmern beeinflußten)
öffentlichen Meinung beruhen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 69
3. Einflüsse auf das unternehmerische Verhalten, die sich aus der Unter
richtung von Kunden über rückläufige Umsätze sowie über die Mate-
rialaufwendungen ergeben ................................. 73
4. Exkurs: Die Bedeutung der Publizitätspflicht als Instrument einer
staatlichen Wettbewerbspolitik .............................. 77
111. Die Beeinflussung des unternehmerischen Verhaltens durch die Infor-
mation der (außenstehenden) Eigentümer ....................... 86
1. Die divergenten Interessen von Unternehmensleitungen und (außen
stehenden) Eigentümern: Mögliche Gründe für eine (zwangsweise)
Unterrichtung der (außenstehenden) Anteilseigner über die wirt
schaftlichen Verhältnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
2. Auswirkungen der Information außenstehender Anteilseigner auf die
unternehmerischen Dispositionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 98
a) Einflüsse des möglichen Mittelentzugs auf die Durchführung beson-
ders riskanter Maßnahmen ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 98
b) Auswirkungen auf das Verhalten der Unternehmensleitungen, die
sich aus der Beeinträchtigung ihrer Verdienstchancen ergeben . . .. 102
c) Auswirkungen, die sich aus der erleichterten Kritik durch die Eigen
tümer auf die unternehmerischen Dispositionen ergeben. . . . . . .. 106
Inhalt IX
d) Einflüsse, die sich aus der drohenden Kündigung und der erschwer
ten Zufuhr von Eigenkapital auf die unternehmerischen Di.sposi-
tionen ergeben ......................................... 108
IV. Einflüsse auf das unternehmerische Verhalten, die sich aus der Unter
richtung von Gläubigern ergeben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 109
1. Mögliche Gründe für eine (zwangsweise) Information von Gläubi-
gern über die wirtschaftliche Lage ............................ 109
2. Die Beengung der unternehmerischen Dispositionsmöglichkeiten bei
einer Unterrichtung der Gläubiger über ungünstige wirtschafHiche
Verhältnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 127
V. Einflüsse auf das unternehmerische Verhalten, die aus der Information
von Arbeitnehmern und Lieferanten folgen ...................... 136
1. Mögliche Gründe für eine (zwangsweise) Unterrichtung der Arbeit-
nehmer über die wirtschaftliche Lage ......................... 136
2. Die Auswirkungen der bei einer Information von Arbeitnehmern
drohenden Verteuerung des Faktors Arbeit auf die unternehmerischen
Dispositionen ............................................ 138
3. Die Einflüsse einer Offenlegung von Verlustfunktionen sowie Ein
kaufspreisen und -mengen gegenüber den Lieferanten auf das unter-
nehmerische Verhalten ..................................... 140
B. Unternehmerische Dispositionen zur Umgehung des Ausweises betrieblicher
Sachverhalte und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 144
Vorbemerkung ................................................. 144
1. Die spezifischen Umgehungsmöglichkeiten bei Konzernverhältnissen als
Anreiz zu Unternehmensaufspaltungen und -angliederungen. . . . . . .. 145
1. Einflüsse der Publizitätspflicht auf die Konzernbildung, wenn keine
besonderen (strengen) Rechnungslegungs-Vorschriften für Konzern
unternehmen gegeben sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 145
2. Die bei strengeren Publizitätsbestimmungen zu erwartenden Einflüsse
auf die Konzernbildung: Möglichkeiten z'ur Einengung des unter
nehmerischen Willkürspielraums durch spezifische Rechnungslegungs
Vorschriften für Konzernunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 147
a) Die Problematik einer Präzisierung der Gewinndefinition bei Kon
zernverhältnissen .•..................................... 147
aa) Probleme, die sich bei der mengenmäßigen Bestimmung der kon-
zerninternen Leistungen ergeben ........................ 147
x
Inhalt
bb) Die Problematik des wertmäßigen Ansatzes von konzerninter-
nen Aufwendungen und Erträgen ....................... 156
b) Sonstige Möglichkeiten zur Einengung des unternehmerischen Will
kürspielraums bei Konzernverhältnissen durch Rechnungslegungs-
Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 164
11. Der Publizitätszwang als Anreiz zu Umwandlungen (Umgründungen) 166
III. Möglichkeiten und Grenzen buchtechnischer Dispositionen zur Um
gehung der Rechnungslegung und ihre Bedeutung für den Einfluß des
Publizitätszwangs auf das unternehmerische Verhalten ............. 169
1. Die Möglichkeiten zur Manipulation des auszuweisenden Gesamt
gewinns und ihr Einfluß auf die Wirklichkeitsnähe der Ableitungen
im ersten Kapitel ......................................... 169
a) Die Bedeutung unterschiedlicher Gewinnkonzeptionen für den
unternehmerischen Ermessensspielraum beim Erfolgsausweis .... 169
b) Manipulationsmöglichkeiten der Unternehmer beim Ansatz unge-
wisser Aufwendungen ................................... 181
2. Der unternehmerische Ermessensspielraum beim Ausweis der Ge
winnkomponenten und seine Auswirkungen auf die Information
Außenstehender über die wirtschaftlichen Verhältnisse . . . . . . . . . .. 190
a) Die Bedeutung von Manipulationsmöglichkeiten beim Ansatz von
Erlösen und Aufwandsarten .............................. 190
b) Die Problematik des gesonderten Ausweises der Kosten und Lei
stungen im Hinblick auf eine Verhinderung willkürlicher Ansätze 197
3. Die Manipulationsmöglichkeiten der Unternehmer bei einem pflicht-
mäßigen Ausweis der Gewinnerwartungen .................... 203
a) Die Problematik der Offenlegung von Gewinnerwartungen im
Hinblick auf die Ungewißheit der Erfolgsaussichten . . . . . . . . . .. 203
b) Die Grenzen einer Nachprüfung von zu veröffentlichenden Erfolgs-
plänen ................................................ 208
4. Der Willkürspielraum der Unternehmensleitungen bei der Offen
legung der finanziellen Elastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 212
a) Die Möglichkeiten eines willkürlichen Ansatzes der Liquiditäts-
erwartungen ........................................... 212
b) Die Grenzen einer Offenlegung der überschuldungsgefahr . . . . .. 219
C. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse ........................ 224
Literaturverzeichnis ............................................. 227
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 240
Problemstellung und Gang der Untersuchung
Gegenstand dieser Arbeit sind die Auswirkungen von "Publizitätsvorschriften"l
auf die unternehmerischen Dispositionen. Müssen Außenstehende über betriebliche
Sachverhalte, namentlich über die "wirtschaftliche Lage"2, informiert werden, so
haben die Unternehmer gewisse Nachteile zu befürchten: Ihre Entscheidungen kön
nen zuverlässiger kontrolliert und leichter kritisiert werden, gewinnbringende Maß
nahmen lassen sich rascher nachahmen, Tauschungen, insbesondere über die eigene
wirtschaftliche Stärke, werden erschwert, auch die Kapitalbeschaffung kann größere
Schwierigkeiten bereiten, kurz, die Erfolgsaussichten werden durch die genannten
und andere Umstände beeinträchtigt. Es ist daher ganz selbstverständlich, daß die
von dem Publizitätszwang betroffenen Unternehmer hierauf reagieren. Sie werden
namentlich bestrebt sein, die Offenlegungspflicht ganz zu umgehen (zum Beispiel
durch Rechtsformenwechsel, durch Unternehmensaufspaltung oder durch Sitz ver
legung); soweit das aus irgendwelchen Gründen nicht möglich ist, werden sie die
bei einern Ausweis einzelner Tatbestände drohende Gewinnminderung durch man
nigfache vorsorgliche Dispositionen zu vermeiden suchen; müssen sie eine Erfolgs
senkung hinnehmen, so werden sie ihr Verhalten (vornehmlich ihre Anstrengungen
und ihre Risikobereitschaft) den verminderten Gewinnchancen anpassen.
Die betriebswirtschaftliche Theorie darf also offenbar nicht völlig abstrahieren von
dem Umstand, daß die Unternehmer über bestimmte Tatbestände Rechnung zu
legen haben. Eine realistische Erklärung (wie noch zu zeigen sein wird: wichtiger)
betrieblicher Sachverhalte setzt voraus, daß die Publizitätspflicht berücksichtigt wird.
Ein erhebliches praktisches Bedürfnis nach einer solchen Ergänzung der Theorie
ist nicht zweifelhaft: Nur wenn man zuverlässig weiß, wie sich Rechnungslegungs
Vorschriften auf das unternehmerische Verhalten auswirken, läßt sich der Einfluß
1 Das sind gesetzliche Bestimmungen, die eine (insbesondere periodisch wiederkehrende)
Offenlegung betrieblicher Sachverhalte gegenüber Außenstehenden erzwingen (wie z. B. die
§§ 125 ff. AktGes), vgl. im einzelnen unter S. 3 und S. 145 ff.
2 Die wirtschaftliche Lage wird bestimmt durch die erzielten Periodenerfolge (und ihre
Komponenten), die Gewinn-(Rentabilitäts-)Erwartungen, die Liquiditätsaussichten (ein
schließlich der finanziellen Reserven) und die Verschuldungsverhältnisse (die überschul
dungsgefahr) ; vgl. im einzelnen unten S. 145 ff. Der Begriff "wirtschaftliche Verhältnisse"
wird hier gleichbedeutend verwendet.