Table Of ContentI n der Kultur des Mittelalters nehmen Körper in ihrer äußeren Zeichenhaftigkeit
eine zentrale Stellung ein. Dies gilt insbesondere für deformierte Körper,
die aufgrund ihrer auffälligen Andersartigkeit immer wieder Thema
wahrnehmungstheoretischer Diskurse werden. Das zeigt sich in zweierlei
(De)formierte Körper 2
Hinsicht: Zum einen wird bereits in zeitgenössischen Quellen diskutiert,
wie die körperlichen Besonderheiten den inneren Imaginationsapparat der
Betrachter stimulieren, zum anderen zeichnen sich körperlich Deformierte Die Wahrnehmung
zumindest in Kunst und Literatur auffallend häufi g durch gesteigerte
und das Andere im Mittelalter
Wahrnehmungsfähigkeiten aus. Die körperliche Deformation markiert dabei 2
Grenzüberschreitungen. Sie weist über die Dinge hinaus auf ‚das Andere‘ – r
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gleich ob es sich dabei um ein kulturell Anderes handelt, oder um das ‚Andere‘ p
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der Diesseitigkeit: das Transzendente und Göttliche. ö
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Obgleich man für das Hoch- und Spätmittelalter kein einheitliches rt
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Körperkonzept annehmen kann, ist auffällig, an wie vielen Schnittpunkten i
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der deformierte Körper ins Zentrum der Wahrnehmung rückt. Diese Vielfalt
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spiegelt sich auch in den Perspektiven verschiedener Fachdisziplinen, wie
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z. B. Kunst- und Literaturwissenschaft, Medizingeschichte, Dis/ability Studies e
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oder Theologie in diesem Band, die den Besonderheiten des deformierten (
Körpers in seinem Verhältnis zur Epistemologie und eben zum ‚Anderen‘
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gezielt nachspüren. g.
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Le corps, et surtout le corps déformé, joue un rôle central dans la e
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culture du Moyen-Âge. Grâce à son étrangeté, il est souvent l’objet des n
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discours de la théorie de la perception. D’une part, les sources de l’époque t
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thématisent comment des particularités corporelles stimulent l’imagination
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de l’observateur. D’autre part, le corps déformé se distingue à travers e
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une capacité de perception accrue, dont la difformité physique signale
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un dépassement de frontière. Au-delà des choses, sa déformation attire a
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l’attention vers ‚l’Autre’ – que ce soit l’autrui culturel ou celui de l’au-delà,
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comme le transcendantale et le divin. n
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Même si on ne peut pas supposer un concept homogène du corps au Moyen- c
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Âge, il est évident que le corps déformé y joue un rôle important. La variété R
de ses manifestations se refl ète sur les diverses approches scientifi ques n
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présents dans ce volume – y compris les études artistiques ou littéraires, ö
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l’histoire de la médicine, les Dis/ability Studies et la théologie –, centré sur B
les particularités du corps déformé dans son rapport avec l’épistémologie et s,
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avec l’Autre. n
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Gabriela Antunes, Björn Reich
und Carmen Stange (Hrsg.)
ISBN: 978-3-86395-161-0 Universitätsverlag Göttingen Universitätsverlag Göttingen
Gabriela Antunes, Björn Reich und Carmen Stange (Hrsg.)
(De)formierte Körper 2 – Die Wahrnehmung und das Andere im Mittelalter
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4.0 International Lizenz.
erschienen im Universitätsverlag Göttingen 2014
Gabriela Antunes, Björn Reich
und Carmen Stange (Hrsg.)
(De)formierte Körper 2
Die Wahrnehmung
und das Andere im Mittelalter
« Corps (Dé)formés: Perceptions et
l’Altérité au Moyen-Âge 2 »
Interdisziplinäre Tagung
Göttingen, 1.–3. Oktober 2010
Universitätsverlag Göttingen
2014
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
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Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf.
Anschrift der Herausgeber
E-Mail: [email protected]
Dieses Buch ist auch als freie Onlineversion über die Homepage des Verlags sowie über
den Göttinger Universitätskatalog (GUK) bei der Niedersächsischen Staats- und
Universitätsbibliothek Göttingen (http://www.sub.uni-goettingen.de) erreichbar.
Es gelten die Lizenzbestimmungen der Onlineversion.
Satz und Layout: Björn Reich
Umschlaggestaltung: Franziska Lorenz
Titelabbildung: Gabriela Antunes
© 2014 Universitätsverlag Göttingen
http://univerlag.uni-goettingen.de
ISBN: 978-3-86395-161-0
Vorwort
Vom 1. bis 3. Oktober 2010 fand die interdisziplinäre Nachwuchskonferenz
„(De)formierte Körper: Wahrnehmung des Anderen im Mittelalter“ im Blauen
Turm der Georg-August-Universität Göttingen statt. Sie setzte als deutsch-
französisches Partnerprojekt die Straßburger Tagung „Corps (Dé)formés“ (9. März
2010 – gefördert vom GIS Monde Germaniques) fort. Die fruchtbaren Gespräche
des ersten Treffens konnten hier mit denselben Fachwissenschaftler/innen weiter-
geführt werden. Wir möchten ganz herzlich all denen danken, die zum Gelingen
der Tagung und zur Fertigstellung des vorliegenden Sammelbandes beigetragen
haben.
Zunächst gilt unser Dank der Gerda Henkel Stiftung, ohne deren großzügige
finanzielle Unterstützung unsere Konferenz nicht stattgefunden hätte. Der Univer-
sität Göttingen danken wir dafür, dass sie uns geeignete Räumlichkeiten zur Verfü-
gung stellte. Ein besonderer Dank geht an Frank Rexroth, der uns die Nutzung der
Küche des geschichtswissenschaftlichen Instituts für die Vorbereitung der Kaffee-
pausen gestattete, sowie den Mitgliedern des „Graduiertenkollegs für Expertenkul-
turen“, die durch ihre tatkräftige Hilfe den reibungslosen Ablauf der Tagung ge-
währleisteten. Nennen möchten wir insbesondere: Esmeray Ergel, Franziska Fi-
scher, Annika Goldenbaum, Mona Knorr, Birthe Lehnberg, Bernd Lüdke, Johan-
nes Schütz, Ingo Trüter, Christian Weiß und Piotr Wittmann.
Ebenso möchten wir João Neto nennen, der uns stets hilfreich zur Seite stand.
Für ihren unschätzbaren Rat bei der Fertigstellung des Tagungsbands sei ins-
besondere Patricia Pires Boulhosa, Florent Gabaude, Susanne Friede, Hendrikje
Hartung, Peggy Luck und Matthias Roick gedankt. Bei Fragen, die Layout und
Formalia betrafen, war uns Franziska Lorenz vom Göttinger Universitätsverlag mit
bewundernswerter Kompetenz und nie versiegender Geduld eine große Hilfe.
Hans-Jürgen Scheuer von der Humboldt-Universität zu Berlin möchten wir für
seine immerwährende Unterstützung ebenfalls herzlich danken.
Zuletzt seien noch einmal alle Teilnehmer der Tagung (und insbesondere die Refe-
renten der ersten Straßburger Tagung) erwähnt, für ihre Bereitschaft, offene und
fruchtbare Diskussionen mit uns zu führen
Gedruckt wurde der Band mit freundlicher Unterstützung der Gerda Henkel
Stiftung, Düsseldorf.
Die Herausgeber
Inhaltsverzeichnis
Die Sicht des Hinkenden – zum Verhältnis von Wahrnehmung und
Körperdeformation: Eine Einleitung
Gabriela Antunes/Björn Reich/Carmen Stange 9
Entstellte Schönheiten: Überlegungen zum mittelalterlichen Bezug zwischen
Hässlichkeit des Körpers und Schönheit der Seele
Gabriela Antunes 35
Der leidende Leib als deformierter Leib: Überlegungen zum Armen Heinrich
Hartmanns von Aue
Daniele Gallindo Gonçalves Silva 49
in ir kemenâten gie si sô / und nam ein scharf schære: Inzest und weibliche
Autoaggression in der Literatur des Mittelalters
Sabrina Hufnagel 67
Lepröse, Riesen und der Teufel selbst: Ungewöhnliche Figuren und Ereig-
nisse im Jaufréroman
Imre Gábor Majorossy 87
Monstra, Macht und die Ordnung des Raums: Zur Funktion der
phantastischen Figuren im „Daniel von dem Blühenden Tal“
Lea Braun 109
Poetologische Deformierungen: Konrads von Würzburg Der Welt Lohn
Julia Rüthemann 131
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Etliches het zwei hovbit: Deformierte Kinder in der deutschsprachigen Literatur
des Mittelalters
Robert Mohr 147
Dans les têtes […] des crapauds qui sautent, engendrés de la cervelle : Corps infernaux
et corps paradisiaques dans la sculpture moissagaise
Eric Hold 161
Aus vorsehunge Gottes des Allmechtigen: Der Bezug zwischen Gott und
Gebrechen in Supplikationen des Dresdner Jakobshospitals
Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah 185
Der Blick auf den ‚gebrechenhaften‘ Körper in autobiographischen und
familiengeschichtlichen Aufzeichnungen des 15. und 16. Jahrhunderts
Bianca Frohne 205
Les monstres norrois : Quelques remarques
Claude Lecouteux 225
Von Þórólfr Höllenhaut ist das zu sagen, dass er in schlechtem Rufe stand:
Zur Wahrnehmung deformierter Körper in der altnordischen Sagaliteratur
Hendrikje Hartung 241
Ecke und Rainouart: Der heidnisch-höfische Riese als Grenzfigur zwischen
den Ordnungen
Ronny F. Schulz 261
Schreiende Kriegswunden: Darstellungen kriegsbedingter Traumatisierung in
mittelalterlicher heroischer Dichtung
Sonja Kerth 273
Verkrüppelte Helden, impotente Magier, kampfunfähige Liebhaber
Björn Reich 299
Register 319