Table Of ContentOrbis Biblicus et Orientalis 206
Walter Dietrich (Hrsg.)
David und Saul
im Widerstreit-
Diachronie und Synchronie
im Wettstreit
Beiträge zur Auslegung
des ersten Samuelbuches
Academ i c Press Fri bau rg
Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
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bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Veröffentlicht mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der
wissenschaftlichen Forschung.
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als PDF-Daten zur Verfügung gestellt.
© 2004 by Academic Press Fribourg / Paulusverlag Freiburg Schweiz
Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen
Herstellung: Paulusdruckerei Freiburg Schweiz
ISBN 3-7278-1482-9 (Academic Press Fribourg)
ISBN 3-525-53064-1 (Vandenhoeck & Ruprecht)
ISSN 1015-1850 (Orb. biblicus orient.)
Digitalisat erstellt durch Florian Lippke, Departement für
Biblische Studien, Universität Freiburg Schweiz
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Synchronie und Diachronie in der Exegese der Samuelbücher - Einführung 9
Walter Dietrich
Methodische Entwürfe 15
Von Sinn und Nutzen der Kategorie „Synchronie" in der Exegese 16
ErhardBlum
Beyond Synchrony and Diachrony. Hyperchrony, an Archaic Framework
for Cultural Criticism . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Lyle Eslinger
Zum Verhältnis von Synchronie und Diachronie in der Samuelexegese 51
Thomas Naumann
Synchrony and the Storyteller . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Antony F. Campbell
David and the Philistines. With Methodological Reflections . . . . . 74
David Jobling
Methodische Etüden 87
The Place and Function of !Sam 7,2-17 in the Corpus of !Sam 1-7 88
Erik Eynikel
Mögliche Retuschen am Davidbild in der masoretischen Fassung
der Samuelbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Jürg Hutzli
Davids Anfänge bei Saul (ISam 17-19) . . . . . . . . . . . . 117
Tue Story of David and Goliath: A Test Case for Synchrony plus Diachrony 118
A. Graeme Auld
Unbeabsichtigte Bedeutungen in den Daviderzählungen. Am Beispiel
vonISam 17,55-58 ................... 129
Johannes Klein
!Sam 18-19 und die Davidshausgeschichte . 138
Ina Willi-Plein
Die Komplexität von !Sam 18 und 19. Ein geschichtstheoretischer und
ein literaturwissenschaftlicher Blick in die Werkstatt des
Geschichte(n)-Machens im Alten Israel . . . . . . . . . . . 172
Stefan Ark Nitsche
David und Merab - eine historische oder eine literarische Beziehung? . 196
Peter Mommer
Saul unter den „Ekstatikern" (!Sam 19,18-24) . 205
Bernhard Lehnart
Die Konfrontation zwischen David und Saul (ISam 24 und 26) . 225
Diachrony and Synchrony: !Sam 24 and 26 . . . . . . . . . . 226
Antony F Campbell
Die zweifache Verschonung Sauls (!Sam 24 und 26). Zur „diachronen
Synchronisierung" zweier Erzählungen . . . . . . . . . . . 232
Walter Dietrich
David als Erbe Sauls (ISam 28-IISam 1) . 255
Geographie im Dienst der Literatur in !Sam 28,4 . 256
Timo Veijola
The Death ofKing Saul: Suicide or Murder? Diachronie and Synchronie
Interpretations ofISam 31 - IISam 1 . . . . . . . . . . . . 272
Shimon Bar-Efrat
Wo nur ist Sauls Kopf geblieben? Überlegungen zu !Sam 31 . 280
Regine Hunziker-Rodewald
Synchronie und Diachronie in der Exegese der Samuelbücher -
Rückblick und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . 301
Vorstellung der Autorinnen und Autoren . 305
Register . 307
Bibelstellen . 307
Namen, Orte, Sachen . 310
Abkürzungen generell nach Schwertner, S.M., Internationales Abkürzungsverzeichnis für
Theologie und Grenzgebiete, Berlin u.a. 21992.
Vorwort
Der vorliegende Band ist Frucht eines Symposiums, das im September 2003
an der Universität Bern stattgefunden hat. An ihm nahmen siebzehn jüngere
und ältere, allseits bekannte wie noch nicht so bekannte Exegetinnen und Exege
ten aus neun verschiedenen Ländern teil, allesamt mit einem Forschungs
schwerpunkt bei den Samuelbüchern, sieben von ihnen aktuelle Samuel-Kom
mentatoren. So unterschiedlich die von ihnen vertretenen Forschungstraditionen
und -richtungen waren und sind, als so eindrücklich erwiesen sich ihr Verstän
digungswille und Verständigungsvermögen im Blick auf das gemeinsame An
liegen: die Erzählungen der Samuelbücher möglichst angemessen zu verstehen.
Die eingeladenen Forscherinnen und Forscher waren gebeten, sich auf zwei,
gleichsam elliptisch gelagerte Schwerpunkte zu konzentrieren. Auf der einen
Seite ging es um Methoden.fragen, insbesondere um die Klärung des Verhält
nisses zwischen „synchroner" und „diachroner" Exegese, zwei Ansätzen, die
sich in letzter Zeit bekanntlich stark gegeneinander profiliert haben: der eine
mit literaturwissenschaftlichen Mitteln am vorliegenden biblischen Endtext
arbeitend, der andere literaturgeschichtlich nach dessen Zustandekommen
fragend. Auf der anderen Seite sollte das erste Samuelbuch im Zentrum stehen,
insbesondere drei sachlich und methodisch besonders aufschlussreiche Ab
schnitte aus der Saul-David-Überlieferung: !Sam 17-19 (,,Davids Anfänge bei
Saul"), ISam 24-26 (,,Die Konfrontation zwischen David und Saul") und ISam
28 - IISam 1 (,,David als Erbe Sauls"). Die Verknüpfung beider Schwerpunkte
hat zur Folge, dass das vorliegende Buch zweierlei bietet: einen facettenreichen,
innovativen Beitrag zur Erforschung der Samuelbücher und einen intensiven
Beitrag zur aktuellen Diskussion um die biblische Erzählforschung.
Viele haben zu diesem Ergebnis beigetragen: in erster Linie die beteiligten
Kolleginnen und Kollegen, die in ihrem hohen persönlichen und wissenschaft-
liehen Engagement keine Sprach-und Kulturgrenzen zwischen sich aufkommen
ließen; Ausdruck dessen ist noch die bewusste Zweisprachigkeit dieses Bandes.
Mein studentischer Mitarbeiter Roman Häfliger hat die Gäste während des Sym
posiums still und effizient betreut und danach ihre Beiträge gesammelt, forma
tiert und die Register geschrieben; Alison Sauer unterstützte ihn bei der Be
arbeitung der englischen Beiträge. Der Berner „Max und Elsa Beer-Brawand
Fonds" sowie der „Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissen
schaftlichen Forschung" stellten den finanziellen Rahmen für die Tagung be
reit, letzterer gewährte überdies einen namhaften Zuschuss an die Druckkosten
dieses Buches. Professor Othmar Keel stimmte dessen Aufnahme in die Reihe
,,Orbis Biblicus et Orientalis" zu, und der Verlag „Academic Press Fribourg"
betreute die Publikation in bewährter Weise.
Ihnen allen sei hier herzlich gedankt.
Bern, im Frühsommer 2004 Walter Dietrich
Synchronie und Diachronie in der Exegese der
Sanrnelbücher - eine Einführung
Walter Dietrich
Der Bibeltext bleibt - die Zugänge zu ihm aber ändern sich.
Noch vor 50 Jahren war in der Bibelwissenschaft die Vorherrschaft der histo
risch-kritischen Exegese so gut wie unangefochten. Sie hatte sich, nach An
fängen in der Zeit von Renaissance und Humanismus, im Zeichen der Auf
klärung und in betonter Wendung gegen eine bis dahin kirchlich-dogmatisch
dominierte Bibelauslegung alsbald so vollkommen durchgesetzt, dass sich ihr,
wer wissenschaftlich ernst genommen werden wollte, kaum verweigern konnte.
Ihre Vorzüge lagen auf der Hand: Sie trug der Tatsache Rechnung, dass die
Bibel kein neuzeitliches, sondern ein antikes Buch ist, verfasst in fremden
Sprachen, in ihrem Text über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende in der
prinzipiell anfälligen Form steten Abschreibens überliefert, in andere Sprachen
mehr oder minder angemessen übersetzt, jeder Epoche im Prinzip wieder aufs
Neue zu adaptieren.
Im Licht historischer Kritik gelesen, erwies sich das heilige Buch der Christen
heit gegenüber frommen Wünschen und kirchlichen Ansprüchen als viel sper
riger, als es interessierten Kreisen lieb sein konnte. Je nach Standpunkt und
Absicht erklärte man die Bibel für wenig tauglich zur Lösung neuzeitlicher
Probleme oder für jedem neuzeitlichen Kirchentum weit überlegen, weil
ursprungsnah. Mit Eifer ging man daran, die ,Echtheit' der einzelnen Schriften
zu erweisen oder zu widerlegen, die vermeintlichen oder wirklichen Autoren
der einzelnen Schriften in ihrer Zeit zu situieren, ihre Intention möglichst präzis
zu erfassen und der Gegenwart als befremdlich oder verbindlich, je nachdem,
zu präsentieren.
10 Walter Dietrich
Nach und nach verfeinerte sich das methodische Instrumentarium, mit dessen
Hilfe man immer komplexer werdende Fragen zu klären hoffte. Waren an der
Entstehung eines Textes etwa mehrere Hände beteiligt - in welcher Reihenfolge
und mit welchen Intentionen? Gab es zu den Texten mündliche Vorstufen, und
wirkten bei ihrer Entfaltung Gattungsmuster prägend mit? Wie war die Abfolge
der Überlieferungs-und Wachstumsstufen bis hin zur kanonischen Endgestalt
vorzustellen, und welchen Veränderungen waren die Texte noch danach unter
worfen?
Zweifellos ist es eine interessante und unabweisbare Aufgabe von Exegese, den
Überlieferungsweg biblischer Texte „durch die Zeiten", d.h. ,,diachron", zu ver
folgen (vgl. etwa die Beiträge von Willi-Plein, Veijola, Lehnart, Dietrich in
diesem Band). Freilich, leicht zu bewältigen ist sie nicht. Nur selten gewinnen
auf diesem Feld erzielte Ergebnisse breite, niemals ausnahmslose Anerkennung.
Allzu oft werden verschiedene, einander widersprechende Lösungen vorgeschla
gen. Die Hypothesenfreudigkeit historisch-kritisch ausgerichteter Bibelexegese
ist fast sprichwörtlich, bei Studierenden gefürchtet, von Laien, wenn überhaupt,
mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen, für Methodenskeptiker oder -gegner
ein Anlass zu tiefem Misstrauen oder bissigem Spott. Ein Grund, die Frage nach
der Textdiachronie fallen zu lassen, ist das nicht. Den meisten Bahn brechenden
wissenschaftlichen Erkenntnissen sind ausgedehnte Suchphasen vorangegangen;
,,trial and error" ist in der Forschung ein anerkanntes Prinzip.
Die Vielfalt diachroner Forschungsergebnisse rührt nicht zuletzt daher, dass
sie kaum je eindeutig zu verifizieren oder zu falsifizieren sind; rekonstruierte
Textvorstufen müssen naturgemäß hypothetisch bleiben. Zu Minderwertigkeits
gefühlen besteht indes kein Anlass. Auch die Naturwissenschaft hat, spätestens
seit Albert Einstein, den Dünkel fragloser, weil überprüfbarer Sicherheit ihrer
Behauptungen in gewissen, empfindlichen Bereichen aufgeben müssen. Und
selbst eine mit Recht so bewunderte Wissenschaft wie die medizinische stellt
und löst nur bestimmte Fragen; - anderes bleibt ungefragt und ungelöst. Um
gekehrt gibt es im Bereich der Textdiachronie Hypothesen mit sehr hohem
Wahrscheinlichkeitsgrad. Die Germanistik etwa würde sich verwahren gegen
die Unterstellung, textdiachrone Forschung an Goethes Faust könne nichts
hervorbringen als beliebig aufstellbare und widerlegbare Hypothesen. Ebenso
die Bibelwissenschaft. Im Neuen Testament rufen zum Beispiel die vielfältigen,
oft wörtlichen Übereinstimmungen zwischen Lukas-und Matthäus-Evangelium
nach der Annahme gemeinsamer Quellen - und in Gestalt des Markus-Evange
liums liegt eine solche tatsächlich (bzw. höchstwahrscheinlich!) vor. Ähnlich
ist im Alten Testament mit hoher Bestimmtheit der Enneateuch (Gen - IIReg)
als Vorlage der Chronik anzusehen (auch wenn es dagegen vereinzelt Wider
spruch gibt, vgl. in diesem Band Auld).
Einfiihrung 11
In der Regel haben diachron vorgehende Exegetinnen und Exegeten als einzig
Sicheres den Endtext (nicht gerechnet die textkritischen Probleme! vgl. dazu
den Beitrag von Hutzli). Den vorliegenden Bibeltext auszulegen, ist und war
schon immer eine, wenn nicht die vorrangige Aufgabe der Exegese. Nur ist
diese Aufgabe hinter der tendenziell endlosen Debatte über diachrone Fragen
oft zu sehr in den Hintergrund getreten (vgl. Naumann). Zuweilen hat es den
Anschein, als werde der Endtext nur mehr zum Ausgangspunkt genommen,
um gleichsam durch ihn hindurch oder hinter ihm Themen der (Literar-)
Geschichte zu erforschen. Dabei wollen nicht nur die auf die Bibel sich gründen
den Religionsgemeinschaften, sondern ebenso die an Literatur, Kultur und Kunst
Interessierten nicht in erster Linie wissen, was hinter den biblischen Texten,
sondern was in ihnen steht. Dazu aber vermögen diachrone Erkundungen in
der Regel nur Vor- und Seiteninformationen zu liefern. In die daraus resul
tierende Lücke stößt die „synchrone Exegese" vor.
Von vornherein ist deutlich, dass der Begriff „synchron" in diesem Zusammen
hang nur ein Notbehelf ist (vgl. die Ausführungen von Blum und Naumann).
Denn die damit bezeichnete Forschungsrichtung fragt nicht wirklich nach der
„Synchronie" der Texte mit ihrer eigenen oder der Zeit der Textautoren. Sie
zielt nicht eigentlich auf „Horizontverschmelzung" zwischen Textzeit und Jetzt
zeit (im Sinn der Hermeneutik Gadamers). Vielmehr geht es ihr darum, den
biblischen Endtext und seine Aussagen vorrangig mit literaturwissenschaftlichen
Methoden zu erfassen. Diese Frageweise ist der historisch-kritischen Methodik
nicht grundsätzlich fremd und schon gar nicht diametral entgegengesetzt; zu
deren Methodenkanon gehört vielmehr etwa die sog. Formkritik, die so exakt
wie möglich die sprachliche Gestaltung einer Texteinheit aufzunehmen und
nachzuzeichnen versucht. Darüber hinaus haben literarisch sensible „Dia
chroniker" wie Hermann Gunkel oder Gerhard von Rad immer ein feines Emp
finden für die und ein starkes Interesse an der Endgestalt der biblischen Texte
und ihrer zeitlosen - und damit nicht diachron zu erfassenden - Kraft und
Schönheit gehabt. Im Bereich der Samuelbücher hat nicht nur der Letzt
genannte, sondern haben etwa Walter Caspari oder Leonhard Rost Wesent
liches zur Wahrnehmung der narrativen Kunst der Texte beigetragen.1
Doch die Bemühungen der historischen Kritik um das Verstehen des Endtextes
blieben punktuell und waren abhängig von· den Gaben des jeweiligen Aus
legers. Bezeichnenderweise waren es im deutschsprachigen Raum zuerst jüdi
sche Ausleger wie Martin Buher und Meir Weiss, die in der Erforschung der
Samuelbücher entschlossen nicht-diachrone Wege einschlugen. Andere jüdi
sche Forscher schrieben auf Neuhebräisch und/oder Englisch Grundwerke zur
1 Die einschlägigen Angaben finden sich in der von Thomas Naumann und mir verfassten
Forschungsgeschichte „Die Samuelbücher", Darmstadt 1995 (Erträge der Forschung 287).
12 Walter Dietrich
biblischen Narratologie (Meir Sternberg, Shimon Bar Efrat). Die jüdische Bibel
forschung war und ist aufgrund ihrer uralten Traditionen aufs Ganze gesehen
relativ spröde gegen Ziele wie Vorgehensweisen der westlich-aufgeklärten
historischen Kritik. Der große Strom synchroner Forschung aber schwoll im
anglo-amerikanischen Raum an, und zwar derart, dass dort diachron arbeitende
Exegese, um im Bild zu bleiben, auf eine Art Inseldasein zurückgedrängt er
scheint. Viel offener und unbefangener als auf dem europäischen Kontinent
war man dort bereit, die schwere Waffenrüstung der Diachronie beiseite zu
legen und sich Fragestellungen, Anregungen und Verfahrensweisen aus einer
vorwiegend „synchron" arbeitenden Literaturwissenschaft, neuerdings zuneh
mend auch aus der Postmoderne aufzunehmen.
Aus der Sicht „synchroner" Forschung erscheinen „diachrone" Fragestellungen
als bestenfalls zweitrangig, in der Regel als verwirrlich und überflüssig. Sie
lenken ab vom einzig Machbaren und Interessanten: der Endtext-Analyse. Diese
kann man in unterschiedlichen Attitüden angehen: mehr als Anwalt der bibli
schen Autoren (so Bar Efrat in diesem Band, aber auch sonst) oder mehr als
ihr Kritiker (nicht im Sinne von historischer, sondern von Ideologie-Kritik, so
Eslinger, Jobling). Schon dies zeigt: Auch synchrone Exegese geschieht nicht
unabhängig vom Standort, von dem aus sie betrieben wird. Dementsprechend
sind auch die mittlerweile äußerst zahlreichen Endtext-Analysen zu den
Samuelbüchern weder im Ansatz gleichartig noch im Ergebnis gleichförmig.
Wer die Hoffnung hat, hier werde, da man sich ja auf das einzig Sichere, den
vorliegenden Bibeltext, abstütze, alsbald „die Wahrheit" über diesen gefunden
sein, wird enttäuscht werden. Auch diese Methodik hat eben ihre Schwächen.
Sie ist gegen arbiträre Urteile kaum besser gefeit als die historisch-kritische -
und dies, obwohl sie gegenüber der Disparatheit der Texte zu Harmonistik
neigt. Und obwohl sie zur Nivellierung des geschichtlich Kontingenten ten
diert, kann sie letztlich nicht verbergen, dass sie es mit einem geschichtlich
gewordenen Gegenstand - dem Bibeltext - zu tun hat und dass sie sich selbst
- genauso wie die historisch-kritische Methodik-bestimmten geschichtlichen
Entwicklungen verdankt (vgl. Blum, Naumann).
Im Blick auf die gemeinsame Sache - ein möglichst angemessenes Verständnis
der Bibel - ist es im Grunde ein Unglück, dass beide Grundverfahren so oft
unvermittelt nebeneinander, ja sogar gezielt gegeneinander betrieben werden.
Denn an sich müssten sich eine Methodik, die literaturästhetisch den vorlie
genden Bibeltext zu erfassen sucht, und eine solche, die literaturhistorisch nach
seiner Entstehung fragt, nicht ausschließen. Jede hat ihre (mehr oder weniger
guten) Gründe und ihr (zumindest relatives) Recht für sich, jede hat auch ihre
Lücken und Grenzen. Im günstigen Fall könnten sie einander ergänzen, sich
wechselseitig bereichern und sich gegenseitig vor zu großer Einseitigkeit