Table Of ContentAhlrich Meyer
Das Wissen um Auschwitz
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Ahlrich Meyer
Das Wissen um Auschwitz
Täter und Opfer der
»Endlösung« in Westeuropa
FERDINAND SCHÖNINGH
Paderborn · München · Wien · Zürich
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Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh, Paderborn
ISBN 978-3-506-77023-3
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INHALT
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Erster Teil: Das Wissen der Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1. Frankreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4. Wissen ohne Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Zweiter Teil: Das Zeugnis der Überlebenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
1. Zeugenberichte als historische Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
2. Was sagten die Deutschen und was wussten die Juden?
Das Beispiel Belgien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
Keine Andeutungen von deutscher Seite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Täuschung der Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Zwischen Ahnung und Wissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Andeutungen und offene Todesdrohungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
Die Transportbewacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
Eröffnung der Wahrheit in Auschwitz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
3. »Nicht wissen« oder »nicht glauben«? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
4. Literarische Zeugnisse der Verfolgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
Schlussbemerkungen: Die Grenzen des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . 181
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6 INHALT
Dank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
Auswahlbibliographie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
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EINLEITUNG
Die Frage, was »die Deutschen« vom Völkermord an den Juden gewusst
haben oder wissen konnten, hat die Geschichtsforschung bis in die jüngs-
te Zeit immer wieder beschäftigt, ohne dass die neueren Antworten aller-
dings überzeugender wären als die alten. Dagegen mangelt es erstaunli-
cherweise bis heute an einer historischen Untersuchung des Wissens der
Täter und Opfer: Was wusste die Masse der deutschen Tatbeteiligten von
Auschwitz, und was haben die verfolgten und deportierten Juden geahnt
oder gewusst? Diese Fragen standen nach dem Zweiten Weltkrieg im Mit-
telpunkt vieler Gerichtsprozesse, sie hängen aufs engste mit dem Problem
von Verantwortung und Schuld zusammen und sie lassen Rückschlüsse
auf die Organisationsform und Durchführung des staatlich verordneten
Massenverbrechens zu.
Beide Fragen sind jedoch nicht so leicht zu beantworten, wie es schei-
nen mag. Offenbar hat man in der Forschung bislang nicht danach ge-
fragt, was die Täter wussten, weil man die Frage für überflüssig hielt – etwa
mit Blick auf die Entscheidungsträger oder die in Osteuropa operieren-
den Todesschwadrone der SS – oder weil man die Behauptung, »nichts
gewusst« zu haben, als Nachkriegslegende abtat, die sie vielfach auch war.
Es ist aber keineswegs ausgemacht, dass sämtliche Akteure über Umfang
und Charakter der »Endlösung« unterrichtet waren. Weder kann man
unterstellen, dass alle, die faktisch Beihilfe zu einem Genozid leisteten,
die wahre Zielsetzung kannten und vorsätzlich handelten, noch ist die von
den meisten Beteiligten nachträglich aufgebaute Fiktion des Nichtwissens
eine bloße Lüge.
Dies gilt zumal für diejenigen, die an der Deportation der Juden aus
Westeuropa mitwirkten. Denn die antijüdische Verfolgungspolitik in
Frankreich, Belgien und den Niederlanden unterlag – ungeachtet aller
Unterschiede – grundsätzlich anderen Rahmenbedingungen und Vor-
gaben als im eroberten Osteuropa, und dies bestimmte auch den Wis-
sensstand der dort eingesetzten Deutschen. Die geographische Entfer-
nung von den Todesstätten, die Auslagerung des Judenmords an die
östliche Peripherie des deutschen Herrschaftsgebiets, trug dazu bei, die
Dimension des Verbrechens im Dunkeln zu halten. Hinzu kam die Un-
glaubwürdigkeit der während des Krieges zirkulierenden Gerüchte und
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8 EINLEITUNG
Informationen über den Holocaust. Außerdem waren die Zuständigkei-
ten weitgehend verteilt und die Abläufe im Räderwerk der Vernichtung
derart organisiert, dass niemand sich Gedanken über die Folgen des
eigenen Tuns zu machen brauchte.
Wenn daher nach 1945 so viele Täter jegliches Wissen um die »Endlö-
sung« bestritten, dann lässt sich das – alle Verzerrungen der kollektiven
Erinnerung in Deutschland und alle Ausreden von Überzeugungstätern
abgerechnet – nicht zuletzt auf das Geschehen selbst zurückführen.
Nimmt man dagegen die wenigen Geständnisse, aus denen deutlich her-
vorgeht, dass zumindest die Funktionselite des deutschen Besatzungsap-
parats in Westeuropa Kenntnis von der Tötung der deportierten Juden
hatte, dann gelangt man zu einer weiteren Fragestellung. Sie betrifft den
Zusammenhang von Wissen und Handeln. Man steht vor dem Problem,
warum die, die immerhin genügend wussten, um den verbrecherischen
Zweck der Deportationen erkennen zu können, daraus keine praktischen
Konsequenzen zogen, kurz: warum sie ›dabei blieben‹. Die Zwänge der
NS-Diktatur und die Situation des »totalen« Krieges reichen zur Erklärung
kaum aus, und die Annahme, das Gros der Exekutoren habe aus fanati-
schen Judenhassern bestanden, trifft die Wirklichkeit nicht.
Ob Nichtwissen oder Wissen um die Konsequenzen das ›Mitmachen‹
bei der Judenverfolgung begünstigt haben, scheint mir jedenfalls nicht
erwiesen. Die Vermutung, dass sich ein großer Teil der Täter unwissentlich
an der »Endlösung« beteiligt haben sollte, stellt eine ebenso große Her-
ausforderung für das historische Verstehen dar, wie der Umkehrschluss
problematisch sein dürfte, in klarer Kenntnis der Vernichtungsabsichten
des NS-Regimes hätten weniger Menschen ihre Hand zum Mord gereicht.
Beide Annahmen lassen sich zwar mit den Mitteln der Geschichtswissen-
schaft nicht überprüfen, aber sie zeigen die Reichweite der hier erörterten
Thematik.
*
Ich greife damit Probleme wieder auf, die ich in einer früheren Arbeit
unter dem Titel Täter im Verhör angesprochen habe. Nachdem ich dort der
Frage nachgegangen bin, warum die meisten Angehörigen deutscher
Dienststellen im besetzten Frankreich, darunter hochrangige Verantwort-
liche, nach dem Krieg behaupteten, von Auschwitz nichts gewusst zu ha-
ben, gehe ich jetzt daran, die ›Kehrseite‹ zu erforschen, indem ich die
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EINLEITUNG 9
Aussagen einer Minderheit von Akteuren oder tatnahen Zeugen heranzie-
he, die bei Vernehmungen durch Justizorgane einräumten, sie hätten
schon ab 1942 um die Vernichtung gewusst. Das Untersuchungsfeld wird
auf Westeuropa ausgeweitet; zudem wechsle ich die Perspektive und kon-
frontiere Täteraussagen mit den Zeugnissen von Auschwitz-Überlebenden.
Das Erscheinen dieses Buches gibt mir gleichzeitig Gelegenheit, zwei
Missverständnisse auszuräumen, die durch meine Studie über die »Endlö-
sung« in Frankreich hervorgerufen worden sein mögen. Wenn ich von der
Organisationsform des Verbrechens gesprochen und gesagt habe, Charak-
teristika wie arbeitsteilige Täterschaft, bürokratische Handlungsmuster,
Delegation von Aufgaben, Distanz vom Tatort und eine Reihe von Selbst-
täuschungseffekten hätten bei vielen Beteiligten, insbesondere bei den im
Westen eingesetzten, die Fiktion des Nichtwissens und der Nichtbeteili-
gung am Judenmord begründet, dann sollte dies nicht – wie mir kritisch
entgegengehalten wurde – zur Exkulpation von NS-Tätern dienen, die sich
als Beschuldigte darauf beriefen. Mir schien erklärungsbedürftig, warum
kaum jemand nachträglich ein Wissen um Auschwitz zugestand, unabhän-
gig von allen Aspekten der Leugnung oder Verdrängung. Letztlich ging es
mir um die Frage, wie das Verbrechen geschehen konnte.
Ähnlich missverständlich war vielleicht auch meine Behauptung, die »Un-
vorstellbarkeit« von Auschwitz sei nach 1945 zu einem probaten Entlastungs-
argument der Täter geworden. Diese Feststellung sollte keiner Mystifikation
historischer Fakten Vorschub leisten, wie man sie etwa aus der Formulierung
von Dan Diner herauslesen kann, Auschwitz sei »ein Niemandsland des
Verstehens, ein schwarzer Kasten des Erklärens«.1 Ich habe mich vielmehr
um die Aufschlüsselung von Rechtfertigungsstrategien bemüht, die meines
Erachtens eine reale Grundlage hatten. Bekanntlich wurden die ersten
Nachrichten über die Vorgänge in den Vernichtungslagern von kaum jeman-
dem für wahr gehalten, und zwar deswegen nicht, weil die Ungeheuerlich-
keit »selbstreferentiell ihre eigene Unglaubwürdigkeit erzeugte«.2 Eben
dies: dass sie an organisierte Massentötungen nicht hätten glauben können,
machten später auch jene Männer geltend, die für die Verfolgung der Juden
und ihren Abtransport verantwortlich gewesen waren.
*
Die Quellen, die Weitergabe und die internationale Verbreitung von In-
formationen über die Ausrottung der Juden während des Zweiten Welt-
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10 EINLEITUNG
kriegs sind hinlänglich untersucht und oft genug dargestellt worden, so
dass ich das nicht wiederholen muss.3 Ich behandele im Folgenden also
nicht das allgemein zugängliche Wissen um die »Endlösung« im deutsch
besetzten Westeuropa. Ohnehin darf man den Begriff des »Wissens« nicht
vorschnell auf ein Gesamtbild des Genozids beziehen, das angesichts der
Fragmentierung der Ereignisse und der Nachrichten in den Jahren
1941/42 bis 1945 – und weit darüber hinaus – gar nicht zu erlangen war.
Es ist auch nicht meine Absicht, zur Klärung der Diskussion beizutra-
gen, was die Deutschen über den Holocaust wussten oder wissen konnten,
aber nicht wissen wollten. Abgesehen davon, dass zu fragen wäre, wie es
Michael Wildt in einer klugen Rezension von Neuerscheinungen zu die-
sem Thema getan hat: »Wer sind die Deutschen? Um welches Wissen
handelt es sich? Was ist der Holocaust?«4 – abgesehen davon also hat die
jüngere Forschung trotz neuer Quellenfunde nicht viel mehr herausge-
bracht als das, was sich in den älteren Werken von Ian Kershaw, Otto Dov
Kulka und David Bankier auch schon findet.5 Vielleicht lässt sich nichts
wesentlich Neues mehr sagen, weil dieser Art von historischer Demosko-
pie Grenzen gesetzt sind. Überdies mag solche Forschung zwar das Maß
an Zustimmung oder Indifferenz erhellen, mit der die öffentliche Mei-
nung im Hitler-Staat auf die antijüdische Politik des Regimes reagierte,
zum Verständnis des deutschen Jahrhundertverbrechens hat sie jedoch
weniger beigetragen, als man erwarten mochte. Das könnte auch daran
liegen, dass nach dem Wissen von überwiegend »passiven Zuschauern«,
nicht aber von handelnden Akteuren der »Endlösung« gefragt wurde.
Selbst wo die Interaktion zwischen Regime und Bevölkerung im Mittel-
punkt steht, wie in einer Studie von Peter Longerich, geht es eher um die
Analyse totalitärer Propagandakampagnen, nicht um die Frage, ob die
Stimmung in der deutschen »Öffentlichkeit« Einfluss auf den Verlauf des
Mordens hatte.6
*
Den historischen Hintergrund, die Daten und Fakten der Judenverfol-
gung in den drei behandelten Ländern, werde ich immer dort knapp
skizzieren, wo es zum Verständnis der von mir angeführten Vernehmungs-
aussagen notwendig ist. Die Geschichte der Shoah in Westeuropa ist bes-
tens erforscht. Zwar mangelt es nach wie vor an einer deutschsprachigen
Monographie über die Deportation der Juden aus den Niederlanden,
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