Table Of ContentDas Wasser,
seine
Verwendung, Reinigung und Beurtheilung.
Das Wasser,
seine
Verwendung, Reinigung und Beurtheilung
mit besonderer Berilcksichtigung
der
gewerblichen Abwasser
und der
Flussverunreinigung.
Von
Dr. Ferdinand Fischer,
Professor an der Universit1Lt Gottingen.
Dritte umgearbeitete Auflage.
Mit in den Text gedruckten Abbildungen.
Berlin.
V e l' 1 a g von J n 1 ins S p l' i n g e 1'.
1902.
Aile Rechte, insbesondere das del'
Uebersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.
Softcover reprint of the hardcover 3nd edition 1902
ISBN-13: 978-3-642-89677-4 e-ISBN-13: 978-3-642-91534-5
DOl: 10.1007/978-3-642-91534-5
Vorwort.
Es gibt kein reines Wasser in der Natur. glticklicher
weise konnte man sagen, da (chemisch) reines Wasser geradezu
giftig wirkt (S. 26). Man kann daher nur von technisch-reinem
Wasser reden, d. h. ein Wasser ist rein, wenn es fiir den
beabsichtigten Zweck geeignet ist.
Bei der Besprechung von Brunnen- und Quellwasser musste
betont werden, dass die Analyse eingesandter Proben ffir die
Beurthellung eines Wassers werthlos ist (S. 12), da dieselbe n ur
unter Beriicksichtigung der ortlichen Verhaltnisse durch
sachverstandige Chemiker - nicht durch Aerzte - geschehen
kann (S. 474). Stets erfordert die Probenahme grosse Vorsicht
uncI Umsicht.
Fast aIle bisher veroffentlichten Analysen von Kanalwasser
geben kein zutreffendes Bild del' thatsachlichen Verhaltnisse, weil
sie sich auf Einzelproben beziehen, die am Tage, wohl meist
unter dem Einfluss del' sogen. FriihstiicksweIle, genommen sind,
ohne Riicksicht auf die gewaltigen Schwankungen in del' Zusammen
setzung solcher Wasser (S. 109 u. 111).
Dementsprechend sind auch die meisten del' bisher ver
offentlichten Analysen fUr die Beurtheilung del' Reinig·ungs
verfahren unbrauchbar, well sehr oft, in Folge unsachgemasser
Probenahme, die Analysen des rohen und gereinigten Wassers gar
nicht einander entsprechen. Dieses gilt zunachst fiir die Analysen,
welche die Berieselung betreffen (S. 196 bis 230). Wegen del'
starken Verdunstung miisste das Drainwasser wesentlich hOheren
Chlorgehalt zeigen, als das zugefiihrte Kanalwasser - nur bei
Regenwetter konnte das umgekehrte stattfinden -; dass die Analysen
abel' im Drainwasser durchweg weniger Chlor enthalten, erklart
sich daraus, dass das Kanalwasser abends und nachts meist sehr
VI Vorwort.
wenig verunreinigt ist (S. 111). Auch bei den Fallungsverfahren
gehOren sehr oft die Proben des Abwassers vor und nach der
Reiuigung gar nicht zusammen, so dass diese Analysen fur die Be
urtheilung der Reinigungsverfahren vollig werthlos sind. (V gl.
S. 143, 266, 271, 350, 381.)
Die stark fibertriebenen Forderungen mancher Vertreter der
Landwirthschaft mussten mehrfach zurUckgewiesen werden
(S. 39 bis 42, 65 u. 66), besonders aber die nicht zu recht
fertigenden Ansprfiche der einseitigen Fischfreunde (S. 45 bis 65),
welche immer nur Eratzansprfiche an die Industrie stellen
(S. 63 u. 66), ohne zu beriicksichtigen, dass auch landwirthschaft
liche Betriebe oft viele Fische vernichten (Wiesenberieselung,
Jauche), und dassauch manche Industriebetriebe durch landwirth
schaftliche Betriebe geschadigt werden konnen. Die wirth
schaftliche Bedeutung der Bachfischerei ist verschwindend geg·en
die del' Industrie (S. 66).
Abwasserfragen sind nicht yom "gTiinen rl'isch" aus zu lOsen,
sondern durch technisch erfahrene Chemiker.
Gotting·en, im Marz 1902.
Del' Vel'fass-el'.
Inhal t.
1. Das Wasser in der Natur. Seite
Vorkommen 1
Zusammensetzung des in der Natur vorkommenden Wassel's 3
Quell- und Brunnenwasser . . . . . . . . . . . . 6
Tagewasser, Flusswasser ............... . 16
2 Ein1luss der Bestandtheile des Wassers auf seine Yerwendong fiir
hausliche und gewerbliche Zwecke.
Wasser fiir hausliche Zwecke einsch!. Trinkwasser 21
Geschmack des Wassel's . . . . . . 24
Dampfkesselspeisewasser . . . . . . . 28
Wasser fiir Starke- und Zuckerfabrikell 29
Wasser fiir Brauereien . . . . . . . 31
Wasser fiir Verarbeitung der Faserstoffe 33
Wasser fiir Gerbereien ........ 35
Wasser fiir landwirthschaftliche Zwecke· 37
Fischwasser 45
Fischkrankheitell . . . . . . . . . . 57
Fischereigesetz . . . . . . . . . . . 58
Wirthschaftliche Bedeutung der Fischerei 65
3. Gesetzliche Bestimmungen fiber die Verunreinigung der Fliisse.
Englische Gesetze· . . . . . . . . . . . 67
Deutsche Gesetze . . . . . . . . . 71
Ministerialverfiigung yom 20. Februar 1901 75
Reichsgerichtsentscheidungen . . . . . . . 93
Reichsgesundheitsrath und kg!. Versuchs- und Priifungsallstalt fiir Wasser-
versorgullg ulld Abwasserbeseitigung . . . . . . . . . . . .. 102
4. Flussverunreinigung durclt menscltliche Abfallstotfe.
Menschliche Abfallstoffe 103
Stadtisches Kanalwasser . . . . . . . . . . . . . . . 109
Flussvernnreinigullg' . . . . . . . . . . . . . . . . 112
5. Selbstreinigung der Fliisse.
Selbstreilligung des Wassers . . . . . . . . . . . 128
6. Abwasserreinigung.
Mechanische Reinigullg, Absetzell . 140
Filtration 147
Kohlebreiverfahrell 151
Biologische Verfahren 158
Faulverfahren von Dibdill u. A. 159
Oxydationsverfahren . 169
Proskowetzverfahren 191
Fisch verfahrell . . . 194
VIII Illhait.
Seite
Berieselung 196
England 196
Danzig 197
Breslau 201
Berlin . 203
Charlottenbnrg, Freiburg n. A. 225
Paris ...... . 230
Zusatz von Chemikalien . . . . . 234
Kalk ........... . 235
Eisen- und Thonerdeverbindungen u. dergl. 245
Elektricitat 248
Wiesbaden 250
Frankfurt . 255
Halle ... 265
Dortmund und Essen 267
Potsdam· ... 270
Eichen-Verfahren . . 278
7. Verunreinigung des Wassers durch Industrie-Abwasser.
Bergbau ........... . 280
Piesberg ..... . 282
Mansfelder Kupfersehiefergmben 287
Salinen, Kaliindustrie . . . . . . 297
Fabriken chemischer Producte . . 300
Leuchtgasfabriken, Kokereien, Theerverarbeitung . 305
Hilttenwesen, 1I'letallwaarenfabriken 308
Starkefabriken . . . . . . 309
Zuckerfabriken . . . . . . . . 326
Branereien, Spiritusfabriken . . 374
Schlachtereien, Fettverarbeitung 379
Gerbereiell, Leimfabriken 384
Verarbeitung der Fasel'stoffe . . 388
Papierfabriken . . . . . . 396
8. Wasserreinigung.
Reinigung des fill' hausliche und imlustrielle Zwecke bestimmtell Wassel's 403
Sand filtration . . . 405
Wirkullg del' Salldfllter . . . . . . . . . . . . . . . 425
Enteisenung des Wassel'S . . . . . . 436
9. Beurtheilung von Wasser.
Gutaehten del' wissenschaftlichen Deputation bez. Hannover 443
Gutachten der wissenschaftlichen Deputation bez. Kaliindustrie 457
Beurtheilung von Wasser 474
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
1. Das Wasser in der Natur.
Vorkommen. Das Wasser kommt wesentlich als Regen-, Quell
Fluss- und Meerwasser vor. Kiihlen sich nach Sonnenuntergang die auf
der Erdober:ftache befindlichen Gegenstande unter den Thaupunkt ab, so
schlagt sich ein Theil des in der Luft befindlichen gasformigen Wassers
in Form von kleinen Tropfchen als Thau nieder, del' bei Temperaturen
unter 0° zu Reif erstarrt. Wird eine grossere Luftmenge unter ihren
Thaupunkt abgekiihlt, so scheidet sich die entsprechende Wassermenge
ebenfalls in kleinen Tropfchen ab, es entstehen Nebel, 'Volken. Diese
Tropfchen senken sich langsam nieder, werden, falls die unteren Luft
schichten wiirmer und daher noch nicht mit Wasser gesattigt sind, wieder
dampffOrmig, fallen aber als Regen - gefroren als Schnee und Hagel -
auf die Erde nieder, wenn del' Feuchtigkeitsgehalt auch del' tieferen Luft
schichten sich dem Thaupunkt niihert.
Die Menge dieses jahrlich niedergeschlagenen Meteorwassers ist im
Allgemeinen am grossten in den Tropen und in der Nahe des Meeres, am
geringsten im Norden. So betragt die mittlere Hohe diesel' Niedel'schlage
(RegenhOhe) nach Mollendol'fl) in:
Madrid 25 em Genua 118 cm
Wien 45 Clausthal (Harz) . 143 ..
Petersburg 46 " Bergen (Norwegen) . 225
Berlin. . 57 " Tolmezzo (Alpen) . . . . 244 "
Hannover 58 Stye-Pass (Cumbrisches Geb) 481
Rom 78 " ,~
"
Nach van Rebber2) betragt die RegenhOhe in den Vogesen 146 cm,
im Harz und in Baden 92 cm, im iibrigen Deutschland 50-76 cm.
Deutschland hat eine mittlere Regenhohe von 67 cm; davon fallen
im Sommer (Juni-August) 24 cm, im Herbst 16, im Friihling 15 und im
Winter nul' 12 cm. Waldige Hohen haben meist viel mehr Niederschlage
1) Vergl. G. v. MiHiendorf, Die RegenverhiUtni8se Deutschlands (Gilrlitz
1862); Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde in Berlin, 1878, No. 47.
2) J. van Rebber, Die Regenverhiiltnisse Deutschlands (Mlinchen 1877).
Fischer, Wasser. s. Aui!. 1
2 Flusswasser.
als die Ebenen. Nach Fautrat1) soUen besonders Nadelholzwaldungen
die Regenmenge vergrossern.
Von diesen Durchschnittszahlen weicht die Regenmenge einzelller
Jahre oft ganz bedeutend ab; so betragt die Regenhohe Frankfurts als
Durchschnitt von 30 Jahren 60 cm, 1864 betrug dieselbe jedoch nul' 36 cm,
1867 dagegen 144 cm.2)
Von diesem Meteorwasser wird etwa die Halfte (weniger im Winter,
mehr im Sommer) durch Verdunstung del' Atmosphare wieder unmittelbar
zugefiihrt, das iibrige dringt zum grossten Theil in den Boden zur
nachsten undurchlassigen Schicht, auf del' es dem Gesetz del' Schwere
folgend weiter fliesst, bis es schliesslich durch Brunnen kiinstlich gehoben
odeI' als QueUe zu Tage tritt, um mit dem oberflachlich abfliessenden
Meteorwasser in Bachen und Flitssell dem Meere zugefithrt zu werden.
Die \Vassermellge del' Fliisse muss demelltsprechend bedeutelld
schwanken. Nacb den vorliegenden Messungen und Schatzungen betragt
die secundliche Vvassermenge:
Douau. eisernes Thor, im Mittel 8500 ebm.
Elbe bei Hainerten . 290 bis 1200
Saale . . 36 " 111
ll'lemel bei Kallwenn 180 6000 .
Oder bei Breslau. . 32 138
" Glogau . 81 2300
.. Hohenwutzen. 3500 4300
Rhein bei Emmerich 1500 9000
Neckar bei Mannheim 33 5200
Main . . . . . . 70 3000
Weiehsel bei l\1ontauer Spitze 270 8200
\Veichselarm, Montaner Spitze 250 5000
Nogat . . . . . . 20 3200
Weser bei Hoya . . 90 1600
Nach P. Graeve3) liefert 1. del' Rhein bei Koblenz fitr 100 qkm
Gebiet 1,070 cbm 'Wasser in der Secunde; 2. die Weser bei Minden
0,826 cbm; 3. die Elbe bei Torgau 0,579; 4. die Elbe bei Barby 0,554:
5. die OdeI' hei Steinau 0,460; 6. die OdeI' unterbalb del' \Varthe-Miindung
1) C. f. 89, 1051.
2) In Breslau fielen am 6. Aug. 1858 sogar 11,5 cm Regen, in Colberg
am 7. Sept. 1880 innerhalb 6 Stunden 10,2 cm Regen, in Konigsberg am 16. Juni
1864 in 3/4 Stundell 5,5 em Regen, am St. Gotthard in 3 Tagen vom 5.-7. Oct.
1880 zusammell 25,4 cm Regen. Die Praxis moge insbesondere bei gewerblichen
und industriellen Anlagen in Deutschland ihren die Niedersehlage beriick
sichtigenden Rechnungen ein Tagesmaximum in Rohe von mindestens 10 cm,
ein Stulldenmaximum von mindestens 5 em zu Grunde legen. (Petermann's
Geographische JlHttheilungen, 27, 201.)
3) Civiling. 1879, 591.
Regenwasser. 3
0,413; 7. die Warthe nahe del' Miindung 0,344; 8. die Weichsel bei
Montauer Spitze 0,538; 9. die Memel bei Tilsit 0,600 cbm. Del' Procent
satz del' thatsachlichen Abftussmenge von del' Regenmenge ist 1. = 38,5 %,
2. = 37 Ufo, 3. = 30 Ufo, 4. = 28,5 Ufo, 5. = 27,2 Ufo, 6. = 21,4 Ufo, 7. = 21 %,
8. = 29 Ufo und 9. = 32,5 Ufo. (Vergl. S. 112.)
Zusammensetzung des in der Natur vorkommenden Wassers.
Rei n e s Wasser kann bei dem grossen Losungsvermogen desselben in
del' Natur nicht vorkommen, vielmehr enthalt dieses stets grossere odeI'
geringere Mengen derjenigen Stoffe, mit denen es in Beriihrung ge
kommen ist.
Meteorwasser enthalt stets die Bestandtheile del' Atmosphare 1) in
den ihren Loslichkeitsverhaltnissen entsprechenden Mengen, sowie die
Verunreinigungen del' Atmosphare. 1 1 Regenwasser enthielt nach
Reichard t2) im Januar bei 40 aufgesammelt 32,4 cc, im Juni bei 15°
gesammelt 24,9 ce Gase folgender Zusammensetzung:
Januar Juni
Sauerstoff 31,8 % 27,0 %.
.. Stickstoff 61,5 " 64,2 "
Kohlensaure 6,7 " 8,8 "
Bei Gewittern enthalt Regen zuweilen 'Vasserstoffsuperoxyd. Die
englische Flusscommission 3) fand im Liter Regenwassel':
Organischen Kohlenstoff . 0,27 bis 3,72 mg.
Stickstoff 0,03 " 0,66 "
Amm~~iak ..... 0,11 .. 0,80 "
Stickstoff als Nitrate. . 0,03 " 0,40 "
Am m 0 n i a k im Regenwasser wul'de bereits von Lie big (1826)
nachgewiesen. B a I' l' a 14 ) fand bei U ntel'suchnng des auf dem Obser
vatorium zu Paris in Platingefitssen gesammelten Regenwassers ausser
stickstoffhaltiger organischer Substanz, etwas Eisenoxyd, geringen Mengen
Magnesia (2,12 mg im DUl'chschnitt) im Liter mg:
1) 1 I Wasser lost nach Bun sen bei 760 mm und folgcnden Temperaturen:
bei 0° 10° 20°
Sauerstoff . 41 33 28 cc.
Stickstoff . 20 16 14 "
Kohlensaure 1797 1185 901
Vgl. R. Bunsen, Gasometrische Methoden (Braunschweig, Fr. Vieweg);
Fischer's Jahresb., 1899, 511.
2) Arch. Pharm., 206, 193.
3) Rivers Poll. Comm. VI. Rep.; Ferd. Fischer, Chemische Technologic
des Wassers, 2. Auti. (Braunschweig 1902).
4) Jahrb. d. Chern., 1852, 751; 1853, 707.
1,"'.,