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VERSAGEN DES KREISLAUFES
DYNAMISCHE UND ENERGETISCHE URSACHEN
VON
PROFESSOR DR. HANS EPPINGER
DIREKTOR DER lIfEDIZINISCHEN UNIVERSITATSKLINIK
IN FREIBURG I. BR.
DR. FRANZ KISCH . DR. HEINRICH SCHWARZ
MIT 56 ABBILDUNGEN
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1927
ISBN-13:978-3-642-89254-7 e-ISBN- 13:978-3-642-91110-1
DOI: 10.1007/978-3-642-91110-1
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER tJBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
COPYRIGHT 1927 BY JULIUS SPRI~GER IN BERLIN.
HOFRAT DURIG
IN BESONDERER VEREHRUNG
UBERREICHT
Inhaltsverzeiehnis.
Seite
Einleitung . 1
I. Die Stromungsgeschwindigkeit des Blutes als MaB des periphel'en
Kreislaufs 2
II. Del' EinfluB korperlicher Arbeit auf den Kl'eisiauf und auf den
Stoffwechsel gesundel' sowie hel'zkl'anker Menschen . 25
III. Del' EinfluB korperlicher Arbeit auf den MilchsaurestoffwechseI ge-
sunder sowie herzkranker Menschell . 84
IV. Die Bedeutung del' Pufferung fUr die Kreislauffunktion . 119
V. tiber die experimentelle Kohlensaurevergiftung . 146
a) EinfluB del' Kohlensaureatmung auf die PH des arteriellen Blutes,
del' Lymphe und des Kammerwassel's 158
b) Del' EinfluB der Kohlensaul'evergiftung auf die Harnsekretion . 160
0) EinfluB del' Kohlensaureatmung auf die Beschaffenheit des Blutes 162
d) Del' EinfluB del' Kohlensaureatmung auf den .Blutkl'eislauf 169
VI. Theorie del' Herzinsuffizienz. . 204
Einleitung.
Eine der wichtigsten klinischen Fragestellungen in der Pathologie
der Herzkrankheiten betrifft die Moglichkeit einer Beurteilung, in
wieweit hier der Kreislaufapparat jeweils in seiner Funktionstiichtig
keit beeintrachtigt ist; von den in dieser Richtung gewiesenen Anhalts
punkten will uns das Verhalten mancher Faktoren der Blutzirkulation
unter der Einwirkung einer physischen Arbeitsleistung als wertigstes
Kriterium erscb.einen. Das Studium dieser uns besonders interessieren
den Geschehnisse und Vorgange machten wir zum Gegenstande um
fassender Untersuchungen. Wahrend wir uns anfanglich hauptsachlich
nur mit der Hamodynamik, also mit dem Minutenvolumen, dem Blut
drucke u. dgl. befaBten, dehnten sich unsere 'Untersuchungen iiber den
EinfluB muskularer Arbeit auf das Blutkreislaufverhalten Herzkranker
auch auf das Gebiet der Protoplasmadynamik aus; denn der Gesamt
kreislauf des Blutes (Herz und GefaBe) dient ja keineswegs nur hamo
dynamischen Zwecken, sondern steht ebensosehr in innigster Beziehung
zur Zelltatigkeit selbst, deren Leistungsfahigkeit von der Nahrungs
versorgung bedingt ist, wie auch umgekehrt die rein hamodynamischen
Organe in innigstem Abhangigkeitsverhaltnisse zum Energieumsatze
stehen. Das Zusammenspiel zwischen Hamodynamik und Protoplasma
dynamik ist in seinen feinsten Relationen noch vielfach in Dunkel
gehiillt, wenn auch in den letzten J ahren von Seite der Physiologen
die Aufhellung einer Reihe wichtiger Fragen gelang. Wir aber stellten
uns die Aufgabe, vom Gesichtspunkte der Klinik aus auf den bereits
gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen der Physiologie auf
bauend einen Weg zur Pathologie zu £inden, der Einblicke in die Be
ziehung der Hamodynamik und Protoplasmadynamik beim herzkranken
Menschen ermoglicht.
Eppinger, Kreislauf. 1
I. Die Stromungsgeschwindigkeit des Blutes als MaS
des peripheren Kreislaufs 1).
Soil das Blut die erforderliche Funktionstiichtigkeit der Gewebs
zellen gewahrleisten, so ist hierfiir ein geregelter Austausch im Sinne
der Nahrungsaufnahme und der Entfernung der Stoffwechselschlacken
die notwendige Bedingung: Zu diesem Behuf stehen dem Organismus
das Herz als zentrales Triebwerk, das Arteriensystem fiir die Blut~ufuhr,
die Capillaren als die den Austausch vermittelnde Oberflache und die
den Abstrom des Blutes dienenden Venen zur Verfiigung. Die zweck
maBige Ernahrung der Gewebe ist an eine bestimmte Stromungs,
geschwindigkeit des Blutes gebunden. Ein allzurasches DurchflieBen
des Blutes durch die den Stoffaustausch vermittelnden Capillaren er
scheint ebenso unokonomisch, wie ein zu langes Verweilen des Blutes
im Bereiche der Gewebszellen. Bei der Betrachtung des Zusammen
spiels aller Kreislauffaktoren miissen wir unser Augenmerk zunachst
auf die Tatigkeit des Herzens selbst richten, welches den Blutstrom
unter Aufbietung des zweckdienlichen Blutdruckes in der Austreibungs
periode in die Richtung der Arterien wirft und an die Orte des Stoff
austausches gelangen laBt. Von vielen Seiten wrirde den Geschehnissen
und Vorgangen wahrend der systolischen Phase der Herztatigkeit mehr
Interesse entgegengebracht, als jenen im Verlaufe der Diastole; und
wenn es auch fiir die meisten physiologischen Fragen im Prinzip gleich
giiltig ist, ob man dem diastolischen oder systolischen Blutquantum
mehr Aufmerksamkeit schenkt, da ja beide Faktoren hier gleiche Teile
eines geschlossenen Kreislaufs darsteIlen, so besteht unter pathologischen
Bedingungen doch die zwingende Notwendigkeit, die systolische und
diastolische Herzleistung gesondert zum Gegenstand des Studiums zu
machen. Der Ablauf der Systole, bei welcher die Austreibung des
Blutes aus den Ventrikel erfolgt, ist bereits seit langem das Objekt
genauer und aufschluBreicher Beobachtungen, wahrend das diastolische
Verhalten des Herzens sich in manchem noch als ein schwieriges Problem
1) Die ziemlich kostspieligen Untersuchungen, die dieser Pnblikation zugrunde
liegen, wurden vielfach nur unter Heranziehung wissenschaftlicher Fonds er
moglicht; vor allem gebiibrt unser Dank der Notgemeinschaft deutscher Wissen
schaft, die uns in der Beschaffung der erforderlichen Apparate weitgehend unter
stiitzte; nicht zuletzt sei auch des Kuratoriums der Freiburger wissenschaftlichen
Gesellschaft gedacht, das uns zur Fortfiihrung der begonnenen Untersuchungen
einen groBeren Geldbetrag zur Verfiigung stellte.
Die Stromungsgeschwindigkeit des Elutes als MaB des peripheren Kreislaufs. 3
darstellt. Der Herzmuskel wird oft mit einem Gummigeblase verglichen,
welches in gefUlltem Zustande durch Zusammendriicken seinen Inhalt
in ein elastisches System auspreBt. Dieses Gleichnis erscheint jedoch
nicht recht passend, da das Herz zwar gleich einem Gummigeblase
bei seiner Kontraktion ein entsprechendes Blutquantum gegen den
hohen Widerstand des elastischen GefaBsystems auswirft, jedoch
kaum die Fahigkeit besitzt, ahnlich dem gewahlten Modell beim Nach
lassen des Austreibungsdruckes, d. h. im Verlaufe der Diastole, die
Riickbefi::irderung durch das Venensystem in die Wege zu leiten.
Die diastolische Fiillung des Herzens erfolgt vielmehr ohne jede aktive
Saugkraft des Herzens, ausschlieBlich auf passive Weise. Das dem
Herzen wahrend der Diastole angebotene Blutquantum hangt vor
aHem von drei Faktoren ab, deren Analyse wir uns zunachst zuwenden
wollen. Von ganz wesentlicher Bedeutung scheint die Saugkraft des
Thorax, d. h. der negative Druck zu sein, welcher im Thoraxraume
herrscht. Bei der Inspiration tritt eine Steigerung des negativen Druckes
auf, welche ihrerseits eine Erweiterung der LungengefaBe und der deh
nungsfahigen Herzpartien zur Folge hat. Fiir die linke Herzkammer
ist dieses Moment gering zu veranschlagen; die muskelschwachen V or
hi::ife hingegen und auch die rechte Kammer werden durch den Thorax
druck deutlich beeinfluBt. Die Inspiration bedingt auf diese Weise
eine Abnahme der Widerstande und erleichtert demnach die diastolische
Fiillung des Herzens. 1m Gegensatz zu den Stri::imungsverhaltnissen
im Bereiche der Cava superior steht die Beeinflussung der Stri::imungs
geschwindigkeit in der unteren Hohlvene im Verlaufe der Inspiration.
Durch das Tiefertreten des Zwerchfells und den Anstieg des intra
abdominellen Druckes tritt eine Drosselung des Blutstromes von seiten
der Cava inferior auf. Die Zwerchfellkontraktion fiihrt andererseits
unter gleichzeitiger Steigerung des Abdominaldruckes eine Auspres
sung der Leber herbei, durch welche eine Fi::irderung der diasto
lischen Fiillung des Herzens in Erscheinung treten kann. Aus dem
Gesagten ergibt sich, daB sowohl Atemtypus wie auch Atemgri::iBe
von entscheidender Bedeutung fUr den Kreislauf sein ki::innen. Bei
der Exspiration besteht wohl eine Erschwerung des Zuflusses ins
besondere von den groBen ThorakalgefaBen, doch kann keinesfalls an
genommen werden, daB auf diese Weise die inspiratorische Fi::irderung
des Zuflusses zum Herzen aufgehoben wird. Die maximalste Exspirations
stellung stellt die Ruhelage des Brustkorbes dar, so daB sowohl Inspira
tion als auch Exspirationsbewegung eine Abnahme des negativen
Druckes und demnach eine Beschleunigung des Blutstromes zur Folge
haben mussen. Neben dieser durch die Atmung bewirkten Strom
beschleunigung ist zwar die EinfluBnahme der Anderung des Herz
volumens, welche ihrerseits gleichfalls eine Beschleunigung der Herz-
1*
4 Die Stromungsgeschwindigkeit des Blutes alB MaB des peripheren Kreislaufs.
fiillung zur Folge hat, gering zu veranschlagen, doch darf dieser Faktor
keineswegs vernachlassigt werden. Sehr illustrativ laBt sich dieses
Moment gelegentlich an kammersystolischen Einziehungen der vor
deren Thora~wand beobachten. Atemtatigkeit und Anderung des Herz
volumens scheinen demnach von nicht zu unterschatzender Bedeutung
fiir das Einstromen des Blutes in der Diastole zu sein.
Von groBter Wichtigkeit fiir den Bluttransport zum Herzen muB die
Kontraktion der peripheren Muskulatur angesehen werden. In recht an
schaulicher Weise kann diese Funktion bei einer Venenpunktion beobach
tet werden, bei welcher an den Patienten so haufig die Aufforderung
gerichtet wird, die Hand zur Faust zu ballen und wieder zu offnen, wobei
mit jeder intensiveren Muskelkontraktion eine Beschleunigung des Blut
stromes in Erscheinung tritt. Von geringerem EinfluB als der regel
maBige Wechsel von Kontraktion und Erschlaffung der Muskulatur
scheint die bei der statischen Arbeit bestehende, langer dauernde
Muskelkontraktion zu sein. Halt z. B. der Patient im Verlaufe einer
Venenpunktion die Hand stets fest zur Faust geschlossen, so kommt
es zwar allenfalls anfanglich zu einem rascheren AbflieBen des Blutes,
bald jedoch tritt eine Verlangsamung auf, trotzdem die Armmuskulatur
in dauernder Anspannung ist. In besonders klarer Weise ist das Ver
halten der Herzfiillung bei statischer Arbeit durch Untersuchung von
LINDHARD und STEENSTROM1) illustriert worden. Nach ihren Be
obachtungen war bei statischen Arbeitsleistungen, welche zumeist er
hebliche Grade erreichten, nur eine geringgradige Erhohung des Herz
minutenvolumens aufgetreten. Bei den meisten Arbeitsleistungen be
steht jedoch ein nahezu regelmaBiger Wechsel von Muskelerschlaffung
und -kontraktion, durch welche einerseits eine Erleichterung der diasto
lischen Herzfiillung, andererseits eine entsprechend giinstige Durch
blutung der arbeitenden Muskulatur gewahrleistet wird.
BURTON -OPITZ 2) versuchte exakten AufschluB iiber die von seiten
der Muskulatur dem Blutstrom erteilte Beschleunigung zu erhalten.
Der Blutstrom in der Vena femoralis wurde bei diesen Beobachtungen
mit Hille einer Stromuhr gemessen und betrug bei vollkommener
·Muskelruhe im Durchschnitt 0,85 ccm pro Sekunde. Bei Reizung des
Nervus ischiadicus trat im Verlaufe der Muskelkontraktion eine Be
schleunigung des Blutstromes bis auf 2,58 ccm pro Sekunde auf. Bei
-dauerndem Tetanus hingegen sinkt die Strommenge nach anfanglicher
Beschleunigung auf 0,41 ccmjSek., also unter den Anfangswert abo
Diese Beobachtung spricht in ahnlicher Weise wie die bei Venenpunktion
so augenfallige Feststellung dafiir, daB der Wechsel zwischen Kontrak-
1) LmDHARD u. STEENSTROM: Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd.161,
S.233. 1915.
2) BURTON-OPITZ: Americ. journ. of physiol. Bd.9, S.175. 1903.
Die Stromungsgeschwindigkeit des Elutes als MaE des peripheren Kreislaufs. 5
tion und nachfolgender Erschlaffung von entscheidendem Einflu13 auf
die Herzfiillung sein mu13; in welch bedeutendem Grade bei schwerer
Muskelarbeit der Blutstrom anschwellen kann, wird spater noch Gegen
stand unserer Ausfiihrungen sein.
Wenn auch an der Bedeutung verschiedener Hilfsfaktoren, ins
besondere der Atmung, fiir die geregelte Zufuhr des Blutes zum rechten
Herzen nicht zu zweifeln ist, so kann diesen Momenten doch keines
wegs die alleinige Einflu13nahme auf die diastolische Fflllung zukommen.
Dies erhellt deutlich aus den Untersuchungen an curarisierten Tieren"
bei welchen sowohl bei kiinstlicher Respiration als auch bei Ausschaltung
derselben und Regelung der Sauerstoffzufuhr nach AUER·MELZER del'
Kreislauf in fast normaler, jedenfalls nicht wesentlich gestorter Weise
aufrechterhalten werden kann. Die diastolische Fiillung des Herzens
kann unter diesen Bedingungen nur durch die" Vis a tergo" gewahr
lei stet sein. Der Blutstrom, der bei jeder Systole unter hohem Druck
in das arterielle System gelangt, stromt in der Richtung des geringsten
Widerstandes durch das Capillarsystem gegen den venosen Schenkel
des Kreislaufs abo Die lebendige Kraft, die der Blutstrom am Ende
des arteriellen Kreislaufschenkels noch besitzt, muB jedenfalls als ge
niigend groB angesehen werden, um den BlutabfluB durch den zwischen
Arterien und Venen eingeschalteten Schleusenapparat und das Venen
system herzwarts zu gewahrleisten. Je nach der Weite des Schleusen
apparates scheint die Geschwindigkeit, mit der das Blut zentripetal
dem Herzen zustromt, zu variieren. Wenn von mancher Seite dem
venosen Drucke ein bestimmender EinfluB auf die diastolische Fiillung
des Herzens zugeschrieben wird, so ist das nur bedingt richtig; del'
venose Druck ist von den verschiedensten Faktoren abhangig, nicht
nur von der Vis a tergo; wird der venose Druck infolge des erhohten
Zustromes in die Hohe gesetzt, dann allerdings trifft diese Voraus
setzung zu; wenn aber die Drucksteigerung sich als die Folge einer
vom Herzen bedingten Stase entwickelt, dann kann man in ihr wohl
kaum einen fordernden Faktor erblicken.
Dem Venensystem im weiteren Sinne kommt sicher auch eine loko
motorische Wirkung auf den Kreislauf ganz im allgemeinen zu; an den
Beobachtungen von Y. HENDERSON!) kann man nicht voriibergehen;
treibt man durch geeignete MaBnahmen, wie Z. B. durch Hyperventi
lation die Kohlensaure aus dem Korper, so kommt es zu einem volligen
Versiegen der Zirkulation, die sich wieder sofort bessert, wenn wieder
Kohlensaure verabfolgt wird; die Schadigung liegt nicht am Herzen;
das Blut scheint im venosen Gebiete zu liegen, und wird, weil ent
sprechende Krafte fehlen, nicht in zweckdienlicher Weise dem Herzen
1) HENDERSON: .Americ. journ. of physioI. Bd.69, S.965. 1917 u. Journ.
Americ. Med .. Assoc,. 1921. S. 424.
6 Die Stroroungsgeschwindigkeit des Blutes als MaB des peripheren Kreislaufs.
angeboten; ob es sich hier nur um den Effekt des Vasomotorenapparates
handelt, oder ob eigene Krii.fte - HENDERSON spricht hier von einem
Veno-pressor-Mechanismus - in Frage kommen, steht noch zur
Diskussion; jedenfalls iibt die Kohlensaure auf diesen Vorgang einen
sehr energischen EinfluB aus, so daB es zweckdienlich erscheint, auch
dieses Moment bei der diastolischen Fiillung des Herzens in Erwagung
zu ziehen. Ahnlich wie Kohlensauremangel wirkt Pituitrin resp.
Histamin.
Die Betrachtung des Blutstromes im Sinne eines vollstandig ge
schlossenen Kreislaufs konnte die Vorstellung erwecken, als miiBte
sich das ganze Blut dauernd in gleichmaBiger Zirkulation befinden;
das ist ganz sicher nicht vollig richtig; es gibt bestimmt Stellen in unserem
Korper, wo Blut liegen bleibt und sich so der Zirkulation entzieht;
in Buchten, die selbst in breiter Kommunikation mit dem Bette eines
reiBenden Stromes stehen, verharrt das Wasser gelegentlich ganz ruhig;
hierselbst abgelagerte Holzstiicke konnen monatelang liegen bleiben,
ohne vom Wirbel des Hauptstromes mitgerissen zu werden; in Analogie
dazu ist es nicht notwendig, die Blutreservoirs in abgeschiedenen
Stellen unseres Korpers zu suchen; auf Nebengeleisen der Hauptlinien
diirfte reichlich Platz sein und in dem Sinne wird man die unterschied
lichen Gewebe und Organe zu betrachten haben; die Depots in der
Milz - wie dies in letzter Zeit besonders von BARCROFTl) betont wurde -
sind nur besonders augenfallige Ablagerungsstellen fiir Blutquantitaten,
die bald reichlicher, bald weniger oft und ergibig zugunsten des Gesamt
organismus herangezogen werden. Ein Verbluten des Organismus· in
diese Buchten scheint doch offenbar gleichbedeutend mit Shok z. B. auf
der Hohe der Histaminwirkung.
Das beigefiigte Schema (Abb.l), das einer Arbeit von HENDERSON
entnommen wurde, bringt diese Depots ganz besonders deutlich zum
Ausdruck; hier soll offenbar der Veno-pressor-Mechanismus im Sinne
von HENDERSON angreifen; bei der Akapnie und ebenso bei der Hista
minvergiftung erscheinen diese Depots reichlich gefiillt und anderseits
so beschaffen, daB wenig Blut zum Herzen zuriickflieBen kann; steht da
gegen der Organismus unter dem Einflusse von Kohlensaure, so werden
wahrscheinlich die Hahne E weit geoffnet, so daB das arterielle Blut,
ohne sich langer in den Depots aufhalten zu miissen, rasch seinen Weg
wieder zum Herzen zuriickfindet.
Sehr schon lassen sich die Bedingungen, unter welchen die Herz
fiillung gewissermaBen unabhangig von Muskeltatigkeit und Atmung
statthat, also daB sie ausschlieBlich von dem Faktor Vis a tergo be
dingt ist, im Tierexperiment studieren, und zwar sowohl bei Verwendung
der direkten Messung des Blutstromes mittels der Stromuhr, als auch
1) BARCROFT: Ergebnisse der Physiologie Bd.25, S. 818. 1926.