Table Of ContentDAS PROJEKT DER DEUTSCHEN LITERATURGESCHICHTE
Jürgen Fohrmann
DAS PROJEKT DER
DEUTSCHEN
LITERATURGESCHICHTE
Entstehung und Scheitern
einer nationalen Poesiegeschichtsschreibung
zwischen Humanismus und
Deutschem Kaiserreich
J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung
Stuttgart
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Fohrmann, Jürgen:
Das Projekt der deutschen Literaturgeschichte : Entstehungund
Scheitern einer nationalen Poesiegeschichtsschreibung zwischen
Humanismus und Deutschem Kaiserreich / Jürgen Fohrmann. -
Stuttgart :Metzler, 1989
Zugl.: Bielefeld, Univ., Habil.-Schr., 1988
ISBN 978-3-476-00660-8 ISBN 978-3-476-03278-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-476-03278-2
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© 1989 Springer-Verlag GmbH Deutschland
Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersehe Verlagsbuchhandlung
und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1989
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
Seite 1
I
DAS PROJEKT EINER NEUEN GESCHICHTE
Seite 3
1. Tradition, Wissen und Geschichte 3
2. Geschichtsschreibung als Herstellung von Zusammenhang 19
3. Geschichtsforschung, Geschichtsdarstellung und die »innere
Geschichte« der Literatur 35
4. Konstruktion und Rekonstruktion 56
5. Rekonstruktionsprogramme 62
II
NATION ALS SUBJEKT DER ENTELECHIE
Seite 69
1. Nationale Kulturtradition 69
2. Querelle der Nationen und Literaturgeschichte 74
3. Poesie und Beredsamkeit - auch der Deutschen. Nation als
Ordnungskategorie klassiflkatorischen Wissens 84
4. Der Plan einer deutschen Literaturgeschichte 87
5. Nation als Zentrum bei Herder 95
6. Das Deutsche als Ursprung. Das Konzept der Literaturgeschichte
bei August Wilhelm und Friedrich Schlegel 99
7. Deutsche Universalität 115
8. »Litteratur-Poesie- Nationallitteratur« 125
III
KUNST, LEBEN UND NATION
Seite 131
1. Die Neue Zeit und die Kritik 131
2. Varianten nationaler Entelechie 138
Inhaltsverzeichnis
IV
DIE LITERATURGESCHICHTE UND DER ÄSTHETISCHE HISTORISMUS
Seite 171
1. Die neue Definition der Poesie 1 71
2. Resümee über Bildung 1 77
3. Geselligkeitskultur und Literaturgeschichte 184
V
WISSENSCHAFT, PHILOLOGIE, LITERATURGESCHICHTE
Seite 211
1. Philologische Literaturgeschichte 211
2. Verdopplung der Sinndimension und Diffusionsprozesse 226
Vl
LITERATURGESCHICHTE UND ERZIEHUNG
Seite241
SCHLUSSBETRACHTUNG
Seite 260
ABBILDUNGEN ZU KAPITEL IV
Seite 264
ANMERKUNGEN
Einleitung 2 72
Kapitel I 273
Kapitel II 288
Kapitel III 306
Kapitel IV 315
Kapitel V 321
Kapitel VI 332
LITERATURVERZEICHNIS
Seite 339
PERSONENREGISTER
Seite 386
Für Ilona
VoRWORT
Eine Studie, die theoretische Interessen mit umfassender Geschichtsre
konstruktion zu verbinden sucht, ist vielfachen Dank schuldig. Herzlich
gedankt sei daher zunächst Wilhelm Voßkarnp, Karl Heinz Bohrer, Reinhart
KoseHeck und Harro Müller, die die Arbeit betreut haben. Herzlich gedankt
sei weiterhin den Mitarbeitern des DFG-Projekts "Wissenschaftsge
schichte der deutschen Literaturwissenschaft« und hier insbesondere Hol
ger Dainat, ohne den das V. Kapitel nicht in dieser Form hätte geschrieben
werden können.
Vieles hat auch die stete Hilfeleistung wichtiger Bibliotheken ermög
licht: ohne die Büchersammlungen der Staatsbibliothek Preußischer Kul
turbesitz Berlin, der Niedersächsischen Landes- und Universitätsbiblio
thek Göttingen, des Ratsgymnasiums Bielefeld und ohne die mühevolle
Beschaffungsarbeit der Universitätsbibliothek Bielefeld wäre die Arbeit
nicht in so kurzer Zeit fertiggestellt worden.
Herzlich gedankt sei auch Frau Jegerlehner, die die Reinschrift des Ma
nuskripts auf bewundernswerte Weise besorgt, der J. B. Metzlersehen Ver
lagsbuchhandlung, die die Arbeit in ihr Programm aufgenommen und Mi
chael Vogt, der Korrektur gelesen hat.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die Abfassung des Werkes
(Habilitandenstipendium) und seine Drucklegung jeweils großzügig
unterstützt.
Mein besonderer Dank gilt aber derjenigen, der die Arbeit zugeeignet ist.
Das »Projekt der deutschen Literaturgeschichte« ist von der »Fakultät fOr
Linguistik und Literaturwissenschaft« der Universität Bielefeld im Januar
1988 als Habilitationsschrift angenommen worden.
Bielefeld, im November 1988 Jürgen Fohrmann
Die Literaturgeschichte ist die große
Morgue wo jeder seine 1bten aufsucht,
die er liebt oder womit er verwandt ist.
Wenn ich da unter so vielen unbedeuten
den Leichen den Lessing oder den Her
der sehe mit ihren erhabenen Menschen
gesichtern, dann pocht mir das Herz.
Wie dürfte ich vorübergehen, ohne Euch
flüchtig die blassen Lippen zu küssen!
(HeinrichHeine)
EINLEITUNG
Eine Geschichte der deutschen Poesie schreiben zu wollen, ist durchaus
nicht selbstverständlich. •G eschichte•, als die Entfaltung einer Sinn-Ord
nung in der Zeit, lag bis zum letzten Drittel des 18. Jahrhunderts noch gar
nicht im Horizont der Historiographen. Geschichtsschreibung, auch der
Literatur, hatte daher vor 1770 andere Aufgaben zu übernehmen als die
Tradition zu einem, in Gegenwart mündenden Sinnzusammenhang zu er
klären.
Es ist also daher ein neuer, aufschließender Blick, mit dem nach dem
Zeitalter alteuropäischer Gelehrsamkeit die Vergangenheit betrachtet
wird. Dieser Blick hat auch den •poetischen Denkmälern der Deutschen•
abverlangt, in Form der einen Geschichte angeordnet zu sein. Er hat sich
erhofft, aus der Kenntnis solcher Anordnung zu jenem Mittelpunkt vor
dringen zu können, der die unverwechselbare Identität des Volkes freigibt
und damit die regulative Idee bietet für jede Arbeit an der Zukunft. Auf
diese Weise entstand das Projekt der deutschen Literaturgeschichte.
Dieses Projekt soll hier verfolgt werden. Betrachtet wird zunächst seine
Genealogie : die Auskopplung der nationalen Poesiegeschichte aus der
historia literaria, die Verfestigung eines nationalen Konzepts und die un
freiwillige Entdeckung eines zur Konstruktion gezwungenen Rekonstruk
teurs, die Aufwertung der Vergangenheit, die Verengung des Literaturbe
griffs; dann geht es um die Formen literarhistorischer Umsetzung und
vomehmlich um die Versuche, Poesiegeschichte für nationale Politik in
Wirkung zu setzen. An ihrem Endpunkt wartet fast immer der preußische
Staat. Es soll weiter gezeigt werden, wie das Projekt der deutschen Litera
turgeschichte später im ästhetischen Historismus verkommt, von der
•W issenschaft• in seinen Fundamenten erst kritisiert, dann überholt und
von den Erziehern pädagogisch zerlegt oder zerrieben wird. Eine deutsche
Literaturgeschichte als Entfaltungsgeschichte deutscher Identität zu
schreiben, erscheint damit bereits in den 1890er Jahren unmöglich, und
etwas Neues hätte sich entwickeln können, hätten nicht der institutionelle
Ausbau der Deutschen Philologie und eine präfaschistische Erziehungs
konzeption, die Sinn endgültig in Gesinnung verwandelte, eine Eingliede
rung der deutschen Poesie in einen nationenübergreifenden Rahmen ver
hindert.
Eine Nachzeichnung dieses Projekts der deutschen Literaturgeschichte
gibt es bislang nicht. Überhaupt ist eine umfassende Geschichte der deut
schen Literaturgeschichtsschreibung, sieht man von den Anfängen bei Sig
mund von Lempicki ab[1), noch nicht vorgelegt worden. Natürlich existie
ren durchaus wichtige Studien[2), die aber oft - aus guten Gründen -
-1-