Table Of ContentMONOGRAPHIEN AUS DEM
GESAMTGEBIET DER PHYSIOLOGIE
DER PFLANZEN UND DER TIERE
HERAUSGEGEBEN VON
M. GILDEMEISTER-LEIPZIG· R. GOLDSCHMIDT-BERLIN
C. NEUBERG-BERLIN . J. PARNAS-I,EMBERG . W. RUHLAND-I,EIPZW
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SEINE rHYSIOLOGISCHE UND 1LIJGEMEIN·
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ERNST GELLHORN
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}UT 42 ABBILDUNGEN
BERIJIN
V}}RLAG VON JULIUS SPRINGER
1929
ISBN 978-3-642-88809-0 ISBN 978-3-642-90664-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-90664-0
.\LLE RBCHTB, INSBESONlJERB lJAS miR ÜBBRSBTzmw
IN FRE)llJE SPRACHBN, VORBBHALTEN.
COPYRIGH'l' 19~9 llY JrLIUS SPRINGER IN IlBRLIN.
Softcover reprint ofthe hardcover 1s t edition 1929
lIEINER FRAU HILDE
IN DANKBARKEIT FÜR TREUE MITARBEIT
Vorwort.
Die vorliegende Monographie ist die Frucht kritischer Studien,
die sich mir bei der experimentellen Bearbeitung des Permea
bilitätsproblems als notwendig erwiesen. Es wurde außerdem
versucht, eine Reihe von Fragen experimentell zu klären, und
daher findet man in diesem Buche bisher unpublizierte eigene
Untersuchungen zur Permeabilität tierischer Gewebe für Farb
stoffe, über die Temperaturquotienten der Permeationsgeschwin
digkeit, ferner über Ionenpermeabilität des Muskels und ihre
Abhängigkeit vom chemischen Milieu. Weitere Versuche beziehen
sich auf die Wirkung der autonomen Gifte sowie der Inkrete auf
die Permeabilität.
Ich ging von der Überzeugung aus, daß exakte patho-physio
logische Beobachtungen für den Physiologen eine ebenso wichtige
Erkenntnisquelle darstellen wie für den Kliniker, - wird doch
die volle Leistungsfähigkeit der Zelle erst unter Berücksichtigung
ihres Verhaltens unter pathologischen Bedingungen erkannt -,
und daß andererseits ohne breite physiologische Grundlage eine
fruchtbare Bearbeitung des Permeabilitätsproblems auch bei klini
schen Fragestellungen unmöglich ist. Deshalb wurde versucht,
nicht nur eine Physiologie der Permeabilität der Zellgrenzschichten
zu geben, die sich auf Befunde an der Pflanzen- und Tierzelle
stützt, sondern auch durch Heranziehung der Organphysiologie
unter Berücksichtigung pharmakologischer und klinischer Er
fahrungen die Fruchtbarkeit der Permeabilitätslehre über den
Rahmen der allgemeinen Physiologie hinaus darzutun. Obwohl
wir sicher erst im Anfange einer klinischen Permeabilitätsforschung
stehen, sind die Beziehungen zu zahlreichen Fragen insbeson
dere der inneren Medizin, der Pädiatrie und Psychiatrie, aber
auch der Dermatologie, Ophthalmologie und Gynäkologie schon
offenbar.
vnt Vorwort.
Mit Rücksicht auf die Größe des Stoffgebietes mußte ich
mich auf die Lehre von der Permeabilität im engeren Sinne,
nämlich die Durchlässigkeit der Zellen für gelö~te Stoffe, be
i'lchränken. Die Permeabilität für Wasser wird daher nur ge
legentlich erörtert.
Es ist kaum zweifelhaft, daß das Permeabilitätsproblem gegen
wärtig im Mittelpunkt des Interesses aller der Biologen steht, die
an der Schaffung einer physikalischen Chemie der Zelle aktiv mit
arbeiten. Zahlreiche Fragen von prinzipieller Bedeutung sind in
Fluß. Hoffentlich trägt die kritische Sichtung des weit zerstreuten
Materials, die hier versucht wurde, wenigstens in bescheidenem
Maße zu ihrer Lösung bei. Daß von dem Verfasser HÖBERs
klassisches Werk vielfach benutzt wurde, braucht wohl kaum
hervorgehoben zu werden.
Das Literaturverzeichnis, das etwa 1400 Arbeiten umfaßt,
enthält nm solche Abhandlungen, die im Text erwähnt werden.
Die Literatur ist bis Anfang August 1928 berücksichtigt worden.
Ich möchte alle Autoren bitten, mich auch weiterhin mit Separat
abdrücken zu unterstützen.
Den Herren Professor GILDEMEISTER, Leipzig, und Professor
WERTHEIMER, Halle, bin ich für zahlreiche Hinweise zu Danke
verpflichtet; ebenso danke ich der Verlagsbuchhandlung für ihr
freundliches Entgegenkommen.
Halle aiS., im August 1928. ERNST GI<~LLHORN.
Inhalts verzeichnis.
Seite
I. Einleitung. . 1
11. Grundlagen . 4
A. Methodik 4
a) Direkte Methoden . 4
b) Indirekte Methoden ..... 10
c) Physico-chemische Methoden .. 18
d) Speziell physiologische Methoden 20
B. Die Permeabilität von Membranen 22
III. Allgemeiner Teil: Die Pel'meabilität der Zelle 44
A. Die Permeabilität der Pflanzenzelle. . . 44
a) Anorganische Stoffe. . . . . . . . . . . . 44
Salze 44. - Alkalien und Säuren 58.
b) Organische Stoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Körpereigene Stoffe 65. - Zellfremde Stoffe: Alkaloide 67.
- Farbstoffe 70.
B. Über die Abhängigkeit der Permeabilität der Pflan
zenzelle von äußeren und inneren Faktoren . . 76
a) Äußere Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . .. 76
Temperatur 76. - Licht 77. - Osmotischer Druck 80. -
Salze 81. - Wasserstoffionenkonzentration 85. - Ver
schiedene chemische Körper 88.
b) Innere Faktoren . . . . . . . . . . 89
c) Zusammenfassung. . . . . . . . . . 90
C. Permeabilität der tierischen Zelle. 92
a) Anorganische Stoffe . . . . . . . . . 92
Salze 92. - Säuren und Alkalien 113.
b) Organische Stoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Zucker, Harnstoff, Aminosäuren 120. - Farbstoffe 126.
D. über die Abhängigkeit der Permeabilität der tie
rischen Zelle von äußeren und inneren Faktoren 133
a) Außere Faktoren .................. 133
Temperatur 133. - Licht-, Radium- und Röntgenstrahlen
137. - Salze 141. - Nichtleiter 153. - Wasserstoffionen
163. - Sauerstoffmangel 164. - Pharmaka 164. -
b) Innere Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . 166
Erregung 166. - Befruchtung 168.
E. Erregung und Lähmung (einschl. Narkose) vom
Standpunkt der Permeabilitätstheorie ..... 175
x
Inhaltsverzeichnis.
F. Permeabilität und Stoffwechsel 198
G. Die zell· und organspezifi~che Permeabilität, ihre
Ursache und ihre Bedeutung für die funktionelle
Differenzierung. . . . . . . . . . . . 205
IV. Spezieller Teil: Permeabilität der Organe 221
a) Die Permeabilität der Haut . . . . . . . . 221
b) Die Durchlässigkeit des Magen·Darmtraktus. . . . . . 242
c) Permeabilität der Körperhöhlen (Parenterale Resorption) 254
d) Die Nierentätigkeit im Lichte der Permeabilitätstheorie 264
e) Die Permeabilität der Lunge ... . . . . . . . . .' 279
f) Die Permeabilität der Gefäße . . , . . . . . . . . . 284
g) Die Blut-Liquorsohranke. . . . . . . . . . . . . . . 301
h) Die Permeabilität der Hornhaut und der Blut-Kammer
wasser-Scheide . . . . . • . . . . . . . . . . . . 322
i) Die Permeabilität der Placenta . . . . . . . . . . . 327
k) Der Einfluß des Nervensystems und der Inkrete auf die
Permeabilität . . . . . . . , . 330
V. Ergebnisse ...... ' , . , , , 343
A. Zur Kenntnis der Plasmahaut 343
B. Die Permeabilitätstheorien 351
a) Die Lipoidtheorie . . . . . 351
b) Kolloidchemische Theorien 362
0) Die Adsorptionstheorie . . 367
d) Die Ultrafiltertheorie . . . 375
C. Abschließende Betrachtungen 380
Literaturverzeichnis . 387
Saohverzeichnis ... 434
I. Einleitung.
Die Permeabilitätsforschung nimmt ihren Ursprung von den
klassischen Untersuchungen von DE VRIES, PFEFFER und HAM
BURGER, die den Nachweis erbrachten, daß tierische und pflanz
liche Zellen sieh ähnlich den TRAuBEschen Niederschlagsmembra
nen verhalten, d. h. für Wasser durchlässig, für gelöste Stoffe, ins
besondere Zucker und Salze fast impermeabel sind. Damit war die
Annahme nahegelegt, daß die Zellen in physiologischer Hinsicht
und vielleicht auch bezüglich ihrer Struktur kein einheitliches
Ganzes bilden, sondern eine Protoplasmadifferenzierung aufweisen,
indem die Protoplasmagrenzschicht nach Art einer Membran von
bestimmter Durchlässigkeit sich verhält und deshalb von dem
übrigen Protoplasma zu sondern ist. Diese Annahme wurde durch
die Untersuchungen von OVERTON gestützt, der zur Aufstellung be
stimmter, für tierische und pflanzliche Zellen geltender Permeabili
tätsregeln gelangte. Die weitere Ji'orschung hat nun zwar erkannt,
daß weder die Zellen sich nach Art von TRAuBEschen Zellen ver
halten, noch daß die aus den OVERToNschen Versuchen sich er
gebende Lipoidtheorie ein zutreffendes Bild von dem Verhalten der
Grenzschichten gewährt. Die Untersuchungen haben aber das Ver
dienst, das Permeabilitätsproblem entwickelt und damit die Mög
lichkeit gegeben zu haben, tiefer in jene Vorgänge einzudringen, die
die Aufnahme und Abgabe der Stoffe in der Zelle beherrschen.
Es ist nun wichtig festzustellen, daß die Aufnahme der Stoffe
durch die Zelle keineswegs identisch mit ihrer Durchlässigkeit für
diese ist. Permeable Stoffe sind nämlich nur solche, die nicht nur
von der Oberfläche der Zellen festgehaIten werden sondern auch in
das Protoplasma gelangen. So einfach in theoretischer Hinsicht
diese Unterscheidung ist so schwierig ist ihre experimentelle Fest-
1,
1 Es gibt aber auch hier fließende Übergänge insofern, als die Adsorp
tion eines Stoffes dem Eindringen in das Protoplasma voraufgehen kann.
Oellhorn, }'ermeabilitätsproblem. 1
2 Einleitung.
stelhmg. Sie gelingt einwandfrei nur dann, wenn wir mittels direk
ter Methoden die in Frage kommenden Stoffe im Protoplasma nach
weisen können. Dies ist für alle Stoffe nur an solchen Zellen mög
lich, die wie manche Algen eine so große Vakuole enthalten, daß ihr
Inhalt zur direkten chemischen Analyse verwandt werden kann.
An den übrigen Zellen beschränk.t sich der direkte Nachweis auf
solche Stoffe, die teils mikroskopisch sichtbar sind, teils mit be
stimmten Zellinhaltsstoffen sichtbare Veränderungen eingehen. Da
sich gezeigt hat, daß es nicht angängig ist, aus dem Permeabilitäts
verhalten einer bestimmten Zelle bindende Schlüsse hinsichtlich
der Durchlässigkeit anderer Zellen zu ziehen, sind wir auf die An
wendung indirekter Methoden angewiesen. Erst wenn hier ver
schiedene Wege zu dem gleichen Ergebnis führen, ist eine gewisse
Gewähr gegeben, daß die Schlußfolgerung richtig ist.
Für die Erkenntnis der Funktion der Zellgrenzschichten und
ihres Aufbaues genügt aber die Feststellung, welche Stoffe perme
abel sind, durchaus nicht; vielmehr ist 'es notwendig, auch ihre
Permeationsgeschwindigkeit festzustellen. Hier ergibt sich, daß
die Aufnahmegeschwindigkeit eines Stoffes nicht ohne weiteres ein
Maß für die Permeabilität der Zellgrenzschicht darstellt. Legen wir
die Verhältnisse an künstlichen Membranen zugrunde, so wird
sofort klar, daß bei gleicher DurchlässigkeIt einer bestimmten Mem
bran für zwei Stoffe von gleicher Konzentration die Durchtritts
geschwindigkeit desjenigen Stoffes größer sein wird, der jenseits der
Membran chemisch oder physikalisch gebunden wird, so daß dort
seine Konzentration lange Zeit =0 bleibt, während bei dem Fehlen
einer derartigen Bindung die Durchtrittsgeschwindigkeit durch die
Membran sich dauernd verringern muß. Es wird deshalb not
wendig sein, die Bindungsverhältnisse der hinsichtlich ihr~r Per
meationsfähigkeit zu prüfenden Stoffe zu berücksichtigen.
Von fundamentaler Bedeutung für das Permeabilitätsproblem
ist nun die Tatsache, daß es gelingt, die Durchlässigkeit der Zellen
experimentell zu verändern. Damit ist die Möglichkeit gegeben,
einen Einblick in den Regulationsmechanismus zu erhalten, der in
vivo die Aufnahme und Abgabe der Stoffe beherrscht. Mit der
Feststellung, daß auch die physiologische Erregung zu einer Ver
änderung der Durchlässigkeit der Zellgrenzschicht führt, war ein
neuer Weg zur Erforschung einer der Grundtatsachen alles Lebens
geschehens gegeben. Die Möglichkeit, die Permeabilität der Zellen