Table Of ContentDAS
KREBSPROBLEM
..
EINFUHRUNG IN DIE
ALLGEMEINE GESCHWULSTLEHRE
FUR STUDIERENDE,
ĂRZTE UND NATURWISSENSCHAFTLER
VON
K. H. BAUER
O. O. PROFESSOR FOR CHIRURGIE
AN DER UNIVERSITĂT HEIDELBERG
MIT 71 ZUM TEIL FARBIGEN ABBILDU~GEN
Springer-V erlag Berlin Heidelberg GmbH
]949
KARL HEINRICH BAUER
SCHW1tRZDORF IN OBERFRANKEN, 26.9. 1890
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER tJBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN
COPYRIGHT 1949 BY SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG
URSPRUNGLICH ERSCHIENEN BEI SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG 1949
SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER IST EDITION 1949
ISBN 978-3-642-49381-2 ISBN 978-3-642-49659-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-49659-2
S einen Schülern und Freunden
RUDOLF GEISSENDÖRFER
Frankfurt
KARL KINDLER
Iserlohn
Vorwort.
Wir wenden uns zu einer anderen, allgemeineren
Betrachtung: ein Jahrhundert, das sich bloß auf die
Analyse verlegt und sich vor der Synthese gleichsam
furchtet, ist nicht auf dem rechten \Vege; denn nur
heide zusammen, wie Aus- und Einatmen, machen
das Leben der \Vissenschaft. Goethe1 •
. Das Krebsproblem ist seit bald 100 Jahren die Domäne von Spezialisten.
Je nach den Fortschritten der Naturwissenschaften waren es bald Morphologen,
bald Strahlenphysiker, dann Stoffwechselphysiologen oder Gewebezüchter, Bio
chemiker und Zellforscher, schließlich Genetiker und Chemiker, die den jeweiligen
Hauptaspekt des Krebsgeschehens vermittelten. Die Fülle ihrer Forschungs
ergebnisse in der Analyse seiner Phänomene ist ungeheuer.
Aber die Spezialisierung zeitigte, wie überall, so auch hier ihre Gefahren:
viele Theorien machten sich anheischig, aus engen Einzelbefunden das Ganze
zu erklären, die Sprache der einen blieb anderen weitgehend unverständlich
und denen, die täglich im Kampf mit dem Krebs stehen, den Ärzten, war die
lebendige Beziehung zu dem Erforschten vielfach versagt. Je größer die Fülle
analytischer Ergebnisse - sie ist schier unübersehbar geworden - desto größer
wird das Bedürfnis nach Synthese, desto verständlicher der Wunsch nach einer
Ausdeutung der Befunde für Gesundheit und Krankheit des Menschen.
Analyse und Synthese, beide zusammen, von der Krebskrankheit über alle
Formen der Verursachung, Erkennung und Bekämpfung bis zu ihrer Verhütung,
der Versuch einer solchen Gesamtschau aller Krebsfragen, alles vom kranken
Menschen her gesehen und immer wieder auf den Menschen bezogen, liegt unseres
Wissens noch nicht vor.
Möchte es nun nicht vermessen erscheinen, wenn ein Chirurg in einer all
gemeinen Geschwulstlehre diesen Versuch einer allseitigen Synthese unternirrunt ?
Man halte ihm zugute: keiner kennt die Not des Krebsproblems so wie der
Frauenarzt und der Chirurg. Von unseren Operationen ist jede vierte ein Ein
griff wegen Krebs! Wenn wir auch im ersten Stadium bei manchen Krebsformen
nahe an 100% endgültig heilen, die große Krebsnot bleibt trotz dieser Erfolge.
Denn wie wenige Menschen kommen im ersten Stadium! Und bei wie vielen
Krebsen innerer Organe erreicht die Heilziffer selbst der Radikaloperierten nur
20 oder 30 %! Alle begreifliche Freude über die Errettung Einzelner wird über
schattet durch die erschütternde Tatsache, daß die 5jährige Heilziffer aller Krebs
kranken noch nicht 20% beträgt. Wie kein anderer also kennt der Chirurg den
Triumpf des Sieges über den Krebs, wie kein anderer erleidet er alle Bitterkeiten
der Niederlage und wie kein anderer sieht er fast täglich an Einzelschicksalen
und ganzen Familien die tiefe Tragik, die so oft in dem Worte "Krebs" gelegen ist.
So wird man es verstehen müssen, daß gerade ein Chirurg, gestützt auf
Pathologie, Erbbiologie und Klinik, immer wieder ausgehend von den harten
Erlebnissen seiner täglichen Arbeit, den Schritt zu einer Gesamtschau aller
Krebsfragen zu machen versucht., Wer solches wagt, muß von vornherein um
Nachsicht bitten. Es ist natürlich einem Einzelnen versagt, alle irgendwie
hereinspielenden Fachgebiete selbst genügend zu beherrschen. Man erwarte also
nicht alle spezialistischen Details, sondern nur die Auswertung für den Menschen,
1 Goethes Morphologische Schriften, S. 296. Ausgewählt und eingeleitet von W. Troll,
Jena 1926.
VI Vorwort.
denn der Urgrund des Krebsproblems ist immer der krebskranke Mensch. So
weit auch die Krebsforschung vom Kranken wegführen mag, Prüfstein und
Endziel aller Arbeit am Krebsproblem ist doch immer wieder der Kranke selbst,
allein schon nach dem Gewicht der großen Zahl, denn gehen beim Experiment
die Zahlen vielleicht in die Tausende, so gehen sie beim Menschen in die vielen
Millionen, und dies alljährlich.
Das Buch möchte aber nicht nur die naturwissenschaftlichen Ergebnisse
für die praktisch klinische Medizin auswerten, sondern zugleich auch den Arzt
in die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise des Krebsgeschehens einführen.
Das gegebene Hilfsmittel scheint uns die Mutationstheorie der Geschwulst
entstehung zu sein. Die Konzeption dieser neuen Krebshypothese lag in der Luft,
als ungefähr zu gleicher Zeit die Mutationstheorie von DE VRIES (1904) und die
Quantentheorie von M. PLANCR (1904) die Biologie und die Physik auf neue
Grundlagen stellten. Als Aper<;:u kommt sie einer Reihe von Autoren zu. Der
Verfasser nimmt es jedoch für sich in Anspruch, als Erster eine geschlossene
Mutationstheorie der Geschwulstentstehung bereits 1928 monographisch dar
gestellt zu haben. Diese Krebstheorie basiert auf der Vorstellung, daß unbeschadet
all der außerordentlichen Vielgestaltigkeit der Krebsarten im Grunde doch etwas
Einheitliches alle Krebsformen im innersten verbindet und daß dieses Einheitliche
auch einheitlich zu erfassen und einheitlich durchzuführen sein müsse. So wird
diese Theorie der rote Faden, der den Leser durch das Labyrinth der Krebsrätsel
hindurch- und zum krebsbedrohten Menschen wieder zqrückfinden lassen soll.
Zur Fortentwicklung und Vertiefung einer solchen theoretischen Cancerologie
ist der Verfasser dem Leser für jeden Hinweis und für Berichtigungen dankbar.
Er bittet insbesondere um Zusendung von Sonderdrucken einschlägiger Arbeiten.
Die Anfänge dieses Buches reichen auf das Jahr 1937 zurück. Die Nieder
schrift begann 1941. Der Fertigstellung stellten sich ungewöhnliche und viel
fache Hindernisse entgegen, nicht zuletzt die unerwartet großen Schwierigkeiten
bei der Beschaffung der seit 1939 erschienenen ausländischen Li~eratur.
Wenn das Werk schließlich doch zum Abschluß kam, so verdanke ich das
sehr wesentlich der tatkräftigen Unterstützung vieler getreuer Helfer. Das
meiste an ausländischer Literatur verdanke ich der großzügigen üpfer- und
Hilfsbereitschaft von Dr. EDMUND F. KOHI.-New York. Wesentliche Unter
stützung erhielt ich ferner durch die Herren P. Rous-New York, L. C. STRONG
New Haven, A. HADDow-London, LAcAssAGNE-Paris und durch die GEIGy-AG.
Basel. Wertvolle Beratung verdanke ich meinen ehemals Breslauer Kollegen
Ü. EIcHLER (jetzt Heidelberg) und M. STAEMMLER (jetzt Detmold). Aus der
Reihe getreuer Helfer möchte ich ferner meine langjährige Sekretärin Frl.
cand. med. ILsE ÜPPERMANN, Frl. Dr. CHRISTA GRÖNWOLDT, Frau Dr. URSULA
REIKHoLD, die Diplom-Dolmetscherin Frl. Dr. phil. ÜDA VON GAL, Frau Dr.
INGEBORG ÜRLOWSKy-GÖTTIG, die das, wie ich glaube, vollständige und zu
verlässige Autoren- und Sachverzeicnis abfaßte, und nicht zuletzt meine liebe
Frau besonders herausheben. Ihnen allen gebührt mein herzlichster Dank, vor
allem auch Herrn Dr. Dr. h. c. FERDINAND SPRINGER und seinem Verlage für
die großzügige Ausstattung des Buches und für das Eingehen auf alle meine
Wünsche.
Ausgelöst ist dieses Buch durch das Mit-Leiden mit so vielen unheilbar
Krebskranken, diktiert ist es in der Sprache und dem Vorstellungsgehalt der
Mutationstheorie, als Ziel setzt es sich, mitzuhelfen an der Lösung des größten
Problems unserer zeitgenössischen Medizin.
Heidelberg, den 28. November 1948. K. H. BAUER.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Vorwort ....... . V
I. Wesen der Krebskrankheit.
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erstes Kapitel. Krebs als Krankheit. . . . .
1. Die Klinik als Anfang aller Krebsfragen . 1
2. Begriffsbestimmung. Abgrenzung. Einteilung 2
3. Allgemeine Symptomatologie der Krebskrankheit . 7
4. Rückwirkungen von Krebsgeschwülsten auf den Organismus. 17
5. Krebskrankheit und Krebsverursachung 22
6. Vorkrebskrankheiten (Präneoplasie) 26
Literatur . . . . . . . . . 31
Zweites Kapitel. Krebsstatistik 33
1. Häufigkeit des Krebses 33
2. Krebszunahme 41
3. Krebszahl beim gleichen Kranken. 45
4. Krebs und Grundeigenschaften des Menschen 50
5. Das Sarkomproblem (statistisch) 59
6. Geographische Krebspathologie 63
7. Krebs bei Tieren 65
Literatur ...... . 67
Drittes Kapitel. Al1gemeine Krebspathologie 68
1. Aufbau und Grundeigenschaften der Geschwülste. 69
2. Präcancerosen und Präsarkomatosen (Präneoplasie) 83
3. Krebscytologie . . . . . . . . . . . . . . . . 91
4. Experimentelle Krebsmorphologie . . . . . . . . 97
a) Entwicklungsmechanik und Entwicklungsphysiologie 98
b) Impfgeschwülste 103
c) Gewebezüchtung . 107
Literatur ...... . 111
Viertes Kapitel. Biochemie dt:s Krebsgeschehens 112
1. Chemische Analysen . . . . . . . . . 113
2. Biochemie und Geschwulststoffwechsel. 115
a) Kohlehydratstoffwechsel . . . 116
b) Fett- und Sterinstoffwechsel . 124
c) Eiweißstoffwechsel 126
3. Vitamine und Krebs ..... 136
4. Hormone und Krebs. . . . . . 140
a) Hormonstörungen und Krebs 141
b) Hormonbildende Geschwülste endokriner Drüsen. 151
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
11. Krebsentstehung.
Fünftes Kapitel. Krebs und Vererbung. . 166
1. Krebsvererbung und Krebsstatistik . . . . . 166
2. Familien- und Stammbaumforschung . . . . 174
3. Zwillingsforschung und Geschwulstvererbung . 181
4. Präneoplasie auf erblicher Grundlage . . 186
5. Krebs und Vererbung im Tierexperiment 192
6. Schlußfolgerungen und Zusammenfassung 201
Literatur ............... . 205
VIII Inhaltsverzeichnis.
Seite
Sechstes Kapitel. Krebs und Krankheitserreger (Parasiten, Bakterien und Viren) 207
1. Krebs durch parasitäre Gifte. . 208
2. Bakterielle Infektion und Krebs 213
3. Virusgeschwülste ....... 215
1. Allgemeine Vorbemerkungen über Viren 216
11. Virustumoren bei Tieren . . . . 219
a) Die Hühnersarkome vom Typ der Rous-Sarkome 220
b) Das SHoPEsche Kaninchenpapillom 222
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
Siebentes Kapitel. Krebs durch chemische Stoffe . 235
1. Krebserzeugung durch Mineralien und Metalle 236
a) Der Arsenkrebs . . . ' 236
b) Krebs bei Asbestose 238
c) Der Chromatkrebs 239
d) Der Metallkrebs 240
2. Der Anilinkrebs und maligne Tumoren durch Azofarbstoffe 241
a) Anilinkrebs . . . . . . . . . . . . . 241
b) Tumoren durch 2 Acetylaminofluoren . 243
c) Maligne Tumoren durch Azofarbstoffe 244
d) Abkömmlinge von 4-Aminostilben 249
3. Der Teerkrebs und Krebs durch aromatische Kohlenwasserstoffe. 250
a) TeerberufsRreb·s. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
b) Der experimentelle Teerkrebs . . . . . . . . . . . . . . . 251
c) Wirkungsweise der krebserzeugenclen Kohlenwasserstoffe . . . 272
cl) Verwandtschaft carcinogener Kohlenwasserstoffe mit körpereigenen Substanzen 277
4. Andere seltene Krebsnoxen chemischer Natur . . . . . . . . . . 284
5. Zusammenhänge zwischen chemisch-cancerog<;nen Stoffen und Viren 290
6. Chemische Krebsnoxen in Nahrungs-. Genuß- und Heilmitteln. 295
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
Achtes Kapitel. Krebs durch physikalische Einwirkungen 310
1. "Trauma" und Krebs . . . . . . . . . . . . . . 311
2. Allgemeines über Krebs durch elektromagnetische Strahlungen. 315
3. Krebs durch thermische Noxen. . . . . 317
4. Ultraviolette Strahlenwirkung und Krebs 321
5. Röntgenstrahlen und Krebs 327
6. Radioaktivität und Krebs . . . 332
a) Radium und Krebs. . . . . 333
b) Radiumemanation und Kreb, 335
c) Mesothor uncl Krebs . . . . 338
d) Thorium X und Krebs 339
e) Radiothor. Thorium B und Polonium 344
f) Künstlich radioaktive Isotope . . . 345
g) Kosmische Strahlen und Krebs 348
7, Kombination verschiedener Krebsnoxen (Syncarcinogenese) 351
Rückblick, Zusammenfassung und Ausblick. . . . . . . 361
Literatur . . . . . . . . . . .. ........ 366
Neuntes Kapitel. Die Mutatlonstheorie der Krebsentstehung 369
1. Krebsentstehung als Problem der Biologie. . . 371
2. Krebs als Mutation somatischer Zellen 374
3. Beweismittel aus Chemogenetik und Biophysik. 378
a) Mutationsauslösung und Krebserzeugung durch gleiche chemische Mittel 378
b) Parallelität mutationsauslösender und krebserzeugender Strahlung. 382
c) Die biophysikalische Treffertheorie . . . . . . . . . . . . . . . .. 387
d) Atom- und molekularphysikalische Betrachtungsweise . . . .. 391
e) Die Cancerisierung als Mutation wachstu1l1sregulatorischer' Erbstrukturen
somatischer Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
4. Die Mutationstheorie und ihre Erklärungskraft . . . . . . . . . . . . . . . 401
5. Ansätze zu einer Mutationstheorie der Geschwulstentstehung im früheren Schrift-
turn .................................. 407
6. Mutationstheorie im neueren Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
7. Die Bewährung der Mutationstheorie gegenüber den Grundtatsachen der Krebs-
statistik und Krebsklinik. . . . .. .......... 416
8. Einwände gegen die Mutationstheorie der Geschwulstentstehung 421
Literatur . . . . . . . . . . . . .. .......... 431
Inhaltsverzeichnis. IX
111. Krebsbekämpfung.
Seite
Zehntes Kapitel. Krebsbeeinflussung im Experiment. 434
1. Die Immunisierung gegen Impfgeschwülste . 437
2. Ernährungseinflüsse . . . . . . . . . . . 441
3. Experimentell-hormonale Krebsbeeinflussung 449
4. Experimentelle Chemotherapie . . . 455
a) Mitosegifte. . . . . . . . . . . . . . 455
b) Die Behandlung von Krebsgewebe mit mutativ wirkenden Stoffen 460
c) Krebsbeeinflussung durch parasitäre, bakterielle und durch sonstige tierische
Giftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . 475
5. Physikalisch-experimentelle Krebsbeeinflussung . 478
6. Experimentell-operative Geschwulstbeeinflussung 488
Literatur ............... . 492
Elftes Kapitel. Krebsdiagnostik beim Menschen. . . 497
1. Allgemeine klinische Diagnostik. . . . . . . . 499
2. Die Endoskopie als Hilfsmittel der Krebsdiagnostik 507
3. Röntgendiagnostik und Krebserkennung . . . . . . 509
4. Operativ-diagnostische Methoden (besonders im Verein mit histologischen Unter-
suchungen) . . . . . . . . . 513
5. Biochemische Krebsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . 519
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
Zwölftes Kapitel. Krebsbehandlung. Krebsheilung. Krebsverhütung . 532
1. Operative Krebsbehandlung ....... 533
a) Die Radikaloperation . . . . . . . . . . 535
b) Palliativ- und symptomatische Operationen 54G
c) Operationen wegen Sarkom . . 543
d) Elektrochirurgie . . . . . . . 545
e) Mortalität bei Krebsoperationen 547
2. Strahlentherapie maligner Tumoren 551
a) Strahlenbiologie. . 551
b) Röntgentherapie 554
c) Radiumbestrahlung 561
d) Operation oder Bestrahlung 563
e) Strahlenschäden . . . . . 564
f) Atomphysik und Krebsbekämpfung . 565
3. Chemotherapie 569
a) Hormonelle Therapie . . . 571
b) Mitosegifte. . . . . . . . 582
c) Chemotherapie mit mutativ wirkenden Stoffen (mutative Carcinokolyse) 584
d) Das therapeutische Prinzip der Syncarcinokolyse 597
4. Unspezifische Therapie bei Krebskranken 605
5. Krebsheilung - Prognostik. . . . . 612
a) Heilziffern beim Magenkrebs . . . 615
b) Heilziffern bei den Genitalkrebsen der Frau. 619
c) Heilziffern beim Brustkrebs . . 625
d) Heilziffern beim Mastdarmkrebs . 628
e) Sonstige Heilziffern . . . . . . . 630
f) Absolute Heilziffern aller Krebserkrankungen 634
g) Versicherungsschutz Krebsgeheilter . . . . . 637
6. Organisatorische Maßnahmen zur Früherfassung der Krebskranken . 638
7. Krebsorganisationen und Krebsinstitute, zentrale Untersuchungsstellen 642
8. Krebsverhütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648
a) Verhütung von Berufskrebsen durch \'ermeidung carcinogener Beruf5noxen 649
b) Vermeidung carcinogener Stoffe in Nahrungs- und Genußmitteln 651
c) Vermeidung carcinogener Noxen in der Therapie ..... 659
d) Vermeidung des Cancer durch Beseitigung seines Präcancer . 660
e) Eugenische Krebsverhütung 662
Literatur . . . . . . . . 663
Schlußzusammenfassung . 670
Nachträge 686
Literatur (Nachtrage\. . 698
Autorenverzeichnis 700
Sachverzeichnis 715
I. Wesen der Krebskrankheit.
Einleitung:
Die natürlichen Lebensbedingungen sind von der
modernen Zivilisation zerstört; da dies so ist, ist die
Wissenschaft vom Menschen die notwendigste von
allen Wissenschaften geworden.
ALEXIS CARREL
Der Mensch, das unbekannte Wesen (S.4'1).
Es bedarf keiner langen Ausführungen, um darzutun: das Krebsproblem ist
das dringlichste Problem der heutigen Medizin und Naturwissenschaft. Krebs war
schon immer häufig, aber seit der Jahrhundertwende nimmt die Krebskrankheit
ständig steigend an Häufigkeit zu. Zur Zeit stirbt jeder 6. Mensch an Krebs.
So ist der Krebs die Krankheitsgeißel unserer Tage und damit das geworden,
was im Mittelalter die großen Seuchen Pest, Cholera, Fleckfieber und die Pocken
gewesen sind. Die Ausrottung dieser Seuchen verdankt der Mensch der Wissen
schaft und Technik. Es besteht aber, so paradox es zunächst scheint, zwischen
der Verhütung jener damaligen Seuchen und dem Krebs von heute ein Zusammen
hang, denn vornehmlich der Verhütung jener Seuchen und der Senkung der
Sterblichkeit an den Infektionskrankheiten verdankt der heutige Mensch die
Verlängerung seiner Lebensdauer von durchschnittlich 33 Jahren im Mittelalter
auf über 61 Jahre und damit erst die Erreichung des "Krebsalters" als Grund
voraussetzung der Krebszunahme überhaupt.
Wissenschaft und Technik hatten aber noch eine zweite bedeutsame Folge:
unbewußt und ungewollt haben sie den heutigen Menschen (neben vielen alten)
mancherlei neuen chemischen und physikalischen Krebsnoxen ausgesetzt. Es
werden tragische Beispiele und viele Beweisgründe gebracht werden, welche
dartun, daß tatsächlich Krebs im wesentlichen ein Tribut an die erhebliche
Lebensverlängerung und an so manche Schäden unserer Zivilisation darstellt.
Und doch hat in Anbetracht der Aussicht, daß von je 100 Millionen heute lebender
Menschen abendländischer Zivilisation 16,4 Millionen der Kreb.skrankheit er
liegen werden, die Menschheit nur eine Hoffnung: die Lösung des Krebsproblems
durch die Wissenschaft. Niemand weiß, wieweit wir noch davon entfernt sind.
Sicher aber ist, daß die letzten 40 Jahre auf diesem Gebiet mehr wissenschaft
liche Erkenntnisse gezeitigt haben,. als die ganzen 4000 Jahre Medizin zu
sammen zuvor.
Erstes Kapitel.
Krebs als Krankheit.
An isolierten, im Glase gezüchteten Zellen wird das
Krebsrätsel nicht gelöst werden, sondern am ge·
schwulstkranken Organismus. M. BORST (1931).
1. Die Klinik als Anfang aller Krebsfragen.
Der Anfang aller Wissenschaft ist die Empirie, die Ableitung der Erkenntnis
aus der täglichen Erfahrung. So ist die Grundwissenschaft vom Krebs die
ärztliche Erfahrung und die Klinik der Krebskrankheit Anfang und Endziel aller
Krebs/ragen. Die Ärzte, die täglich und stündlich mit dem Krebs im Kampfe
Bauer, Krebsproblem.
2 Krebs als Krankheit.
stehen, die ununterbrochen eigene Arbeits- und Lebenszeit diesem Kampfe im
Dienste ihrer Mitmenschen opfern, sollten sich durch die experimentellen For
schungen, so wichtig sie sind, nicht von der klinischen Plattform abdrängen
lassen. Immer wieder zeigt sie auf, daß das Maß aller Dinge auch in der Krebs
forschung der Mensch, hier der an Krebs leidende Kranke ist.
In immer neuen Variationen wird sich bestätigen, daß der Mensch im all
gemeinen und der "Kulturmensoh" im besonderen das Hauptversuchsobjekt in
diesem gewaltigen Naturexperiment der Krebsentstehung ist, mehr denn jedes
Versuchstier der Laboratoriumsforschung, selbst wenn deren Zahlen in die
Hunderttausende gingen. Beim Menschen gehen sie in die Millionen.
Die breite Basis, auf der alle Krebsforschung ruht, ist also zunächst die
ärztliche Beobachtung. Nur der Arzt sieht die Krebskrankheit von ihrem erst
erkennbaren Beginn über die ganze Zeit ihres Verlaufs bis zu ihrem Ende ab
rollen. Er allein kann Lebensgewohnheiten und Besonderheiten seiner Kranken
erforschen. Nur er sieht die Heilung und behält geheilte Krebskranke im Ge
sichtsfeld. Er allein kann am Menschen prüfend Umschau halten nach neuen
Krebsursachen und nur er kann immer wieder grundsätzlich neue Frage
stellungen für die Forschung liefern.
Die größten, ja schlechthin entscheidenden Fortschritte der Krebstorschung
haben ja auch am Krankenbett ihren Anfang genommen. Nur kurz sei verwiesen
auf des englischen Chirurgen PERCIVAL POTTS "Schornsteinfegerkreb,," (1775).
als die erste klinische Beobachtung über den Zusammenhang zwischen Krebs
und Beruf, auf des deutschen Chirurgen VOLKMANN (1875) erste Beobachtung
des Hautkrebses bei Teerarbeitern als Ausgangspunkt der ganzen, heute weit
verzweigten Chemie krebserzeugender Stoffe, auf den Frankfurter Chirurgen
L. REHN (188S), dessen Erkennung des Blasenkrebses der Anilinarbeiter völlig
neue Einblicke in das Wesen äußerer Krebsschäden und - was ebenso wichtig
ist - in die Möglichkeiten einer wirksamen Krebsverhütung eröffnet hat. Ferner
sei darauf hingewiesen, daß wiederum empirische Beobachtungen am Kranken
bett es waren, die auf dem Weg über den "Röntgenkrebs" der ersten Rönt
genologen (FRIEBEN 1902) und über den "Lichtkrebs" auf der Haut der Land
leute und Seemänner der Physik die Tore zur Miterforschung des Krebsproblems
öffneten. Kein Zweifel: die ersten Pioniere der Krebsforschung waren Ärzte,
am krebskranken Menschen, tätige Ärzte, deren Feststellungen wegweisend für
die experimentelle Forschung geworden sind.
Auch heute noch ist die Klinik immer der letzte Prüfstein für neue Forschungs
ergebnisse, Prüfstein ebenso für neue Theorien, wie für neue Methoden der Krebs
diagnostik. Weiterhin ist ausschließlich die Klinik der Ort, wo alle Krebs
forschung in die schließlich allein befreiende Tat, in die Krebsbekämpfung und
Krebsheilung, umgesetzt wird. Alles andere ist ja nur Mittel zu diesem Zweck!
Und auch die Krone aller Krankheitsbekämpfung, die Krebsverhütung, hat in
der Klinik und ihren Feststellungen der vielen Arten von Berufskrebs ihren
Ausgang genommen, und es wird gezeigt werden, daß sich die Hoffnung auf
weitere Krebsverhütung wieder zunächst auf die Erkenntnisse der klinischen
Medizin wird stützen müssen.
2. Begriffsbestimmung. Abgrenzung. Einteilung.
Was ist nun Krebs? Vom Standpunkt des Klinikers ist Krebs eine Neu
bildung menschlicher und tierischer Gewebe, welche durch fortgesetztes Wuchern
eine immer weitergehende Zerstörung von Geweben und- Organen, dadurch
wiederum immer schwerere Krankheitserscheinungen hervorruft und unbehandelt
stets den Tod des Individuums herbeiführt.