Table Of ContentFrank Close
Das heiße Rennen
um die kalte Fusion
Aus dem Englischen
von Hans-Peter Herbst
Springer Basel AG
Die Originalausgabe erschien 1990 unter dem Titel «Too Hot to Handle. The Story of the
Race for Cold Fusion» bei W.H. Allen, London, England
© 1990 by Frank Close
Die Deutschen Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme
Close, Frank:
Das heiße Rennen um die kalte Fusion I Frank Oose. Aus dem Engl. von Hans-Peter Herbst.
Einheitssacht.: Too bot to handle <dt.>
ISBN 978-3-0348-6141-0 ISBN 978-3-0348-6140-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-6140-3
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© 1992 Springer Basel AG
Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag Basel1992
Softcoverreprint ofthe bardeover Istedition 1992
Umschlaggestaltung: Atelier Hanjo Schnug, Rosenheim
ISBN 978-3-0348-6141-0
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1. Die größte Erfindung seit der Entdeckung des Feuers . . . 13
I. Genesis
2. Nichts Neues unter der Sonne 27
3. Die Sonne auf Erden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
4. Die kalte Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
5. Die Chemiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
6. Querelen ............................ . 106
7. Harwell ............................ . 132
II. Deuteronomium
8. Die ersten Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
9. Die Geister scheiden sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
10. Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
11. Die Caltech-Story . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
12. Zwischen Frühling und Herbst . . . . . . . . . . . . . . . . 262
13. Internationale Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
14. Die Reagenzglasfusion: Wissenschaft oder ScienceFiction? 317
111. Revelationen
15. Der Spion im Laboratorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
16. Glaubwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
17. «Es ist keine Fusion» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
18. Der erste Jahrestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
19. Schlußbetrachtungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
IV. Anhang
Überschußwärme in der Kalorimetrie . . . . • . . . . . . • 437
Die Fusion ist nicht für die Erdwärme verantwortlich . • • 441
.Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
«Wenn man statistische Analysen betreiben muß, um das
Erlebnis eines Experiments herauszufinden, sollte man ein
besseres Experiment machen.»
Ernest Rutherford
«In allen berichteten Fällen wurde die Anwesenheit eines
Elements als dessen Erzeugung fehlgedeutet.»
Chadwick, Ellis und Rutherford (1930)
Vorwort
Am 23. März 1989 verblüfften zwei Chemiker, Stanley Pons und
Martin Fleischmann, die Welt mit der Behauptung, sie hätten in einem
Behälter mit Wasser bei Zimmertemperatur eine Kernfusion-die Quelle
der Sonnenenergie-erzeugt. Seit der Ölkatastrophe mit der Exxon Valdiz
in Alaska waren weniger als 24 Stunden vergangen; die Erinnerung an die
nukleare Katastrophe von Tschernobyl war noch in aller Erinnerung, und
so erregte die Nachricht von der Möglichkeit einer billigen, reichlich ver
fügbaren und «sauberen» Energiequelle jedermanns Aufmerksamkeit.
Ich selbst war zu dieser Zeit ständig zwischen dem Oak-Ridge
National-Laboratorium in den USA und dem Rutherford-Appleton-Labo
ratorium in England unterwegs und konnte daher unmittelbar miterleben,
wie sich die Aufregung in der wissenschaftlichen Gemeinde auf beiden
Kontinenten verbreitete und Tausende von Wissenschaftlern buchstäblich
über Nacht ihre Forschungsprogramme änderten, um zu versuchen, das
Experiment nachzuvollziehen. Je mehr ich mich beruflich an den Bemü
hungen beteiligte, die darauf gerichtet waren zu verstehen, was und ob
überhaupt etwas im Gange war, desto klarer wurde mir, daß sich der
Öffentlichkeit hier die seltene Gelegenheit bot, eine wissenschaftliche Ent
deckung direkt mitzuerleben. Sie könnte die Erregung der Forscher nach
empfinden und erfahren, wie neue wissenschaftliche Entwicklungen gebo
ren werden, wie sie getestet, nachvollzogen, erprobt und schließlich zu einer
neuen Technologie entwickelt werden. Wenn aber - wie viele Leute sehr
bald vermuteten - irgend etwas falsch an diesen Verlautbarungen war,
würde es möglich sein, das routinemäßige Vorgehen der Wissenschaft zu
verfolgen, das darin besteht, Experimente zur Beantwortung spezieller
Fragen zu konzipieren und sich mit Hilfe einer bestimmten Strategie der
Wahrheit immer mehr anzunähern. Außerdem würde dabei deutlich wer
den, daß auch Wissenschaftler wie andere Menschen nach Macht und
Ruhm hungern und danach streben, bei einem solchen Rennen die ersten
zu sein und die ausgesetzten Preise zu gewinnen.
Was ich nicht voraussehen konnte, war, daß sich das Ganze als eine
Reihe von Intrigen und Skandalen erweisen würde. Das ist jedoch eine
10 Vorwort
andere faszinierende Geschichte, die irgendwann an anderer Stelle in voller
Länge erzählt werden sollte. Darin wird zu berichten sein, wie interessierte
Gruppen versuchten, die Episode für die Bewilligung von Forschungsmit
teln auszuschlachten. Die Art und Weise, in der dabei vorgegangen wurde,
ist in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit weithin auf heftige Kritik ge
stoßen und hat zu der Forderung nach dem Rücktritt des Präsidenten der
Universität von Utah wegen des Vorwurfs «unethischen Verhaltens» ge
führt.
Als Galilei zu Ergebnissen gelangte, die das Mißfallen des Papstes
erregten, erhielt er als Lohn einen Kerkeraufenthalt. Auch eine Reihe von
Forschern, deren Ergebnisse nicht mit der behaupteten «kalten Fusion» in
Einklang standen, wurde mit Strafen bedroht. Als ich eine Fernsehdoku
mentation vorbereitete, die zu dem Schluß kam, daß es keine Beweise für das
Auftreten von Kernreaktionen gab, erhielt ich einen Brief von Martin
Fleischmann, in dem er behauptete, in Utah gäbe es für das Fernsehteam
einen Haftbefehl. Darin würde ich beschuldigt, mir «illegalen Zutritt zum
Nationalen Institut für Kalte Fusion» verschafft zu haben und ein als Wissen
schaftler getarnter Spion der Medien zu sein. Ich überlasse es meinen Kolle
gen, ihr Urteil über die zweite Behauptung zu fällen, und kann nur ver
sichern, daß es sich bei der ersten um völligen Unsinn handelt. Sollte diese
Anschuldigung zutreffen, so würde ich liebend gern mehr darüber erfahren.
Bedauerlicherweise wurde meine Bitte um weitergehende Informationen
jedoch mit Schweigen beantwortet.
Die Jahre 1989 und 1990 waren überhaupt durch merkwürdige
Verhaltensweisen vieler Beteiligter geprägt, während von seriöser Wissen
schaft nicht allzu viel zu sehen war. Es wurde eine Reihe schlimmer Fehler
gemacht, und viele Ergebnisse wurden mit einem Glanz umhüllt, den sie
ganz und gar nicht verdienten. Zusammen mit anderen maßgeblichen Per
sönlichkeiten hat insbesondere der Herausgeber der wissenschaftlichen
Zeitschrift Nature die Befürchtung geäußert, daß junge Menschen die mit
der Reagenzglasfusion verbundenen Possen als typisch für die Wissen
schaft ansehen könnten und dadurch von einer Karriere auf diesem Gebiet
abgeschreckt würden. Besorgnisse dieser Art haben nichts mit Pedanterie
zu tun. Die Gesellschaft verläßt sich auf die Wissenschaft und investiert
beträchtliche Summen in die Forschung, die nicht zuletzt vom Steuerzahler
aufgebracht werden, der darauf vertraut, daß die bekanntgegebenen Ent
deckungen gründlich und sorgfältig überprüft worden sind. Viele Episoden
im Zusammenhang mit der Reagenzglasfusion erfüllen diese Bedingung
nicht, und wenn solche Vorkommnisse als die Regel in der Wissenschaft
angesehen würden, hätte das eine Erschütterung des Vertrauens der Öf
fentlichkeit zur Folge. Es ist daher wichtig, dem Publikum klarzumachen,
daß die Geschichte mit der Reagenzglasfusion nicht typisch für die normale
Vorwort 11
Wissenschaft ist und daß eine Mehrheit in der Gemeinde der Wissenschaft
ler das Verhalten vieler Beteiligter als unannehmbar betrachtet.
Ich habe das Buch in drei Teile gegliedert. In den Kapiteln «Gene
sis» und «Deuteronomium» wird die Geschichte so dargestellt, daß sie für
jeden Leser verständlich ist. Das Kapitel «Revelationen» bringt zusätzliche
Details, die für Leser mit wissenschaftlicher Vorbildung besonders interes
sant sein dürften, jedoch auch allen anderen zugänglich sein sollten. Für
Leser, die an Einzelheiten oder weitergehenden Informationen interessiert
sind, ist eine Liste wichtiger Veröffentlichungen angefügt, obwohl das Buch
keinen systematischen Überblick über die kalte Fusion geben soll.
Der Inhalt des Buches konzentriert sich auf die Arbeiten von
Fleischmann und Pons, denn es waren ihre Behauptungen, die das allge
meine Interesse erweckten und den Leidenschaften Nahrung gaben. So
wird auch den Arbeiten von Steven Jones und anderen Experimentatoren,
die den Nachweis von Neutronen knapp über dem Meßuntergrund be
haupten, nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Sollten sich diese Ergeb
nisse als real erweisen, so wären sie zwar wissenschaftlich interessant,
könnten aber nichts zur Lösung des Weltenergieproblems beitragen, zu
mindest nicht in der grandiosen Art und Weise, wie dies nach den Behaup
tungen von Fleischmann und Pons der Fall sein sollte. In den Medien
werden die Ergebnisse von Jones oft als Unterstützung der Resultate der
beiden Chemiker interpretiert, während sie in Wahrheit eher als Widerle
gung einiger ihrer Behauptungen anzusehen sind. Seine Neutronenmes
sungen lagen um Größenordnungen unter den ihrigen; auch gelang ihm
niemals der direkte Nachweis einer Wärmeerzeugung.
Das Schlußkapitel enthält einen Gesamtüberblick. Es handelt sich
dabei um eine persönliche Einschätzung, die auf wohlüberlegten Schlüssen
beruht, welche aus 18 Monaten Forschung, über 100 Interviews und meinen
eigenen, über 20jährigen Erfahrungen mit ernsthafter wissenschaftlicher
Arbeit resultieren. In jedem Beruf entwickelt sich ein intuitives Gefühl für
die speziellen Bedingungen und Methoden, das einen spüren läßt, wann die
Dinge falsch laufen. Alle Wissenschaftler, ganz besonders die theoretischen
Physiker, erwarten einen neuen, revolutionären Durchbruch, durch den die
bisherigen Paradigmen in Theorie und Praxis umgestoßen werden. Wenn
daher ein radikal neues Ergebnis bekannt wird, sind sie sofort bereit, ihre
eigentliche Arbeit stehen- und liegenzulassen und der neuen Verheißung
zu folgen. Genau das passierte auch, als die Nachrichten über die kalte
Fusion über sie hereinbrachen. Auch wenn ihre Intuition ihnen sagte, daß
die Behauptungen zu weit hergeholt erschienen, um wahr zu sein, mußten
sie doch überprüft werden. Hätte es eine Bestätigung für die Möglichkeit
von Kernfusionen bei Zimmertemperatur gegeben, wäre ich der erste
Theoretiker gewesen - und ich bin sicher, damit für viele Kollegen zu