Table Of ContentDAS HEBRÄISCHE LEICHENLIED
II RAHMEN
DER VÖLKEBJDIOHTUNG
VON
HEDWIG JAHNOW
1923
VERLAG VON ALFRED TÖPELMANN IN GIESSEN
BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR DIE
ALTTESTAMENTLICHE WISSENSCHAFT
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Alle Rechte,
insbesondere das Recht der Übersetzung, vorbehalten
MEINEM HOCHVEREHRTEN LEHRER
HERRN PROFESSOR
HERMANN GÜNKEL
Herr Professor D. Gunkel hat mir vor Jahren die
Anregung zu dieser Arbeit gegeben und mich bei ihrer
Ausführung und Drucklegung mit seinem bewährten Rat
in freundlichster Weise unterstützt. Ihm bringe ich jetzt
das Buch in dankbarer Gesinnung dar. Zugleich gilt
mein herzlicher Dank Herrn Professor Dr. Baumgartner
in Marburg, der nicht nur die ganze Mühe der Korrektur
mit mir geteilt, sondern die Arbeit durch sein unermüd-
liches Interesse und seinen wertvollen Beistand wesentlich
gefördert hat.
Marburg, im Februar 1923.
Hedwig Jahnow.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Verzeichnis der Abkürzungen . VIII
Einleitung 1
Kapitel I. Die Totenklage im Zusammenhang der Trauer-
bräuche 2—57
§ 1. Die Totenklage als israelitische und als allgemein mensch-
liche Sitte 2
§ 2. Die Totenklage als ein Trauerbrauch unter anderen . .. 4
§ 3. Animistischer Ursprung der Trauerbräuche 11
§ 4. Spuren animistischen Ursprungs an der Totenklage . .. 40
Kapitel II. Die Totenklage als Zeremonie 57—90
§ 1. Das Personal bei der Totenklage . . . . . . . .. 57
§ 2. Situation und Aufführungsart der Totenklage 73
§ 3. Die Totenklage im Dienst der öffentlichen Meinung . .. 87
Kapitel III. Das Leichenlied als Gattung der Volkspoesie 90—108
§ 1. Das Versmaß des Leichenliedes 90
§ 2. Skizze der Gattung nach Typen, Motiven und Stilformen . 92
Kapitel IV. Die Götteriotenklage 108—124
§ 1. Alttestamentliche Hindeutungen auf Vegetationskulte . . 108
§ 2. Die wichtigsten Züge der Vegetationskulte und der kulti-
schen Leichenlieder 110
§ 3. Alttestamentliche Niederschläge der Vegetationskulte . . 116
Kapitel V. Reste hebräischer Leichenpoesie 124—162
§ 1. Zwei Leichenlieder im Volkston 124
auf Zedekia Jer 38sa S. 124
auf Abner 2.Sam 3 f. S. 129
8ä
§ 2. Die Qina in dichterischer Gestaltung 131
Davids Leichenlied auf die Gefallenen von Gilboa
2. Sam Ii»—27 S. 133
Jeremias Lied vom „Schnitter Tod" Jer 9aof. S. 157
(Jer 916—2i S. 158)
Inhaltsverzeichnis. VII
Kapitel VI. Das Leichenlied im übertragenen Sinne nach Seite
seinen Hauptmerkmalen und -typen . 162—197
§ 1. Hauptmerkmale der Übertragung 162
§ 2. Totenklage des Arnos um die Jungfrau Israel Am 5 2 . . 165
§ 3. Threni auf den Fall Jerusalems („Klagelieder Jeremiae") . 168
§ 4. Leichenlied auf den Untergang Sidons Jes 231—14 . . .. 191
Kapitel VII. Die allmähliche stilistische Auflösung der
Gattung 197—231
§ 1. Zwei Leichenlieder auf den Untergang des davidischen
Herrscherhauses Ez 191—9 und 10—14 197
§ 2. Zwei Leichenlieder auf Tyrus 210
Ez 26i6-is S. 211
Ez 271_8. 36—aa S. 212
(Parallele: Leichenliturgie auf „Babylon" Apk 18 S. 219)
§ 3. Leichenlied auf den Tyrerkönig Ez 2812-19 . 221
§ 4. Verstreute Elemente der Qina: Ez 32a. 7f 228
Kapitel VIII. Die inhaltliche Umbiegung der Gattung 231—266
§ 1. Drei parodistische Leichenlieder . . . 231
auf Pharaos Höllenfahrt Ez 32i9-sa S. 231
auf die Höllenfahrt des letzten Babylonierkönigs Jes 144—21
S. 239
auf die „Dirne" Jerusalem Jes 121—23 S. 253
§ 2. Leichengedicht auf den Sühnetod des „Jahweknechts"
Jes 53 i_i 2 256
I. Sachregister 266—270
II. Stellenregister 270—272
VIII Verzeichnis der Abkürzungen. Berichtigungen.
Verzeichnis der Abkürzungen.
ATAO = Jeremias: Das AT im Lichte des alten Orients
BH = Biblia hebraica, ed. Kittel
JPT = Jahrbücher für protestantische Theologie
KAT = Schräder: Die Keilinschriften und das AT, 3. Aufl. vonWinckler
und Zimmern
KB = Keilinschriftliche Bibliothek
OLZ = Orientalistische Literaturzeitung
RE = Herzogs Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche,
3. Aufl. von Hauck
RGG = Die Religion in Geschichte und Gegenwart
SBOT = The Sacred Books of the Old Testament
TuB — Greßmann: Altorientalische Texte und Bilder
ZAW = Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft
ZDMG = Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft
ZDPV = Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins
Abkürzungen der Übersetzungen im ganzen nach BH.
Berichtigungen.
S. 13 Z. 21 lies 8) für 3).
S. 126 Z. 22 lies „Obadia V. 7" für „Obadia 7\
S. 137 Z. 10 lies „Ach, wie" für „Wie".
S. 162 Z. 26 lies „ist" für „st".
S. 174 A. 9 lies D'HUD für D^TOD.
S. 198 Z. 12 schiebe hinter „(BH)" ein „und" ein.
S. 212 Z. 3 lies „'ek" für ,'ekä".
S. 256 Z. 23 lies für
TT - T
Einen wichtigen Teil der inneren Geschichte eines Volkes
erkennt man, wenn man beobachtet, wie sich in ihm das Ver-
hältnis des Einzelnen zur Gattung gestaltet. Wie weit das Indi-
viduum mit seinen Erlebnissen und Handlungen noch im Gattungs-
mäßigen haftet, wie weit es sich davon freizumachen vermag —
dadurch wird nicht nur seine persönliche Eigenart, sondern auch
die Kulturstufe seines Volkes bezeichnet. Diese inneren Vorgänge
lassen sich deutlich aus der Literatur eines jeden Volkes, nämlich
aus dem Verhältnis, das der Einzelschriftsteller zur literarischen
Gattung einnimmt, ablesen. Daher kann die Erforschung der
literarischen Gattungen eines Volkes keinesfalls gleichgültig für
die Erschließung seiner geistigen Art sein. Sie ist nicht etwa
eine Aufgabe von nur formalem Wert, eine ästhetisierende Be-
trachtung, der man sich erst hingeben dürfte, wenn die eigent-
liche, ernsthafte Arbeit getan ist. Besonders bei einem antiken
Volke, bei dem der überkommene Stil stärker als bei uns Mo-
dernen das geistige Schaffen bestimmt, kann man ohne einge-
hende Beschäftigung mit den Gattungen weder dem ganzen Volke
noch der einzelnen Schriftstellerpersönlichkeit gerecht werden.
Mit Bezug auf das hebräische Volk und das alttestamentliche
Schrifttum ist diese Erkenntnis noch recht jung; die Erforschung
der literarischen Gattungen ist auf diesem Gebiete zum ersten
Male von H. Gunkel mit allem Nachdruck zur grundsätzlichen
Forderung erhoben worden*). Im Folgenden soll der Versuch
gemacht werden, für eine alttestamentliche Gattung, die des
Leichenliedes, an der Verwirklichung dieser Forderung mitzu-
arbeiten.
*) Die israelitische Literatur, Kultur der Gegenwart 17 (1906), S. 528.
Beihelte z. ZAW 36 1
2 Kapitel I. §1
Kapitel I.
Die Totenklage im Zusammenhang der Trauerbräuche.
§ 1. Die Totenklage als israelitische und als allgemein
menschliche Sitte.
Daß das Leichenlied im Hebräischen eine besondere lite-
rarische Gattung bildet, ist zuerst von K. B u d d e erkannt worden ').
Zwar wird uns im Alten Testament keine zünftige Leichenklage
geschildert, und wir besitzen kein Beispiel eines wirklich von
Klageweibern gesungenen Leichenliedes, aber die Tatsache einer
solchen zeremoniellen Totenklage ist uns sowohl im Alten als
auch im Neuen Testament bezeugt; sie wird an vielen Stellen
des Alten Testaments4), der Apokryphen3) und an einigen neu-
testamentlichen Stellen4) erwähnt. Auch das Vorhandensein
einer Leichensängerzunft erfahren wir aus dem AT6). Ferner
vermögen wir über den Inhalt und die Form der bei der Leichen-
klage gesungenen Lieder aus dem alttestamentlichen Material
Einiges wenigstens mittelbar zu erschließen. Denn wenn wir
auch kein vollständiges zünftiges Leichenlied besitzen, so sind
doch Bruchstücke davon vorhanden, nämlich einzelne Wehrufe');
überdies ist uns ein zwar nicht zünftiges, aber doch wirklich
aufgeführtes Leichenlied, nämlich das Davids um Abner 2. Sam3as f.,
überliefert. Außerdem liegt uns Jer 38«« ein kleines Lied vor,
dessen Situation zwar unwirklich ist, das aber den Stil und
Inhalt eines echten Leichenliedes zu haben scheint. Auch die
individuelle dichterische Umbildung des volkstümlichen Leichen-
liedes, die wir 2. Sam Ii »ff. in dem Trauerliede Davids um Saul
und Jonathan kennen lernen, läßt wichtige Rückschlüsse auf jene
Urform und ihre Inhalte tun. Schließlich haben wir eine aus-
gebildete Anwendung des Leichenliedes in einem übertragenen
Sinne, die vor allem durch die Propheten gepflegt worden ist,
aber auch in den sog. „Klageliedern Jeremiae" vorhegt. Auch
») Das hebräische Klagelied, ZAW 2 (1882), S. lff., ferner 3 (1883), S .299ff.,
11 (1891), S. 234 ff., 12 (1892), S. 31 ff. 261 ff., ZDPV 6 (1883), S. 180ff.; vgl.
Kap. III, § 1 dieses Buches.
a) Z.B. Gen 50io 1. Sam 25i 28. 1. Reg 14«. is Jer 16sf.
') Z.B. 1. Makk 2 o 920 12 «. *) Mt 9« Mk 5ss LkSes Acta 8s.
? 6
s) Jer 9ie Am öi« 2. Chr 3525. «) 1. Reg 13so Jer 22k 34s.