Table Of ContentDas Geistbuch
Dagmar Gottschall - 978-90-04-21807-9
Downloaded from Brill.com10/12/2021 11:09:35AM
via University of Toronto
Studies in the History of
Christian Traditions
General Editor
Robert J. Bast
Knoxville, Tennessee
In cooperation with
Henry Chadwick, Cambridge
Paul C.H. Lim, Nashville, Tennessee
Eric Saak, Liverpool
Brian Tierney, Ithaca, New York
Arjo Vanderjagt, Groningen
John Van Engen, Notre Dame, Indiana
Founding Editor
Heiko A. Oberman†
VOLUME 160
Th e titles published in this series are listed at brill.nl/shct
Dagmar Gottschall - 978-90-04-21807-9
Downloaded from Brill.com10/12/2021 11:09:35AM
via University of Toronto
Das Geistbuch
Ein Traktat zur Vollkommenheit aus dem
Umkreis Meister Eckharts
Kritisch ediert von
Dagmar Gottschall
Mit einem Vorwort von
Maarten J. F. M. Hoenen und Loris Sturlese
LEIDEN • BOSTON
2012
Dagmar Gottschall - 978-90-04-21807-9
Downloaded from Brill.com10/12/2021 11:09:35AM
via University of Toronto
Cover illustration: Christus spricht zu Johannes und Petrus, auf der Schrift rolle die Verse
Io 21, 21-22. Graduale von St. Katharinenthal, Oberrhein, 1312. Zürich, Schweizerisches
Landesmuseum, Inv. nr. LM 26117, fol. 161r, Detail.
Th is book is printed on acid-free paper.
ISSN 1573-5664
ISBN 978 90 04 21805 5 (hardback)
ISBN 978 90 04 21807 9 (e-book)
Copyright 2012 by Koninklijke Brill NV, Leiden, Th e Netherlands.
Koninklijke Brill NV incorporates the imprints Brill, Global Oriental, Hotei Publishing,
IDC Publishers, Martinus Nijhoff Publishers and VSP.
All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, translated, stored in
a retrieval system, or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical,
photocopying, recording or otherwise, without prior written permission from the publisher.
Authorization to photocopy items for internal or personal use is granted by Koninklijke Brill NV
provided that the appropriate fees are paid directly to Th e Copyright Clearance Center,
222 Rosewood Drive, Suite 910, Danvers, MA 01923, USA.
Fees are subject to change.
Dagmar Gottschall - 978-90-04-21807-9
Downloaded from Brill.com10/12/2021 11:09:35AM
via University of Toronto
EINLEITUNG V
INHALTSVERZEICHNIS
M. J. F. M. Hoenen, L. Sturlese, Vorwort ................................................. VII
Einleitung .............................................................................................. XIII
I. Die Handschriften ............................................................................ XV
II. Zur Text- und Überlieferungsgeschichte ...................................... XXXI
III. Aufbau und Inhalt des Geistbuchs ................................................. XLIII
IV. Versuch einer zeitlichen und räumlichen Einordnung des
Geistbuchs ..................................................................................... XCII
V. Zur Einrichtung der Ausgabe ....................................................... XCIX
Literaturverzeichnis ................................................................................. CI
DAS GEISTBUCH ......................................................................................... 1
Handschriftenregister .............................................................................. 83
Personenregister ...................................................................................... 85
Wörter- und Namenverzeichnis .............................................................. 89
Dagmar Gottschall - 978-90-04-21807-9
Downloaded from Brill.com10/12/2021 11:09:35AM
via University of Toronto
Vorwort
Die mittelalterliche Kultur ist eine Wissenskultur. Dies zeigt sich schon an
der Tatsache, dass die Universität eine mittelalterliche Erfindung ist. An der
Universität wurde das herkömmliche Wissen im Rahmen des Lehrbetriebs
strukturiert und geordnet. Die besonderen Leistungen von Autoren wie
Thomas von Aquin oder Wilhelm von Ockham liegen nicht nur in der
Schöpfung von Inhalten, sondern auch in der Entwicklung von Methoden,
wie die Lehre des Aristoteles oder des christlichen Glaubens auszulegen sei.
Eine wichtige Aufgabe bei der Deutung von Quellen und der Lösung von
Problemen bestand dabei in der Unterscheidung. Der Magister klärte einen
Sachverhalt, der zu Schwierigkeiten führte, indem er eine Unterscheidung
traf. Vielfach werden die Stellen, an denen die Magister ihre Ausführungen
beginnen, mit den Worten eingeleitet: «Sed in talibus distinguendum est».
Die Unterscheidung war ein wichtiges Instrument, um Ambiguitäten
zu lösen und Fehlschlüssen vorzubeugen. Dies gilt nicht nur für den akade-
mischen Bereich. Bereits in der Heiligen Schrift wird das Unterscheiden,
und zwar insbesondere das Unterscheiden von Gut und Böse, als ein
Zeichen der Vervollkommnung gesehen. Es bedarf Übung und einer guten
Unterweisung, so heißt es im Hebräerbrief, um sich hier zurecht zu finden
und sicher urteilen zu können. Nicht jede Person ist zu einem solchen Urteil
fähig und so gibt es immer wieder falsche Propheten, die zur Nachfolge
Christi aufrufen, seine Lehre jedoch verkehrt darstellen und somit ihre
Anhänger in die Irre führen. Die Unterscheidung der Geister ist nach dem
ersten Korintherbrief eine besondere Gabe Gottes. Nur solche Personen, die
im Geiste Gottes wandeln, können und dürfen hier urteilen.
Diese Konstellation gibt im Wesentlichen die Zielsetzung des Geistbuchs
wieder. Der anonyme Autor des um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts
geschriebenen Werkes versucht, eine Lehre der Nachfolge Christi zu
liefern, die den Lesern helfen soll, die wahren von den falschen Lehren zu
unterscheiden. Das Werk spiegelt die Debatten um die Lehre von Meister
Eckhart wider, insbesondere bezüglich der Frage, wie das Leben eines
Menschen aussehen solle, der seinen eigenen Willen ganz dem göttlichen
Willen angeglichen hat. Die Aussage Eckharts, ein solcher Mensch solle
Dagmar Gottschall - 978-90-04-21807-9
Downloaded from Brill.com10/12/2021 11:09:35AM
via University of Toronto
VIII M. J. F. M. HOENEN · L. STURLESE
in gewisser Weise mit Gott auch wollen, dass er gesündigt habe, wurde
von Johannes XXII. als Irrtum gebrandmarkt. Damit wurde es wichtig, bei
der Frage nach der Nachfolge Christi solche Irrtümer zu vermeiden. Seine
Leser dabei zu unterstützen, die wahre Lehre zu erkennen und die falsche zu
vermeiden, setzte sich der Autor des Geistbuchs zur Aufgabe.
Das hohe Reflexionsniveau weist auf einen geschulten Autor hin. Er
spricht jedoch nicht als akademischer Lehrer, denn gerade die Art und
Weise, wie an den Universitäten unterschieden wird, lehnt er ab. Die akade-
mische Praxis des Unterscheidens setze das Widerspruchsprinzip voraus,
das im Bereich des Göttlichen keinen Sinn mache, so argumentiert er.
Führe man dieses Prinzip ein, so gelange man auf die falsche Spur. Denn
ein sachgerechtes Urteil über die göttliche Natur, der es nachzufolgen gilt,
könne nur von der göttlichen Natur selbst geliefert werden, die vollkommen
eins sei. Der Mensch solle seinen geschöpflichen Geist vollkommen
vernichten, damit Gott ohne Begrenzung in ihm Wirken kann. Ein solcher
Aufruf ist natürlich schwer zu verstehen, denn was ist gemeint mit «sich
selbst vernichten»? Gewiss, es handelt sich hier um ein Wort der heiligen
Schrift. Markus lässt in seinem Evangelium Jesus sagen, wer ihm folgen
wolle, müsse sich selbst «vernichten». Aber was heißt dies? Hier droht
unverkennbar der Häresieverdacht, denn sich selbst töten darf der Mensch
nicht. Der Autor wendet sich daher auch gegen eine übertriebene Askese.
Dieses «Vernichten» finde nicht am Körper, sondern in der Seele statt.
Um auch hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, geht der
Autor ausführlich auf die verschiedenen Bedeutungen von «Nichts» und
«Begreifen» ein. Die Seele solle nichts mit ihrem «eigenen Begriffe»
begreifen. Nur Gott solle die Seele begreifen, und zwar mit dem göttlichen
«begreifenden Begriff». Diese Ausführungen sind philosophiegeschichtlich
höchst bedeutsam und belegen die intellektuelle Begabung des Autors.
Das Werk hat zwar einen besonderen Zugang zur Problematik der
Nachfolge Christi, steht damit jedoch nicht allein. Wie Dagmar Gottschall
in der Einleitung aufdeckt, greift der Autor viele Motive und Unterscheidun-
gen auf, die in der Literatur um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts
virulent waren. Vor allem die Nähe zu Heinrich Seuse ist auffallend, der in
seinem Buch der Wahrheit ebenfalls versucht hatte, eine Antwort auf die
Lehre Eckharts zu geben. Das Geistbuch bezeugt somit die Lebendigkeit
der Debatten, eine Lebendigkeit die wohl darin ihren Ursprung fand, dass
das Bedürfnis an geistiger Führung jenseits der akademischen Theologie
groß war. Oder ist «jenseits» hier das falsche Wort? Denn um die Zeit,
Dagmar Gottschall - 978-90-04-21807-9
Downloaded from Brill.com10/12/2021 11:09:35AM
via University of Toronto
VORWORT IX
als das Geistbuch geschrieben wurde, gab es in Deutschland noch keine
Universitäten. Die Dynamiken der Belehrung waren somit andere. Es gab
kein festes Korpus an Texten, aus denen geschöpft wurde, wie die Schriften
des Aristoteles und des Petrus Lombardus an den Universitäten, die als
Grundlage für Fragen und Antworten dienen konnten. Für das Geistbuch
stellte die Heilige Schrift den Bezugsrahmen dar. Dies gibt dem Werk eine
Unmittelbarkeit, die vielen akademischen Werken fehlt, erschwert zugleich
aber auch die Interpretation. Denn der Autor folgt keiner vorgeschriebenen
Methode und bewegt sich in einem Feld von Quellen, das unbestimmt ist.
Gerade in dieser Unbestimmtheit liegt die Herausforderung des
Geistbuchs. Die akademische Theologie hatte im Laufe der Zeit feste Vorge-
hensweisen entwickelt zur Unterscheidung von Orthodoxie und Hetero-
doxie. Bereits Augustin hatte hervorgehoben, dass in der Theologie nicht
dieselbe Freiheit herrsche wie in der Philosophie. Der Theologe spreche
von Gott und sei somit an bestimmte Regeln gebunden. Er könne nicht aus
sich selbst heraus agieren, sondern sei an das Wort Gottes gebunden. Die
Regulierung der theologischen Sprache war im Westen außerdem traditionell
an das Latein gebunden. Wie sollte jetzt eine volkssprachliche und nicht-
akademische Lehre aussehen, die versuchte zwischen einer wahren und
falschen Nachfolge Christi zu trennen? Der Autor hat eine Antwort. Hat der
Mensch sich in seiner Seele «vernichtet», so denkt und urteilt Gott in ihm.
Er urteilt dann mittels Unterscheidungen, die selbst keine Unterscheidungen
mehr sind. Diese Methode ziehe die letzte Konsequenz aus der Nachfolge
Christi: der Mensch werde wie Gott. Sie ist aber für die pastorale Praxis
in dieser Form unbrauchbar, denn es bleibt unklar, ob wirklich Gott oder
nicht vielmehr der Mensch über sich selbst urteilt. Der Autor ist sich dieses
Problems bewusst und hebt deshalb immer wieder hervor, dass sich die
«Vernichtung» der Seele in der praktischen Lebensführung zeigen müsse.
Der Weg, dem hier gefolgt wird, ist die Einheit von Leben und Lehre, die
«vita et doctrina apostolica», wie Paulus sie lebte, nachdem Christus sich
ihm offenbart hatte. Paulus ist für den Autor der Maßstab, den er dem
Denker Johannes und dem Praktiker Petrus vorzieht. Nicht die richtige
Begrifflichkeit, wie sie an den Universitäten gelehrt wird, auch nicht die
Vorschriften der Kirche, sondern der Mittelweg, ein Leben, das durch die
Lehre Christi geleitet wird und sich jedem öffentlich zeigt, ist für den Autor
der Prüfstein.
Im Geistbuch wird vielfach über die Seele gesprochen. Dies geschah
auch an den Universitäten, in den Kommentaren zu Aristoteles und Petrus
Dagmar Gottschall - 978-90-04-21807-9
Downloaded from Brill.com10/12/2021 11:09:35AM
via University of Toronto
X M. J. F. M. HOENEN · L. STURLESE
Lombardus. Dennoch findet sich im Geistbuch wenig von den universitären
Debatten. Auch das ist wohl eine Folge der Tatsache, dass das Werk in einer
Umgebung abseits der Universitäten entstand. Obschon der Autor selbst
mit diesen Debatten vertraut war, fehlte das Publikum, das mit Hinweisen
auf diesen Kontext etwas anfangen konnte. Ein Anlass, diese Debatten
aufzugreifen, wäre eigentlich gegeben, denn die These, dass die Seele sich
völlig «vernichten» könne, wurde von vielen Scholastikern als unmöglich
betrachtet. Die menschliche Seele ist Form des Körpers, so hatte es das
Konzil von Vienne im Jahre 1312 bestimmt. Wie könnte die Seele sich
nun durch das Denken vernichten? Sie bleibt immer, so lange der Mensch
auf Erden lebt, an den Körper gebunden. Es ist bezeichnend, dass diese
scholastischen Fragen nicht aufgegriffen wurden, sondern nur solche, die im
unmittelbaren Zusammenhang mit der Verurteilung Eckharts standen und in
volkssprachlichen Quellen erörtert wurden. Die Frage, die sich hier stellt,
ist, ob diese Situation, wie sie sich im Geistbuch vorfindet, auch für die
spätere Zeit gilt, nachdem in Deutschland mehrere Universitäten entstanden
waren. Hier könnte sich ein Vergleich mit volkssprachlichen Quellen aus
dem Kölner Raum seit dem späten vierzehnten Jahrhundert als fruchtbar
erweisen.
Mit dieser letzten Frage ist auch die Thematik angesprochen, die zur
Entstehung dieser Edition geführt hat. Im Mittelpunkt stand die Frage
nach der spätmittelalterlichen Wissensvermittlung im Rahmen der Mendi-
kantenausbildung. Dabei wurde vor allem nach Quellen gesucht, die über
die Sprachgrenzen hinweg verbreitet waren. Das Geistbuch erweckte
wegen seiner Nähe zu dem Dominikaner Eckhart, seiner Erwähnung
des Ordensheiligen der Franziskaner, Franciscus, und seiner frühen
niederländischen Überlieferung Aufmerksamkeit. Zwar kann die Autor-
schaft nicht eindeutig bestimmt werden, jedoch ist anzunehmen, wie
Dagmar Gottschall in der Einleitung argumentiert, dass es sich um einen
Dominikaner handelt, der in Köln oder am Oberrhein tätig war. Der Inhalt
des Geistbuchs sowie die vielen Forschungsfragen, die der Traktat aufwirft
und die in der Einleitung besprochen werden, führten zu dem Entschluss,
den Text in der mittelhochdeutschen Version kritisch zu edieren.
Dagmar Gottschall übernahm die Editionsarbeit. Die vorbereitende
Arbeit dazu bestand in vielen Sitzungen gemeinsam mit unseren Kollegen in
Leiden – Geert Warnar und Wybren Scheepsma –, in Lecce – Alessandra
Beccarisi und Nadia Bray – und in Freiburg – Hans-Jochen Schiewer und
Burkhard Hasebrink. Die Ergebnisse dieser Sitzungen sind in den Kom-
Dagmar Gottschall - 978-90-04-21807-9
Downloaded from Brill.com10/12/2021 11:09:35AM
via University of Toronto
VORWORT XI
mentar, den Dagmar Gottschall der Edition beigegeben hat, eingeflossen.
Zugleich wurde auch an der mittelniederländischen Überlieferung gearbeitet.
Eine Edition dieses Überlieferungszweiges wird zur Zeit von Wybren
Scheepsma vorbereitet, die in einem zweiten Band zusammen mit einigen
kommentierenden Aufsätzen zur Veröffentlichung ansteht.
Die „Onderzoekschool Medievistik“, die ihren Sitz in Groningen hat,
und die Università del Salento (Lecce) haben das Unternehmen mit viel
Geduld getragen. Den Kollegen Catrien Santing, der jetzigen Direktorin
der „Onderzoekschool Medievistik“, sowie Arjo Vanderjagt, Dick de
Boer und Bart Ramakers, den ehemaligen Direktoren, möchten wir für
die Unterstützung unsere Dankbarkeit aussprechen. Die Niederländische
Organisation für Wissenschaftliche Forschung und das italienische
Ministerium für Universität und Forschung haben die Zusammenarbeit
großzügig unterstützt und sehr viel Entgegenkommen gezeigt. Ihnen sei
deshalb auf ganz besondere Weise gedankt.
Freiburg und Lecce, 3. September 2011
Maarten J. F. M. Hoenen
Loris Sturlese
Dagmar Gottschall - 978-90-04-21807-9
Downloaded from Brill.com10/12/2021 11:09:35AM
via University of Toronto