Table Of ContentI. Pichlmayr . U. Lips . H. Künkel
Das
Elektroenzephalogramm
in der Anästhesie
Grundlagen, Anwendungsbereiche, Beispiele
Mit 61 Abbildungen
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1983
Professor Dr. INA PICHLMA YR
Privat-Dozent Dr. ULRICH LIPS
Zentrum für Anästhesiologie der Medizinischen Hochschule Hannover,
Abt. IV Krankenhaus Oststadt, Podbielskistr. 380, 3000 Hannover 51
Professor Dr. HELMUT KÜNKEL
Zentrum Neurologische Medizin, Abt. 11 - Institut für Klinische Neuro
physiologie und Experimentelle Neurologie, Konstanty-Gutschow-Str. 8,
3000 Hannover 61
ISBN 978-3-662-06461-0
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Pichlmayr,lna:
Das Elektroenzephalogramm in der Anästhesie:
Grundlagen, Anwendungsbereiche, Beispiele/
I. Pichlmayr; U. Lips; H. Künkel.
ISBN 978-3-662-06461-0 ISBN 978-3-662-06460-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-06460-3
NE: Lips, Ulrich; Künkel, Helmut:
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© by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1983
Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Tokyo 1983
Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1983
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den.
2119/3130-543210
Vorwort
Neurologische, neurovegetative und psychische Veränderungen nach gro
ßen Operationen oder Intensivbehandlungen weisen auf abgelaufene Stö
rungen cerebraler Funktionen hin. Solche Veränderungen sind bei genauer
Analyse keineswegs selten; sie haben ein weites Spektrum der klinischen
Manifestation. Während die bestmögliche Kreislaufüberwachung unter
Einbeziehung der fortlaufenden EKG-Registrierung bei Narkosen und In
tensivbehandlungen heute als selbstverständliche Routine gilt, ist bisher die
objektive und laufende Kontrolle cerebraler Funktionszustände unter den
verschiedensten Einflüssen von Anästhesie, Operation und Intensivmedizin
nicht befriedigend gelöst.
Der klinischen Neurophysiologie gelingt zunehmend - vor allem durch
das EEG bei visueller wie auch spektralanalytischer Auswertung - die Dar
stellung funktioneller Veränderungen als Äquivalent bzw. als Ursache klini
scher, neurologischer und psychischer Störungen. Von aktueller Bedeutung
ist deshalb die Frage, ob anästhesiologische EEG-Überwachung sowohl
vom theoretischen Ansatz her als auch in der praktischen Durchführbarkeit
geeignet ist, cerebrale Störungen, die durch perioperative Maßnahmen aus
gelöst werden, frühzeitig zu erkennen, zu deuten und hierdurch
bestmöglich zu vermeiden oder zu behandeln. Letzlieh steht dahinter die
Grundfrage, inwieweit anästhesiologische Maßnahmen sich am EEG-Bild
orientieren und danach gesteuert werden können und ob eine EEG-Analy
se sowohl für den einzelnen Patienten als auch generell für die Wertung
einer anästhesiologischen Maßnahme bedeutsam ist.
Diesen Fragen der Relevanz und der Praktikabilität einer anästhesiolo
gisehen EEG-Überwachung wird in diesem Buch nachgegangen. Grundla
ge hierfür ist die Analyse von über 1500 durchgeführten EEG-Ableitungen
im anästhesiologisch-chirurgischen bzw. -gynäkologischen Krankengut.
Einflüsse der Prämedikation, der perioperativen Periode und der Intensiv
therapie werden getrennt analysiert. Die für eine anästhesiologische EEG
Überwachung erforderlichen theoretischen und praktischen Voraussetzun
gen werden einleitend dargestellt. Die gesammelten Ergebnisse und prakti
schen Erfahrungen ergeben Perspektiven für einen zukünftigen Routineein-
satz der EEG-Überwachung. .
VI Vorwort
Für die großzügige Unterstützung der klinischen Untersuchungen zu
diesem Buch möchten wir der Stiftung Volkswagenwerk, unseren Mitarbei
terinnen Frau U. LESSING, Frau K. REDEKER, Frau H. SCHULZE und Frau K.
SCHWEDHELM rur ihr persönliches Engagement bei der Fertigstellung des
Buches danken.
Hannover, Februar 1983 INA PICHLMAYR
ULRICH LIPS
HELMUT KÜNKEL
Inhaltsverzeichnis
A. Einführendes zur Elektroenzephalographie
in anästhesiologischen Bereichen
I. Daten zur Entwicklung und Anwendung der Elektroenzephalo-
graphie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
II. Grundlagen der Analyse des Elektroenzephalogramm 12
III. Technische Voraussetzungen zur Elektroenzephalographie im
Operationsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 23
IV. Elektroenzephalographische Ausgangsbefunde im
anästhesiologischen Patientengut . . . . . . . . . . . 36
B. Elektroenzephalographische Bilder unter anästhesiologischen
Medikationen und perioperativen Einflüssen
I. Prämedikation . . . 48
11. Narkosestadien . . . 70
III. Inhalationsnarkotika . 77
IV. Intravenöse Narkotika 98
V. Muskelrelaxantien.. 135
VI. Analgetika in der postoperativen Phase 139
VII. Anästhesiologische und operative Maßnahmen mit potentiell
cerebraler Auswirkung. . . . . . . . . . . . . 158
VIII. Perioperative Störungen mit cerebraler Auswirkung 166
IX. Spezielle Situation bei Patienten in hohem Alter 177
X. Spezielle Situation bei Patienten mit Anfallsleiden 181
C. Elektroenzephalographie als Methode anästhesiologischer
Überwachung
I. Elektroenzephalographische Narkoseüberwachung . . . 188
11. Elektroenzephalographische Überwachung während der
unmittelbar postoperativen Phase . . . . . . . . . . 207
III. Elektroenzephalographische Überwachung während der
Intensivtherapie . 213
Schlußbetrachtungen 225
Arzneimittel-Hinweis 228
Sachverzeichnis . . 231
A. Einführendes zur Elektroenzephalographie
in anästhesiologischen Bereichen
I. Daten zur Entwicklung und Anwendung der
Elektroenzephalographie
Das Elektroenzephalogramm als neurophysiologische Untersuchungsme
thode der cerebralen elektrischen Aktivität ist heute - durch die Entwick
lungen der Prozeßdatenverarbeitung und der Signalanalyse sowie durch
Erfahrungen über die Relevanz seiner Aussagen für die Klinik - ein Ver
fahren, dessen Anwendung in vielen medizinischen Disziplinen große Fort
schritte ermöglichen kann.
HANS BERGER, dessen Name untrennbar mit der Geschichte der Elek
troenzephalographie verbunden ist, erhoffie durch die neue ungefährliche
Methode Erkenntnisse über die Hintergründe psychischer Vorgänge. Seine
Erwartungen wurden zunächst nicht erfüllt. Bald erkannte er jedoch den
Wert der Elektroenzephalographie als Untersuchungsmethode für medika
mentenbedingte Bewußtseinsveränderungen. 1933 führte er erste EEG-Ab
leitungen unter Chloroformnarkosen durch. In der Folgezeit wurden die
1932 synthetisierten Barbiturate mit Hilfe des EEG so gründlich untersucht
(BRAZIER 1945), daß die Entwicklung EEG-gesteuerter Narkosemitteldosie
rungsautomaten unternommen wurde (BICKFORD 1950). Die Forschung
der klinischen Neurophysiologie im Hinblick auf Technik und Aussage
möglichkeiten des Elektroenzephalogramm erschloß dessen weite Anwen
dungsmöglichkeiten. Im Rahmen der Anästhesiologie hat sich das EEG
bisher bei speziellen Indikationen (z. B. Chirurgie am offenen Herzen; in
tra- und postoperative cerebrale Notsituationen) bewährt. Monographien
über Anwendung und Wert des EEG speziell für den Anästhesisten wurden
von SADOVE et al. (1962), BRECHNER et al. (1967), PRIOR (1979) sowie GRA
BOW (1981) veröffentlicht.
Die heute insgesamt günstigen Voraussetzungen lassen die erstrebens
werte routinemäßige EEG-Überwachung anästhesiologischer Maßnahmen
in naher Zukunft durchführbar erscheinen. Marksteine der geschichtlichen
Entwicklung - zur schnellen Orientierung in Kurzform angegeben - sollen
ohne Anspruch auf Vollständigkeit den Weg zum heute vorhandenen Stan
dard zeigen.
1875 R. CATON (London)
Erste Ableitung elektrischer Hirnpotentiale im Tierversuch
durch Galvanometer mit optischer Verstärkung.
1890-1893 B. DANILEVKEY (Charkow), F. v. MARXOW (Wien), A. BECK
und N. N. CYBULSKI (Krakau)
Hirnstromableitungen bei verschiedenen Tierarten mit inkon
stanten Ergebnissen durch unzureichende technische Voraus-
Daten zur Entwicklung und Anwendung der Elektroenzephalographie 3
setzungen, wobei v. MARXOW schon 1890 den Effekt von
Chloroform-Narkosen auf das Tier-EEG untersucht.
1904 S. TSCHIRIEV (Kiew)
Hypothese der Entstehung elektrischer Potentiale durch wech
selnde Blutfülle im Gehirn.
1912 P. I. KAUFMANN (St. Petersburg)
Endgültige Widerlegung der von TSCHIRIEV aufgestellten
Theorie.
1913-1925 N. W. PRAWDICZ-NEMINSKI (Kiew)
Tierexperimentelle Erarbeitung noch heute gültiger elektroen
zephalographischer Aussagen über die Hintergrundaktivitäten
des EEG.
1914 N. N. CYBULSKI (Krakau)
Beschreibung der elektroenzephalographischen Vorgänge
beim epileptischen Anfall durch elektrische Reizung des Hun
decortex.
1924 H. BERGER (Jena)
Erste EEG-Ableitung bei einem Menschen mit Silbernadel
elektroden. Entdeckung der Alpha-Aktivität über der Occipi
talregion.
1929 H. BERGER (Jena)
Erste Veröffentlichung über das EEG am Menschen.
1930-1938 Folge von 13 weiteren Einzelarbeiten und einer zusammenfas
senden Veröffentlichung über heute noch gültige Grundlagen,
Beurteilungskriterien und Entwicklungsmöglichkeiten des
EEG durch H. BERGER.
1932 G. DIETSCH, H. BERGER (Jena)
Erste Anwendung der Fourier-Analyse bei kurzen EEG-Ablei
tungen.
1932-1933 J. F. TÖNNIES (Berlin)
Entwicklung des "Neurographen", der als EEG-Gerät mit
gleichzeitiger fortlaufender Registrierung über einen Tinten
schreiber die bislang benutzte komplizierte photographische
Befunddokumentation erübrigt.
1933 H. BERGER (Jena)
Erste EEG-Ableitungen während Chloroform-Narkosen beim
Menschen.
1934 E. D. ADRIAN, A. MATTHEWS (Cambridge)
Bestätigung der Entdeckungen und wissenschaftlichen Aussa
gen von BERGER, die 1937 auf dem Psychologenkongreß in Pa
ris zur endgültigen Anerkennung von Bergers Werk führt. Ver
besserung der EEG-Aufnahmetechnik durch Benutzung eines
Faraday'schen Käfigs.
4 Einfithrendes zur Elektroenzephalographie in anästhesiologischen Bereichen
1932-1937 A. E. KORNMÜLLER (Berlin)
Entdeckung unterschiedlicher Aktivitäten über verschiedenen
Hirnrindenfeldern im Tierversuch.
1934-1935 J. F. TÖNNIES, O. FÖRSTER, H. ALTENBURGER (Berlin)
Erste elektroenzephalographische Ableitungen von der Hirn
rinde bei Schädel-Hirn-Operationen.
1934-1937 H. ROHRACHER (Wien)
Aufstellung der sogenannten "Alpha-Wellen-Theorie" zur Er
klärung psychiatrischer Erkrankungen und Veränderungen.
1935 F. A. GIBBS, H. DAVIEs, W. G. LENNOX (Boston)
Erste Beschreibung von Spike-Wave-Mustern im EEG bei der
Petit-Mal-Epilepsie.
1936 W. G. WALTER (Bristol)
Darstellung elektroenzephalographischer Parameter zur Tu
morlokalisation im Gehirn.
1937 F. A. GIBBS, E. L. GIBBS, W. G. LENNOX (Boston)
Erste umfassende Untersuchung über Zusammenhänge zwi
schen Narkose und EEG-Veränderungen.
1938 H. A. GRASS, F. A. GIBBS (Boston)
Erstellung einer Methodik zur Anwendung der Fourier-Trans
formation auf das EEG.
1938 Z. DROHOCKI, J. DROHOCKA (Brüssel)
Tierexperimentell belegte Feststellung der stärkeren Beein
trächtigung cortikaler Anteile des Gehirns gegenüber tieferen
Hirnabschnitten in Narkose.
1939 Z. DROHOCKI (Brüssel)
Quantifizierung des EEG mit Hilfe einer graphischen Ampli
tudenintegration.
1943-1946 W. G. WALTER, G. R. BALDOCK (Bristol)
Ausbau der Frequenzanalyse des EEG durch Benutzung elek
tronischer Filter. Eine Weiterentwicklung dieser Methode wird
durch Probleme der elektronischen Technologie zunächst ver
hindert.
1945 M. A. B. BRAZIER, J. E. FINESINGER (Los Angeles)
Untersuchungen über die Wirkungen von Barbituraten auf
das EEG.
1950 R. F. COURTIN, R. G. BICKFORD, A. FAULcoNERjr. (Rochester)
Feststellung guter Korrelationen zwischen EEG-Veränderun
gen und Narkosetiefe bei Anwendung kombinierter Lachgas
Sauerstoff-Äther-Narkosen.
1949-1951 R. G. BICKFORD (Rochester)
Entwicklung eines Gerätes zur automatischen Narkosemittel
dosierung in Abhängigkeit von EEG-Veränderungen mit tier
experimentellem, gelegentlich klinischem Einsatz.