Table Of ContentBand III: 1930 - 1932
It’s Alive! - Die Stunde der Untoten
Das Dokument des Grauens
Eine Chronik des Horrorfilms
Band 3
It’s Alive! - Die Stunde der Untoten
Ralf Ramge
Vollausgabe,Version1.01,Stand:27.Oktober2016
ImVertriebvon:FreshpicsStudiosRamge,Postfach66,3123Belp,Schweiz
[email protected],http://retro-park.ch
DasDokumentdesGrauens
EineChronikdesHorrorfilms
Band3:It’sAlive!-DieStundederUntoten
vonRalfRamge
MitBibliografieundIndex
ZurVerfügunggestelltfürnichtkommerzielle
VeröffentlichungundVerwendung
c 2004-2015FreshpicsStudiosRamge,alleRechtevorbehalten
(cid:13)
Umschlagfotovorne:BorisKarloffundMarylinHarris,„Frankenstein“,
c 1931UniversalPictures
(cid:13)
Umschlagfotohinten:„IslandofLostSouls“,
c 1932Paramount
(cid:13)
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung 1
2 1930 9
3 Lesangd’unpoète(1930) 45
4 TheBatWhispers(1930) 57
5 Dracula(1930) 79
6 Drácula(1931) 121
7 EinekurzeReisedurchdieZeit 143
GrantWood:AmericanGothic(1930) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
PeterKürten,derVampirvonDüsseldorf(1883-1931) . . . . . . . . . . . 147
8 M(1931) 169
9 Svengali(1931) 201
10 DieMythen:ImLabordesWahnsinns 217
DieAnfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
CurriculumVitae:VictorFrankenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
Dr.FrankensteinsweitererWerdegang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
ArztundDämon:Dr.JekyllundMr.Hyde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
DasverbrecherischeGenie:JackGriffin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
UnfreiwilligeMutationen:AndréDelambre . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
FacettendesIrrsinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
11 Frankenstein(1931) 347
12 Dr.JekyllandMr.Hyde(1931) 389
13 1931 433
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DasDokumentdes Grauens
14 Freaks(1932) 447
15 MurdersintheRueMorgue(1932) 505
16 Vampyr:DerTraumdesAllanGrey(1932) 533
17 DieMythen:ImBanndesVoodoo 571
DerVodunWestafrikas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572
DerhaitianischeVodou . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574
VoodooinNewOrleans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576
DerZombie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580
VoodooaufderLeinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586
18 WhiteZombie(1932) 605
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Kapitel 1
Einführung
Die Wurzeln des Horrors ragen Jahrhunderte, sogar Jahrtausende, zurück. Angst als
Urinstinkt, Religion mit der einhergehenden Unterscheidung zwischen Gut und Böse
und das Interesse von Individuen als auch Nationen sorgten von jeher dafür, dass die
Menschen stets mit der Welt des Grauens vertraut waren. Doch eine Kultivierung der
Angstistbeileibenichts,wassichautomatischergibtodergarselbstverständlichwäre.
EsisteinweiterWegvondemreinenÜberlebenswilleneinesbedrohtenMenschenhin
zum Empfinden eines angenehmen Gruselns zum Zwecke der Unterhaltung. Letzterer
ist ein Luxusgut, welches nicht nur eine entsprechende historische und kulturelle Ent-
wicklung voraussetzt, sondern auch eine große psychische Distanz des Konsumenten
zudemgeschildertengrauenvollenErlebnis.
Der Horror als Kulturgut benötigt einen historischen Bezug, um zu funktionie-
ren.AlsdiekatholischeKircheimSüdenFrankreichsdieKatharerniedermetzelteund
damitdenGrundsteinfürdieInquisitionlegte,wareineunmittelbareVerbindungzwi-
schen der religiösen Fantasie und dem Grauen der realen Welt geschaffen worden,
welchegroßgenugwar,umdenganzenKontinentzubeeinflussen.
Im Mittelalter fand Kultur hauptsächlich auf drei Arten statt. Da waren die Ge-
schichtenerzählerundSänger,welcheihreBerichtedurchdasLandtrugen.Esgabdie
Architektur mit ihren Fresken und Statuen. Und Gemälde, die Luxusgüter des Adels
und der Kirche. Kunst in der Architektur spielte sich vorrangig in Kirchen und Ka-
thedralen ab, und dort waren auch die Gemälde, welches das gemeine Volk zu sehen
bekam. Bücher gab es zwar, doch diese waren bis zur Erfindung des Buchdruckes
handgeschrieben und stellten ebenso wie die Fähigkeit des Lesens ein Privileg der
Geisteswissenschaftendar.
Kultur ging von der Kirche aus. Die kulturellen Inhalte wurden dementsprechend
auchvonderKirchevorgegebenundwarenzwangsläufigauchdenInteressenderKir-
cheundihrerWürdenträgerverpflichtet.SobalddieInteressenderKircheverletztwur-
den,wurdeausKulturschnellPropaganda.
Das wahrhaft Böse hatte ein Gesicht und lauerte in der Dunkelheit. Es war nicht
mehr nur ein Bildnis, wie es Satan gewesen war. Der spirituelle Schrecken kam nicht
erst nach dem Tod mit der Verdammnis der Seele. Spätestens mit der Inquisition und
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DasDokumentdes Grauens
den Hexenpogromen tauchte das Böse leicht im eigenen Dorf auf, wenn nicht gar im
eigenensozialenUmfeld.
Der Schrecken war auch nicht mehr vorrangig eine persönliche Erfahrung jedes
Einzelnen,sondernwurdezueinemkollektivenErlebnis.DerSchwarzeTod,diePest,
forderte im 14. Jahrhundert Millionen von Toten und trug hierzu ebenfalls bei. Wer
einGemäldeodereineSkulpturdesSatans,einerHexe,einesSkelettesoderähnlicher
Motivesah,wusstesofort,weroderwashierdargestelltwurde.
Es entstanden grausige Geschichten und Legenden, angefeuert von menschlichen
Ungeheuern wie Gilles de Rais, Vlad Tepes¸ und Elisabeth Báthory. Die Geschichten
wurden mündlich übertragen, fortlaufend dramatisiert und entfernten sich zunehmend
von der Wirklichkeit; ebenso entstanden auch oft viele verschiedene Versionen von
Erzählungen.
Nach der Erfindung des Buchdruckes wurden Bücher zu einem erschwinglichen
Gut und zusammen mit der steigenden Lebensqualität drang auch ein höheres Maß
anBildunglangsamzudendurchschnittlichenBürgernvor.Werlesengelernthat,ver-
brachteseineFreizeitmitPoesie.Literaturgattungenentstanden.EswardasJahr1714,
als ein englischer Poet namens Thomas Parnell schließlich sein Gedicht A Night Pie-
ce on Death niederschrieb und damit den Grundstein für eine Literaturgattung legte,
derenAnsinneneswar,UnbehagenbeidenLesernauszulösen.ZuerstwardieseForm
dermakaberenPoesienureineRanderscheinung.DochdieseFriedhofspoetengenann-
ten Literaten gewannen immer mehr die Zuneigung ihrer Leser. Im Jahr 1763 schrieb
HoraceWalpoleschließlichdenerstenrichtigenSchauerroman,mitwelchemerdieLi-
teraturform des Gothic begründete: The Castle of Otranto. Weitere großartige Werke
folgtenumgehend;besondererErfolgwarvorallemAnneRadcliffemitTheMysteries
of Udolpho (1794), William Beckford mit Vathek, Matthew Lewis mit Ambrosio, or
The Monk (1795) und schließlich Mary Wollstonecraft Shelley mit Frankenstein, or
TheModernPrometheus(1818)beschieden.
Das Grauen war im 19. Jahrhundert ein fester Bestandteil der populären Literatur
geworden. Autoren wie E.T.A. Hoffmann, Victor Hugo, die Gebrüder Grimm, Edgar
AllenPoeundSheridanLeFanuwarendiezweiteGenerationvonAutoren,welcheden
Horror vorantrieben und ihm auch Einlass in das Reich der Weltliteratur verschafften.
Die Popularität des Horrorgenres war so ausgeprägt, dass man den Schrecken sogar
dann noch genoss, wenn er sich anstelle von Büchern in der heimischen Tageszeitung
abspielte - der Gipfel dieser Entwicklung war im Jahr 1888 erreicht, als die gesamte
englische Nation gebannt die Berichte über die Taten eines Serienmörders verfolgte,
welchenmanJacktheRippernannte.
Existenzielle Angst dominierte die Menschen nicht mehr wie einst im Mittelalter.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren hier offensichtlich Freiräume entstanden,
welche genug Platz für den angenehmen Grusel ließen. Ein solcher Gedanke wäre
einst als reinste Perversion abgetan und wahrscheinlich sogar als Blasphemie verfolgt
worden; erst ein fortgeschritteneres Maß an Zivilisation machte diese Entwicklung
möglich.
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1. Einführung
Als im Jahr 1895 die Gebrüder Lumière ihren Kinematografen der Öffentlichkeit
vorführten, war diese von dem Wunder bewegter Bilder bereits so stark fasziniert,
dass das neue Medium einem Vergleich mit der Literatur oder anderen Künsten nicht
standhaltenkonnte.FilmewarenzuBeginnvornehmlichdokumentarischerNaturund
hatten keinen künstlerischen Anspruch. Es gab einige Ausnahmen, allen voran ein
Pariser Zauberkünstler namens Georges Méliès, der mit dem nur etwa eine Minute
langen Le manoir du diable (1896) den ersten Film drehte, welchen man heute zum
Horrorgenrezählt.Lemanoirdudiable(1896)zeigteMephistopheles,denTeufelder
klassischenLiteratur,derPersonenherbeizaubertundschließlichvoneinemEdelmann
mithilfeeinesgroßenKruzifixesvertriebenwird.
Dieser Film war symptomatisch für den Horror in den ersten fünfzehn Jahren Ki-
nogeschichte.DasWunderderTechnikstandweitimVordergrund,undderInhaltwar
untergeordnet. Filme waren kurz und blieben es auch. Um 1905 dauerten Filme im
Durchschnitt um die 10 Minuten, im Jahr 1909 wurde eine Viertelstunde regelmäßig
erreichtunderstnachdemErstenWeltkriegverdientenFilmedenAusdruck„abendfül-
lend“, womit Laufzeiten von 60 Minuten oder mehr gemeint sind. In der Frühzeit des
KinoswarHorrorauchseltenAbsicht,sonderneinreinesVehikelfürreligiöseThemen
oder Klamauk. Die ersten Filme, welche versuchten, dem Zuschauer Angst einzuflö-
ßen, erschienen erst über 10 Jahre nach Le manoir du diable (1896) und Dutzenden
anderer Komödien, Fantasien und moralischer Zeigefinger. Die wichtigsten Vertreter
gruseliger Werke waren Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1896), das in Dänemark produ-
zierte Abenteuer des Meisterdetektivs Sherlock Holmes, Den graa dame (1909), bis
die Produktionsgesellschaft von Thomas Alva Edison schließlich mit Frankenstein
(1910) den ersten Film schuf, der sich vollständig der Darstellung des Grauenhaften
widmete.
NachdemEndedesErstenWeltkriegsbeganndieBlütezeitdesStummfilms.Filme
wurdenalsKunstformentdecktunddementsprechendwurdenauchFilmeproduziert,
welche den Ansprüchen der Kunst unterlagen. Robert Wienes Meisterwerk Das Ca-
binet des Dr. Caligari (1919) brachte mit seiner Mixtur aus gruseligen Inhalten und
abstrakt gemalten Kulissen einen Stein ins Rollen, welcher dem deutschen Film über
Jahre hinweg die künstlerische Vormachtstellung sowohl im Horrorgenre als auch in
der Filmkunst selbst sicherte. Eine wahre Welle deutscher Filme folgte, welche heu-
te als Horrorklassiker gelten. Noch immer kommt kein ernsthafter Horrorfan darum
herum, Filme aus jener Zeit wie Der Golem: Wie er in die Welt kam (1920) und
Nosferatu: Eine Symphonie des Grauens (1922) gesehen zu haben. Das deutsche
Kino definierte mit seinen expressionistischen Experimenten zu Beginn der 20er Jah-
re,wieHorrorfilmebisindiezweiteHälftedesJahrhundertshineinfunktionierenund
inszeniertseinwürden.
Der amerikanische Markt zeigte sich in der Stummfilmzeit hiervon recht unbeein-
druckt. Hollywood konzentrierte sich auf das Geldverdienen, nicht auf Kunst. Ameri-
kanisches Horrorkino bezog seine Magie weniger aus der Inszenierung und künstleri-
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DasDokumentdes Grauens
schen Ambitionen, sondern aus den Charakteren der erzählten Geschichten. In Holly-
woodwurdenSchauspielerzuFilmstars,währendinDeutschlandvornehmlichdieNa-
men von Regisseuren für Aufmerksamkeit sorgen. Einer dieser amerikanischen Film-
stars war Lon Chaney, ein unvorstellbar talentierter Charakterdarsteller mit Hang zu
genialen maskenbildnerischen Einfällen. Lon Chaney prägte das amerikanische Hor-
rorkino wie kein anderer Filmschaffender jener Zeit. Die Filme, in welchen er die
Hauptrolle spielte, gelten heute als große Klassiker des amerikanischen Kinos und
glücklicherweise sind etliche von diesen dem Horrorgenre zugehörig. The Penalty
(1920), The Hunchback of Notre Dame (1923), The Phantom of the Opera (1925)
TheUnknown(1927)sindlediglichvierausübereinemDutzendFilme,welchenLon
ChaneybiszuseinemfrühenTodimJahr1930seinenStempelaufdrückte.
Lon Chaneys wohl beste Filme entstanden im Rahmen einer Kollaboration mit ei-
nemRegisseurnamensTodBrowning.DiebeidenMännerdrehteneinhalbesDutzend
Filme zusammen, die zwar nicht zu den größten Kassenschlagern gehörten, aber zu
den innovativsten. Die großen Studios konzentrierten sich auf epische Geschichten
und Verfilmungen klassischer Werke der Literatur. Je mehr Massenszenen, desto bes-
ser. Doch Browning und Chaney schauten auf die Details. Sie holten das alltägliche
Grauen an die Oberfläche und ihre Hauptfiguren waren die Inbegriffe böser Antihel-
den.FürdasHorrorkino30erJahresolltedieseinungemeinwichtigerBeitragwerden,
denn an welche Figuren aus den Filmen jener Zeit erinnert man sich heute noch am
besten? Die faszinierenden Protagonisten sind meistens die Bösen oder Verfluchten,
manchmal sind sie sogar die Sympathieträger und Identifikationsfiguren. Die bemit-
leidenswerte Kreatur aus Frankenstein (1931), der Untote aus The Mummy (1931),
JackGriffinin TheInvisibleMan(1933),LarryTalbotausTheWolfMan(1931),ja
selbstdieRiesenaffenpuppeausKingKong(1933)sindProtagonisten,welchedasPu-
blikum in ihren Bann zogen und die Filme zu den Meilensteinen machten, als welche
sie heute gelten. Man mag versucht sein, diese Art der Charakterisierung als Errun-
genschaft der 30er Jahre anzunehmen, doch hier irrt man sich. Lon Chaney nahm sie
bereits10Jahrezuvorvorweg.
Esistnichtkorrekt,wennmandenkt,dassmandieStummfilmzeitübergehenkön-
ne, wenn man sich nur für den Horror interessiert. Das Wort „Horror“ mag zwar erst-
malig 1931 im Kinotrailer von Frankenstein (1931) verwendet worden sein, doch
gestaltetwurdendieFilmeder30erschonlangezuvor:DieInszenierungsstilewurden
inEuropaentwickelt,dieCharakterisierungeninHollywood.UndwennmandieFilme
betrachtet, stellt man fest, dass es auch schon vor Dracula (1930) großartige Genre-
beiträge gab. Sollten Sie Band 1 dieser Chronik noch nicht zur Kenntnis genommen
haben,soseienSiebittehiermitaufdessenExistenzhingewiesen.
Die 20er Jahre waren ein verheißungsvolles Jahrzehnt des wirtschaftlichen und
kulturellenAufschwungsgewesen.WenigerinDeutschland,womanunterdenFolgen
des Krieges litt und hier vor allem der Intellekt und die darstellenden Künste aufblüh-
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Description:sprechenden Regie, des die Romanvorlage weitgehend vernachlässigenden Drehbuchs und des Lovecraft bauten auf in Mythologie und.