Table Of ContentMartin Gerhardt
Heike Schuster
Das digitale Universum
Interdisziplinare Wissenschaft ______
~
Herausgegeben von H. Schuster
Andreas Deutsch (Hrsg.)
Muster des Lebendigen
Robert Bud
Wie wir das Leben nutzbar machten
John T. Bonner
Evolution und Entwicklung
Martin Gerhardt und Heike Schuster
Das digitale Universum
"ieweg _________________________
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Martin Gerhardt
Heike Schuster
Das digitale Universum
ZelluHire Automaten als Modelle der Natur
Facetten
Il
vleweg
Umschlaggraphik: Die Autoren mit Unterstiitzung von Gerhard Preuss auf der Grundlage
einer Simulation eines eindimensionalen zellularen Automaten
Alle Rechte vorbehalten
© Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden, 1995
Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1995
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tung in elektronischen Systemen.
Umschlaggestaltung: Schrimpf und Partner, Wiesbaden
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Lengericher Handelsdruckerei, Lengerich
Gedruckt auf saurefreiem Papier
ISBN-13: 978-3-322-85006-5 e-ISBN-13: 978-3-322-85005-8
DOl: 10.1007/978-3-322-85005-8
Unseren Eltern
Maria und Toni
Lieselotte und Aribert
Vorwort
Dank der uns heute zur Verfugung stehenden Rechner und der mit die
sen verbundenen computergraphischen Moglichkeiten zahlen die zellu
laren Automaten zu den schonsten Spielzeugen, die die Mathematik
dieses Jahrhunderts erfunden hat. Sie ermoglichen zugleich einen einfa
chen Zugang zu ersten, fast spielerischen Erfahrungen mit dem Grund
thema der Wissenschaft zum Ausgang dieses Jahrhunderts: der Ausein
andersetzung mit der Komplexitat der Systeme, die unser Leben auf
allen seinen Ebenen bestimmen, und den Moglichkeiten, diese Kom
plexitat so zu "reduzieren", daB sie wissenschaftlich handhabbar wird,
ohne dabei die fUr sie wesentlichen Momente durch Ubervereinfachung
zu verfalschen oder gar zu zerstOren.
Seit Newton versuchen wir, die Vorgange in der Natur als Folge von
GesetzmaBigkeiten zu verstehen, welehe ausschlieBlich die elementaren
Wechselwirkungen zwischen ihren Teilen beschreiben. Dnd seit New
ton war es die Aufgabe der Mathematik, Werkzeuge zu entwickeln und
zur Verfugung zu stellen, welehe es erlauben, die langreichweitigen
Folgen soleh elementarer Wechselwirkungsbeziehungen in zusammen
gesetzten (also komplexen) Systemen zu erfassen. Die gesamte klassi
sche Analysis (oder Infinitesimalrechnung) verdankt ihre Entstehung
und ihre bereits im 18. Jahrhundert einsetzende rasante Entwicklung
dieser Aufgabe. Die Frage nach einer logisch konsistenten Begriindung
der dabei zum Einsatz kommenden Berechnungsverfahren und die
damit eng zusammenhangende Frage nach deren Automatisierbarkeit
fuhrte im zweiten Drittel unseres J ahrhunderts zu einer Thematisierung
der Moglichkeiten und Grenzen abstrakt strukturierter, Schritt fur
Schritt nach weitgehend beliebig, aber fest vorgegebenen Regeln sym
bolisch operierender Berechnungs-"Maschinen". Wahrend diese Ma
schinen einerseits die idealisierende, der logischen Uberpriifung und
VII
Rechtfertigung dienende Simulation des rechnenden bzw. beweisenden
mathematischen Denkens zum Ziel hatten, konnten sie andererseits
auch als Metapher einer universell algorithmisch definierten, sich von
Augenblick zu Augenblick weiterrechnenden Welt verstanden werden.
Dieser Auffassung verdanken insbesondere die zelluHiren Automa
ten ihr Entstehen. Zuerst kaum mehr als ein interessantes theoretisches
Konzept, haben sie sich inzwischen, wie das vorliegende Buch tiber
zeugend darlegt, zu einem fast universell und auBerordentlich flexibel
einsetzbaren Werkzeug zur Analyse, Simulation und Visualisierung
raumlich verteilter Prozesse und der sich in solchen Prozessen forrnie
renden Strukturen erwiesen. Mathematisch bislang nur unzureichend
analysierbar, bieten sie aufgrund ihrer mit einer enormen Flexibilitat
verbundenen strukturellen Einfachheit eine ideale M6glichkeit, spiele
risch die oft tiberraschenden globalen Konsequenzen lokal definierter
Wechselwirkungen "experimentell" zu erforschen und sich die in einer
solchermaBen tiber die Wechselwirkung im Kleinen algorithmisch de
finierten Welt abspielenden, globalen "historischen" Prozesse ein
drucksvoll vor Augen zu fUhren. Niemand, der etwa gesehen hat, wie
sich die von der (im Kapitel 6 beschriebenen) "Misch-Masch
Maschine" erzeugten Spiralwellenmuster aus beliebig ausgewtirfelten
Anfangszustanden heraus entwickeln, wird sich je der Faszination die
ser Bilder wieder entziehen k6nnen.
Das vorliegende Buch bietet eine hervorragende EinfUhrung in die
skizzierte Themenstellung; es ist ein gelungener ReisefUhrer in das
Land Komplexitiit. Ich wtinsche jeder Leserin und jedem Leser, sich
von der disziplinierten Begeisterung der Autoren fUr ihren Gegenstand
anstecken zu lassen. Ich wtinsche ihr/ihm weiter viele von diesem Buch
begleitete, aufregende Reisen durch dieses Land.
Bielefeld, im Juni 1995
VITI
Ein Dankeschon
Vor mehr als zehn J ahren machten wir zum ersten Mal Bekanntschaft
mit den zelluliiren Automaten. Zum damaligen Zeitpunkt geisterten
diese Computermodelle in erster Linie als unterhaltsame Spielereien
durch die wissenschaftliche Offentlichkeit - von seriosen Simulati
onsinstrumenten einer wissenschaftlichen Forschung waren sie noch
weit entfemt. Ais junge und begeisterte Doktoranden konnten wir uns
unbeschwert auf das Abenteuer einlassen, mit ihnen den Versuch einer
emsthaften Modellbildung zu wagen. Doch ohne den Rtickhalt, den uns
unsere damaligen Doktorvater Nils Jaeger, Peter Plath von der Uni
versitat Bremen und vor allem Andreas Dress von der Universitat Bie
lefeld gegeben haben, ware der Versuch vermutlich zum Scheitem ver
urteilt gewesen. Indem sie sich tiber viele Konventionen "wie eine
wissenschaftliche Modellbildung zu sein hat" hinwegsetzten, ebneten
sie uns den Weg, mit unorthodoxen Methoden zu experimentieren und
neue Moglichkeiten der interdisziplinaren Theoriebildung zu erkunden.
Dafiir mochten wir uns nicht zuletzt mit dies em Buch bei Ihnen bedan
ken, das in seiner Zusammenstellung vieler neuerer Anwendungsbei
spiele von zellularen Automaten deutlich dokumentiert, daB sie mit der
Unterstiitzung unserer Arbeit "auf das richtige Pferd gesetzt haben"!
Einen gleichen Dank richten wir auch an John Tyson von der Vir
ginia State University in Blacksburg, USA. Obwohl er selbst zunachst
skeptisch gegentiber den Moglichkeiten der zellularen Automaten als
emsthafte wissenschaftliche Werkzeuge eingestellt war, hat er sich mit
all seinem Enthusiasmus und seinem Wissen auf den gemeinsamen und
erfolgreichen Versuch eingelassen, diese so spielerisch wirkenden Mo
delle mit so viel Substanz zu versehen, daB sie dem Vergleich mit klas
sischen und etablierten Modellierungsinstrumenten standhielten. Viele
andere Forscher sind unabhangig von uns in den letzten lahren ahnliche
IX
Wege gegangen. Vnd es ist der Erfolg all dieser Arbeiten zusammen,
der die "wissenschaftliche Reputation" der zelluliiren Automaten als
emstzunehmende Werkzeuge einer Theoriebildung allmahlich aufge
baut hat. Auch von diesem Weg zeugen die Beispiele, die wir in diesem
Buch zusammengestellt haben.
Ohne die Hilfe zahlreicher Freunde und Kollegen ware unser Buch
nie entstanden. Da sie uns mit Informationen, Materialien, Artikeln,
kritischen Kommentaren und aufmuntemden Parolen unterstiitzt haben,
ist es zu dem herangewachsen, was Sie jetzt in den Handen halten. Vor
allem mochten wir uns bedanken bei Peter Altevogt, Andreas Deutsch,
Andreas Dress, Rainer Hegselmann, Dorothea Rumianek, Tobias
Scheuer, Peter Serocka und John Tyson fUr ihre Anregungen und Kri
tik. Allen im Bildverzeichnis genannten Personen danken wir dafUr, daB
sie uns zur Verschonerung des Buches mit Dias und Bildem unterstiitzt
haben. Diesen Dank richten wir besonders an Art Winfree und Chris
Henze fUr ihre intensive Suche nach den schonsten Bildem und an Ger
hard Preuss, der viele Stunden dafUr opferte, ein attraktives Titelbild zu
gestalten. Die technische Vnterstutzung und die hilfreichen Tips von
Tobias Scheuer, Stephan Weber und Dietmar Wierzimok haben uns bei
vielen Computerproblemen aus der Bredouille geholfen. Dariiber hin
aus gilt unser Dank auch der IBM Deutschland Informationssysteme
GmbH fUr ihre Vnterstutzung, insbesondere Frau Susanne Buhler und
Frau Birgit Lunak-Feketija fur ihre Hilfe bei der Literaturrecherche.
Dem Vieweg-Verlag danken wir dafur, daB er dieses Buchprojekt uber
haupt moglich machte, insbesondere Wolfgang Schwarz und Albrecht
Weis fur die Suche nach den - hoffentlich - letzten Fehlem.
Zu guter Letzt schicken wir ein groBes Dankeschon an all unsere
Freunde, Bekannte und Verwandte, die sich fast ein Jahr lang immer
wieder diesel be Entschuldigung anhoren muBten, wenn wir wieder ein
mal keine Zeit fUr sie fanden: "Tut uns leid, aber unser Buch ... !"
Bal11l11ental il11 Juni 1995
x
Inhaltsverzeichnis
Vorwort .................................................................................................. VII
Ein Dankeschon ..................................................................................... IX
Urspriinge zelluIarer Welten
1 Die Software der Natur .......................................................................... 3
1.1 Ein Spiel, das seine Regeln hat.. ............................................................ 3
1.2 Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile ..................................... 6
1.3 ZelluHire Automaten: eine vernetzte Welt im Computer.. ..................... 13
2 Bausteine der zelluHiren Welt .............................................................. 17
2.1 Ein ktinstlicher Kosmos - der Zellraum ............................................... 19
2.2 Reviergrenzen - die NachbarschafL .................................................... 21
2.3 Am Ende der Welt - Randbedingungen ............................................... 24
2.4 Artenvielfalt - die Zustandsmenge ....................................................... 26
2.5 Veranderungen - die Zustandsentwicklung .......................................... 28
3 Das Spiel des Lebens ............................................................................ 33
3.1 Vom LIFE-Fieber infiziert ................................................................... 33
3.2 Uberlebensktinstler .............................................................................. 37
3.3 Fresser in Aktion ................................................................................. 44
3.4 Wachs tum tiber aIle Grenzen .............................................................. .45
3.5 Paradiesische Zustande ....................................................................... .47
3.6 LIFE als Computer: Gleiter statt Strom ............................................... .48
4 Einfach und komplex zugleich .............................................................. 59
4.l Auf der Suche nach der Komplexitat ................................................... 59
4.2 Suche mit System ................................................................................ 63
4.3 Das ganze Repertoire: vier Klassen ...................................................... 72
4.4 Am Rande des Chaos ........................................................................... 92
4.5 Das Ende der Suche? ........................................................................... 96
XI