Table Of ContentVerständliche Wissenschaft Band 83
Klaus Koch
Das Buch der Bücher
Die Entstehungsgeschichte der Bibel
Zweite, durchgesehene Auflage
Nachdruck
Springer-Verlag
Berlin' Heidelberg· New York 1984
Herausgeber der geisteswissenschaftlichen Abteilung:
Prof. D. Hans Prh. v. Campenhausen, Heidelberg
Profusrw Dr. K. KfJtb
Dil'llcJor tIu A/tlulammtl. S""ittars
'" U";",,.nltll H_blll'g, Dhlcbarg 'Ja
ISBN 978-3-540-05265-4 ISBN 978-3-642-86042-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-86042-3
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© by Springer-Verlag Berlin . Heidelberg 1963 and 1970. Library of Congress Catalog Card
Number 7&-135959.
Titel-Nr. 7216
3130/2149-5432
Inhalt
I. Die Ges&hi&hfe tler Bibel untl tlie Ges&hithle ihrer S&hrijltn
II. Die frllhen Erzählwerke. . . . . . . . . . . . . . 6
I. Entstehung des Israelitischen Staates. S. 6. - 2. Buch von der
Thronnachfolge Davids. S. 7. - 3. Ruth. S. II. - 4. Bücher der
Tage der Könige. S. II. --5. Jahwist. S. 12. - 6. Elohist. S. 18
III. Dithlung am Hof untl Heiligtum . . . . . . . . . . . . . .• 19
I. Spruche Salomos. S. 19. - 2. Hohes Lied. S. 22. - J. Kenn
zeichen israelitischer Poesie. S. 22. - 4. Psalmen. S. 1.3. -
S. Hymnus. S. 23. - 6. Liturgie. S. 26. -7. Volksklagelied. S. 28.
- 8. Büchlein der Klagelieder. S. 30. - 9. Königslied. S. 3°.-
10. Klagelied des Einzelnen. S. 33. - II. Danklied des Einzelnen.
S·35
IV. Die Profeten . . . . . . • . . . • • . . . . . . . . . .. 37
I. Die profetische Bewegung. S. 37. - z. Elia und Elisa. S. 38. -
3. .(\mos. S. 39. - 4. Hosea. S. 43. - S. Micha. S. 46. - 6. Jesaja.
S. 46. - 7. Nahum, Habakuk, Zephanja. S. 5 I. - 8. Jeremia.
S.5z. - 9. Hesekiel. S. 57. - 10. Deuterojesaja. S. 60
V. Gesetzgebung untl Ges&hithtss&hreibung im S&h(1JJen tier ProfeJie. • •. 66
I. Deuteronomium. S. 66. - z. Deuteronomistisches Geschichts
werk. S. 69. - 3. Priesterschrift. S. 73
VI. Aus tier Zeit toleranter Fremtlhe"s&hajl . . . . . . . . . . " 76
I. Wende durch die Perserherrschaft. S. 76. - 2. Haggai und
Sacharja. S. 77. - 3. Maleachi, Tritojesaja und Deuterosacharja.
S. 77. -4. Jona. S. 78. - 5. Esra und Nehemia. S. 78. - 6. ehro
nistisches Geschichtswerk. S. 80. - 7. Esther und Tobit. S. 81. -
8. Späte Weisheit, Jesus Sirach und der Prediger. S. 81.. - 9. Hiob.
S.8z
VII. SpiJJisraelitis&hes S&hrijJJIIIII . . . . . . . . . . . . . . . .. 84
I. Seleukiden- und Römerzeit. S. 84. -- 2. Daniel. S. 85. -
3. Apokalypsen. S. 88. - 4. Andere Apokryphen und Pseud
epigraphen. S. 89. - 5. Ende der alttestamentlichen Zeit. S. 90
VIII. Die Zeit tles Neuen Testamentes: Johannes tier Täufer untI Juus. " 91
I. Altes und Neues Testament: Gemeinsamkeit und Unterschied.
S. 91. - 2. Die Sekte von Qumran. S. 92. - 3. Johannes der
Täufer. S. 93. - 4. Jcsus. S. 94
v
IX. Die synoptischen E"ange/ien lIIIIi die Apos/tlges&hith/e . . . • . .. 99
I. Gattung des Evangeliums. S. 99. - 2. Mündliche Jesus
Tradition. S. 101. - 3. Markusevangelium. S. 102. - 4. Mat
th~usevangelium. S. 105. - 5. Lukasevangelium. S. JIO. -
6. Apostelgeschichte. S. IU. -7. Apokryphe Evangelien. S. JI5
X. Pau/us ••................. . . . . .. JI 5
I. Leben des Paulus. S. I I 5. - 2. Die paulinische Theologie.
S. UI. - 3. Brief an die Thessalonicher. S. U5. - 4. Brief an
die Galater. S. u6. - 5. Briefe an die Korinther. S. U9. -
6. Brief an die Römer. S. 135. - 7. Brief an die Philipper und
an Philemon. S. 139
XI. Deuteropaulinell und Pastoralbriefe . . . . . . . . . . . . .. 140
I. Kolosser-und Epheserbrief. S. 140. - 2.2. Thessalonieherbrief.
S. 140. - 3. Briefe an Timotheus und Titus. S. 141
XII. Das johanneisthe Schrifllum . . . . . . . . . . . . . . . .. 142
I. Johannesevangelium. S. 142. - 2. Die drei Briefe des Johannes.
S. 146. - 3. Offenbarung des Johannes. S. 147
XIII. Hebräerbrief und katholische Briefe . . . . . • . . . . • . 149
I. Nachapostolische Zeit. S. 149. - 2. Brief an die Hebräer.
S. 150. - 3. Jakobusbrief. S. 151. - 4. Judasbrief. S. 151. -
5. 2. Petrusbrief. S. 151. - 6. 1. Petrusbrief. S. 152
XIV. Rlkkblick . 153
Anhang: Zeittafel 159
(Auf übersichtskarten zu den geographischen und historischen
Verhältnissen wurde verzichtet, da sie sich in jeder modernen
Bibelausgabe finden.)
Stichwort-Verzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 161
VI
Verzeichnis der Schriften und ihrer Abkürzungen
Die Tora = ekr Pentatemh
Erstes Buch Mose = .Genesis I. Mos. 1v gI.S.l2ff.,
Zweites Buch Mose = Exodus 2. Mos. 73ff.,79
Drittes Buch Mose = Leviticus 3. Mos.
Viertes Buch Mose = Numeri 4. Mos.
Fünftes Buch Mose = Deuteronomium 5. Mos. vgl. S. 66ff.
Das deuteronomistis&he Ge.r&hiGht.fDIerk
Josua Josue Jos. }
vgl. S. 70ff.
Richter Judicum Richt.
Ruth Ruth vgl. S. 11
Erstes Buch Samuel I. Regum I. Sam. { vgl. S. 7ff.
Zweites Buch Samuel 2. Regum 2. Sam.
Erstes Buch der Könige 3. Regum I. Kön. vgl. S. 11 ff.,
Zweites Buch der Könige = 4. Regum 2. Kön. J 70ff.
Das &hronisti.r&he Ge.r&hiGht.fDIerk
EZrwseteitse sB Bucuhc hd deer rC Chhrroonnikik == 2I.. PPaarraalliippoommeennaa 2I.. CChhrr.. } vgl. S. 80f.
Esra I. Esdras Esra vgl. S. 78 ff.
Neh~a 2. Esdras Neh. vgl. S. 78 ff.
Esther Esth. vgl. S. 81
Poetis&he BIJ&her
Hiob Job Hiob vgl. S. 82f.
Psalter Psalmen Ps. vgl. S. 23 ff.
Sprüche Proverbia Spr. vgl. S. 19ff.
Prediger (Qohälät) Ecclesiastes Pred. vgl. S. 82
Hohes Lied Canticum H.L. vgl. S. 22
Projetenhikher
Jesaia Isaias Jes. S. 46ff., 60ff., 78, 88
Jeremia Ieremias Jer. vgl. S. 52ff.
Klagelieder Threni Klag. vgl. S. 30
Hesekiel Ezechiel Ez. vgl. S. H ff.
Daniel Dan. vgl. S. 85 ff.
Hosea Osee Hos. vgl. S. 43 ff.
Joel Joel vgl. S. 78
Amos Am. vgl. S. 39ff.
Obadja = Abdias Ob. vgl. S. 55
Jona = Jonas Jon. vgl. S. 78
Micha Mi. vgl. S. 46
Nahum Nah. vgI.S.P,H
Habakuk Hab. vgl. S. 52
Zephanja Sophonias Zeph. vgl. S. 52
Haggai Aggäus Hag. vgl. S. 77f.
Sacharja Zacharias Sach. vgl. S. 77f.
Maleachi Malachias Mal. vgl. S. 77
VII
Apokryphen tmd Psellllepigraphen
Judith vgl. S. 89
Weisheit Salomos Sapientia Salomonis vgl. S. 89
Tobias = Tobit vgl. S. 8d.
Jesus Sirach = Ecclesiasticus Sir. vgl. S. 82
Erstes Buch Baru<;h vgl. S. 89
Erstes Buch der Makkabäer vgl. S. 89
Zweites Buch der Makkabäer vgl. S. 89
Drittes Buch Esra vgl. S. 89
Stücke zu Esther vgl. S. 81
Erstes Buch Henoch I. Hen. vgl. S. 88
Eliasapokalypse vgl. S. 88
Viertes Buch Esra 4. Esra vgl. S. 88f.
Aristeasbrief vgl. S. 89
Die Evangelien
Evangelium nach Matthäus Mat. vgI. S. 105 ff.
Evangelium nach Markus Mark. vgl. S. 102ff.
Evangelium nach Lukas Luk. vgl. S. 1I0ff.
Evangelium nach Johannes Joh. vgI. S. 142 ff.
Die Apostelgeschichte Apg. vgI. S. Il2ff.
Die Briefe
Brief an die Römer Röm. vgI. S. 135 ff.
Der I. Brief an die Korinther I. Kor. vgI. S. 129 ff.
Der 2. Brief an die Korinther 2. Kor. vgl. S. 134f.
Brief an die Galater Gal. vgI. S. 126 ff.
Brief an die Epheser Eph. vgI. S. 140
Brief an die PhiJipper Phil. vgI. S. 139
Brief an die Kolosser KoI. vgl. S. 140
Der I. Brief an die Thessalonicher I. Thess. vgI. S. 125 f.
Der 2. Brief an die Thessalonicher 2. Thess. vgI. S. 14of.
Der I. Brief an Timotheus I. Tim. vgI. S. 141 f.
Der 2. Brief an Timotheus 2. Tim. vgl. S. 141 f.
Brief an Titus Tit. vgI. S. 141 f.
Brief an Philemon Philem. vgl. S. 139
Brief an die Hebräer Hebr. vgI. S. 150 f.
Brief des Jakobus Jak. vgl. S. 151
Der I. Brief des Petrus I. Pet. vgl. S. 152f.
Der 2. Brief des Petrus 2. Pet. vgI.S.152
Der I. Brief des Johannes I. Joh. vgl. S. 146f.
Der 2. Brief des Johannes 2. Joh. vgI. S. 146f.
Der 3. Brief des Johannes 3. Joh. vgl. S. 146f.
Brief pes Judas Jud. vgl. S. 151
Offenbarung des Johanne~ = Apokalypse Off. vgl. S. 147 ff.
Allgemeine Abkürzungen:
Kap. = Kapitel
V. Vers
f. samt folgendem (Vers oder Kapitel)
ff. samt den folgenden (Versen oder Kapiteln)
VIII
I. Die Geschichte der Bibel und die Geschichte
ihrer Schriften
Kein anderes Buch hat in den hinter uns liegenden 2000 Jahren
einen stärkeren Einfluß auf das Abend- und Morgenland ausge
übt als die Bibel. Die christlichen Kirchen leiten ihr Selbstver
ständnis aus diesem Buch ab. Um Rang und Deutung der Bibel
ging es in allen großen inner kirchlichen Kämpfen. Theologische
und philosophische Denker haben ihre entscheidenden Anstöße
aus ihr empfangen. Auch Gesetzgeber und Staatsmänner beriefen
sich auf Worte des Alten und Neuen Testamentes; ob zum Vor
wand oder mit gläubigem Sinn, ist oft nicht mehr zu entscheiden.
Und die europäische Literatur ist bis in das 19. Jahrhundert hinein
ohne den Hintergrund biblischen Wortschatzes, biblischer Er
zählungen und biblischer Weltansicht gar nicht zu verstehen. Vor
allem aber holen sich durch alle Zeiten hindurch Männer und
Frauen Rat aus diesem Buch in guten und schlimmen Tagen,
machen es ehrfürchtig zur Grundlage ihres Lebens und Sterbens,
weil sie davon überzeugt sind, hier das wahre Wort Gottes zu
finden. Daher der Name "Bibel", nach dem Griechischen "das
Buch", was nichts andres meint als "das Buch der Bücher".
Halten auch heute noch tagtäglich viele Menschen über der
Bibel ihre Andacht, so gibt es doch andererseits viele Zeitgenos
sen, die dem altehrwürdigen Buch verständnislos gegenüber
stehen. Die Unmittelbarkeit, mit der die Generationen vor uns
eine Profetenschrift oder einen Apostelbrief in ihre Gegenwart
übertragen konnten, ist uns verloren gegangen. Wer sich einmal
der fortlaufenden Lektüre eines biblischen Buches widmet, ent
deckt zunächst mehr vom Abstand zu unserer Zeit als von blei
bender Wahrheit. Ein fremdartiger Hauch weht uns an - selbst
beim Lesen eines neutestamentlichen Evangeliums. Man ahnt,
daß die Sätze der Bibel nur zu begreifen sind, wenn man die Zeit
näher kennt, aus der sie stammen. Und die Wissenschaft bestätigt
I Koch, 0.. Buch der BUcher I
den Eindruck. Das naive Deuten biblischer Verse, das sie sofort
in unsere Wdt übersetzt, greift oft daneben. Wer die Bibd ver
stehen will, muß sie an ihrem historischen Ort sehen. Freilich
hat die wissenschaftliche Erforschung des Alten und Neuen Testa
mentes noch eine zweite Erkenntnis zutage gefördert: die bib
lischen Schriften wollen auch ihrem eigenen Sdbstverständnis nach
nicht anders als gmhitht/ith gesehen werden. Durch die Bibd kam
die Menschheit erst zu der Einsicht, daß menschliches Leben
geschichtlich ist. Geschichte ist hier das Spannungsfdd, auf dem
sich das göttliche Handeln am Menschen und des Menschen Glau
ben und Unglauben abspidt. Infolgedessen ist der biblische Glaube
Glaube an den Sinn der Geschichte sowohl der Menschheit im
Ganzen wie jedes Einzelnen. Und das Wort "Gott" deutet auf
jene Macht, die, unablässig dem Menschen zugewandt, Anfang
und Ziel dieses Verlaufes setzt. Von daher erklärt es sich, daß
sowohl die Männer des Alten wie die des Neuen Testamentes
großen Wert auf ihren eigenen geschichtlichen Ort legen. Aus
ihrer Zeit heraus und für ihre Zeit sprechen sie.
Die einzdnen Teile der Bibd sind aber keineswegs im gleichen
Zeitraum entstanden. Es hat Jahrhunderte gedauert, bis dieses
Buch - oder besser: diese Büchersammlung - vollendet war.
Vor allem ist ein Tatbestand grundlegend wichtig: es ist zu unter
scheiden zwischen der Zeit und den Umständen, wann eine Schrift
entstanden ist, und jener Zeit, als sie durch eine rabbinische oder
kirchliche Instanz zum Bestandteil der Heiligen Schrift erklärt
wurde. Manches literarische Werk war schon Jahrhunderte hin
durch im Umlauf und war eifrig gdesen, ehe es kanonisch wurde,
d. h. in den Kanon (die für die Religionsgemeinschaft verbindliche
"Richtschnur") eingereiht wurde. .
Nicht von je her gab es im israelitischen und christlichen Raum
eine Heilige Schrift. Was für den Islam von Anfang an gilt, daß
er nämlich eine Buchreligion ist, ist für die israelitisch-christliche
Religion nur in eingeschränktem Maße gültig. Das Urchristentum
besaß zwar das Alte Testament, bezeichnete es als Heilige Schrift,
weil es authentisch über die israelitische Vorgeschichte des end
gültigen Gotteshandelns berichtete; aber diese Schrift war keines
wegs die ausreichende Grundlage christlichen Denkens und Ver
kündigens. Die eigentliche Heilsbotschaft entnahm man vielmehr
der mündlichen Predigt und Lehre der Apostel und Missionare.
Von ihnen hörte man, wer J esus Christus war und wer er sein
werde. - Eine noch geringere Rolle hatten schriftliche Doku
mente in der israelitischen Religion gespielt. Als die israelitischen
Stämme um das Jahr noo v. Chr. sich zu einem Volk unter der
Verehrung des Gottes Jahwä zusammenschlossen, dachte niemand
von ihnen an einen Kanon. Erst um das Jahr 600 führt man eine
- längst vorhandene - Schrift mit ermahnenden und gesetz
lichen Jahwäworten, nämlich das ~. Buch Mose, als normativ für
bestimmte Fragen der Religionsübung ein. Das geschieht, um
gegen einige heidnische Praktiken schärfer durchgreifen zu kön
nen. Um 4~0 wird der Kreis der für die israelitische Religions
gemeinschaft maßgebenden Bücher auf die fünf Bücher Mose er
weitert, die fortan als Tora, d. h. als Willensoffenbarung Gottes
(weniger genau: als Gesetz), heilig gehalten werden. Zwischen
400 und zoo wachsen diesem Grundstock der Psalter und die äl
teren geschichtlichen und profetischen überlieferungen zu. über
andere belehrende, weissagende und geschichtliche Bücher war
das Urteil lange umstritten. Für das Judentum wird erst um das
Jahr 100 nach Christus auf der Synode von Jamnia der Kreis der
kanonischen Bücher fest abgegrenzt.
Etwa um diese Zeit beginnen kirchliche Kreise angesichts der
Gefahr einer geschichtslosen Deutung des Christentums (in der
sogenannten Gnosis) Schriften zu sammeln, die über das Leben
Jesu und die Lehre der Apostel verläßlich orientieren. Ausgangs
punkt waren die Evangelien und die Briefe des Paulus. Später
kam anderes hinzu, was in jener Zeit schon längst bekannt war,
aber noch nicht den Rang einer heiligen Schrift innehatte. Einiger
maßen abgeschlossen war der alt- und neutestamentliche Kanon
um 400 nach Christus, hauptsächlich durch die Bemühungen der
beiden Kirchenväter Athanasius und Augustin. Aber nur einiger
maßen abgeschlossen; denn die großen christlichen Kirchen
unterscheiden sich noch heute in der Anzahl der Bücher, die sie
in das Alte und Neue Testament aufgenommen haben. Eine Reihe
von alttestamentlichen Büchern, welche die römisch-katholische
Bibelausgabe enthält, führt z. B. die Lutherbibel nur als "apo
kryph": "das sind Bücher, so der Heiligen Schrift nicht gleich
gehalten und doch nützlich und gut zu lesen sind". Es gibt auch
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