Table Of ContentGeorg Fischer
Chirurgie vor 100 lahren
Historische Studie
tiber das 18. Jahrhundert aus dem Jahre 1876
Reprint
Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1978
Die fUr den Einband verwendeten Kupferstiche wurden den »Institutiones chirurgiae
rationalis tum medicae tum manualis in usus discentium ...« von Johann Zacharias
Platner, verlegt bei B. C. Fritsch in Leipzig im Jahre 1745, entnommen.
ISBN -13 :9 78-3-642-66947-7 e-ISBN -13 :9 78-3-642-66946-0
DOl: 10.1007/978-3-642-66946-0
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1978
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Reprographischer Nachdruck: Druckerei Erwin Lokay, Reinheim/Odenwaid
Einband: GroBbuchbinderei W. Osswald & Co., Neustadt an der WeinstraBe
EinbandgestaItung: JUrgen Jebram, Berlin
2123/3014 -54321
Vorwort zur Reprintausgabe
Bis heute ist keine umfassende deutschsprachige Geschichte der
Chirurgie geschrieben worden. Gurlts dreiblindige "Geschichte der
Chirurgie" von 1898 reicht nur bis zum Beginn der Neuzeit, von
Brunns "Kurze Geschichte der Chirurgie" von 1928 ist, wie schon
ihr Titel sagt, ein kurzgef~tes Kompendium. Weder Friedrich
Helfreichs "Geschichte der Chirurgie" im 3. Band von Pusch
manns "Handbuch der Geschichte der Medizin" von 1905, noch
Kiisters "Geschichte der neueren deutschen Chirurgie", die als
15. Band der Neuen deutschen Chirurgie 1915 erschienen ist,
konnen die Anspriiche des Medizinhistorikers befriedigen.
Einen solchen Anspruch hat der hannoveraner Chirurg Georg
Fischer gar nicht erhoben, als er 1876 sein Werk "Chirurgie vor
100 Jahren" erscheinen lie~. Nicht fUr den Historiker, fUr den Ge
lehrten, wollte er schreiben, sondern dem Arzt den Zugang zur
Geschichte seines Faches erMfnen. "Ich schrieb fUr Praktiker,
nicht fUr Biichergelehrte" he~t es in seinem Vorwort. Und er
diirfte nicht ganz unrecht gehabt haben, wenn er annahm, d~
wissenschaftliche Abhandlungen bei Chirurgen nicht die Liebe
zur Geschichte ihres Faches entziinden konnten. Gerade aber das
wollte er mit seiner Arbeit erreichen: den Praktiker fUr die Ge
schichte seines Faches begeistern.
Georg Fischer wurde 1836 in Hannover geboren, besuchte dort
das Gymnasium und nach bestandenem Abitur die Universitat
Gottingen, wo er von 1855 bis 1859 Medizin studierte. Seine
ersten Jahre als Arzt hat er noch an der Gottinger Klinik ver
bracht, ehe er zur Weiterbildung nach Prag, Wien, Berlin und
Paris ging. 1863 lie~ er sich als praktischer Arzt in Hannover nie
der. Nach der Teilnahme am deutsch-franzosischen Krieg als Assi
stent Strome yers, war er zunachst weiter in eigener Allgemein-
6 Vorwort ZUI Reprintausgabe
praxis tatig, ehe ihm 1880 die Stelle des Chirurgen am Stadtkran
kenhaus Hannover tibertragen wurde, die er bis zum Jahre 1913
versah. 1m Mai 1921 ist er in Hannover gestorben.
Fischer hat eine Ftille von chirurgischen Arbeiten verOffent
licht. Zu den wichtigsten gehoren die Kapite1 tiber die Krankhei
ten des Halses in Pithas und Billroths "Handbuch der allgemeinen
und speziellen Chirurgie" und ein ,;Handbuch der allgemeinen
Operations- und Instrumenten1ehre". Neben der hier nachge
druckten Arbeit, die noch zu seinen Lebzeiten ins Englische tiber
setzt wurde, hat er zur Geschichte der Chirurgie mit weiteren
Arbeiten beigetragen: er hat die Briefe Theodor Billroths heraus
gegeben, einen Nachruf auf ihn verOffentlicht und die Artikel
Baum und Billroth fiir die Allgemeine Deutsche Biographie ge
schrieben.
Neben der Chirurgie gehorte Fischers Liebe der Musik und
dem Theater. Auch auf diesem Gebiet hat er sich mit Arbeiten
tiber das hannoveraner Hoftheater, tiber Hans von BUlow, tiber
Heinrich Marschner und eine Reihe andererThemen einen Namen
gemacht.
Georg Fischers Einschatzung der Geschichte der Chirurgie und
dariiber hinaus der Geschichte der Medizin ist typisch fiir jene
Zeit der aufb1tihenden Naturwissenschaften. Geringschatzig wer
den jene Medico-Philologen betrachtet, die im 18. Jahrhundert
sich Hippokrates und Galen zugewandt hatten, ebenso die Arzte,
die in den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts zum ersten
Mal die Geschichte der Medizin a1s Universitatsfach gefordert hat
ten. In der Tat ist sie dama1s weniger urn ihrer se1bst willen auch
von den Ministerien gefordert und sogar zum Priifungsfach ge
macht worden, vie1mehr weil man in ihr ein Gegengewicht gegen
die tiberall sichtbar werdenden naturwissenschaftlich-materialisti
schen Tendenzen sah.
Geschichte der Medizin darf nach Fischers Meinung nicht zum
Hauptfach gemacht werden, sondem sie soll integriert werden in
die Hauptvorlesung des jeweiligen Faches oder als eigene Veran
staltung die gesellschaftlichen, sozia1en, kulturellen und wirt
schaftlichen Beziehungen der Medizin darstellen. Wenn er den
von ihm sehr verehrten Billroth mit seiner Schrift tiber das Lehren
und Lemen der medizinischen Wissenschaften zitiert, so stellt er
damit gleichzeitig seine eigene Position dar: Medizingeschichte
soll gelehrt werden, sie soll jedoch nicht losgelost von den einzel
nen aktuellen Fachem betrieben werden und ihre Verkntipfungen
Vorwort zur Reprintausgabe 7
mit der allgemeinen und nationalen Kulturgeschichte sind aufzu
zeigen.
Fischer zeigt sich hier als Vertreter einer Medizingeschichte,
die in dieser Form erst in den 20er Jahren unseres Jahrhunderts
von Sigerist und Diepgen vertreten und gefordert wurde und die
auch heute noch nicht unangefochten anerkannt ist: Medizin
geschichte als integrativer Bestandteil der Kultur- und Sozial
geschichte.
Da~ Fischer diesen Ansatz nicht voll verwirklichen konnte,
darf man ihm nicht verargen. Wichtige Ansatze liefert er im
ersten Teil seines Buches in den Kapiteln "Doctor und Barbier",
"Der Marktschreier", "Auf der Universitat", "N otizen tiber Hospi
taler" und "Chirurgischer Unterricht und Literatur". Wenn er die
Vergangenheit Mufig als dunkle Vorzeit einer nun herrschenden
Klarheit sieht, dann entspricht das einer Gesamteinstellung der
naturwissenschaftlichen Medizin jener Zeit; wenn er hier und in
den folgenden Kapiteln nicht mit negativen Urteilen und VeralI
gemeinerungen tiber die franzosische Medizin spart, seinem star
ken nationalen Engagement.
Die allgemeine Entwicklung der Chirurgie der friihen Neuzeit
wird eingebettet in eine Gesamtdarstellung der Medizin dieser
Zeit, die letzten Kapitel stellen einen exakten Dberblick tiber die
Entwicklung der chirurgischen Lehre und Verfahren im 18. und
beginnenden 19. Jahrhundert dar und berichten ausftihrlich tiber
die Anfange aller operativen Facher. Das Buch ist daher fUr alle
operativ tatigen Arzte und dariiber hinaus auch die Arzte aller
anderen Fachgebiete eine interessante und informative Lekttire.
Georg Fischers "Chirurgie vor 100 Jahren", 1876 der Deut
schen Gesellschaft fUr Chirurgie gewidmet, ist in der Tat auch
heute noch ein lesenswertes Buch: materialreich wie kaum ein
anderes unterrichtet es tiber die Entwicklung der Chirurgie, in
seinem methodischen Ansatz nimmt es Tendenzen vorweg, die
erst sehr viel spater Eingang in die Medizingeschichte fanden und
in seiner Form und seinem Ausdruck ist es ein Spiegel der Medi
zin, aber nicht nur der Medizin, der 70er Jahre des vorigen Jahr
hunderts.
Berlin, im Juni 1978 RolfWinau
Institut fUr Geschichte der Medizin,
Freie Universitat Berlin
CHIRURGIE
VOR 100 JAHREN.
HISTORISCHE STUDIE
VON
DR. GEORG FISCHER
IN HA:lINOVER.
LEIPZIG,
VERLAG VON F. C. W. VOGEL.
1876.
Das Recht der Uebersetzung ist vorbehalten.
DER
DEu'rSCHEN GESELLSCHAF'r
FUR CHIRURGIE
GEWIDMET.
Inhaltsverzeichniss.
Seite
Einleitung 1
I.
Doctor und Barbier.
Sociale Verhaltnisse in der ersten Halfte dt's Jabrhunderts. - Vorurtheile. -
Kleidung des Arztes; Hausarzte. - Wie wird man bald ein grosser und
beriihmter Arzt? - Bildung del~ Aerzte. - Zwistigkeiten bei Consulta
tionen, Titel. - Trinken, Einkommen der Aerzte. - Bart und Barbier.
- Aussatz und Bader. - Ausbildung des Wundarztes. - Seine sociale
Stellung. - Consultation zwischen Arzt und Wundarzt. - Landwund
arzte. - Eintheilung in verschiedene Classen. - Chirurgische Taxe. -
Trennung der Chirurgie von del' Medicin. - Aufhebung der Barbierzunft. 17
II.
Der Marktschreier.
Familienquacksalberei, alte Weiber, Hirten u. A. - Der Charlatan auf dem
Jahrmarkt. - Geheimmittel. - Bruchschneider, Castrate. - Staarstecher;
Hilmer, Ritter Taylor. - Steinschneider i Frere Jacques, Rau. - Scharf
richter, Tortur, Guillotine. - Marktschreier im Ausland. - Mittel gegen
Quacksalberei. - Unsel'e Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . 47
III.
Auf del' Universitttt.
Gymnasialunterricht. - Der deutsche Student. - Rohes Burschenleben, Got
tinger Hainbund; der Student im Kriege. - Zahl der Medicin Studiren
den. - Vorlesungen; lateiniscbe Sprache, Dictiren. - Sammlungen, Biblio
theken. - Professoren; ihr Rang und Einkommen. - Unfug der Doctor-