Table Of ContentChemie des Ingenieurs
Chemie des Ingenieurs
Grundlagen zur Anwendung in der Technik
Von
Dr. E. Brandenberger
o. Professor an der Eidg. Technischen Hochschule und
Direktor der Eldg. Materlalprüfungs-und Versuchsanstalt,
Zürich
Zweite verbesserte Auflage
Mit 135 Abbildungen und 40 Tabellen
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg GmbH
ISBN 978-3-642-92910-6 ISBN 978-3-642-92909-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-92909-0
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© by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1958 and 1966
Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1958 and 1966
Softcover reprint oftbe hardcover 2nd edition 1966
Library of Congress Catalog Card Number: 66-25791
Titelnummer 0094
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw.
in diesem Buche berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der An
nahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetz
gebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften
Vorwort zur zweiten Auflage
Was das Ziel dieses Buches ausmachen soll, ist dasselbe geblieben, wie es bei
seiner erstmaligen Veröffentlichung umschrieben wurde mit den Worten: "Das
Wesentliche unserer ,Chemie des Ingenieurs' liegt darin, daß ihr Autor zusammen
mit den Lesern, die er sich wünscht, die Chemie bewußt, oft gar eigenwillig vom
Standpunkt des Ingenieurs aus betrachten will, deshalb aus der Gesamtheit der
Stoffe und der Fülle der Erscheinungen mit Entschiedenheit jene herausgreifend,
welche den Ingenieur selber betreffen oder unmittelbar angehen. Unter techni
schen Gesichtspunkten zu einem Ganzen geordnet, soll sich daraus eine Lehre der
Stoffe und chemischen Reaktionen ergeben, welche eindrücklicher als bisher die
Bedeutung der Chemie, wesentliche Hilfswissenschaft des Ingenieurs zu sein, auf
zuzeigen und das Interesse von Ingenieuren jeder Richtung an Fragen der Chemie
zu wecken vermag."
Das Bedürfnis nach einer Darstellung der Chemie, welche nach Anlage und
Auswahl des Stoffes ganz den eigentlichen und besonderen Bedürfnissen der In
genieure entspricht, wird heute wohl weniger denn je bestritten. Diesem Anliegen
unentwegt zu folgen, legt allerdings nahe, da und dort von der Betrachtungsweise
abzugehen, welche der Chemiker oft weit mehr aus Gewohnheit und Tradition
befolgt als aus sachlichen Gegebenheiten. Weiterhin so zu verfahren, war auch bei
der Neubearbeitung gegeben, indem sich heute in der Chemie selber die Tendenz
abzeichnet, Althergebrachtes neu zu ordnen, also etwa die Einheit makromoleku
larer Stoffe, anorganischer und organischer, gegenüber den Molekülverbindungen
stärker zu betonen oder die Nichtedelgaselemente bereits als Verbindungen, wenn
auch als solche aus einerlei Atomen, zu betrachten.
Ergänzungen waren vor allem geboten, wo im Laufe der letzten Jahre gewisse
Tatsachen und Fragen der Chemie vermehrt in das Blickfeld der Ingenieure ge
treten sind und sich deshalb eine erweiterte Behandlung auch in unserer "Chemie
des Ingenieurs" aufdrängte. Hingegen hätte es der Natur ihres Gegenstandes
widersprochen wie den Umfang des Buches über Gebühr ausgeweitet, in derselben
Weise auch allen werkstoffkundlichen Neuerungen Rechnung tragen zu wollen.
Immerhin darf gesagt werden, daß die den Text begleitenden Tabellen gerade in
dieser Beziehung auf kleinen Raum gedrängt doch einiges aussagen. Im übrigen
ist es für ein Buch und seinen Leser nicht das schlechteste Zeichen, wenn die Lek
türe den Wunsch weckt, das mit ihr Gewonnene noch anderswo zu vertiefen und
auszuweiten.
Einmal mehr hat der Verfasser allen seinen Mitarbeitern und Freunden an der
Eidg. Materialprüfungs- und Versuchsanstalt für vielfache Hilfe und manche An-
VI Vorwort zur zweiten Auflage
regung bei der Abfassung und Neubearbeitung seines Buches herzlich zu danken.
So haben sich an der Überholung der neuen Auflage die Herren Prof. Dr. M. BRUN
NER und Prof. Dr. A. BUKOWIECKI, Dr. K. BANHOLZER, Dr. P. ESENWEIN,
Dr. M. HOCHWEBER und Dr. H. RUF in besonderer Weise beteiligt.
Zürich, im Herbst 1966
E. Brandenberger
Inhaltsverzeichnis
Von den Zielen der Chemie und den Forderungen des Ingenieurs . . . . . . . . . . . . . . . 1
A. IJehre der Stoffe
I. Grundlagen.... ......... .......... ............... .. ........ ...... ...... 3
§ 1. Elemente des Atombaus, Atomarten und chemische Elemente. . . . . . . . . . . . . 3
§ 2. Elektronenkonfiguration der Elemente. Atome und Ionen, ihre Wertigkeit
und Raumbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Ir. Elementare Stoffe........ ...... ....... ................. ... ........ .... 16
§ 3. Allgemeine Kennzeichen elementarer Stoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
§ 4. Die Edelgase als eigentlich elementare Stoffe ........................... 19
§ 5. Elemente vom Typus homogener Molekülverbindungen .................. 20
§ 6. Diamantartige Elemente ............................................. 25
§ 7. Die Reinmetalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
§ 8. Chemische Elemente als Einstoffsysteme ............................... 33
§ 9. Von den Eigenschaften der chemischen Elemente, insbesondere ihrer festen
Phasen............................................................. 37
III. Zusammengesetzte Stoffe..... ...... ........... . .... ................... 41
§ 10. Allgemeine Merkmale zusammengesetzter Stoffe und die Mannigfaltigkeit
chemischer Verbindungen...................... .... . ........ ....... .. 41
§ 11. Heterogene und homogene Stoffe, der Phasenbestand heterogener Stoffe .. 49
§ 12. Reine Phasen und Mischphasen ...................................... 55
§ 13. Anorganische Molekülverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 65
§ 14. Organische Molekülverbindungen '" ...... . ... .... ... .... ........ ..... 72
§ 15. Molekülverbindungen im technischen Einsatz .......................... 90
§ 16. Substitutionsmischkristalle der Reinmetalle und intermetallische Verbindun-
gen............................................................... 92
§ 17. Anorganische makromolekulare Verbindungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 96
§ 18. Organische makromolekulare Verbindungen ............................ 116
§ 19. Zustandsänderungen an Verbindungen, Mehrstoffsysteme ................ 139
VIII Inhaltsverzeichnis
B. Lehre der chemischen Reaktionen
I. Phänomenologie chemischer Reaktionen .............................. 143
§ 20. Allgemeine Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 143
§ 21. Additionsreaktionen ................................................ 147
§ 22. Oxydation und Reduktion als Teilvorgänge der Redoxprozesse .......... 151
§ 23. Dissoziationsreaktionen ............................................. 153
§ 24. Elektrolytische Dissoziation und Elektrolyse .......................... 154
§ 25. Substitutionsreaktionen ............................................. 160
§ 26. Galvanische Vorgänge als elektrochemische Substitutionsreaktionen ...... 167
§ 27. Kombinierte chemische Reaktionen, einige Beispiele der anorganischen
Chemie ............................................................ 184
§ 28. Wasseraufbereitung ................................................. 194
§ 29. Aufarbeitung und Veredelung organischer Naturstoffe ................... 200
§ 30. Chemische Reaktionen als Energiequellen : wärmeliefernde Reaktionen,
Brennstoffe ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 206
§ 31. Wärme und Arbeit liefernde Reaktionen, Treib- und Explosivstoffe ....... 213
§ 32. Volumänderungen bei chemischen Reaktionen .................. '" .... 220
II. Vom inneren Wesen chemischer Reaktionen. Homogene Reaktionen. 223
§ 33. Homogene Gasreaktionen, chemische Gleichgewichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 223
§ 34. Gesetz der chemischen Massenwirkung. Reaktionsarbeit und chemische Affi-
nität .............................................................. 226
§ 35. Geschwindigkeit und Mechanismus von Gasreaktionen ..... '.' . . . . . . . . . .. 232
§ 36. Katalyse .......................................................... 235
§ 37. Reaktionen in Lösungen. Dissoziation der Elektrolyte und Ionengleichge-
wichte ............................................................ 238
Heterogene Reaktionen (Phasenreaktionen) .......................... 242
§ 38. Haupttypen heterogener Reaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 242
§ 39. Phasengleichgewichte ............................................... 244
§ 40. Passivierung heterogener Reaktionen, aktive und passive Zustände. . . . . .. 249
§ 41. Vom Mechanismus heterogener Reaktionen ............................ 257
§ 42. Die Wirkung von Stoffzusätzen. Adsorption und Chemisorption .. . . . . . . .. 262
§ 43. Anstrichstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 270
§ 44. Schmiermittel ...................................................... 275
§ 45. Inhibitoren ........................................................ 280
Sachverzeichnis .............................................................. 283
Von den Zielen der Chemie und den Forderungen des Ingenieurs
Die Zielsetzung der Chemie ist eine doppelte: So gilt ihr erstes Interesse der
Mannigfaltigkeit der uns zugänglichen Stoffe, der ~ der Natur vorkommenden wie
der künstlich hergestellten. Sie will dabei nicht nur die Vielfalt der Stoffe unter
einheitlichen Gesichtspunkten ordnen, sondern uns darüber hinaus das besondere
Wesen der Stoffe und ihre spezifischen Eigenschaften ~-erstehen lernen. Für beides
bildet die erschöpfende Kennzeichnung der Stoffe hinsichtlich chemischer Zusam
mensetzung (ihres Chemismus) und inneren Aufbaus (ihrer Konstitution und
Struktur im weitesten Sinne des Wortes) die Grundlage. Daraus aber ergibt sich
eine erste Berührung zwischen der Chemie und der Tätigkeit des Ingenieurs:
Auch dieser bedarf nämlich je länger desto mehr der vertieften Einsicht in die
besondere Natur der von ihm verwendeten Bau- und Werkstoffe wie der zahl
reichen, ihm laufend begegnenden Betriebs-, Schutz- und Hilfsstoffe. Einzig so
kann es ihm gelingen, die zweckmäßigen Stoffe auszusuchen, sie optimal auszu
nützen und damit möglichst wirtschaftlich anzuwenden. Vertiefter Einblick in die
Bau- und Werkstoffe bedeutet aber gleichfalls, Verständnis dafür erlangen, wie
bestimmte Eigenschaften von Stoffen durch deren Zusammensetzung und inneren
Aufbau bedingt werden - das aber heißt vielfach, Stoffe mit eben denselben Ver
fahren untersuchen und unter den nämlichen Gesichtspunkten betrachten, wie sie
für die Chemie bei der Erforschung der stofflichen Welt maßgebend sind.
Der zweite Gegenstand der chemischen Wissenschaften besteht dagegen im
Studium aller jener Vorgänge, bei welchen als sog. chemischen Reaktionen aus
gegebenen Stoffen andere Stoffe mit neuen Eigenschaften entstehen unter gleich
zeitiger Feststellung der Bedingungen, welche geeignet sind, chemische Reaktionen
auszulösen oder zu unterbinden, schneller oder langsamer, vollständig oder nur
teilweise ablaufen zu lassen. Dazu kommt die Untersuchung der die einzelne Reak
tion beherrschenden, energetischen Verhältnisse. Dabei ist es von einer besonderen
Bedeutung, ob chemische Prozesse eines Energieaufwandes bedürfen oder umge
kehrt Energie gewinnen lassen und dementsprechend als Energiequellen dienen
können. Gleich dem ersten Ziel der Chemie berührt auch ihr zweites wiederum
unmittelbare Interessen des Ingenieurs:
Einmal ist es für ihn als Verbraucher zahlreicher Stoffe oft unumgänglich,über
ihre Herkunft und Herstellung, also die ihrer Produktion zugrunde liegenden che
mischen Vorgänge Bescheid zu wissen. Dazu sind mit dem technischen Einsatz der
Stoffe selber - etwa mit ihrer Verarbeitung, ihrer Nach- und Schutzbehandlung -
häufig chemische Reaktionen verbunden, die weitgehend unter der Kontrolle des
Ingenieurs verlaufen, weshalb für ihn die gründliche Kenntnis dieser ihn unmittel
bar berührenden Vorgänge unerläßlich ist. Endlich liegen der Zerstörung der Bau
und Werkstoffe (oft auch einem Versagen von Betriebs-und Schutzstoffen) zumeist
1 Brandenberger, Chemie des Ingenieurs, 2. Auft.
2 Von den Zielen der Chemie und den Forderungen des Ingenieurs
chemische Vorgänge zugrunde, deren Beherrschung jedoch erste Bedingung ist so
wohl für eine sachlich einwandfreie Beurteilung bereits eingetretener Schäden an
Werkstücken und Bauwerken wie für die erfolgreiche Verhütung zukünftiger
Mängel und Störungen.
Kenntnis der chemischen Grundgesetze wie der spezifischen Betrachtungsweise
und der Arbeitsmethoden der Chemie, dazu der besonderen Art, wo und wie der
Chemiker seine Probleme sucht, in welcher Weise er diese beurteilt und bearbeitet,
aber auch wie er deren Lösung darzustellen pflegt, ist dazu für jede erfolgreiche
Zusammenarbeit zwischen Ingenieur und Ohemiker erste Voraussetzung. Erst dann
weiß der Ingenieur, wie er seine Fragen an den Chemiker zu formulieren hat und
was er der Antwort, die ihm der Chemiker auf seine Fragen gibt, entnehmen kann.
Zugleich hat aber die Ohemie der Werkstoffe auch ihre besonderen Aspekte,
welche zu jenen der übrigen chemischen Wissenschaften in auffälligem Gegensatz
stehen: Spielt im Bereich der letzteren die Befähigung der Stoffe zu chemischen
Reaktionen und damit zur Überführung in andere die entscheidende Rolle, so
sollen umgekehrt Bau-und Werkstoffe über möglichst große Beständigkeit verfügen.
Nur dann werden sie sich im technischen Einsatz auf die Dauer bewähren und den
immer größeren Beanspruchungen, welche sie ertragen sollen, voll gewachsen sein.
Beständigkeit gegenüber a11en möglichen Einwirkungen, nicht bloß mechanischen,
sondern auch thermischen und chemischen, gelegentlich auch biologischen und
neuerdings solchen energiereicher Strahlungen, ist indes nicht die einzige Forde
rung des Ingenieurs an seine Konstruktionsmaterialien. Er wird außerdem ver
langen, daß Werkstoffe möglichst gleichmäßig sind und sich bei ihrer Verarbeitung
zum Werkstück oder Bauwerk leicht formen und verbinden lassen. Der Elektro
ingenieur wird sodann seine besondern Bedingungen stellen fÜr das Verhaltender
Stoffe in elektrischen und magnetischen Feldern, der Maschinenbauer seine spezi
fischen Ansprüche für das Verhalten in der Wärme oder in der KäUe, bei höchster
mechanischer Beanspruchung durch Schlag, eine Wechsel- oder Dauerbelastung,
sei es bei gewöhnlicher oder bei extremer Temperatur, unter Druck oder im Va
kuum, im Kontakt mit der Luft oder irgendwelchen aggressiven Medien usw. Im
Zusammenhang damit wird es auf allen Gebieten der Technik häufig darum gehen,
im Gegensatz zur Chemie allenfalls noch mögliche chemische Reaktionen zu ver
hüten oder mindestens geeignet zu hemmen. Endlich wird der Ingenieur darnach
trachten, beim Betrieb technischer Geräte, Einrichtungen und Anlagen uner
wünschte Auswirkungen auf die Umgebung durch Rauch und Nebel, Abgase und
Abwässer zu verhüten oder doch auf ein noch zulässiges Maß herabzusetzen.
A. Lehre der Stoffe
I. Grundlagen
§ 1. Elemente des Atombaus, Atomarten und chemische Elemente
Wissenschaftliche Chemie nimmt wohl darin ihren Anfang, daß, wie es mit
voller Klarheit 450 v.Chr. erstmals EMPEDoKLEs tat, die Mannigfaltigkeit der
stofflichen Welt auf die Existenz einzelner Grundstoffe, der Elemente, und auf
deren in bestimmten Proportionen erfolgende Verbindung zurückgeführt wird.
Diese Fragestellung, in welcher der erste Ursprung chemischer Forschung ruht,
ist durch die ganze Geschichte der Chemie dieselbe geblieben, so sehr sich auch im
Laufe der Zeit die Anschauungen darüber wandelten, was als Element zu be
trachten sei. Indes kann der klassische Begriff des chemischen Elements, wonach
als solches zu gelten habe, was keiner Rückführung auf einfachere Stoffe zugäng
lich ist, während eine Verbindung darstelle, was eine derartige Zerlegung ge
stattet, heute nicht länger befriedigen - ganz abgesehen von den prinzipiellen
Beschränkungen, die einer solchen Definition des chemischen Elements wie jeder
andern, negativen Aussage ihrem Wesen nach anhaften mußl.
In der Tat ist heute eine strenge und zugleich völlig eindeutige E'assung
des Elementbegriffs auf unmittelbar atomphys'ikalischer statt bloß empirischer
Grundlage möglich, und zwar bereits an Hand eines
elementaren Atommodells nach Abb. 1: Darnach
befinden sich um den positiv geladenen Atomkern,
dieser trotz seines weniger als 10-12 cm betragenden
Durchmessers Träger der Hauptmasse des Atoms,
Z Elektronen, von denen jedes eine negative Ele +
mentarladung - e (e= 1,60206 ± 0,00003.10-19 C
abs.) trägt. Diese bilden die Elektronenhülle des
Atoms, welche ihrerseits einen Durchmesser im
Bereich um 2-5· 10-8 cm und die Ladung
L = - Z . e besitzt. Daher muß, da ja Atome sich
wie neutrale Teilchen verhalten, die positive La Abb. 1. Einfaches Atommodell
dung des Kerns notwendig +Z . e betragen. Wäh
rend die Elektronen im eigentlichen Sinn elementare Teilchen darstellen, werden
die Atomkerne allgemein aus kleineren Partikeln, den sog. Nukleonen, aufgebaut,
nämlich aus Protonen und Neutronen. Dabei ist jedes Proton Träger einer positiven
1 So ist es durchaus charakteristisch, daß in der Geschichte der Chemie eine Reihe von
Verbindungen wie beispielsweise CaO und U02, da bei ihnen eine Zerlegung in einfachem
Bestandteile zunächst nicht möglich war, vorerst für Elemente gehalten wurden.
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