ebook img

Carl Haffners Liebe zum Unentschieden PDF

0.91796875 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download

Download Carl Haffners Liebe zum Unentschieden PDF Free - Full Version

by Thomas Glavinic| 0.91796875| German

About Carl Haffners Liebe zum Unentschieden

Es gibt in der Welt der Schachspieler die Gruppe der Ewigen Kronprinzen, jener Schachspieler, die wenigstens einmal die Chance gehabt haben, den Weltmeistertitel zu erringen, denen es aber nie gelungen ist. Viele von Ihnen galten und gelten als zumindest ebenso starke Spieler wie die Weltmeister, die sie herausgefordert haben. Einige von Ihnen haben mit ihrem Scheitern einen tragischen Ruhm erworben, der an Bedeutung sicher dem des jeweiligen Weltmeisters gleichkommt. Einer von diesen tragischen Kronprinzen, vielleicht der tragischste uberhaupt war Karl Schlechter. Er war das grosste Talent der sogenannten Wiener Schachschule und spielte im Jahr 1910 sein denkwurdiges Match um den Titel des Schachweltmeisters gegen Emanuel Lasker. Lasker war nach Wilhelm Steinitz, der sich seit einem Wettkampf gegen Adolph Anderssen 1866 offiziell und weitgehend unwidersprochen Schach-Weltmeister nannte, erst der zweite Trager dieses Titels, nachdem er Steinitz 1894 in einem Match besiegen konnte. Damals war der Weltmeistertitel beinahe so etwas wie ein Privatbesitz (ahnliche Verhaltnisse gibt es heute auch wieder), das heisst, dass der Weltmeister entschied, gegen wen und unter welchen Bedingungen er den Titel verteidigte. Lasker galt dabei als ein Muster an Vorsicht: Ihm wurde oft vorgeworfen, seinen Titel in den meisten Fallen nur gegen eigentlich zweitklassige Spieler verteidigt zu haben. Jedenfalls behielt Lasker seinen Weltmeistertitel 27 Jahre lang, bis er ihn, im Alter von 53 Jahren, halb freiwillig an den jungen, aufstrebenden Jose Raoul Capablanca verlor. Er verteidigte den Titel in dieser Zeit in sechs Wettkampfen, von denen ihn nur ein einziger, der gegen Karl Schlechter, an den Rand einer Niederlage brachte. Lasker war 1910 immer noch auf der ganzen Hohe seiner Spielstarke: Er hatte noch im Jahr zuvor zusammen mit Rubinstein das starke St. Petersburger Turnier gewonnen. Schlechter andererseits war ohne jede Frage einer der starksten Spieler seiner Zeit und wurde im selben Jahr des Weltmeisterschaftkampfes noch das gut besetzte Hamburger Turnier gewinnen. Der Wettkampf zwischen Lasker und Schlechter war auf 10 Partien angesetzt; dem Weltmeister genugte damals wie heute ein Unentschieden im Gesamtergebnis, um seinen Titel behalten zu durfen. Schlechter galt als uberragender Verteidigungskunstler, der es seinem Gegner schwer machen wurde, seinen Stil durchzusetzen. Und entsprechend war der Verlauf des Wettkampfes: Acht der zehn Partien endeten Remis; nur zwei Partei wurden entschieden. Schlechter gewann die funfte, zugleich die letzte der in Wien gespielten Partien; Lasker die zehnte und letzte, in Berlin gespielte Partie des Wettkampfs und blieb so bei einem Endstand von 5 : 5 Weltmeister. Es ist viel um diese letzte Partie des Wettkampfes geratselt worden. Schlechter hatte eine bessere Position erreicht, die ohne jede Frage zum Remis, vielleicht sogar zu einem zweiten Sieg hatte reichen mussen. Aber ganz entgegen seiner sonstigen, sehr vorsichtigen Spielweise, beginnt Schlechter plotzlich riskant zu spielen und die Partie zu offnen. Man muss Lasker zugestehen, dass er diese einzige Chance, die ihm Schlechter wahrend des Wettkampfs geboten hat, augenblicklich genutzt hat, um die Partie zu seinen Gunsten zu entscheiden. All dies ist der Stoff, aus dem Thomas Glavinic, selbst ein starker Schachspieler, seinen Roman gearbeitet hat. Er beschreibt die Umstande des Wettkampfes sehr detailliert und weitgehend historisch exakt und stellt dabei in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit seine Romanfigur Carl Haffner, die er mit den historischen Personen umgibt. Carl Haffner ist einerseits mit der Biographie Karl Schlechters ausgestattet, aber er ist andererseits eine erfundene Figur, die der Roman mit all ihren Gedanken, Angstlichkeiten und Marotten erst erfindet, um sie jene Stelle des historischen Karl Schlechter vollstandig ausfullen zu lassen. Glavinic ist sich durchaus daruber im klaren, das er hier einen Drahtseilakt versucht, und es ist kein Wunder, dass die Schach-Fachpresse es nicht hat unterlassen konnen, die Erfindung der Figur Carl Haffner am historischen Gegenstuck zu messen und das eine oder andere auszusetzen. Das scheint mir recht unangemessen zu sein: Wenn ein Autor schon absichtlich in ein sonst bemuht exakt gezeichnetes historisches Bild eine erfundene Figur hineinstellt, so sollte man ihm dann schon das Zugestandnis machen, diese erfundene Figur mit den Wesenszugen, Charaktermerkmalen und -schwachen auszustatten, die der Autor fur seine Geschichte benotigt. Der Roman ist schlicht keine Biographie und will keine sein. Das Buch ist gut und lesbar geschrieben. Es konzentriert sich sehr auf die Empfindungen, Befurchtungen und Hoffnungen seines Titelhelden. Glavinic versteht es, auch dem nicht Schach spielenden Leser die Monomanie verstandlich zu machen, die in nicht wenigen Fallen mit der absoluten Konzentration der grossen Spieler auf ihr Spiel verbunden ist. Er zeigt die Vereinzelung seines Protagonisten, seine Hilflosigkeit im Alltag und den Wesenswandel, der mit ihm vorgeht, wenn er sich in sein Spiel vertieft. Er zeigt die Besessenheit Haffners, der schon als Jugendlicher Schule und Beruf vernachlassigt, einzig um seiner wirklichen Leidenschaft und seinem wahren Talent nachzugehen: dem Schachspiel. Er begleitet den Aufstieg des jungen Mannes zum grossten Talent und zur Hoffnung der Wiener Schachschule, der deutschen Ubermacht im Schach etwas entgegenstellen zu konnen. All dies erzahlt Glavinic wie nebenbei, wahrend im Zentrum des Romans jene Tage der zehn Weltmeisterschaftspartien stehen. Und Glavinic hat den notigen Abstand zu der Sache, die er beschreibt: Mit Hilfe der Figur der jungen Journalistin Anna Feiertanz — bei der ich neugierig ware, ob es fur sie ein historisches Vorbild im Umfeld Schlechters gegeben hat — karikiert Glavinic das “ausserst bedeutende” Treiben der Schachmeister und ihres Anhangs. Sie behalt den Blick von Aussen auf das Geschehen und begleitet es hier und da mit ihren ironischen und spottischen Kommentaren. Auch Thomas Glavinic lost letztendlich das Ratsel um die zehnte Partie nicht, denn schliesslich ist es bei ihm Carl Haffner, der diesen Wettkampf spielt und verliert. Aber Glavinic macht klar, welche Spannungen und Widerspruche dabei vielleicht im Spiel gewesen sein konnten. Ein gelungenes und gut lesbares psychologisches Gedankenexperiment, das nicht nur fur Schachspieler von Interesse sein durfte. –Marius Franzel

Detailed Information

Author:Thomas Glavinic
ISBN:9783423134255
Language:German
File Size:0.91796875
Format:PDF
Price:FREE
Download Free PDF

Safe & Secure Download - No registration required

Why Choose PDFdrive for Your Free Carl Haffners Liebe zum Unentschieden Download?

  • 100% Free: No hidden fees or subscriptions required for one book every day.
  • No Registration: Immediate access is available without creating accounts for one book every day.
  • Safe and Secure: Clean downloads without malware or viruses
  • Multiple Formats: PDF, MOBI, Mpub,... optimized for all devices
  • Educational Resource: Supporting knowledge sharing and learning

Frequently Asked Questions

Is it really free to download Carl Haffners Liebe zum Unentschieden PDF?

Yes, on https://PDFdrive.to you can download Carl Haffners Liebe zum Unentschieden by Thomas Glavinic completely free. We don't require any payment, subscription, or registration to access this PDF file. For 3 books every day.

How can I read Carl Haffners Liebe zum Unentschieden on my mobile device?

After downloading Carl Haffners Liebe zum Unentschieden PDF, you can open it with any PDF reader app on your phone or tablet. We recommend using Adobe Acrobat Reader, Apple Books, or Google Play Books for the best reading experience.

Is this the full version of Carl Haffners Liebe zum Unentschieden?

Yes, this is the complete PDF version of Carl Haffners Liebe zum Unentschieden by Thomas Glavinic. You will be able to read the entire content as in the printed version without missing any pages.

Is it legal to download Carl Haffners Liebe zum Unentschieden PDF for free?

https://PDFdrive.to provides links to free educational resources available online. We do not store any files on our servers. Please be aware of copyright laws in your country before downloading.

The materials shared are intended for research, educational, and personal use in accordance with fair use principles.