Table Of ContentBuchhaltung und Bilanz
auf wirtschaftlicher, rechtlicher und mathematischer
Grundlage für Juristen, Ingenieure, Kaufleute und
Studierende der Privatwirtschaftslehre mitAnhängen
über "Bilanzverschleierung'' und "Teuerung
Geldentwertung und Bilanz"
Von
Prof. Dr. hon. c. J ohann Friedrich Schär
gew. ordentlicher Professor der Universität Zllrich
Professor und weiL Rektor der Handels-Hochschule Berlln
Fünfte, durc-hgesehene unu erweiterte Auilage
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1922
ISBN 978-3-662-27780-5 ISBN 978-3-662-29276-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-29276-1
Alle Rechte, ins!lesondere das der Übersetzung in
fremde Sprachen, vorbehalten.
Softcoverreprint ofthe bardeover 5th edition 1922
Vorwort.
Motto: Die Buchhaltung ist die untrügliche.
Richterin der Vergangenheit, die
notwendige Führerin der Gegenwart
und die zuverliiBsige Ratgeberin
der Zukunft jeder Unternehmung.
Die Buchhaltung ist eine Wissenschaft auf den Grenzgebieten der
Mathematik, des Rechts und der Wirtschaft~>wissenschaft; die Buch
führung dagegen ist die Kunst, jene Wissenschaft für jede Sonder
wirtschaft, mag sie eine Erwerbs- oder Aufwandswirtschaft sein, derart
anzuwenden, daß sie den im Motto angegebenen Zweck erreicht. Ein
umfassendes Werk über Buchhaltung muß daher zunächst die neue
Wissenschaft auf mathematischer, rechtlicher und wirtschaftlicher
Grundlage aufbauen, um nachher die mannigfachen Anwendungen für
die praktischen Bedürfnisse der Wirtschaft abzuleiten. Ich sage der
"neuen" Wissenschaft, weil die Mehrzahl der Verlasser von Werken
über Buchhaltung sich auf die Aufgabe beschränken, zu lehren, wie
man die Kunst der Buchhaltung ausübt. Die Versuche, das ganze
Lehrgebäude der Buchhaltung auf wissenschaftlichen Boden zu stellen
sind neucren Datums. Wenn hiernach der Anteil des Verfassers an
diesen Bestrebungen besonders hervorgehoben wird, so geschieht dies
nicht aus persönlichen, sondem sachlinhen Gründen, hauptsächlich um
die allmähliche Entstehung dieses Werkes zu illustrieren.
Im Jahre 1889 wurde ich vor die mir ganz neue Aufgabe gestellt,
gebildctc Leut-e, Jie ihre Hochschulstudien abgeschlossen hatten- es
waren Juristen, Chemiker und Ingenieure - in die Buchhaltung ein
zuführen, nicht um siP zu Buchhaltern auszubilden, sondern lediglich
sie mit dem Zweck, Mittel und ~lcthode der systematischen Rechnungs
führung des Kaufmanns bekanntzumachen, damit sie dafür ein rich
tiges Verständnis gewinnen, und die Anford~rungen, die der Leiter
einer Unternehmung an die Buchhaltung stellt, kennenzulemen. Um
dieser Aufgabe gerecht zu werden, konnte ich nicht den gewöhnlichen
Weg des Buchhaltungsunterrichts einschlagen, mußte vielmehr das
analytische Verfahren wählen. Das führte mich auf die Idee, das
Problem mathematisch aufzufassen, d. h. an Stelle der bestimmten
Zahlenwerte algebraische Größen zu setztn, die Grundgesetz& der
Buchhaltung in Form von Gleichungen zu entwickeln.
Die Ergebnisse meiner diesbezüglichen :Forschung veröffentlichte
ich in der 1890 bei Benno Schwabe, Basel, erschienenen Schrift: "Ver
such einer wissenschaftlichen Behandlung der Buchhal
tung." Das war das erste Werk, das die Zweikontentheorie wissen
schaftlich begründete und in Form von mathematischen Gleichungen
r•
IV Vorwort.
darstellte1). Es wurde ins Französische, Holländische, Schwedische und
Russische übersetzt und bildete den Ausgangspunkt von literarischen
Kontroversen. Am Streit für und wider die Zweikontentheorie und ihrer
algebraischen Darstellung beteiligten sich Hunderte von Fachleuten;
aber die Versuche, die wissenschaftliche Grundlage zu erschüttern,
blieben erfolglos. Nachdem die Zweikontentheorie einem zwanzig
jährigen Kampfe siegreich standgehalten, nahm ich Anlaß, die Haupt
ergebnisse der durch diesen Kampf geläuterten Zweikontentheorie
nochmals zusammenzufassen. Es geschah dies in einer Abhandlung:
"Einführung in das Wesen der doppelten Buchhaltung auf
wirtschaftlicher und mathematischer Grundlage", die 1911
im Verlage von Julius Springer, Berlin, erschien. Das Buch fand
namentlich in den Kreisen der Ingenieure und Techniker großen An
klang. Als es vergriffen war tuld der \·crleger mich mit der Beru:beitung
einerneuen Auflage heauftragte, glaubte ich den Zeitpunkt gekommen..
die kleine Abhandlung zu einem umfassenden Werke auszubauen, in
welchem nicht nur die auf mathematischer Grundlage beruhende
Buchhaltungswissenschalt weiter entwickelt, sondern auch die recht
lichen Verhältnisse herücbichtigt unJ die praktische Anwen
dung in Handel und Industrie behamlelt werden.
So ist denn, wie schon aus dem Inhaltsverzeichnis hervorgeht, aus
kleinen Anfängen ein vollständig neues Werk entstanden. Es bot
mir die erwünschte Gelegenheit, die Ergebnisse meiner über vierzig
Jahre zurückreichenden wissenschaftlichen Studien und praktischen
Erfahrungen im ganzen Gebiete des systematischen Rechnungswesens
pragmatisch zusammenzufassen und gleichzeitig auch die Quintessenz
meiner Vorlesungen über Buchhaltung, früher an der Universität in
Zürich, jetzt an der Handelshochschule in Berlin, einzubeziehen.
Wie schon angedeutet, ist das Buch kein Lehrbuch der Buch
haltung im gewöhnlichen Sinne; es verfolgt höhere Zwecke. Es soll
alle diejenigen, die in die Geheimnisse der Buchhaltung eindringen
wollen, die wissenschaftlichen Gnmdlagen des kaufmännischen Rech
nungswesens im allgemeinen, der Buchhaltung und Bilanz im be
sonderen, in logischer Stufenfolge entwickeln, die rechtlichen Anfor
derungen begründen und die praktische .Anwendung der Grundlehren
der Buchhaltung auf alle Gebiete und juristischen Formen wirtscb.A.ft
licher Unternehmungen nicht nur veranschaulichen, sondern auch
den Maßstab für ihre kritische Beurteilung abgeben. Auf Grund
1) Von den früheren Schriftstellern, welche die Zweikontentheorie in ihren
Grundgedanken Bllhon vorher entwickelt hatten, kannte ich damals nur Hügli
(Bern 1887); die früheren Autoren~ die als Begründer dieser Theorie gelten können,
Jones (New York 1833) und Augsburg (Bremen 1851) wurden erst seither
der Vergessenheit entrissen.
Vorwort. V
des Studiums dieses Werkes wird jeder, der in verantwortlicher Stellung
an einem Unternehmen privat- oder gemeinwirtschaftlicher Natur
mitarbeitet oder interessiert ist, sei er Kaufmann oder Tech
niker, Finanzmann oder Ingenieur, Jurist oder Volkswirt,
die Uberzeugung gewinnen, daß die Buchhaltung und die damit
eng verbundene Kalkulation im besonderen, die Organi
sation des Rechnungswesens im allgemeinen einen ebenso großen
Einfluß auf Gedeihen und Ertrag der Unternehmung auszuüben ver
mögen, als irgendein Fortschritt oder eine Neueruug im technischen
Betrieb. Wenn man beobachtet, wie die Großbetriebe in allen Wirt
schaftsgebieten sich alle möglichen Fortschritte auf dem Gebiete der
Buchhaltung und Kalkulation zunutze machen, daß sie infolge der
hierauf fu&nden Verbesserungen und Ersparnisse billiger und besser pro
duzieren und verkaufen können als diejenigen, welche sich dieser Vorteile
begeben, so ist leicht einzusehen, daß die Gründe für die Verschiedenheit
in der Konkurrenzfähigkeit in Handel und Industrie nicht zum letzten
in der Überlegenheit im gesamten Rechnungswesen zu suchen sind.
Die Kunst, ein der Art und Größe jedes Wirtschaftsbetriebs an
gepa.ßtes, bis an die ökonomischen Grenzen reichendes Rechnungs
wesen zu organisieren und durchzuführen, gehört zu den wichtigsten
AufgabenjerderUntemehmung, sei sie ka pi t~tl istisoher, sozialer oder
staatlicher Natur. Diese Kunst. hrancht nicht Geheimnis der Kauf
leute zu sein; sie ist jedermann zugänglich, der sich die 1\Iühe nimmt,
die wissenschaftlichen Grundlagen, auf denen Buchhaltung und Bilanz
aufgebaut sind, zu erfassen. Den Weg hierzu allen denjenigen, die nach
dieser Erkenntnis streben, zu weisEm und ihnen sicheres Geleit durch das
Labyrinth deP weitverzweigten, vielfach noch unbetretenen Gebietes zu
geben, ist der Zweck, den ich mir bei Abfassung dieses Werkes gesetzt. ha he.
Berlin, Pfingsten 1914.
Vorwort znr dritten AufJage.
Der Zeitpunkt, an dem der Druck dieses Werkes zum Abs1•hluß ge-
1mmmen ist und ich das Geleitwort zu V'erfassen habe, ist der 11. No
vember 1918, der dritte Revolutionstag und der Tag des Waffenstill
standes, an dem der letzte Schuß dieses völkennörderischen Weltkrieges
gleichzeitig auch eine neue Ära des deutschen Volkes verkündigt. Da
ist es meine Pflicht, zu prüfen, ob mein Buch in seiner neuen Fassung auch
in die neue Zeit paßt, inwiefern es auch für die neue Wirtschaftsordnung,
der wir offensichtlich entgegengehen, förderlich und nützlich sein kann.
Welche Wirkung die revolutionäre Umwälzung der bisherigen Ge
sellschafts- und Wirtschaftsordnung in den sozialen Volksstaat haben
wird, vermag niemand vorauszusagen. Aber das eine ist gewiß, daß
VI Vorwort.
auch die sozialen Wirtschaftsgebilde ein geordnetes Rechnungswesen
organisieren müssen. Gleichwie die Aktiengesellschaften, die den ge
meinwirtschaftlichen Untmnehmungen vorgearbeitet haben, teils schon
in Staats- oder Kommunalbetriebe umgewandelt worden sind, ein viel
vollkommeneres RechnungMwesen einrichten mußten und schon von
Gesetzes wegen zur doppelten Buchhaltung angehalten wurden, oder
wie von den Genossenschaften, der Urform der Gemeinwirtschaft, in
gleicher Weise Buchhaltung und Bilanz gefordert wird, so müssen auch
die staatlichen Wirtschaftsbetriebe Rechenschaft ablegen über das
Gemeinvermögen, das si.e verwalten oder das in ihrem Betriebe
tätig ist. Ja diese Rechenschaft wird, wie die Erfahrung lehrt, noch
viel gründlicher und genauer gestaltet werden müssen, als bei den
kapitalistischen Aktiengesellschaften. Dazu ist aber die systematische
Buchhaltung mit Vermögens- und Ertragsbilanz das beste und zuver
lässigste Mittel. Nur durch sie kann der Kreislauf, den das Betriebs
und Anlagevermögen in jeglicher Art die Privat- und Gemein
wirtschaft durchläuft, in seinen Stadien rechnungsmäßig erlaßt,
kontrolliert und auf den Wirtschaftserfolg hin ermittelt worden. Ich
habe von jeher die Ansicht vertreten und begründet, daß die syste
matische Buchhaltung für alle Arten und Formen der Wirtschafts
betriebe angewendet werden ka1m und das beste Mittel zu einer geord
neten Rechnungsführung ist.
Je größer der Kreis der gemeinwirtschaftliehen Betriebe, in Staat
oder Kommune auf Zwangsvereinigung, in der Genossenschaft auf frei
organisierte Selbsthilfe beruhend, gezogen wird, desto breitere Volks
schichten werden das Bedürfnis nach Belehrung über Buchhaltung und
Bilanz befriedigen wollen, vor allem diejenigen, die berufen sind, derartige
Betriebe zu organisieren und zu leiten, zu überwachen und kontrollieren.
Wie also die neue Wirtschaftsordnung sich gestalten mag, die Mch
nerische Erfassung der Sonderwirtschaft durch Buchhaltung und Bilanz
wird sich gleich bleiben; denn diese beruht auf einer wissenschaftlichen
Grundlage, die aus dem Wesen und der Natur der Wirtschaft selbst
abgeleitet ist.
Die neue Auflage ist in ihrer Gesamtanlage unverändert; dagegen
sind inhaltlich einige nicht unwesentliche Ergänzungen und Neuerungen
hinzugekommen, so z. B. über das Wesen der Bilanz, ein neues Veran
schaulichungsmittel derselben, Erweiterung der Zweikontentheorie, so
dann eine Vervollständigung der Fabrikbuchhaltung mit Berechnung der
Selbstkosten und Aufstellung der Zwischenbilanz und endlich als Anhang
riie Bilanzverschleierung. Damit das Buch auch als Nachschlagewerk
dienen kann, ist ein alphabetisches Sachregister neu hinzugekommen,
dessen Aufstellung ich Herrn und Frau Professor Dr. Stähler verdanke.
Berlin, den 11. November 1918.
Vorwort znr vierten Auflage.
Die zwei Jahrf', die seit der Abfas: ung df'S Geleitwortes zur dritten
Auflage verflossen sind eine zu kurze Zeitspanne, als dab sich die damals
ausgesprochene Hoffnung auf eine neue Ära des deutschen Volkes nach
dem Waffenstilistand schon hätte verwirklichen können. Die seit
herigen Ereignisse im wirtschaftlichen Leben haben im Gegenteil nicht
nur das deutsche Volk, sondern auch die ganze übrige europäische Welt
bitter enttäuscht, Siegern und Besiegten, samt den Neutralen ungeahnte
.Leiden und Prüfungen auferlegt, die in Beschränkung auf Volks- und
Privatwirtschaft gegen die betreffenden Zustände währe~td des Krieges
eine Verschärfung bedeuten.
Bezüglioh der in diesem Werke behandelten Wirtschaftsgebiete sind
es vor allem zwei Krankheiten, an denen die Völker als Nachwehen
de~:~ Weltkrieges leiden; sie haben zunächst die ungeheueren Steuer
lasten zu tragen, die ihnen die durch den Krieg verschulrlfltPn Staaten
und Kommunen auferlegt haben. Dazu kommt die sogenannte Valuta
krisis, mit ihr im Zusammenhang die allgemeine Teuerung auf Seite der
am Krieg aktiv beteiligten europäischen Staaten die Geldwährungrs
entwertung als Folge der Inflation herbeigeführt durch die maßlose
Vermehrung der gesetzlkil.en, aber an sich wertlosen Zahlungsmittel.
Diese heillose Papiergeldwirtschaft, zu der fast alle kriegführenden
:Staaten in ihren finanziellen Nöten Zuflucht nahmen, bedingt für alle
Staaten, für die Neutralen mit normaler Geldverfassung fast noch mehr
als Iür diejenigen mit entwertetem Papiergeld, eine nie zuvor gekannt
Störung und Hemmung des internationalen Waren-, Zahlungs- Kredit
und Personenverkehrs. Privat-, Volks-und Weltwirtschaft, die bekannt
lich ohne Arbeitsteilung und wechselseitigen Güteraustausch elendiglich
verkümmern müßten, haben kein einheitliches, sicheres und gleich
bleibendes Wertmaß mehr, seitdem die meisten Staaten die Goldwährung
aufgehoben und als Preismaßstab für alle tauschwartigen Güter eine
Wertgröße als gesetzliches Zahlungsmittel erklärt haben, die, ohne
inneren Wert, bloßes Kreditgeld ist und infolge ihrer Veränderlichkeit
einem Kautschuckmaßstabe gleicht. Da aber gerade Buchhaltung und
Bilanz auf der Bewertung aller tauschwartigen Güter- und Arbeits
leistungen nach einem gleichbleibenden Preismaßstab in Geld beruhen,
so läßt sich leicht ermessen, wie groß die Störung und die Unsicherheit
in diesen Gebieten geworden ist, weil an Stelle des Goldgeldes das Papier
geld getreten ist.
Die Unstetigkeit des Papiergeldwertes, die im Inland in der Ver
schiedenheit der Kaufkraft, im Verhältnis zum Ausland im Auf und Ab
VIII Vorwort.
der Wechselkurse in die Erscheinung tritt, bewirkt unter andern Übel
ständen, daß man zwei aufeinanderfolgende Jahresbilanzen in einer und
derselben Unternehmung nicht mehr vergleichen kann; es ist so, als
wenn man vorkriegszeitlich die Bilanz in einem Jahr in holländischen
Gulden, das nächste Jahr in Reichsmark, das übernächste Jahr in tür
kischen Piastern aufgestellt hätte, trotzdem man in allen Jahren die
Aktiven und Passiven nach dem gleichen gesetzlichen Zahlungsmittel,
in Deutschland in Papiermark, bewertet hat.
Hieraus ergibt sich, daß die Lehre über Buchhaltung und Bilanz vor
n,eue Aufgaben gestellt ist, die in der neuen Auflage berücksichtigt werden
mußten. Was die neuen deutschen Steuergesetze anlangt, so sind
daraus die wesentlichen Bestimmungen, die auf Buchhaltung und Bilanz
Bezug haben, im zweiten Teil, Buchführungsrecht, aufgenommen
worden.
Die Valutakrisis und ihr Einfluß auf Buchhaltung u:nd Bilanz konnte
ich schon aus dem Grunde nicht in das feste Gefüge meines Werkes
einschalten, weil diese wirtschaftliche Krankheit, an deren Heilung
alle Völker und Staaten ein solidares Interesse haben, nach meiner
Ansicht eine vorübergehende Erscheinung ist, die nach münzgeschicht
lichen Erfahrungen, wenn nicht in die vorkriegszeitliehen Zustände der
Weltgoldwährung wieder eingerenkt, so doch in absehbarer Zeit stabilen
Geldwertverhältnissen Platz machen muß; dann sinkt der v:weite
Anhang: "Teuerung, Geldentwertung und Bilanz" zu einer
historischen Merkwürdigkeit herab. Aber· für die Gegenwart und die
nächste Zukunft ist diese Zugabe für Industrielle, Ingenieure, Tech
niker und Buchhalter von größter Wichtigkeit, unter anderem schon
deswegen, weil die dabei interessierten Kreise auf die Gefahren aufmerk
sam ·gemacht werden, die aus der Nichtbeachtung des großen Unter
schiedes zwischen Gold-und Papiergeldeinheiten im allgemeinen, zwischen
Goldmark und Papiermark in Deutschland entstehen, was zur Folge
hat, daß ungenügende Abschreibungen an den Anlagewerten gemacht
und daher die Selbstkostenpreise zu niedrig berechnet werden.
Im übrigen enthält die neue Auflage keine wasentliehen Änderungen.
Der mathematisch-wissenschaftliche Aufbau der systematischen Buchhal
tung ist durch keine neue Theorie erschüttert. Neuere Forscher und
Schriftsteller der Buchhaltung beschäftigen sich mit der Ergründung des
Wesens der Bilanz, wvbei sie meiner auf Seite 55 enthaltenen Dar
stellung und der auf Seite 143 entwickelten Definition der Bilanz nahe
kommen. Ihr Lehrgebäude der Buchhaltung ist daher entsprechend der
Permanenz der Umsatz- und SaldobilaBZ auf die dritte Form der Zwei
+
kontentheorie, die auf Seite 52 dargestellt ist (A = K P), aufgebaut.
Einige derselben, so Prof. Schmalenbach, Köln, E. Pisani, A. P. Ru
danowski, Moskau, u. a. m., haben zwei neue, der mathematischen
Vorwort. IX
Physik entlehnte Begriffe in der Terminologie der Buchhaltung ein
geführt, Statik und Dynamik, die ungefähr der Vermögensbilanz
und der Ertragsbilanz entsprechen. Da die Saldi der Bestandkonten
periodisch - bei der vollkommenen Buchhaltung konstant - in ihrer
Geldwertsumme als Gesamtvermögen im Gleichgewicht gegen die
rechtlichen Quellen dieses Vermögens - l!.:ige.o.- und l!'remdkapital -
stehen müssen, so liegt es nahe, die Vermögensbilanz mit der Statik, der
Gleichgewichtslehre der Physik, zu vergleichen. Die Reihe der Kapital
konten, deren periodische (bzw. pen:tanente) Gegenüberstellung von
Aufwand und Ertrag in der Ertragsbilanz zum Gleichgewicht kommt,
umfaßt in ihr~>r Gesamtheit den dynamischen Teil der Buchhaltung als
Kräftf!WU'kung auf daR Vermögen der Wirtschaft. In der Tat lieW;
auch im Aufwand der automatische Antrieb zum Kreislauf der
Vermögensbesta.ndteile. Der WlSchäftsbetrieb ist daher der Dynamik
der physikalischen Mechanik zu vergleichen. l:lr ist dynamisch wirkende
Vermögenskraft. In der Statik des Vermögens liegen die Mittel, die
an und für sich tote, also unproduktive Materie rles Betriebs- und
Anlagevermögens, welche erst durch den dynamischen Antrieb den
gewollten wirt.flchaftlichen "Effekt, eben a.eu Ertrag hervorzubringen
vAnnögen. Da aber der Reinertrag an und für sich nur ein Begriff
--:- ErtraJ~: weniger Aufwand - ein wesenloses ßechnungsgehilde ist
un~ immer nur greifbare reale ExiRtenz in der Vermehrull@: des Wirt
schaftsvermögens erhält, so sind Statik und Dynamik in der Buch
haltung derart miteinander verflochten und voneinander abhä.ngig
daß die eine nur eine }'Unktion der andem ist. Das primäre Er
gebnis des Wirtschaftsbetriebs .liegt in der Existenz der durch ihn
bewirkten Gütervermehrung, die durch die Vermögensbilanz. die Statik,
nachgewiesen wird: der dynamische Erfolg, die Ertragsbilai.IZ, ist von
der statischen Bewertung des Vermögens abhängig (S. 189). Es ist
daher unlogisch, die Dynamik gegen :lie Statik auszuspielen. mit
anderen Worten, die Schlußbilanz als eine Gewinnermittlungs~ oder
Gewinnverteilungsbilanz zu bezeichnen. Wenn den Aktiengesellsctlaften
das Gesetz, den übrigen Gesellschaften (sogar auch Einzelfirmen) die
gesohäftliche Klugheit verbietet, nicht realisierte oder latente Gewinne
zu verteilen und danach der Bewertung der Vermögensbestandteile
Schranken gezogen sind, su ist damit noch lange nicht bewiesen, daß
das dynamische Moment, die Ertragsbilanz, das statische Moment, die
Verm.ögensbilanz, bedinge; mit ebensogutem Recht könnte man be
haupten, daß die Vermögensbilanz die feststehende Grundlage für die
Ableitung der Ertragsbilanz sej ; die Wahrheit liegt eben darin, daß beide
Momente. wie auf Seite 189 nachgewiesen, voneinander abhängig sind.
Ausgangspunkt und Grundlage jeder wirtschaftlichen Unternehmung
ist stets die in der Eingangsbilanz dargestellte Statik, wie auch der