Table Of ContentDean Falk
Braindance oder
Warum Schimpansen nicht
steppen können
Die Evolution des menschlichen Gehirns
Aus dem Englischen von
Gerald Bosch
Springer Basel AG
Die Originalausgabe erschien 1992 unter dem Titel «Braindance>> bei Henry Holt and
Company, New York, USA.
Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme
Falk, Dean:
Braindance oder warum Schimpansen nicht steppen können : die Evolution des
menschlichen Gehirns I Dean Falk. Aus dem Engl. von Gerald Bosch.
Einheitssacht.: Braindance <dt.>
ISBN 978-3-0348-6182-3 ISBN 978-3-0348-6181-6 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-6181-6
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© 1994 Springer Basel AG
Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag, Basel1994
Softcoverreprint ofthe bardeover 1st edition 1994
Umschlaggestaltung: Matlik und Schelenz, Essenheim
Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier
ISBN 978-3-0348-6182-3
9 8 7 6 5 4 3 2 1
Inhaltsverzeichnis
Danksagung 7
Einführung . 9
Kapitell Im Innern der Red Cave 17
Zwei unterschiedliche frühe Hominiden:
Australopithecus robustus und Australopithecus gracilis 22
Ein Fossil wird reanimiert: Die Lebensweise der
Australopithecinen . . . . . . . . . . . . . . 29
Vom Menschenaffen zum Affenmenschen 33
Die Red Cave . . . . . . 36
Der Beginn des Zwistes 40
Der Kaiser ohne Kleider 42
Kapitel 2 Taung kommt nach St. Louis 47
Scooters geniale Idee . 50
Das Gehirn des Babys . . . . 52
Taung und der 3Space . . . . 54
Auf der Suche nach dem ersten Menschenhirn . 57
Kapitel3 Das Gehirn von Menschen und Schimpansen . 61
Die Großhirnrinde . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Die Frontallappen-Innere Modelle der Realität . 71
Höhere Gedankenprozesse: Die Assoziationsflächen 75
Sprachzentren - Ausdruck eines lateralisierten Gehirns 77
Körpersprache . . . . . . . . . . . . . 79
Schimpansen können nicht steppen . . . . . . . . . . . . 83
Kapitel 4 Von Stammbäumen, Darwins Theorie und den Ursprüngen
der Bipedie . . . . . . . . . . . . . . 87
Das Erbe der Baumbewohner . . . 89
Die ersten Schritte auf dem Boden 91
Fossile Fußspuren . . . . . . . . 95
Die <<Sammlerin Frau»-Theorie 100
Sexualität . . . . . . . 102
Die Wheeler-Theorie . . . . . . 104
6 Braindance
Die erstenbipedenVorfahren des Menschen 106
Wo sind die Fossilien geblieben? .... 108
KapitelS Das Gehirn von Männern und Frauen . 109
Linke und rechte Gehirnhälfte . . . . . 110
Wenn Körper und Geist keine Einheit sind ... 115
Ein unterschiedliches Gehirn bei Männern und Frauen . 117
Der Einfluß der Sexualhormone . . . 121
Gehirnlateralität bei anderen Tieren . 126
Die Evolution der Gehirnasymmetrie 129
Kapitel6 Lucys Kind: Verwechslung im Krankenhaus 135
Die Taufe des Australopithecus afarensis . . . 138
Die Durchblutungsverhältnisse im Schädel . 142
Neues vom <<Schwarzen Schädel>> ..... . 146
Funktionelle Morphologie oder Kladistik? . 150
Australopithecus afarensis auf dem Prüfstand 152
Der erste Vertreter der Gattung Homo ... 155
Ein Homo erectus namens WT 15000 . . . . 156
Der Kindertausch in der Olduwaischlucht 159
Kapitel7 Die <<Kühlertheorie>> zur Evolution des Gehirns 163
Über Autokühler und Briefe aus Frankreich 168
In der Glut der Savanne . . . . . . . . . 172
Eine Kurzfassung der <<Kühlertheorie>> 175
Die <<Kühlertheorie>> im Kreuzfeuer . 176
Stammbaum oder Stammkaktus? . . . 177
Der Homo-Zweig des <<Stammkaktus>> 180
KapitelS Braindance oder das Hirn der schönen Künste . 187
Erste Vorstellungen vom Jenseits ....... . 192
Die Sprache als Krönung der Gehirnevolution 195
Die Evolution der Schrift . . . . . . . . . . 197
Begleiterscheinungen der Sprachevolution 199
Die Evolution der Kunst . . . . . 201
Der <<Braindance>> geht weiter ... 205
Das emotionelle Gehirn . . . . . 208
Kapitel9 Brainwar oder Choreographie des Krieges 211
Strenge Hierarchie bei Pavianen 213
Killer-Schimpansen ....... . 216
Territorialverhalten bei Männern 222
Warum Männer töten . . . . . . . . 224
Mord und Totschlag in Amerika 226
Das letzte Bollwerk . . . . . 228
Braindance - ein Totentanz? 230
Anmerkungen 233
Index ..... 253
Danksagung
Mein Dank gilt vielen Menschen, die mir bei diesem Buch geholfen
haben: Jim N eeley, der unzählige Stunden damit verbrachte, verschie
dene Versionen zu lesen, um mir dann das entsprechende «Feedback»
zu liefern, und Ja ck Macrae, der mir ein geduldiger und aufmunternder
Lektor war. Besonders danken möchte ich auch Rebecca Holland, der
Produktionsleiterin bei Harry Holt, die mir bei der Bewältigung des
Manuskripts ebenfalls tatkräftig unter die Arme griff. Joyce Crocker
erdachte und zeichnete die Abbildungen zu Beginn jedes Kapitels;
zahlreiche andere Zeichnungen und Graphiken stellte Kathleen Adda
rio zur Verfügung. Eine besondere Freude macht mir, daß dieses Buch
einige außerordentlich schöne Fotos enthält, die John Reader von fossi
len Hominiden aufgenommen hat. Curt Busse stellte freundlicherwei
se einige Aufnahmen von Schimpansen zur Verfügung.
Kathleen Gibson und Tim Ingold verdanke ich die Einladung zu
einem Internationalen Symposium über die evolutionären Konse
quenzen von Werkzeug, Sprache und Intelligenz, das im März 1990
in Cascais (Portugal) stattfand (die Sponsoren waren Wenner-Gren).
Im Oktober 1990 nahm ich an einem weiteren Symposium in Mem
phis (Tennessee) über das Thema «Evolution und Mechanismen der
Lateralität» teil, dessen Organisatorin Jeannette Ward war. Da beide
Veranstaltungen meine Uberlegungen über die Evolution des
menschlichen Gehirns sehr beeinflußt haben, möchte ich den jeweili
gen Leitern dafür danken. Das zweite Kapitel «Taung kommt nach St.
Louis» hätte ich ohne die Hilfe meiner Mitarbeiter Michael Vannier,
Jim Cheverud und Charles Hildebolt (alle von der Washington Uni
versity) nie zustande gebracht. Außerdem danke ich der National
Science Foundation und den National Institutes of Health für die
finanzielle Unterstützung unserer Forschungsarbeit
8 Braindance
Folgende Personen steuerten nützliche Ratschläge, kritische Ge
danken sowie einige Abbildungen bei: Este Armstrong, Bob Brain,
Michel Cabanac, Glenn Conroy, Elisabeth Davis, Irwin Flashman,
Lauren Gage, Gordon Gallup, Stanley Glick, Roland Guay, Terry
Harrison, Melissa Hines, Harry Jerison, Adam Kendon, Roger Lewin,
John Pfeiffer, Cynthea Riffle, Amy Robbins, Sue Savage-Rumbaugh,
Denise Schmandt-Besserat, Judy Torel, Russell Tuttle, Alan Walker,
Michael Zansky, Adrienne Zihlman und Betty Zimmerberg.
Während meines Studiums und meiner Promotion hatte ich das
unwahrscheinliche Glück, drei Mentoren zu haben, die meine wissen
schaftliche Ausbildung zur physischen Anthropologin und Paläoneu
rologin förderten. Obwohl man sie nicht für die Ansichten verant
wortlich machen kann, die in diesem Buch vertreten werden, wäre es
ohne die geistige Prägung und Unterstützung durch Charles A. Reed,
C. Loring Brace und den verstorbenen Leonard Radinsky niemals zu
diesem Buch gekommen.
Einführung
Vor schätzungsweise fünf Millionen Jahren trennte sich eine
Gruppe Menschenaffen von ihren Verwandten und schlug einen se
paraten Evolutionspfad ein, auf dem eines Tages der moderne Mensch
wandern sollte. Das denkwürdige Ereignis fand in Ostafrika statt, und
schon bald begannen unsere Vorfahren, auf zwei Beinen zu laufen. Es
war zu der Zeit, als die Kreaturen mit langen Armen, haariger Haut
und langen Schneidezähnen zu den ersten Hominiden wurden, die
in der Wissenschaft heute als Australopithecinen bekannt sind.
Als Charles Darwin 1859 «Die Entstehung der Arten» veröffent
lichte, entzündete er damit eine erbitterte Auseinandersetzung zwi
schen Kreationisten (den Anhängern der Schöpfungsgeschichte) und
den Evolutionisten bezüglich des menschlichen Ursprungs. Gut fünf
zig Jahre später hatten viele Wissenschaftler und auch Teile der Öf
fentlichkeit den Begriff der natürlichen Selektion in ihr (religiös ge
prägtes) Weltbild integriert und zum Teil sogar begonnen, diese Theo
rie bei der Fragestellung nach der Entstehung der Menschheit
einzusetzen. Allerdings konnten sich viele Zeitgenossen nur schwer
mit der Idee von einem «missing link» (einem fehlenden Glied in der
Evolutionskette) oder gar mit dem Gedanken anfreunden, der
Mensch stamme von äffischen Vorfahren ab. In einer oft zitierten
Diskussion über die menschliche Evolution soll die Frau des Bischofs
von Wareester 1860 gesagt haben: «Mein Gott, vom Affen sollen wir
abstammen! Wollen wir hoffen, daß es nicht wahr ist, und wenn ja,
dann laßt uns beten, daß es nicht überall bekannt wird.» Diese Hal
tung hat sich in den USA immerhin noch bis 1925 gehalten: In diesem
Jahr wurde der Lehrer John Scopes vor ein Gericht gestellt und ver
urteilt, weil er Schüler einer HighSchool in Dayton (Tennessee) in der
Evolutionstheorie unterrichtete.
10 Braindance
In einer mittlerweile klassischen Publikation aus demselben Jahr
berichtet der südafrikanische Anatom Raymond Dart über die erste
Entdeckung eines Australopithecinen, den fossilen Knochen eines
Hominidenkindes, die bei Taung (Südafrika) gefunden wurden. Darts
Exemplar besaß offenbar sowohl menschenaffenähnliche als auch
menschliche Züge. Angesichts des damaligen Zeitgeistes verwundert
es kaum, daß Dart die menschlichen Eigenschaften bei seiner Inter
pretation überbewertete und die äffischen herabspielte. Zu jener Zeit
war die Öffentlichkeit vermutlich eher darauf vorbereitet, einen mehr
menschlichen Vorfahren zu akzeptieren, als einen, der wie ein Men
schenaffe aussah. Sehr wahrscheinlich spielte dieser Umstand auch
im Unterbewußtsein vieler Wissenschaftler eine Rolle, die die Skelett
funde jener frühen Hominiden interpretierten.
Dart und seine Kollegen legten damals den Grundstein für eine
lange Tradition, in der die menschlichen Eigenschaften der Australo
pithecinen extrem betont wurden. Selbst heute gibt es noch Paläoan
thropologen der Alten Schule, die an einer stärkeren Menschenähn
lichkeit der Australopithecinen festhalten - insbesondere, was die
Entwicklung des zweibeinigen Ganges (Bipedie), die Zahnentwick
lung und das Aussehen des Gehirns betrifft. Heutige Forscher (u.a.
auch die Autorin) arbeiten mit modernen, teilweise ganz neuen Meß
techniken und Methoden, um die Fossilien von Australopithecinen
zu untersuchen. Dabei zeigt sich, daß Darts Australopithecinen größe
re Ähnlichkeiten mit Menschenaffen besaßen, als bisher angenommen
wurde.
Das bedeutet allerdings nicht, daß die Wissenschaft nun einhellig
diese Methoden unterstützt, bzw. daß in der Paläoanthropologie nicht
mehr geschulmeistert wird. Ganz im Gegenteil! Es entbrennen unter
den Wissenschaftlern hitzige Debatten über technische Details - bei
spielsweise, ob im Rahmen einer entwicklungsgeschichtlichen Studie
die Direktuntersuchungen an Fossilien oder Vergleichsstudien an Mo
lekülen lebender Arten aussagefähiger sind. Ein ähnliches Dilemma
herrscht bei den Kriterien für evolutive Verwandschaft Sollte man,
wie es die Kladistik vorschlägt, verschiedene Gruppenaufgrund spe
zieller (abgeleiteter) Merkmale unterscheiden, die möglicherweise
unbekannt sind? Oder sollte man aufgrundkompletter physiologi
scher Systeme trennen (d.h. entsprechend der funktionellen Morpho
logie)? Obgleich die Evolutionsbiologen heftig über die methodischen
Details aneinandergeraten, bewegen sie sich doch generell innerhalb
eines Konsens, der auf der darwinistischen Lehre fußt. Letztendlich
können ihre theoretischen Meinungsverschiedenheiten auf wissen-