Table Of ContentHANDBUCH
DER NORMALEN UND
PATHOLOGISCHEN
PHYSIOLOGIE
MIT BERUCKSICHTIGUNG DER
EXPERIMENTELLEN PHARMAKOLOGIE
HERAUSGEGEBEN VON
A. BETHE . G. v. BERGMANN
FRANKFURT A. lI. BERLIN
G. EMBDEN· A. ELLINGER t
FRANKFURT A. 111.
SECHSTER BAND / ZWEITE HALFTE
BLUT UND LYMPHE
ZWEITER TEIL
(c/1. 1. f-k. BLUT . C/II. LYMPHSYSTEM)
SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH
1928
'BLUT UND LYMPHE
ZWEITER TEIL
BLUT·LYMPHSYSTEM
BEARBEITET VON
w. GRIESBACH . B. HUBER . F. LAQUER . E. MEYER t
C. OEHME . H. OELLER . V. SCHILLING
R. SEYDERHELM
MIT 69 .A:BBILDUNGEN
SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH
1928
ISBN 978-3-642-89179-3 ISBN 978-3-642-91035-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-91035-7
ALE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER UBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
COPYRIGHT BY 1928 SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG
URSPRUNGLICH ERSCHIENEN BEI JULIUS SPRINGER IN BERLIN 1928
SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER IST EDITION 1928
Inhaltsverzeichnis.
Blut (Fortsetzung).
Seite
TIber die Gesamtblutmenge. Von Professor WALTER GRIESBACH-Hamburg 667
L Die direkte Blutmengenbestimmung _ . . . . _ . . . 668
II. Die indirekten Bestimmungsmethoden . . . . . . . . 669
Bestimmung der Blutmenge durch Farbstoffinjektionen 671
1. Der Farbstoff . . . . . . . . . . . . 672
2. Relatives Plasmavolumen. _ . . . . . . 674
Blutmengenbestimmung mit Brillantvitalrot. . 676
Blutmengenbestimmung mit Kongorot . . . . 677
Methodik der Blutmengenbestimmung nach W. SCHMIDT. 680
Die normale Blutmenge. . . . . . . . . . . 683
1. Die CO-Inhalationsmethode . . . . . . . 685
2. Farbstoffmethode . . . . . . . . . . . 686
Die Blutmenge unter pathologischen Verhaltnissen 688
1. Die Blutmenge bei Blutkrankheiten . . . _ . 688
2_ Die Blutmenge bei Nierenerkrankungen .. " 691
Die Blutmengenbestimmung bei Herz- und GefaBkrankheiten . 694
Zusammenfassung _... . _ _ . . . . . . . _ . . . . . 699
Die I,eukocyten. Von Professor Dr. RICHARD SEYDERHELM-Frankfurt a. M. 700
Schwankungen der Leukocytenzahlen im Blut beim gesunden Menschen . 701
Schwankungen der Leukocytenzahlen im Blut unter pathologischen Verhaltnissen 705
Das Leukocytenbild bei verschiedenen Krankheiten 706
Die polymorphkernigen Leukocyten 707
Die Lymphocyten _ . . . . . . . . . . 708
Eosinophile Leukocyten . . . . . . . . 709
Mastzellen ....... . . . . . . . 710
Die Mononuclearen und Ubergangsformen . 710
Das Auftreten von pathologischen Leukocytenformen im peripheren Blut 710
Die Leukocyten in anderen K6rperfliissigkeiten . 711
Die Leukocyten im Liquor cerebrospinalis 711
Die Leukocyten im Sputum. . . . 711
Die Leukocyten im Urin . . . . . 712
Die Leukocyten in Exsudaten 714
Die Leukocyten bei der Entziindung. 715
Blutblldung im Hochgebirge. Von Dr. FRITZ LAQUER-Elberferd 719
1. Die Veranderungen der Blutk6rperchen und des Hamoglobins . 720
a) Die alteren Untersuchungen . . . . . 720
b) Neuere Arbeiten . . . . . . . . . . 721
2. Die Bestimmungen der Gesamtblutmenge 724
a) Am Tier ............. 724
b) Am Menschen . . . . . . . . . . . 725
3. Die Beschleunigung der Blutregeneration 725
4. Capillarmikroskopische Untersuchungen . 727
:Qas Verhalten der weiBen Blutk6rperchen . 727
5. Uber die Ursachen der im Hochgebirge beobachteten Blutveranderungen . 727
VI Inhaltsverzeichnis.
Seite
Physiologie der blutbildendcn Organc. Von Professor Dr. VIKTOR SCHILLING-Berlin.
Mit 56 Abbildungen . . . . . . . . . 730
Einleitung . . . . . . . . . . . 730
A. Aligemeines iiber Blutzellenbildung 732
1. Embryonale Blutbildung . . . 732
2. Differenzierung der Blutzellstamme 736
3. Postembryonale Stammzellen der Blutbildung. 737
B. Das myeloisehe System fUr Erythropoese, Granuloeytopoese und Blutplattehen-
bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .744
1. Das Knoehenmark-Organ . . . . . . . . . . . 744
a) Spezielle Embryologie des Knoehenmarkorgans 745
b) Der anatomisehe Bau des Markorgans. . . 747
c) Hamatopoetisehe Leistung des Markorgans 755
2. Die Erythropoese . . . . . . . . . . . . . 761
a) Abstammung der Erythroeyten ..... 761
b) Die Entkernung der erythroeytaren Vorstufen im Marke (einschlieBlieh
erythrogener Plattehengenese) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763
c) Protoplasmareifung und basophile Substanzen als MaBstab der Erythro-
poese im Mark ................, . . . . . . . . . 770
d) Andere Verfahren zur Beurteilung der erythropoetischen Markfunktion 777
e) Ablauf der roten Blutregeneration im Knoehenmark; physiologisehe Reize 778
£) Physiologische' Folgerungen aus der Pathologie 781
3. Die Granuloeytopoese .................,.. 785
a) Die Abstammung der Granulocyten . . . . . . . . . . . . . 786
b) Der ReifungsprozeB der Granulocyten im Knoehenmarkorgan; Kern-
versehiebungslehre und Knochenmark . . . . . . . . . . . . 789
e) Die Regulierung der Knochenmarktatigkeit; endokrine Beeinflussung,
Hamopoetine, Leukolysine und Abbau der Granuloeyten; Nerventatigkeit 797
d) Die funktionelle Umgestaltung des Markorgans fUr die Granuloeytopoese;
Zusammensetzung des Markparenehyms . . . . . . . . . . 800
e) Funktionelle Kontrolle der Granulocytopoese. Das periphere Blutbild
(Granuloeytose) . . . . . . 809
4. Das Megakaryocytensystem . . 817
C. Das lymphoeytopoetisehe System. 822
1. Embryologie des lymphatischen Systems 822
2. Anatomie des lymphatisehen Gewebes . 825
3. Physiologisehe Reize und Funktionen der Lymphocytopoese 835
D. Das monoeytare System (Reticuloendothel) . . . . . . . . . 844
1. Abstammung des Monocyten . . . . . . . . . . . . . . 844
2. Das Retieuloendothel in Milz, Leber und Driisen als monoeytopoetisehes
Gewebe . . . . . . . . 855
a) Das Retieuloendothel 855
b) Milzstruktur 858
3. Hamatopoese in der Milz 868
4. Physiologie der Monoeytopoese 873
a) Monoeytose und Monopenie als physiologiseher MaBstab 874
b) Allgemeine Reaktion des Retieuloendothels als Stammgewebe der Mono-
eyten ...................... 877
e) Monoeytopoese und Entziindung . . . . . . . . . . 880
d) Milzfunktion als Reprasentant der Monoeytenfunktion. . . . . 881
Zusammenfassung fiir Monocyten . . . . . . . . . . . . . . . . 884
SehluB: Das Zusammenspiel der hamatopoetisehen Organe im Blutbilde 884
Anhang ..................... 892
Blutkrankheitcn. Von Professor Dr. ERICH ::\iEYERt-Giittingen 895
L Die Anamien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 897
1. Die Blutungsanamie . . . . . . . . . . . . . . . . 901
2. Dureh unzweckmaBige Ernahrung hervorgerufene Anamien 902
3. Toxiseh bedingte Anamien. . . . . . 903
Die Chlorose. . . . . . . . . _ . . . . . 909
Leukamien und verwandte Zustande 911
Erythriimien (Polyeythamien, Polyglobulien) 918
Inhaltsverzeichnis. VII
Lympbsystem.
Seite
Das Lymphsystem. Von Professor Dr. CURT OEHME-Heidelberg. Mit einer Abbildung 925
Anatomische Vorbemerkungen ....... . 925
I. Anatomie ............ . 925
II. Menge und Beschaffenheit der Lymphe 930
III. Die Bildung der Lymphe . .. .. 935
1. Der hamodynamische Faktor . . . 937
a) Das mechanische Modell .... 937
b) Physiologisches . . . . . . . . 939
2. Der physikalisch-chemische Faktor . 954
a) Diffusion, Osmose ........... . 954
b) Kolloidosmotischer Druck der PlasmaeiweiBkorper. 960
c) Kolloidzustand, Quellung usw. Bedeutung der Oberflachenentwick
lung. Adsorption . . . . . . 966
d) Membran und Ionen ..... 968
3. Der cellularphysiologische Faktor 975
IV. Die Bewegung der Lymphe. 989
V. Die Lymphherzen ........ . 992
Lymphdriisen und lymphatisches System. Von Professor Dr. HANS OELLER-
Leipzig. Mit 8 Abbildungen . . . . . . . 995
Erster Teil.
I. Bestandteile des lymphaHschen Systems . . 997
A. Die Lymphcapillaren und LymphgefaBe . 997
. B. Die Lymphorgane. . . . . . . . . . 1000
1. Einfach gebaute Lymphorgane. . . 1000
2. Die Lymphdriisen ....... '.' 1027
3. Verschiedene Lymphdriisentypen. . 1038
4. Lymphbewegung im Lymphknoten . 1040
5. Blutlymphdriisen • . . . . . . . . 1044
Bau der Blutlymphdriisen . . . . 1045
6. Die Milz . .. . . . . . . . . . . . 1055
II. Funktion des Lymphapparates . . . . . . . .. ..... 1062
A. Lymphatisches System und Lymphocytenbildung-Keimzentren 1063
B. Funktion der Lymphocyten . . . . . . . . . . . . . . . . 1083
Zweiter Teil.
Pathologisch-physiologischer Anhang •.................. 1085
1. Regeneration von LymphgefaBen und Lymphdriisen . . . . . . . . . 1085
2. Hyperplasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1086
3. Status lymphaticus, Status thymico-Iymphaticus, Status hypoplasticus,
Lymphatismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1090
4. Lymphapparat als Schutz- und Filterorgan . . . . . . . . . . . . . 1094
5. Beteiligung des lymphatischen Gewebes bei der Pigmentaufnahme .. 1104
Der Wasserhaushalt der Pflanzen. Von Privatdozent Dr. BRUNO HUBER-Freiburg i. Br.
Mit 4 Abbildungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1110
1. Einleitung . . . . . 1110
2. Die Wasserabgabe. . . . . . . . . . . . . . . . . 1111
3. Die Wasseraufnahme. . . . . . . . . . . . . . . . 1114
4. Die Wasserleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . 1117
a) Bau und Beanspruchung des Wasserleitungssystems 1118
b) Die bei der Wasserleitung wirksamen Krafte 1120
5. Das Xerophytenproblem 1125
SacHverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . 1127
TIber die Gesamtblutmenge.
Von
WALTER GRIESBACH
Hamburg.
Zusammenfassende Darstellungen.
DOMARUS, A. v.: Methodik und Blutuntersuchung. Berlin: Julius Springer 1921.
ERLANGER, J.: Blood Volume and its Regulation. Physiol. reviews Bd. 1, Nr.2. 1927.
PLESCH, J.: Hamodynamische Studien. Zeitschr. f. expo Pathol. u. Therap. Bd. 6, S. 380.
1909. - PLESCH, J.: Untersuchungen tiber die Physiologie und Pathologie der Blutmenge.
Zeitschr. f. klin. Med. Bd.93, S.241. 1922. - SEYDERHELM, R., U. W. LAMPE: Die Blut
mengenbestimmung und ihre klinische Bedeutung. Ergebn. d. inn. Med. u. Kinderheilk.
Bd. 27. 1925.
Die Bestimmung del' Gesamtblutmenge am lebenden Menschen odeI' Tiere
bildet schon seit langem ein Ziel physiologisch-methodischer Forschung, ohne
daB es trotz aller darauf gerichteter Bemuhungen bisher gelungen ware, dassel be
unter Erfullung del' notwendigen Anspruche an Exaktheit zu erreichen. Das
ist nicht wunderbar, und die Bestimmung del' Blutmenge ist darin zu vergleichen
mit del' Bestimmung des Herzschlagvolumens und del' Stromungsgeschwindigkeit
des Blutes, die gleichfalls GroBen darstellen, deren Ermittlung bei intaktem
GefaBsystem direkte Untersuchungsmethoden ausschlieBt., Die direkte Bestim
mung del' Blutmenge ist mit dem Weiterleben des untersuchten Organismus
nicht vereinbar, weil sie eben darin besteht, daB man das Blut, soweit moglich,
aus den eroffneten GefaBen ausflieBen laBt und den Rest durch weitgehende
Durchspulung und schlieBliche Zerstuckelung und Auspressung samtlicher
Gewebe auf ein dem wahren Wert moglichst nahe kommendes MaB zu erganzen
sich bestrebt. Die indirekten Methoden, deren eine groBe Zahl erdacht worden
ist, beruhen zum weitaus groBten Teile darauf, daB man entweder VOl' und nach
Verdunnung des Blutes die quantitativen Veranderungen eines charakteristischen
Blutbestandteils, wie Hamoglobin, Erythrocyten, PlasmaeiweiB, Trocken
substanz, Kochsalz, Hamatokritwert, ermittelt, odeI' daB man die Verdunnung
miBt, welche in das Blut eingefUhrte entweder plasmalosliche Korper, wie Farb
stoffe, fremdes Blut und Serum, Antitoxin, Dextrin, Gummi und Gelatine, odeI'
an die Blutkorperchen gebundenes Gas, namlich Kohlenoxyd, erleiden. Die
Genauigkeit del' indirekten Methoden wurde kontrolliert durch die direkte Be
stimmung durch Ausblutung, wenigstens beim Tier, und es ist auffallend, daB
fast alle Urheber einer indirekten Methode eine gute Ubereinstimmung mit den
so gewonnenen Kontrollen angeben, wobei dann abel' trotzdem die nach vel'
schiedenen Methoden gewonnenen Werte stark voneinander abweichen, woraus
hervorgehen durfte, daB auch die direkte Bestimmung del' Blutmenge an dem
sich verblutenden Tiere sehr schwierig ist, zahlreiche Fehlerquellen enthalt und
somit in del' Hand verschiedener Untersucher zu ebenso verschiedenen Resultaten
gefUhrt hat. Sehr bedauerlich ist es, daB unsere Kenntnis uber die Blutmenge
Handbuch de. Physiologie VI. 42 b
668 W. GRIESBACH: Uber die Gesamtblutmenge.
des Menschen sich auf nur zwei vor sehr langer Zeit von WELCKER und BISCHOFF
(1854) mit ganz unzureichenden Instrumenten an Hingerichteten ausgefiihrte
Bestimmungen stiitzt, die zu dem seither dogmat,isch iibernommenen Wert von
1/13 des Korpergewichts gefiihrt haben.
Die Wichtigkeit der Gesamtblutmengenbestimmung fiir die normale und
vor allem fUr die pathologische Physiologie liegt auf der Hand. Sie ist unent
behrlich fiir die Erforschung der Dynamik des normalen und des krankhaft
veranderten Kreislaufs, fiir die Losung sehr alter klinischer Probleme, die sich
an die bisher schwer faBbaren Begriffe der Oligiimie, der Plethora und der Hy
driimie kniipfen. Sie muB die wichtigsten Aufschliisse geben fUr die Erforschung
der Aniimien und der Polycythiimie und damit zusammenhangende Fragen der
Blutregeneration.
Wenn wir bisher den Begriff der "Gesamtblutmenge" gebraucht haben
und im weiteren Verlaufe dieser Abhandlung gebrauchen werden, so ist dazu zu
bemerken, daB es vielleicht schon unter normalen, ganz sicher aber unter krank
haften Verhaltnissen beim Menschen GefaBbezirke von nicht zu berechnender
Ausdehnung gibt, in denen das Blut langsamer kreist als in anderen, ja, daB es
sogar Zustande gibt, die wir als "Stase" beim Wundshock, bei Entziindungen,
bei Kreislaufschwache kennen, bei denen die Blutzirkulation fast unmerkbar
langsam vor sich geht. Die Bedeutung der Milz als Reservoir nicht zirkulierenden
Blutes geht aus den schonen Untersuchungen BARCROFTS hervor. Es erhellt
ohne weiteres, daB diese Tatsache den Wert der indirekten Verdiinnungsmethoden
einschrankt, und man hat sich aus dieser VerIegenheit zu helfen versucht, indem
man unter dem Begriff der Gesamtblutmenge nur die Menge des normal zir
,kulierenden Blutes verstehen will. Es ist klar, daB hiermit von vornherein eine
zahlenmaBig nicht bestimmbare und in jedem Falle stark schwankende Un
genauigkeit mit in Kauf genommen werden muB. - Weiterhin ist zu unter
scheiden zwischen der Bestimmung der absoluten und der relativen Elutmenge.
Zahlreiche Arbeiten der letzten Jahre, insbesondere von W. H. VEIL, NONNEN
BRUCH, OEHME haben sich mit den Veranderungen der letzteren eingehend be
schaftigt, die verhaltnismaBig Ieicht faBbar sind und eben nur die relativen Be
ziehungen einer neuen Blutmenge zu der vorher vorhandenen, ihrem absoluten
Werte nach aber unbekannten, angeben. Hier solI im wesentlichen von der
Bestimmung der absoluten Werte die Rede sein, und nur wo solche fehlen, auf
die relativen zuriickgegriffen werden. Ein kurzer Uberblick iiber die alteren
Bestimmungsmethoden moge zum genaueren Verstandnis der modernen Ver
fahren dienen, wobei fiir Einzelheiten auf die vorliegenden alteren Zusammen
stellungen hingewiesen sei.
I. Die direkte Blutmengenbestimmung.
Diese beruht auf dem Auffangen des durch Verblutung gewonnenen Blutes
und wurde zuerst von WELCKER 1854 an Tieren, von BISCHOFF an zwei Hin
gerichteten ausgefiihrt. Sie ist in neuerer Zeit von HEIDENHAIN, F. MULLER
und besonders von FLESCH verbessert worden, auf dessen Angaben hinzuweisen
ist (s. "Hamodynamik"). Nachdem durch ()ffnung der Carotiden die Haupt
menge des Blutes aus den Arterien ausgeflossen und durch Oxalat ungerinnbar
gemacht worden ist, wird das ganze Tier von der Jugularis aus mit O,9proz.
KochsalzlOsung ausgewaschen, bis dasselbe nach Anwendung von kiinstlicher
Atmung und Auspressen des zuriickgebliebenen Elutes durch Massage farblos
herausfIieBt. Dann werden die Organe, mit Ausnahme der Haut, .der Galle,
der Augen, des Zentralnervensystems und des Darminhalts, in der Buchner-
Die indirekten Bestimmungsmethoden. 669
presse ausgepreBt und der PreBsaft gleichfalls zur Untersuchung verwendet.
Man kann dann unter Anwendung eines Prazisionsinstrumentes (Chromophoto
meter von PLESCH) den Hamoglobingehalt der Waschfliissigkeit mit einer vor
der Entblutung entnommenen Blutprobe des Tieres vergleichen und, unter
Kenntnis der zum Spiilen verwendeten Fliissigkeitsmenge, in einfacher Weise
die Blutmenge errechnen. Wird diese Methode unter den von PLESCH ange
gebenen Kautelen ausgefUhrt, so diirfte sie nach seinen Angaben eine zuver
lassige Grundlage fUr die Beurteilung der indirekten Methoden darstellen.
Neuerdings hat HARRIS 1 die WELCKERsche Methode in der Weise modifiziert,
daB er das bei der Entblutung dem Tiere verlorengehende Blut in gleichem
Betrage durch Gummi- und Salzli:isung nach BAYLISS ersetzt. Auf die Weise
wird unter Konstanterhaltung des Fliissigkeitsvolumens die Eigenzirkulation
des Tieres in Gang erhalten, bis nach ca. 1 Stunde etwa 9/10 des Gesamthamo
globins herausgewaschen sind. Ehe das Tier stirbt, wird eine Probe der noch
gefarbten Durchspiilungsfliissigkeit mit einer vorher entnommenen Blutprobe
colorimetrisch (Kohlenoxyd-Hamoglobin) verglichen. Dann wird aus dem in
Verlust geratenen Hamoglobin und aus der Kenntnis des Durchspiilungsvolumens
die Blutmenge errechnet. Da es sich um blutisotonische Losungen handelt,
konnten auch vergleichende Zahlungen der Erythrocyten vorgenommen werden,
die mit den Hamoglobinwerten ausgezeichnet iibereinstimmten. Das auf diese
Weise ermittelte Blutvolumen des Hundes betragt ca. 7 % des Korpergewichts,
wahrend PLESCH fUr gesunde Hunde 8,57 % gefunden hat. Es ist nicht ausge
schlossen, daB unter den hochgradig anoxybiotischen Verhaltnissen der HARRIS
schen Methode eine Durchlassigkeit der Capillaren zustande kommt. Am Men
schen ist, wie oben erwahnt, die direkte Methode in neuerer 4eit nicht angewandt
worden, so daB hier noch die alten Werte: Blutmenge = 1/13 oder 7,4% des
Korpergewichts - sich in der Literatur fortgeerbt haben.
II. Die indirekten Bestimmungsmethoden.
Die groBe Zahl der einschlagigen Verfahren soIl hier um so weniger auf
gefUhrt werden, als der groBte Teil derselben als veraltet nicht in Betracht
kommt. Mit Ausnahme der von MORAWITZ angegebenen plethysmographischen
Methode stellen sie samtlich Verfahren dar, bei denen entweder das Blut durch
Infusion groBerer Fliissigkeitsmengen verdiinnt wird, so daB aus den Werten
als konstant angenommener Blutbestandteile vor und nach der Verdiinnung die
Blutmenge errechnet werden muB, oder aber solche, die die Verdiinnung einer
im Blute nicht veranderlichen, in dasselbe gebrachten Substanz in Rechnung
zu setzen erlauben. Die zur ersten Kategorie gehorenden Methoden miissen
siimtlich als obsolet bezeichnet werden, da es heutzutage als gesichert gel ten
kann, daB eine in das Blut injizierte Wassermenge, auch wenn sorgfaltig isotonische
Bedingungen eingehalten werden, in kiirzester Zeit durch die Capillaren aus
tritt, wodurch eine zu geringe Verdiinnung des Blutes vorgetauscht wird. Nur
Losungen von Kolloiden vermogen, wie die Untersuchungen von KESTNER,
BAYLISS, CANNON u. a. gezeigt haben, durch ihren hohen Quellungsdruck ihr
Losungswasser festzuhalten, doch verbietet sich die Injektion groBer Mengen
kolloidaler Losungen, besonders beim Menschen, aus vielerlei Griinden.
Wegen der prinzipiellen Wichtigkeit sei hier angefUhrt, daB zuerst VALENTIN
die Blutmenge durch Bestimmung der Trockensubstanz vor und nach Injektion
von destilliertem Wasser am Tiere ausfiihrte. COHNSTEIN und ZUNTZ nahmen
1 HARRIS, L. T.: Brit. journ. of expo pathol. Bd. 1, S. 142. 1920.
42b*
w.
670 GRIESBACH: Uber die Gesamtb1utmenge.
Blutk6rperchenzahlungen vor und nach Injektion von physiologischer Kochsalz
lOsung vor, wwhrend QUINCKE nach dem Vorgang MALLASSEZ Transfusion von
Blut mit bekanntem Erythrocytengehalt machte und aus der Summierung
dieser Werte mit dem ebenfalls bekannten Blutk6rperchengehalt des Empfangers
die Blutmenge errechnete, ein Verfahren, das sich in der Praxis nicht bewahrt
hat. In modifizierter :Form hat neuerdings LINDEMANN 1 diese Methode wieder
aufgenommen und die Veranderungen des Blutk6rperchenvolumens nach einer
groBen Bluttransfusion bestimmt. KOTTMANN bestimmte in sehr sorgfaltiger
Weise den Hamatokritwert vor und nach Infusion von 200bis 300 cern iso
tonischer KochsalzlOsung, wahrend PLESCH unter ahnlichen Bedingungen die
Hamoglobinwerte in Vergleich setzte. Neuerdings hat L6wy2 beim Menschen
500 cern isotonische TraubenzuckerI6sung injiziert und aus der Abnahme der
Kochsalzwerte die Blutmenge errechnet. BOENHEIM und FISCHER3 glauben
aber diese Methode ablehnen zu miissen, da die Ermittlung der Kochsalzwerte
mit der BANGSchen Mikromethode zu ungenau sei.
1m Gegensatz zu diesen Methoden hat ein Verfahren sehr viel gr6Bere Be
deutung erhalten, das von GREHANT und QUINQUAUD zuerst angegeben, von
HALDANE und SMITH zuerst am Menschen angewandt und von ZUNTZ, OERUM
und besonders von PLESCH in groBen Versuchsreihen praktische Anwendung
gefunden hat. Es beruht darauf, daB eine bestimmte ungiftige Menge von Kohlen
oxyd eingeatmet wird. Dieses wird an das Hamoglobin gebunden, und wenn
man dann den Kohlenoxydgehalt einer entnommenen Blutprobe in Beziehung
setzt zu dem maximalen Sattigungsverm6gen desselben Blutes (vor der Ein
atmung) fiir Kohlenoxyd, so ergibt sich rechnerisch sehr einfach daraus die
Menge des im K6rRer vorhandenen Hamoglobins bzw. die Gesamtblutmenge.
Wahrend HALDANE und SMITH den Kohlenoxydgehalt durch Titration mit
CarminlOsung ermittelten, haben ZUNTZ und PLESCH denselben durch Ver
brennungsanalyse in auBerordentlich exakter Weise bestimmt. Wegen der
technischen Einzelheiten sei auf das Werk von PLESCH verwiesen. Wenn auch
PLESCH der Meinung ist, daB das CO-Verfahren nicht sehr schwer auszufiihren
ist, so muB doch festgestellt werden, daB sich dasselbe trotz seiner theoretisch
und praktisch glanzenden Durcharbeitung nicht einzubiirgern vermocht hat.
Es erford~:rt imm~rhin eine nmRt,andliche und kostspioligo Apparatul' lInrl kll,llll
zW(lifcllos nul' in den Hiindcn von gai>lanalytisch eingcarbciteten Untersuchern
brauchbare Werte crgcben. Was nun die mit dem CO-Verfahren erhaltenen
Werte angeht, so erhielten beim Menschen HALDANE und SMITH im Durch
schnitt 4,8%, PLESCH 5,3% = 1/19 des K6rpergewichts beim Normalen, DOUGLAS
fand 7,6 bzw. 8,4%, OERUM 5,6% im Durchschnitt. Man sieht also, daB die
gleiche Methode in der Hand verschiedener Untersucher stark voneinander ab
weichende Werte ergibt, und ERLANGER4 ist der Meinung, daB diese Unter
schiede auf Differenzen in der Mischungszeit (s. u.) zuriickzufiihren sind, da die
h6chsten Werte bei der langsten Mischungszeit sich ergaben. Die einzige, von
HALDANE und SMITH als in Betracht kommend angegebene Fehlerquelle der
Methode besteht in der Bindung des CO an das Muskelhamoglobin, was nach
ihnen einen VerIust von h6chstens 1/20 des eingeatmeten CO ausmachen kann
und nach PLESCH zu vernachlassigen ist; aber selbst wenn durch diese Be
stimmung und Adsorption des CO an die Gewebe ein VerIust desselben eintreten
sollte, so miiBten die Ergebnisse dahin verandert werden, daB sie zu hohe Blut-
LINDEMANN, E.: Journ. of the Americ. med. assoc. Bd. 70, S. 1209 u. 1292. 1918.
1
2 L6wy, J.: Zentra1bl. f. inn. Med. 1920, S.337.
3 BOENHEIM u. FISCHER: Zentra1bl. f. inn. Med. 1920, S.553.
ERLANGER, J.: Physiol. reviews Bd. 1, S.177.
4