Table Of ContentWelf Wawers
Bionik
Bionisches Konstruieren verstehen und
anwenden
Bionik
Welf Wawers
Bionik
Bionisches Konstruieren verstehen
und anwenden
Welf Wawers
FB 03 Elektrotechnik Maschinenbau Technikjournalismus
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS)
Sankt Augustin, Deutschland
,
ISBN 978-3-658-31872-7 ISBN 978-3-658-31873-4 (eBook)
https://doi.org/10.1007/978-3-658-31873-4
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Lektorat: Thomas Zipsner
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V
Otto Lilienthal in einem seiner Gleitflugapparate, überlagert von einem Storch,
dem von Lilienthal für seine Studien bevorzugtem biologischen Vorbild.
Für Christa
VII
Vorwort
Die Bionik verbindet Biologie und Technik. Wer sich für die Bionik zu interessieren
beginnt, wird bei einer Literaturrecherche schnell Ergebnisse dieser Verbindung in Form
von Übertragungen biologischer Prinzipien in technische Anwendungen finden.
Die Bionik ist aber nicht nur eine faszinierende Wissenschaft, die tief in das Gebiet der
Biologie eindringt und dort erstaunliche Prinzipien aufzeigt. Sie ist auch eine Ergänzung
konventioneller Konstruktionsmethoden der Ingenieurwissenschaften. Die Fragen, denen
der Autor als Ingenieur und Konstrukteur in den Kernthemen des vorliegenden Buches
nachgeht, drehen sich dementsprechend darum, wie die Verbindung der beiden
Wissensgebiete vonstattengeht. Woher stammen die Ideen, bestimmte biologische
Prinzipien auf gewisse technische Anwendungen zu übertragen? Welche Regeln sind bei
der Übertragung bzw. der Anwendung der Bionik an sich zu beachten, über welches
Hintergrundwissen (biologisch und technisch) sollte ein Anwender* verfügen, und
welche Faktoren entscheiden letztlich über den Erfolg einer gelungenen Übertragung?
Einige Antworten finden sich verstreut in unterschiedlichsten Literaturquellen. Diese für
einen breiten Leserkreis zusammenzufassen und die noch vorhandenen Lücken zu füllen,
ist eine der Kernaufgaben, denen sich der Autor widmet. Die andere besteht darin, auf
Grundlage der konventionellen Konstruktionstechnik und unter Berücksichtigung der
Besonderheiten der Bionik eine Methodik des bionischen Konstruierens aufzustellen,
und den Leser letztlich zur Durchführung bionischer Projekte zu befähigen. Weitere
Themen runden den Blick des Anwenders auf das Wissens- und Arbeitsgebiet der Bionik
ab. Wie erfolgt die Ausbildung zum Bioniker, wie ist diese Wissenschaft entstanden und
wie sehen ihre Zukunftsaussichten aus, und wie fügt sich die Bionik in die heute einen
immer größeren Stellenwert einnehmende Nachhaltigkeit ein.
Ein großer Dank für die sehr gute und hilfreiche Unterstützung bei der Erstellung dieses
Fach- und Lehrbuchs geht an das Lektorat Maschinenbau der Springer Fachmedien
Wiesbaden GmbH und hier insbesondere an Herrn Thomas Zipsner und Herrn Eric
Blaschke. Ebenso danke ich meinen Kollegen der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg für die
Unterstützung bei fachübergreifenden Fragestellungen. Nicht zuletzt gebührt mein
besonderer Dank auch meiner Familie.
Dormagen, August 2020
Welf Wawers
* Aus Gründen der Lesbarkeit wird nur die männliche Form verwendet, wobei alle anderen
Geschlechter mitgemeint sind.
IX
Inhalt
1 Einleitung und Motivation .......................................................................................... 1
2 Bionik als Wissenschafts- und Arbeitsgebiet .............................................................. 5
2.1 Die Natur – Pool für die Lösungsfindung technischer Anwendungen .................. 6
2.2 Herkunft und Definition des Begriffs Bionik ...................................................... 13
2.3 Inhalte, Aufgaben und Merkmale der Bionik ..................................................... 15
2.4 Abgrenzung der Bionik zu benachbarten Wissenschaftsgebieten ....................... 26
2.5 Entwicklung und aktueller Stand der bionischen Forschung ............................... 30
2.6 Bionik als Studienfach und Arbeitsgebiet ........................................................... 45
3 Biologische Basisinformationen ............................................................................... 51
3.1 Artenvielfalt ........................................................................................................ 52
3.2 Biologische Evolution ......................................................................................... 58
3.3 Aufbau und Funktion biologischer Systeme ........................................................ 61
3.3.1 Die Struktur organischer Materie ................................................................ 61
3.3.2 Die Zelle als Grundbaustein des Lebens ..................................................... 68
3.3.3 Biologische Materialien .............................................................................. 73
3.3.4 Biologische Oberflächen ........................................................................... 101
3.3.5 Biologische Konstruktionsprinzipien ........................................................ 113
3.3.6 Biologische Sensoren ................................................................................ 117
4 Die Natur nachbauen – Ingenieurwissenschaftliche Grundlagen ............................ 157
4.1 Die klassische Konstruktionstechnik ................................................................. 158
4.1.1 Technische Systeme .................................................................................. 162
4.1.2 Konstruktionsmethodik ............................................................................. 164
4.1.3 Maschinenelemente ................................................................................... 198
4.1.4 Festigkeitsrechnung, FEM-Simulation und Topologieoptimierung .......... 200
4.1.5 Technische Dokumentation und CAx-Prozessketten ................................ 205
4.2 Physikalisch-technische Übertragbarkeit der Mikro- und Makrowelt ............... 207
4.2.1 Größenskalierung und Modellableitung .................................................... 208
4.2.2 Reibung ..................................................................................................... 214
4.2.3 Adhäsions- oder Oberflächenkräfte .......................................................... 218
4.2.4 Fluidik: Die Reynolds-Zahl ...................................................................... 221
4.3 Reverse Engineering – Nachbauen mit Methode .............................................. 223
4.4 Neue Gestaltungsmöglichkeiten durch additive Fertigung ................................ 229
4.4.1 Grundlagen der 3D-Drucktechnologie ...................................................... 234
5 Das bionische Konstruieren .................................................................................... 243
5.1 Grundlagen bionischer Projekt- und Forschungsansätze ................................... 243
X Inhalt
5.2 Methodik des bionischen Konstruierens im Technology Pull-Ansatz .............. 247
5.2.1 Grundlagen der Ideenfindung im technologischen Ansatz ....................... 249
5.2.2 Diskursive Methodik der Ideenfindung mit direktem Suchansatz ............ 263
5.2.3 Anwendungsbeispiel Ideenfindungsphase für Neukonstruktion ............... 271
5.2.4 Analyse ..................................................................................................... 279
5.2.5 Analogiebetrachtung ................................................................................. 281
5.2.6 Abstraktion und Übertragung ................................................................... 287
5.3 Technische Umsetzung ..................................................................................... 290
5.4 Methodik des bionischen Konstruierens im Biology-Push-Ansatz ................... 291
6 Biologische Optimierungs- und Entwicklungsstrategien ........................................ 295
7 Die Bionik vermarkten - Patentierte Patente der Natur .......................................... 305
8 Bionik und Nachhaltigkeit ...................................................................................... 309
Anhang ......................................................................................................................... 313
Bildquellen ................................................................................................................... 323
Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 331
Sachwortverzeichnis ..................................................................................................... 351
1
1 Einleitung und Motivation
Kaum ein anderer Wissenschaftszweig hat in der Öffentlichkeit ein derartig positives
Image wie die Bionik. Steht sie doch für eine erfolgreiche Verbindung von Biologie –
also der Natur – und Technik. Wobei die Natur den Ton angibt, „von der Natur lernen“
ist wahrscheinlich der häufigste Satz, der in diesem Zusammenhang fällt. Für die
Wissenschaft ist und bleibt die Bionik ein faszinierendes Forschungsgebiet. Aufgestellt
wurden die Gleichungen der Physik von Menschen, aber es gibt Tiere, die sich
anscheinend nicht daran halten wollen. Und so lautet in Anbetracht eines kopfüber an
einer Glasplatte laufenden, das newtonsche Gravitationsgesetz scheinbar ignorierenden
Geckos ein weiterer häufig zu hörender Satz „Wie machen die das?“ Die Bionik
versucht sogar noch über die Beantwortung dieser Frage hinaus zu gehen, „und wie kann
man das nachmachen?“
Abb. 1-1 Wieso fällt er nicht? Gecko an einer Felswand
In vielen wissenschaftlichen und auch populärwissenschaftlichen Büchern und
Abhandlungen wird die Bionik ausführlich einem breiten Publikum erklärt. Zumeist
wird anschaulich an vielen Beispielen, insbesondere an allgemein bekannten
Erfolgsgeschichten wie dem Lotus-Effekt®1 oder dem Klettverschluss, der Ablauf von
der „Naturentdeckung“ bis zur fertigen technischen Anwendung dargestellt. Kletten
haften hartnäckig an Kleidung, Fell und Haaren, und das auch immer wieder, wie der
Entfernungsversuch schnell zeigt. Eine technische Anwendung, wiederverschließbare
Verschlüsse, ist schnell gefunden, das biologische Prinzip, flexible Widerhaken, mit
einem einfachen Mikroskop schnell aufgeklärt. Die mit dem patentierten Prinzip
gegründete Firma soll in der Anfangszeit einen Gewinn von 30 Millionen Dollar/Jahr
erzielt haben [Nac13a], ist nach wie vor Weltmarktführer für Klettverschlüsse und setzt
mit 3.000 Mitarbeitern rund 250 Millionen Dollar jährlich um [Bio14-2].
1 Lotus-Effekt ist ein eingetragener Markenname der Sto SE & Co. KGaA
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH,
ein Teil von Springer Nature 2020
W. Wawers, Bionik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31873-4_1
2 1 Einleitung und Motivation
Bionik verstehen heißt nicht, Bionik anwenden zu können
So unkompliziert und erfolgreich kann Bionik funktionieren – doch leider ist der
Klettverschluss eine sehr große Ausnahme. Allein für die beiden Grundschritte, ein
biologisches Prinzip finden und mit einer technischen Anwendung verknüpfen
(Ideenfindung), sowie das biologische Prinzip verstehen (Analyse), sind in der Regel
enorme und sehr langwierige Anstrengungen notwendig, die auch nicht immer von
Erfolg gekrönt sind. Nur selten wird dies in den die Bionik beschreibenden Büchern
erwähnt. Auch Ratschläge oder Anweisungen zum wissenschaftlich-systematischen
Vorgehen bei der Bearbeitung dieser Schritte fehlen häufig, oder besitzen nicht die
notwendige Tiefe.
A bb. 1-2 REM-Aufnahme der
F rucht des Kletten-Labkrauts, 100-
f ach vergrößert
Abb. 1-3 Klettverschlussvariante,
Widerhaken 10-fach vergrößert
Zwar finden sich zuweilen Hinweise, dass die Umsetzung der Bionik das Know-how
und die enge Zusammenarbeit von Biologen und Ingenieuren benötigt. Wie diese
Zusammenarbeit aussieht, und wie die in der Entwicklung hauptsächlich Ingenieure
beschäftigenden Unternehmen des produzierenden Gewerbes auf Biologen zugreifen
können, wird aber in den meisten Fällen offen gelassen. Und das bionische Projekt endet