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Bewertung von Optionen auf unvollständigen Märkten
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Sven Husmann
Bewertu ng von
Optionen auf unvoll
ständigen Märkten
Mit einem Geleitwort
von Prof. Dr. Lutz Kruschwitz
Deutscher Universitäts-Verlag
Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme
Husmann, Sven:
Bewertung von Optionen ouf unvollständigen Märkten / Sven Husmann.
Mit einem Geleitw. von lutz Kruschwitz. -1. AuR ..
-wiesbaden : Dt. Univ.-Verl., 2002
(Gabler Edition Wissenschaft)
Zug!.: Berlin, Freie Univ., Diss., 2001
ISBN 978-3-8244-7588-9 ISBN 978-3-322-90282-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-90282-5
D 188
1. AuRage März 2002
Alle Rechte vorbehalten
© Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden, 2002
lektorat: Brigitte Siegel / Jutta Hinrichsen
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ISBN 978-3-8244-7588-9
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Geleitwort
Die Optionspreistheorie in der Tradition von Black und Scholes setzt voraus, dass die Fi
nanzmärkte vollständig und arbitragefrei sind. Sind solche Bedingungen gegeben, lassen
sich Derivate präferenzfrei bewerten. Der Charme dieses erfolgreichen Konzeptes stellt
zugleich seine größte Schwäche dar. Präferenzfreie Bewertung gelingt nur dort, wo man
Optionen im Grunde gar nicht braucht, weil sie aus am Markt gehandelten Assets je
derzeit perfekt rekonstruiert werden können. Hier setzt die Arbeit von Husmann an. Er
gibt die Annahme vollständiger Märkte auf. Um dann trotzdem Bewertungsgleichungen
für Derivate entwickeln zu können, muss er natürlich einen Preis bezahlen. Dieser Preis
besteht darin, dass Vorstellungen über die Nutzenfunktionen der Marktteilnehmer ein
geführt werden müssen. Präferenzfreie Bewertung ist nicht mehr möglich.
Verschiedene Autoren haben sich mit der Frage auseinander gesetzt, innerhalb welcher
Grenzen sich die theoretischen Preise von Optionen befinden müssen, wenn man Arbitra
gefreiheit unterstellt und allgemeine Anforderungen an Nutzenfunktionen (z.B. CARA
Funktionen) voraussetzt. Diesen Weg verfolgt Husmann nicht weiter, was sich mit den
eher bescheidenen Resultaten dieses Konzepts wohl begründen lässt. Hinsichtlich der
Präferenzen unterstellt er vielmehr entweder Erwartungswert-Varianz- oder Erwartungs
nutzenfunktionen und nimmt im Übrigen an, dass die Cashflows des Underlyings und der
Optionen bivariat lognormalverteilt sind. Vergleichbare Arbeiten kann man erstaunlicher
weise bisher fast an einer Hand abzählen.
Die Arbeit behandelt drei Fragen. Zum Ersten geht es um die Bewertung von Optionen
im Rahmen des Capital Asset Pricing Models (CAPM). Danach wendet sich Husmann
der Bewertung von Derivaten im Time State Preference Model (TSPM) zu. Schließlich
geht es um die Schätzung impliziter Erwartungen und Beta-Faktoren.
Die Bewertung von Optionen im CAPM kann auf negative Preise führen. Das haben
Jarrow und Madan 1997 nachgewiesen. Voraussetzung ist, dass die Ausübungspreise hin
reichend hoch sind. Da da.~ CAPM ein Gleichgewichtsmodell ist und negative Options
preise auf die Existenz von Arbitragegelegenheiten aufmerksam machen, haben wir also
ein Gleichgewichtsmodell vor uns, das nicht arbitragefrei ist. Ein schreckliches Ergebnis!
Üblicherweise geht man doch davon aus, dass Gleichgewicht stets auch Arbitragefreiheit
impliziert. Während Jarrow und Madan sich aber auf die Feststellung beschränken, dass
das CAPM schlicht inkonsistent ist, dreht Husmann den Spieß um: Sollte das CAPM
ein verlässliches Modell sein, so dürfen wir am Markt keine Basispreise beobachten, die
jenseits der kritischen Ausübungspreise liegen. Und genau diese Beobachtung macht er
dann auch im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit. Damit kann man das CAPM -
wenigstens an dieser Stelle - wohl tatsächlich retten.
Das von entwickelte TSPM ist ein Kapitalmarktgleichgewichtsmodell, das stets im
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Schatten des CAPM gestanden hat. In der Lehrbuchliteratur wird es oft genug nicht
einmal erwähnt. Ein wesentlicher Grund für diese Rolle des Mauerblümchens spielt wohl
die Tatsache, dass das (klassische) CAPM geringere Anforderungen an die Nutzenfunk
tionen der Marktteilnehmer stellt als das (klassische) TSPM. Husmann zeigt, dass sich
die indirekte Nachfragefunktion des TSPM unter der Bedingung, dass die Marktteilneh
mer quadratische Nutzenfunktionen besitzen oder die Cashflows der Finanztitel und des
Marktportfolios normalverteilt sind, in die Nachfragefunktion des CAPM überführen lässt.
Es ist sinnvoll, weder das eine noch das andere vorauszusetzen. Befleißigt man sich dieser
Tugend, so kommt man zu einer aggregierten Nachfragefunktion nur über den repräsen
tativen Investor, der allerdings konstante relative Risikoaversion besitzen muss. Husmann
leitet eine TSPM-Preisgleichung unter der Annahme her, dass die Cashflows der Finanz
titel und des Marktportfolios lognormalverteilt sind. Im Anschluss daran werden CAPM
und TSPM-Preise von Optionen systematisch miteinander verglichen.
Wer Optionen in der Tradition von Black und Scholes bewerten will, braucht Informa
tionen über mindestens fünf Tatbestände: den gegenwärtigen Preis des Underlyings, den
Basispreis, den risikolosen Zins, die Laufzeit und die Volatilität. Mit Ausnahme der Vola
tilität lassen sich alle Parameter beobachten. Die Volatilität wird gerne implizit geschätzt.
Der Verfasser diskutiert mögliche Erklärungen für den volatility smile gründlich und fügt
den bisher bekannten Gründen einen weiteren hinzu. Es könnte sein, dass die Märkte
unvollständig sind und das CAPM gültig ist. Je größer der Ausübungspreis eines Calls
ist, um so größer ist die Schiefe seiner Cashflows. Da die Marktteilnehmer im TSPM ei
ne positive Zahlungsbereitschaft für schiefe Cashflows haben, sind die CA PM-Preise der
Optionen tendenziell zu niedrig, und zwar um so deutlicher, je größer der Ausübungspreis
ist. Unvollständige Märkte und ein CAPM auf der Basis lognormalverteilter Cashflows
können den volatility smile also sehr gut erklären.
Die Nachfrage nach Betafaktoren ist groß. Agenturen wie Reuter und Bloomberg befrie
digen diese Nachfrage in der Weise, dass Betas aus Zeit reihen historischer Aktiendaten
geschätzt werden. Siegel hat ein Konzept entwickelt, Betafaktoren aus Optionspreisen
abzuleiten. Dieser Weg ist theoretisch interessant, aber praktisch bislang nicht vielver
sprechend, weil man die Marktdaten von exchange options braucht. Husmann weist nach,
dass die von Siegel beschriebene Methode mit systematischen Schätzfehlern behaftet ist.
Er macht klar, dass sich diese Fehler vermeiden lassen, wenn man die implizite Schätzung
der Betafaktoren auf der Grundlage des CAPM mit lognormalverteilten Cashflows vor
nimmt. Bemerkenswert daran ist, dass man bei den Schätzungen dann nicht mehr auf
exchange options angewiesen ist, sondern gewöhnliche Optionen verwenden kann. Ich
wünsche der Arbeit aufmerksame Leser.
Prof. Dr. Lutz Kruschwitz
VII
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Zeit als Mitarbeiter am Institut für
Bank-und Finanzwirtschaft der Freien Universität Berlin. Sie wurde im Sommersemester
2001 als Dissertation angenommen. Während ihrer Entstehungszeit habe ich von mehre
ren Menschen Rat und Unterstützung erhalten, wofür ich mich an dieser Stelle bedanken
möchte. Insbesondere gilt mein Dank meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Lutz Krusch
witz, der mir bei meinen anfänglichen Forschungsbemühungen viele Freiheiten ließ, mir
jederzeit für ausführliche und anregende Diskussionen zur Verfügung stand und in der
Endphase in der Lage war, mich zu einem zügigen Abschluss zu motivieren. Herrn Prof.
Dr. Peter Kuhbier, meinem Zweitgutachter, danke ich für kritische Hinweise, vor allem zu
mathematisch-formalen Fragen. Wertvolle Anregungen habe ich auch von Herrn Prof. Dr.
Dr. Andreas Löffler erhalten, dessen eigene Arbeiten zur Nutzentheorie die ökonomischen
Interpretationen meiner Ergebnisse wesentlich beeinflusst haben. Ganz herzlich danke ich
unserer langjährigen Sekretärin Frau Renate Mauersberger für die abschließende und sehr
sorgfältige Durchsicht meines Manuskripts und nicht zuletzt auch meinen Eltern, die mir
diese Ausbildung ermöglicht haben.
Sven Husmann
IX
Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis XI
1 Einleitung 1
2 Definitionen und Annahmen 5
2.1 Marktannahmen ...... . 5
2.2 Erwartungen der Marktteilnehmer ..... 6
2.3 Nutzenfunktionen und Budgetrestriktionen . 9
3 Bewertung von Optionen mit dem CAPM 13
3.1 Individuelle Optimierung und Kapitalmarktgleichgewicht 13
3.2 Bewertung von Optionen mit dem LCAPM .... 16
3.3 Eigenschaften der LCAPM-Bewertungsgleichung . 21
3.4 Arbitragefreiheit im CAPM-Gleichgewicht 29
4 Bewertung von Optionen mit dem TSPM 37
4.1 Individuelle Optimierung und Kapitalmarktgleichgewicht 37
4.2 LCAPM und LTSPM im Vergleich ........... . 44
4.3 Bewertung von Optionen mit dem LTSPM ....... . 51
4.4 Bewertung von Optionen nach Lee/Rao/ Auchmuty (1981) 52
4.5 Eigenschaften der LTSPM-Bewertungsgleichung ... 56
5 Implizite Erwartungen und implizite Betafaktoren 63
5.1 Implizite Volatilität ................ . 63
5.2 Implizite risikoneutrale Dichtefunktionen (IRND) 68
5.3 Implizite subjektive Dichtefunktionen (ISD) 72
5.4 Implizite Betafaktoren ..... . 80
6 Zusammenfassung der Ergebnisse 87
A Anhang: Lognormalverteilung 89
A.1 Spezielle Integrale . . . . . . . 89
A.2 Erwartungswert, Variall7 und Kovarianz 91
BAnhang: LCAPM-Renditegleichung 92
Literaturverzeichnis 93
XI
Abb ildungsverzeichnis
1 Callpreise in Abhängigkeit vom Korrelationskoeffizienten 27
2 Callpreise in Abhängigkeit vom Basispreis ... . . . . . 31
3 Die Funktion f(x) = X:~~l für ausgewählte Werte von b 47
4 LTSPM- und LCAPM-Wertpapiermarktlinien ..... . 50
5 LTSPM- und LCAPM-Callpreise im Vergleich (ßs = 0,5) 61
6 Risikoneutrale Wahrscheinlichkeiten und Kapitalstruktureffekte 65
7 Implizite Volatilität auf Basis von LCAPM-Preisen 67
8 Matching Volatility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
9 Definitionsbedingte Messfehler bei SIEGEL (1995) ...... . 83
10 Implizite Betafaktoren von Optionen am 2.1.90 um 10.00 Uhr 85
Tabellenverzeichnis
1 Beispieldaten LCAPM 16
2 Beispieldaten LTSPM . 48
3 Übersicht zu den nutzentheoretischen Effekten im LTSPM und LCAPM . 62
4 Parameter der Kleinst-Quadrate-Schätzung . . . . . . . . . . . . . 76
5 Empirische und theoretische Optionspreise am 2.1.90 um 10.00 Uhr ... 77
1
1 Einleitung
Seit der bahnbrechenden Arbeit von BLACK UND SCHOLES (1973) ist die Arbitragetheorie
das grundlegende Konzept zur Bewertung von Derivaten. Die Bestimmung eindeutiger
Optionspreise mit der Arbitragetheorie setzt voraus, dass die Kapitalmärkte vollständig
sind. Auf vollständigen Märkten können Derivate durch Duplikation ihrer Cashflows mit
einem Portfolio aus bereits am Kapitalmarkt gehandelten Finanztiteln bewertet werden.
In dieser Arbeit wenden wir uns von diesem Bewertungskonzept ab und setzen bei der
Analyse von Optionspreisen unvollständige Kapitalmärkte voraus. Folgende Argumente
sprechen für diese Modifikation des Bewertungskonzepts: Ross (1976a) hat gezeigt, dass
effiziente Kapitalmärkte durch Derivate vervollständigt werden können. Nach HAKANS
SON (1978) führt die Vervollständigung von Kapitalmärkten zu positiven Wohlfahrtsef
fekten. Solange die Märkte unvollständig sind, besteht für die Marktteilnehmer daher ein
Anreiz, derivative Geschäfte abzuschließen. Auf vollständigen Märkten können Derivate
hingegen nicht zu einer Paretoverbesserung beitragen. Die Begründung dafür liefert das
oben erwähnte Bewertungskonzept selbst. Wenn Derivate durch am Kapitalmarkt bereits
gehandelte Finanztitel dupliziert werden können, sind sie offensichtlich redundant. Warum
sie dann überhaupt existieren, kann durch die Arbitragetheorie nicht erklärt werden.' An
gesichts des enormen Wachstums der Märkte für Derivate in den letzten drei Jahrzehnten
stellt sich daher die Frage, ob die Arbitragetheorie ein geeignetes Konzept zur Bewertung
von Optionen ist.
Im Unterschied zur Bewertung von Optionen auf vollständigen Märkten erfordert die
Bewertung von Optionen auf unvollständigen Märkten grundsätzlich die Kenntnis der Ri
sikopräferenzen der Marktteilnehmer. Unter dieser Voraussetzung können entweder Wert
grenzen von Optionen auf der Ebene individueller Entscheidungskalküle bestimmt oder
die Preise von Optionen im Rahmen von Gleichgewichtsmodellen ermittelt werden. Un
abhängig von den Präferenzen der Marktteilnehmer müssen die Preise von Optionen auf
arbitragefreien Märkten innerhalb bestimmter Wertgrenzen liegen.2 Diese Wertgrenzen
können erheblich restriktiver formuliert werden, wenn - auch ohne die Kenntnis expli
ziter Nutzenfunktionen - bestimmte Eigenschaften von Erwartungsnutzenfunktionen be
kannt sind. PERRAKIS UND RYAN (1984), LEVY (1985) und RITCHKEN (1985b) haben
Wertgrenzen für Optionen entwickelt, die auf dem Konzept der stochastischen Domi
nanz beruhen.3 In dieser Arbeit werden wir jedoch nicht weiter auf die Bestimmung von
1 Auf den Widerspruch hat bereits HAKANSSON (1979) mit "the catch 22 of option pricing" hingewiesen.
Vgl. hierzu auch ZIMMERMANN (1998), S. 240-244.
2Vgl. z. B. Cox UND RUBINSTEIN (1985), S. 127ff.
3Die Anwendung des Konzeptes der stochastischen Dominanz erfordert lediglich Kenntnisse über die
partiellen Ableitungen erster, zweiter, dritter oder höherer Ordnung von Erwartungsnutzenfunktionen.