Table Of ContentBewegungstherapie in der Kardiologie
Bewegungstherapie in
der Kardiologie
Eine Bestandsaufnahme
Herausgegeben von
H. Weidemann und L. Samek
Mit 72 Abbildungen und 9 Tabellen
I
Steinkopff Verlag Darmstadt 1982
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Bewegungstherapie in der Kardiologie:
e. Bestandsaufnahme I hrsg. von H. Weidemann u.
L. Samek. ~ Darmstadt: Steinkopff, 1982
NE: Weidemann, Hermann [Hrsg.]
[SBN-13: 978-3-642-85757-7 e-[SBN-13: 978-3-642-85756-0
DO[: 10.10071978-3-642-85756-0
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(insbesondere des Nachdruckes und der Obersetzung)
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© 1982 by Dr. Dietrich Steinkopff Verlag, GmbH & Co. KG, Darmstadt
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ren und daher von jedermann benutzt werden dUff ten.
Gesamtherstellung: betz-druck gmbh, 0-6100 Darmstadt 12
Gestaltung und grafische Arbeiten: Rainer Jager und Hans-Joachim Heinz
Sekretarielle Arbeiten: Dorothea Schmidt-Kiecksee
Vorwort
"Bewegungstherapie" , zum Beispiel nach einem Herzinfarktereignis, wurde vor noch nicht allzu
langer Zeit von vielen Uninformierten praktisch mit "Rehabilitation" nach dieser Erkrankung
gleichgesetzt bzw. verwechselt und damit vie! Verwirrung angestiftet. Aus unserer Sicht ist "Be
wegungstherapie" ein integrierter wesentlicher Bestandteil im Gesamtkomplex einer umfassenden
kardiologischen Rehabilitation und als solcher seit vie!en Jahren Gegenstand wissenschaftlicher
Forschung und praktischer Arbeit. Da dies in unserem eigenen Arbeitskreis in besonderem Ma13
der Fall ist, hatten wir uns entschlossen, das Thema "Theorie und Praxis der Bewegungstherapie
in der Kardiologie - eine Bestandsaufnahme" zum Gegenstand des ErOffnungskongresses der
Theresienklinik Bad Krozingen im September 1981 zu machen. Die tiber 300 Teilnehmer des Kon
gresses setzten sich entsprechend der Kongrel3thematik aus Arzten und Therapeuten zusammen,
welche die Bewegungstherapie in der Klinik und in der arztlichen Praxis durchzufUhren haben.
Mit der Publikation dieses Buches wollen wir insbesondere der starken Zunahme bewegungsthe
rapeutischer Aktivitaten in den Kurkliniken bei Anschlul3heilbehandlungen und in den ambulan
ten Coronarsportgruppen Rechnung tragen. Bewegungstherapie in der Kardiologie erfordert kri
tische, gut ausgebildete Arzte und Therapeuten, die in der Lage sind, eine dem individuellen
Krankheitsbild des Patienten angepal3te Indikation oder Kontraindikation fUr dies en Therapie
zweig zu erarbeiten und danach einen medizinisch begrtindeten Therapieplan durchzufUhren. Wir
hoffen, mit unserer Publikation allen Interessierten eine wertvolle Aus-und Fortbildungshilfe auf
dem augenblicklichen Wissensstand anhand geben zu konnen.
Ftir die geleistete Arbeit bei der Fertigstellung des Buches mochten wir Frau Schmidt-Kiecksee,
Frau Strick, Herrn Heinz und Herrn Jager un sere Anerkennung aussprechen. Der Firma
Cassella-Riedel Pharma GmbH, insbesondere Herrn Stahmer, gilt unser Dank fUr die Untersttit
zung des Kongresses und Forderung der Drucklegung des Buches.
Bad Krozingen, im Marz 1982 H. WEIDEMANN, L. SAMEK
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ........................................................................ v
I. Die Bedeutung der korperlichen Aktivitiit in der primiiren Priivention der coronaren
Herzkrankheit
Die Rolle der korperlichen Aktivitat in der primaren und sekundaren Pravention der
coronaren Herzkrankheit
R. S. Paffenbarger, Jr. ........................................................... .
Zur Frage der Kollateralenbildung des HerzkranzgefaBsystems durch korperliches
Training
K. Scheel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 12
Die Auswirkungen korperlichen Ausdauertrainings auf das Herz- und Kreislaufsystem
H. Reindell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17
Die biochemischen Veranderungcn durch korperliches Ausdauertraining
A. Berg, J. KeuI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27
Die Veranderungen der Gerinnungsphysiologie bei korperlichem Ausdauertraining
B. Ritter ........................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 33
II. Bewegungstherapie in der Friihmobilisation des Herzinfarktes
Die Klinik der Fruhmobilisation des Herzinfarktpatienten
D. Jeschke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 43
Praktische DurchfUhrung der Fruhmobilisation der Herzinfarktpatienten durch
die Krankengymnastin
U. Jakuszeit, R. Laue, M. Rahn, D. Jeschke .......................................... 53
III. Bewegungstherapie in der Anschlu6heilbehandlung (AHB) des lIerzinfarktpatienten
Stellenwert diagnostischer Methoden fUr Indikation und Kontraindikation der Bewegungsthera
pie des Herzinfarktpatienten
H. Weidemann ................................................................... 57
Langsschnittuntersuchungen mehrjahriger Bewegungstherapie nach Herzinfarkt
R. Buchwalsky . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 70
Der Einflul3 herzwirksamer Medikamente auf die DurchfUhrung der Bewegungstherapie bei
Herzinfarktpatienten
H. Klepzig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 77
IV. Die Bewegungstherapie in der Anschlu6heilbehandiung (AHB) nach coronarchirurgischer
Revaskularisation und nach Herzklappenoperation
Theoretische Grundlagen fUr die Bewegungstherapie nach Herzoperationen
L. Samek, U. Schoene, H. Roskamm ................................................ 84
Die praktische DurchfUhrung der Bewegungstherapie nach Herzinfarkt und Herzoperationen
durch Krankengymnastinnen und Gymnastiklehrerinnen
K. Meyer, H. Weidemann, L. Samek ................................................ 94
V. Die Bewegungstherapie in "Coronargruppen" und "Coronariibungsgruppen"
Theoretische Grundlagen und kritische Beurteilung der verschiedenen Modelle
R. Rost ......................................................................... 104
Praxis der Bewegungstherapie der ambulanten Gruppen
D. Lagerstr0m. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Der Stellenwert der Bewegungstherapie im Gesamtkonzept der kardiologischen Rehabilitation -
eine Bestandsaufnahme aus 30 lahren Erfahrung
M. Halhuber. .................................................................... 116
Verzeichnis der Referenten ......................................................... 121
DIE ROLLE OER KORPERLICHEN AKTIVITAT IN OER PRIMAREN UNO
SEKUNOAREN PRAVENTION OER CORONAREN HERZKRANKHEIT
Ralph S. Paffenbarger, Jr.
DaB korperliche Aktivitiit zur Gesundheit und zum Wohlbefinden durch physische und psychi
sche Verbesserung vieler Organsysteme bedeutend beitragt, findet zunehmende Anerkennung.
1m besonderen ist man sich der starken umgekehrten Beziehung zwischen korperlicher Aktivi -
tiit und der I nzidenz todlicher und nichttodlicher I nfarkte bewuBt. Es hat seine guten Griinde,
daE korperliche Aktivitiit Unterstiitzung gewinnt, entweder als praventive Versicherung oder
weil man glaubt, daE sie wie die Tugend ihren Lohn in sich tragt. Wahrend eines knappen Jahr
zehnts hat die Teilnahme an popularen Sportarten und anstrengenden Freizeittiitigkeiten in der
westlichen Welt einen phiinomenalen Aufschwung genommen. Anzeichen mehren sich, daE die
se soziale Manifestation nicht nur eine voriibergehende Mode ist und daE sie weittragende Aus
wirkungen haben wird auf die Planung der Gesundheitserhaltung und die Tiitigkeiten vieler Men
schen. Man hat sie als eine der markantesten Veriinderungen des Lebensstils des 20. Jahrhun -
derts bezeichnet.
Primiire Priivention des Herzinfarktes
Epidemiologische Untersuchungen iiber die Beziehung zwischen korperlicher Aktivitiit und
H.-Infarktrisiko sind umfangreich und manigfaltig. Die Publikationen des Engliinders J. N. Mor
ris' die sich mit der Beziehung zwischen beruflicher sowie freizeitlicher Korperbetiitigung und
cardiovasculiirer Leistungsfiihigkeit und Herzinfarkt befassen, werden als bahnbrechend angese
hen. Morris und Mitarbeiter fanden , daB die sehr aktiven Schaffner der Londoner Omnibusse
ein geringeres Herzinfarktrisiko aufwiesen als die Fahrer, die nur am Lenkrad sitzend arbeiteten
( 1-3 ). Die Befunde waren iihnlich, als Morris die Arten der Freizeitaktivitiit tausender Beamter
iiberpriifte und deren Herzinfarktrisiko wiihrend einer Beobachtungsperiode auswertete ( 4-5 ).
Oiese Untersuchungen lenkten die Aufmerksamkeit auf die potentielle Wichtigkeit der korperli
chen Aktivitiit und auf die Notwendigkeit, weitere Untersuchungen durchzufiihren. Morris
Bericht No. XXII in einer Serie iiber chronische Krankheiten bei ehemaligen Universitiitsstu -
denten.
Diese Arbeit wurde durch United States Public Health Service Research Grant HL 24133 des
National Heart, Lung and Blood Institutes unterstiitzt.
Fiir die Obersetzung dieser Arbeit mochte ich Frau Dr. Elfriede Fasal besonders danken.
.-t= HAFENARBEITER in SAN FRANCISCO
-Qe)
« 150 Energieaufwand der Arbeit 1.5
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Gesamt 35 -44 45 -54 55 -64 65 -74
( fur Altersunterschlede Alter zur Zeit des Todes
korrigiert )
Abb. 1 Todliche Herzinfarkte bei ~ 4000 Hafenarbeitern in San Francisco. Beobachtungszeit 1951 . 1972, per
10000 Mann-Jahre der Arbeit. Energieaufwand der Arbeit und Alter zur Zeit des Todes.
HAFENARBEITER in SAN FRANCISCO
Relatives Risiko todlicher Herzinfarkte in %
100
%
75
50
p <.0003
25
Referenzwert
I
____
O~----~----~--~ -L_ ___~ ____L -__~
4 750 5 750 6 750 7 750 8 750 9750 10750
Arbeitsaktivitiit ( Kcal / Woche )
Abb. 2 Multiple logistische Regressionsanalyse des todlichen Herzinfarktrisikos bei Hafenarbeitern aus San Fran -
cisco (1951-1972) zur lIIustrierung der Rolle des Energieaufwandes der Arbeit in Abhiingigkeit vorn Risiko
(Referenzwert 4750 Kcal/Woche). Das Risiko eines todlichen Herzinfarktes sinkt progressiv auf 50 Prozent,
wenn der Energieaufwand auf 9500 Kcal/Woche erhoht wird.
2
selbst 109 aus seinen Untersuchungen den Schlu~,da~ ein ma~iges Ausma~ von ki:irperlicher Ta
tigkeit , gleichgliltig ob in oder au~erhalb des Berufes, das Risiko des Herzinfarktes reduzieren
ki:inne, besonders wenn sie zum Teil mit gri:i~erer ki:irperlicher Anstrengung verbunden war. An -
dere fUhrende Faktoren in Betracht ziehend wie Zigarettenrauchen, Somatotyp, Blutdruck, Fa -
milienanamnese und Blutlipide, kam er zu der Schlu~folgerung, da~ zeitgema~e Gewohnheiten
in der Ki:irperbetatigung unabhangig dazu beitragen, das Herzinfarktrisiko zu reduzieren.
Weitere Untersuchungen liber Herzinfarktraten und berufliche ki:irperliche Aktivitat wurden an
Brieftragern und Postangestellten ( 6 ), Bauern und Nichtbauern ( 7 ), israelischen Kibbutzarbei
tern mit diversen Beschaftigungen ( 8 ), Eisenbahnarbeitern und -bliroangestellten ( 9) und San
Francisco Dockarbeitern und Verladern ( 10) durchgeflihrt. Obwohl diese und andere Untersu -
chungen ein geringeres Herzinfarktrisiko bei hi:iherem Aktivitiitsgrad anzeigten, lOgen sie nicht
aile Fragen liber Ernahrung , Vererbung, Stress, Zigarettenrauchen und andere potentielle Ein
flu~faktoren in Betracht.
Einige Untersuchungen ergaben keine Differenzen in Herzinfarktrisiken zwischen Gruppen von
Arbeitnehmern in der Regierung ( 11 ) und Arbeitnehmern in der Privatindustrie ( 12, 13 ),
mi:iglicherweise, weil die Verschiedenheiten der ki:irperlichen Aktivitat in diesen Tatigkeiten zu
gering waren oder weil andere Einfllisse, wie zum Beispiel Freizeitaktivitat nicht berlicksichtigt
wurden ( 14 ). Eine Untersuchung, in der 16 kulturell verschiedene Gruppen von Mannern in
7 Landern, die liber 10 Jahre verfolgt wurden, ergab keine einheitlichen Resultate. Schwierig -
keiten in der Definition oder dem Auswerten des Aktivitatsgrades in den verschiedenen inter -
nationalen Milieus komplizieren Vergleiche innerhalb oder zwischen solchen Untersuchungs
gruppen ( 15 ). Was internationale Untersuchungen anlangt, sind die Beziehungen zwischen
coronarer Herzkrankheit und ihren Risikofaktoren sehr kompliziert, und Lebensgewohnheiten
mlissen sorgfaltig charakterisiert und genau studiert werden, wenn man gliltige Foigerungen aus
ihnen ziehen will.
Berufliche ki:irperliche Aktivitiit
Die Befunde liber die berufsbedingte ki:irperliche Aktivitat und die ti:idlichen Herzinfarkte der
San Francisco Hafenarbeiter sind von Interesse, weil sie ein weites Spektrum des Energieaufwan
des umfassen und auf aktuelle physische Messungen in der eigentlichen Berufssituation basieren
und eine 22--jahrige Beobachtung der Arbeitsaufgaben und der Infarkte nach einer multiphasi -
schen Untersuchung bei einigen tausenden Verladern und anderen Dockarbeitern ermi:iglichen
( 16 -19 ). Obwohl die Wahl einer Hafenarbeiterkarriere auf eine ererbte robuste Konstitution
hindeuten ki:innte, verlangten Gewerkschaftsvorschriften, da~ aile Hafenarbeiter mindestens
wahrend ihrer ersten flinf Dienst jahre in ki:irperlich anstrengenden Beschaftigungen als Verlader
arbeiten mu~ten und manche setzten diese Schwerarbeit liber viele Jahre fort. Der Durchschnitt
war 13 Jahre. Man kann also annehmen, da~ vererbte cardiovascu lare Unterschiede keine liber
zeugende Erklarung darstellen fUr die Unterschiede, die wir beobachteten, wenn wir die Hafenar
be iter entsprechend des Grades ihrer Energieleistung wahrend der Beobachtungszeit gruppierten.
Abbildung 1 zeigt die ti:idlichen Herzinfarktraten von 3 686 San Francisco Hafenarbeitern wah
rend der Jahre 1951 -1972 per 10 000 Mann-Jahre der Arbeit, bei Alter zu r Zeit des Todes und
Energieaufwandstatus der Tatigkeiten. Kalkulationen des Energieaufwandes beruhen auf tat.
3
sachliche Beobachtungen und Messungen der Hafenarbeiter bei den verschiedenen Tatigkeiten
und haben Pausen und Zeiten geringer Arbeitsintensitat zwischen Episoden der Schwerarbeit in
Betracht gezogen. Tatigkeiten wurden jedes Jahr uberpruft, um einem eventuellen Wechsel Rech
nung zu tragen, aber das anderte die Befunde nicht wesentlich. Ungefahr 11 % ( 395) der Ha
fenarbeiter erlagen Herzinfarkten wah rend der 22-jahrigen Beobachtungsperiode. Manner, die
8 500 oder mehr Kilokalorien ( Kcal ) pro Arbeitswoche aufwendeten ( 32 % der Mann -Jahre
unter Beobachtung ), hatten ein signifikant geringeres R isiko todlicher H -Infarkte in jedem Al
ter als Manner, deren Beschaftigung weniger schwere Arbeit erforderte. Der Effekt ist propor·
tionell am groBten in den jungeren Altersgruppen, aber bedeutsam in allen untersuchten Alters
gruppen; das ist besonders wichtig, weir die Hafenarbeiter eine stabile Arbeitergruppe darstell -
ten, die die Tendenz hatte, in dieser Industrie zu bleiben und ihr ganzes Leben hindurch Schwer
arbeit zu leisten. Unsere Untersuchung zeitigte keine Befunde uber die Freizeitaktivitat der Ar
beiter, die als minimal eingeschatzt wurde.
Wir untersuchten die Zeitabstande zwischen Herzinfarkt u. Tod der San Francisco Hafenarbei -
ter, die an coronarer Herzkrankheit wahrend der 22 Jahre zwischen 1951 -1972 gestorben wa
ren. Diejenigen, die nach einem beobachteten Infarkt innerhalb einer Stunde oder bei Ankunft
im Spital gestorben waren, wurden als plotzliche Todesfalle klassifiziert. Diejenigen, die spater
als eine Stunde nach einem I nfarkt starben, wurden als "verzogerte" Todesfalle angesehen. Die -
jenigen, bei denen das Intervall nicht bekannt war, wurden als "nicht spezifiziert" bezeichnet
und, wie man sieht, gleicht ihr relatives Risiko dem der "verzogerten" Kategorie. Warnungs -
symptome, die die Arbeitsaktivitat oder die Tatigkeiten beeinfluBt hatten, traten vielleicht bei
den plotzlichen Todesfallen weniger haufig in Erscheinung, aber Arbeiter mit hohem Energieauf
wand hatten ein viet geringeres Risiko eines plotzlichen Todes als ihre weniger aktiven Kollegen.
Befunde uber nicht todliche Herzinfarkte unter den Hafenarbeitern waren nicht erhaltlich, aber
die robusten Verlader neigten vielleicht nicht nur weniger zu H.-Infarkten, sondern waren auch
besser geeignet, sie zu uberleben. Auf aile Faile sollte die plotzliche Todeskategorie eine geringe
re Zahl von Schwerarbeitern aufweisen, wie das auch zu sehen ist.
Die Beziehung zwischen anstrengender korperlicher Tatigkeit im Beruf und einem niedrigeren
Risiko todlicher H.-Infarkte ist wenigstens teilweise unabhangig von anderen Risikofaktoren fur
die coronaren Herzerkrankungen. Das heiBt, bei groBerem Energieaufwand ist das Herzinfarktrisi
ko geringer sowohl bei starken Rauchern als auch bei Nichtrauchern, bei hoheren Blutdruckwer
ten, bei vorangegangener Herzkrankheit, bei Fettleibigkeit, bei abnormalem Glukosestoffwech
sel und bei exzessivem Blutcholesterin. Was die sekundare Pravention todlicher Herzinfarkte be
trifft, so ist erwahnenswert, daB die vie I Energie aufwendenden Verlader, die schon einmal einen
Herzinfarkt erlitten hatten, nur ein halb so groBes Risiko todlicher Herzinfarkte zeigten als die
weniger aktiven Hafenarbeiter mit diagnostizierter Herzkrankheit. I n den Gewerkschaftsregeln
gehorte es, daB Manner nach einer Erkrankung zu ihrer fruheren Beschaftigung zuruckkehrten,
selbst wenn die damit verbundene Arbeit groBe Anstrengung verlangte, und viele taten dies
auch. Diese Regel scheint fur Schwerarbeiter nicht unvorteilhaft gewesen zu sein.
Mit H ilfe einer multiplen logistischen Regressionsanalyse ist es moglich, die Effekte von Lebens -
alter, Beobachtungsperiode, Zigarettenrauchen, Blutdruck, Obergewicht und vorangegangenem
Herzinfarkt zu eliminieren, so daB man den EinfluB naher beschreiben kann, den der Energieauf
wand in der Bestimmung des todlichen Herzinfarktrisikos spielt. Ein Referenzwert von 4750
Kcal per Woche wurde gewahlt, der etwas niedriger ist als der Grenzwert von 8 500 Kcal, den
wir als Definition fur die niedrigen und hohen Energieaufwandkategorien benutzen. Abbildung 2
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