Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr.1111
Herausgegeben
im Auftrage des Ministerpriisidenten Dr. Franz Meyers
von Staatssekretiir Professor Dr. h. c. Dr. E. h. Leo Brandt
DK 65.012.2
65.012.122
Prof. Dr.-lng. Joseph Mathieu
Dr.-lng. Werner Zimmermann
Inslilll! fur Arbeitswissenschaf! der Rhein.-Wesif. Technischen Hochschlile Aachen
Bestimmung des optimalen Produktionsprogrammes
in Industriebetrieben
(Rationalisierung der Programmplanung)
SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH
ISBN 978-3-663-06226-4 ISBN 978-3-663-07139-6 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-07139-6
Verlags-Nr. 011111
© 1962 Springer Fachmed,en Wiesbaden
Originally published by Westdeutscher Verlag Koln, und Opladen 1962
Inhalt
1. Einfiihrung ......................................................... 7
2. Die theoretischen Grundlagen der Produktion .. . . .. . . .. . . . . . . . . . ... . .. 10
2.1 Die Produktionsfaktoren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . .. . . . .. 10
2.2 Die Produktionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11
2.3 Die Produktionsbeschrankungen ................................... 23
2.4 Die Produktionsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 24
2.5 Die Kostenfunktion .............................................. 27
2.6 Die Erlosfunktion . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 31
3. Das optimale Produktionsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.1 Die graphische Behandlung des Problems ........................... 33
3.11 Das Gewinnmaximum bei stetigen (differenzierbaren) Kosten- und Erlos-
funktionen ...................................................... 33
3.12 Das Gewinnmaximum bei stetig- oder gebrochen-linearen Kosten- und
Erlosfunktionen ................................................. 36
3.2 Die mathematische Programmierung des Problems ................... 38
3.21 Die Programmierung bei stetig konvexen Gewinnfunktionen .......... 39
3.22 Die Programmierung bei stetig- oder gebrochen-linearen Gewinnfunk-
tionen .......................................................... 41
4. Die Ermittlung des optimalen Produktionsprogrammes cines
Industriebetriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 47
4.1 Die Aufstellung des Betriebsmodells ................................ 47
4.2 Die Ermittlung der Losung ....................................... 54
4.3 Die Interpretation der Losung ..................................... 55
5. Zusammenfassung und kritische Betrachtung . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 61
6. Literaturverzeichnis ................................................. 63
7. Anhang: Die Simplex-Tabellen ....................................... 67
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1. Einfiihrung
Ziel jeder Produktion ist die wirtschaftliche Erstellung von Giitern und Dienst
leistungen, d. h. die Erstellung nach dem okonomischen Prinzip. Dies besagt,
daB mit geringstmoglichem Aufwand ein bestimmter Erfolg, die Kostenmini
mierung, oder aber mit gegebenen Mitteln der groBtmogliche Erfolg, die Erfolgs
maximierung, erzielt werden solI. Die Verbesserung der Produktivitat, Wirt
schaftlichkeit und Rentabilitat einer Unternehmung und das Anstreben von
optimalen, also kostenminimalen bzw. gewinnmaximalen Produktionsyerhalt
nissen sind deshalb stets Gegenstand der Bemiihungen der Unternehmensleitung.
In den letzten Jahren suchte man, insbesondere unter dem EinfluB der Vollbe
schaftigung, diesem Ziel durch Rationalisierung des Produktionsprozesses durch
aus mit Erfolg naher zu kommen.
In der vorliegenden Untersuchung solI nun ein Weg aufgezeigt werden, wie
schon durch die Rationalisierung des Produktionsprogrammes, also die Wahl
eines optimalell Produktionsprogrammes, gallz erhebliche Verbesserungen der
Produktivitat und Rentabilitat erzielt werden konnen. Bei der Planung des
Produktionsprogrammes, der insbesondere bei V ollbeschaftigung eine groBe
Bedeutung zukommt, geht es im wesentlichen um die Beantwortung folgender
Fragen:
1. Was solI produziert werden?
Welche Erzeugnisse sollen bevorzugt produziert bzw. welche sollen wegen
ihres niedrigen Gewinnbeitrages nur in Sonderfallen hergestellt werden?
2. Wieviel solI produziert werden?
In welchen Mengen konnen die einzelnen bevorzugten Produkte sowohl
hinsichtlich der beschrankten Kapazitat des Maschinenparkes und der Ar
beitskrafte als auch hinsichtlich der nur begrenztenAufnahmefahigkeit des
Absatzmarktes erzeugt werden?
3. Wie solI produziert werden?
Auf welchen Maschinen bzw. durch welches Produktionsverfahren sollen die
Produkte gefertigt werden, damit moglichst alle Kapazitaten ausgenutzt
werden und so eingesetzt sind, daB der auf die Einheit eines Produktions
faktors entfallende Gewinn moglichst groB wird?
Bei der Beantwortung dieser Fragen stUtzt man sich herkommlicherweise auf die
empirisch-gefiihlmaBigen Oberlegungen des Praktikers, die jedoch um so
schwieriger und problematischer werden, je groBer der Industriebetrieb und je
vielseitiger das Programm ist.
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Ausgehend von den Grundlagen der volkswirtschaftlichen Produktions- und
Kostentheorie1, wurde im ersten Abschnitt der Untersuchung ein Produktions
modell erstellt, das die speziellen Produktionsverhaltnisse des Industriebetriebes
erfaBt und die Ausgangsbasis zur rechnerischen Bestimmung des optimalen
Produktionsprogrammes darstellt.
Man muB sich daruber im klaren sein, daB ein Modell eine gedankliche Hilfskon
struktion zur logischen Behandlung eines Problemes darstellt und vereinfachen
den Charakter besitzt, d. h. Einfliisse von relativ geringem Gewicht vernach
liissigt und nur den reprasentativen Charakter eines Problems erfaBt.
Das entwickelte Modell stellt sich dar als ein System von Gleichungen, die be
sagen, daB innerhalb gewisser Grenzen, z. B. im Bereich von 100-200 Produkt
einheiten, die erzeugte Produktmenge proportional dem Faktorverbrauch ist.
Sodann wird gezeigt, daB sich fur die speziellen Verhiiltnisse der Industrie,
insbesondere der Investitionsguterindustrie, bedingt durch konstantes Substitu
tions- und Faktormengenverhiiltnis sowie begrenzte Teilbarkeit und Verander
barkeit der Produktionsfaktoren, gebrochen-lineare, d. h. abschnittweise lineare
Kostenfunktionen ergeben.
Ebenso ergeben sich je nach den Preisen fur die Produkte lineare oder gebrochen
lineare Erlosfunktionen und damit auch gebrochen-lineare Gewinnfunktionen.
Sollten sich ausnahmsweise stetig nicht-lineare Funktionen ergeben, so konnen
diese meist abschnittweise linearisiert werden.
Die Ermittlung des optimalen Produktionsprogrammes an Hand des entwickelten
Modells ist im zweiten Abschnitt der Untersuchung dargelegt, wobei zunachst
zur Verdeutlichung der Methode die graphische Darstellung benutzt, dann aber
zur Ermittlung des optimalen Produktionsprogrammes die mathematische
Programmierung2 herangezogen wurde. Sie ist eine analytische Methode zur
Losung von Extremalaufgaben und in den letzten Ja hren aus Veroffentlichungen
unter dem Namen Operations Research3 bekanntgeworden. Es wird gezeigt,
wie fur alle FaIle, in denen die Gewinnfunktion gebrochen-linear verlauft, das
optimale Programm mittels der linearen Programmierung4 ermittelt werden
kann, und zwar speziell mit Hilfe der Simplex-Methode5•
1m dritten Abschnitt des Berichtes wird an Hand eines Beispiels diese Berechnung
durchgefuhrt.
Es handelt sich dabei urn einen Fertigungsbetrieb der eisenverarbeitenden
Industrie, des sen betriebliche Situation definiert ist durch:
1. Kapazitat und Preise der Produktionsfaktoren,
2. der je Produkteinheit erforderliche Einsatz an Faktormengen,
3. Verkaufspreise der Produkte (ohne Preis des angelieferten und vorgefertigten
Materials ),
ISTACKELBERG [41, 42], SCHNEIDER [39, 40], WAFFENSCHMIDT [46, 47], GUTENBERG
[20-23], LASSMANN [30].
V AZSONYI [45].
3 Siehe hierzu [8, 9, 28].
, Siehe hierzu [4, 6, 14, 16, 17, 19,29,51].
5 DANTZIG [12, 13].
8
4. Hochst- und Mindestabnahmemengen der Produkte und
5. Preisnachlasse fur bestimmte Kunden und Produktmengen.
Die Rechnung wird manuell durchgefuhrt. Sie kann auch mit Hilfe des
Siemens-Digital-Rechners 2002 erfolgen. Sie liefert gleichzeitig fur die ge
gebenen Verhaltnisse
1. das gewinnmaximale Produktionsprogramm und gleichzeitig die gewinn
maximalen Produktionsverfahren, insofern als angegeben wird, auf welcher
von mehreren moglichen Maschinen dieses Produkt zweckmiiBigerweise ge
fertigt wird,
+
2. den Bruttogewinn (Nettogewinn fixe Kosten) pro Zeitabschnitt und
3. die Kapazitatsausnutzung der einzelnen Produktionsfaktoren.
Somit wird gezeigt, daB die Bestimmung des optimalen Produktionsprogrammes
auf der Grundlage des entwickelten Modells mittels der linearen Programmierung
ein relativ leicht zu handhabendes Verfahren zur Verbesserung der Produktivitat
und Rentabilitat ohne zusatzliche Investitionen darstellt und damit ein wertvolles
Hilfsmittel zur Rationalisierung in vollbeschaftigten Industriebetrieben ist.
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2. Die theoretischen Grundlagen der Produktion
Die Veroffentlichungen von TURGOT [44] und von THUNEN [43] tiber die land
wirtschaftliche Produktion sind als die altesten produktionstheoretischen Be
trachtungen anzusehen. Vnter dem EinfluG der mathematischen Schule der
NationalOkonomie entstanden vor etwa 25 Jahren einige grundlegende Arbeiten,
die richtungsweisend geworden sind ftir die thcoretisch- und empirisch-quanti
tative Betrachtungsweise wirtschaftlicher Tatbestande und Vorgange bei der
Produktion. Hier sind insbesondere die Werke von STACKELBERG [42] und
SCHNEIDER [39] zu nennen, auf denen die meisten weiteren produktions- und
kostentheoretischen Vntersuchungen6 fuGen.
2.1 Die Produktionsfaktoren
In der Produktionstheorie wird die Erstellung eines Produktes als Kombinations
prozeG aufgefaGt, d. h. das Produkt entstcht durch die Kombination von Pro
duktionsfaktoren. Als Produktionsfaktoren sind aufzufassen z. B. menschliche
Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe, die absichtlich in den ProduktionsprozeG
eingesetzt werden und den Einsatz (Verbrauch oder Aufwand) darstellen. Die
Produktionsfaktoren, die nicht wie der Werkstoff substantiell in die Produkte
eingehen, werden Potentialfaktoren7 genannt; diese sind im Zusammenhang
unserer Vntersuchung besonders wichtig.
Als MaGzahl ftir die Potentialfaktoren, fUr ihre Inanspruchnahme oder Leistungs
abgabe (Faktoreinsatzmenge), wird die Nutzungszeit r, gemessen in Std./Monat,
eingeftihrt; ri sei also die MaHzahl des i-ten Faktors, wobei i = 1,2, ... , m sein
kann.
Dcr Faktorpreis bezeichnet den Wert der Faktormengeneinhcit, der als Einsatz
im KombinationsprozeG fUr den Betrieb Kosten darstellt.
Wahrend im klassischen Modell die Produktionsfaktoren in ihrer Leistungsab
gabe variabel angenommen wurden, wird in den neueren Veroffentlichungen
immer wieder darauf hingewiesen, daG man die Leistungsintensitat eines Faktors
als konstant annehmen muG, urn eine sinnvolle Definition der Faktoreinheit zu
erhalten.
In Anlehnung an LASSMANN8 sol1 deshalb die Faktoreinheit als »Leistungs
potential mit konstanter Leistungsintensitat« definiert werden. Immer dann,
6 GUTENBERG [20-23], KILGER [27], LASSMANN [30], MESSMANN [35], WAFFENSCHMIDT
[47].
7 LASSMANN [30], S. 22ff.
8 LASS MANN [30], S. 22.
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wenn die Leistungsintensitat nicht konstant ist, handelt es sich nicht nur um einen
Faktor. Wenn z. B. eine Drehbank mit mehreren Spindeldrehzahlen bzw. Vor
schuben gefahren werden kann, so ist sie nach jeder Anderung der Drehzahl oder
des V orschubes als ein anderer Faktor anzusehen.
Das klassische Modell beruht auf der Annahme beliebiger Teilbarkeit der Pro
duktionsfaktoren und Produkte, weil nur unter dieser Voraussetzung die Funk
tionen stetig verlaufen und die Marginalanalyse, eine Grenzbetrachtung mittels
Differentialrechnung, angewendet werden kann.
»Volkswirtschaftlich ist die Annahme leichter zu rechtfertigen als betriebswirt
schaftlich. Hier kann der Einsatz einer einzigen Maschine einen erheblichen
Sprung im Kapitaleinsatz bedeuten, der in der V olkswirtschaft gegenuber dem
Gesamtkapital verschwindend klein ist9.«
In der industriellen Praxis ist diese beliebige Teilbarkeit also nicht vorhanden,
d. h. die Faktoren sind nur in Quanten erhaltlich. Gerade deshalb ist die ferti
gungstechnische Abstimmung der Maschinen in den verschiedenen Produktions
stufen so wichtig, um die kostenoptimale Ausnutzung aller Faktoren zu er
reich en.
Produktionsfaktoren, die untereinander austauschbar, d. h. gegenseitig vertretbar
sind, werden nach SCHNEIDER [39] substitutional und solche, die nur in einem
technisch bedingten festen Verhaltnis in das Produkt eingehen, werden limitational
genannt.
2.2 Die Produktionsfunktion
1m Mittelpunkt der Produktions-und Kostentheorie stehen die Produktionsfunk
tion und die daraus abgeleiteten Kostenfunktionen.
Die Produktionsfunktion ist die Beziehung zwischen den in den Produktions
prozeB eingesetzten Faktormengen r1, r2, ... , rm und der Ausbringung (Produkt
menge) x, wobei jeweils gleiche Faktor-und Produktqualitaten sowie nur positive
Faktor- und Produktmengen vorausgesetzt werden.
Sofern nur ein Produkt im KombinationsprozeB entsteht, ergibt sich die Produk
tionsfunktion:
x = f(R), (1)
wobei
R = (r1' r2, ... , rm) der VektorlO
der Faktoreinsatzmengen r1,
o ~ r1 fur alle i = 1,2, "', m.
9 WAFFENSCHMIOT [47], S. 58.
10 Wahrend Skalare mit kleinen Buchstaben bezeichnet werden, sollen Matrizen als
GroBbuchstaben gekennzeichnet werden, wobei Vektoren als einreihige oder ein
spaltige Matrizen aufgefaBt werden k6nnen.
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